20. Juni 2024
Saudi-Arabiens Mohammed bin Salman hat einen Traum: eine futuristische Wüstenstadt, die sich bis in die Wolken erhebt. Unten auf dem Boden der Tatsachen gleicht das Projekt eher einer Cyberpunk-Dystopie.
Dieses feuerspuckende Monster vom Burning-Man-Festival könnte das Wappentier von Neom sein.
Inzwischen ist einiges über Neom – die Planstadt am Golf von Akaba im nordwestlichen Zipfel Saudi-Arabiens – geschrieben worden. Sie ist die Idee von Mohammed bin Salman, Kronprinz und de facto Herrscher des Landes. Der Name ist ein Kunstwort aus neo (griechisch für »neu«) und mustakbal (arabisch für »Zukunft«). Teil der Pläne ist The Line, eine ursprünglich rund 170 Kilometer lange lineare Stadt mit zwei parallelen, sich spiegelnden Gebäudelinien; hinzu kommen eine Industrie- und Logistikzone namens Oxagon, die dem Roten Meer abgerungen wird, und ein künstlich geschaffener Skiort namens Trojena.
Neom wird über den saudischen Staatsfonds PIF finanziert. Bin Salman hat – mithilfe eines teilweisen Börsengangs der staatlichen Ölgesellschaft Aramco – den zuvor überschaubaren PIF in eine 700 Milliarden Dollar schwere Maschine für die Umwandlung des Landes von einem Ölproduzenten in ein modernes Tech-Paradies umgestaltet.
Die Neom-Planer schalten aktuell zwei Arten von Werbevideos auf Social Media. Im ersten Fall handelt es sich um Clips, in denen attraktive weiße Menschen in CGI-produzierten, futuristischen Landschaften zu einem Elektro-Soundtrack umherschweben. Unvorstellbar schicke Wolkenkratzer erheben sich aus bergigen Felsen, unvorstellbar grüne Gärten wachsen aus der Wüste und eine unvorstellbar geradlinige Stadt in der Höhe des Empire State Building erstreckt sich entlang der majestätischen (wenn auch ausgetrockneten) Flussbetten.
Diese professionelle Social-Media-Kampagne wurde natürlich mit Blick auf Investoren erstellt. In einem Interview mit Bloomberg im Jahr 2017 spekulierte bin Salman, dass Investitionen in Neom bis 2030 das BIP des Landes um 100 Milliarden Dollar erhöhen würden. Das Projekt soll Tech-Mogule und Risikokapitalgeber aus dem Silicon Valley anziehen. Die aalglatten Werbevideos spiegeln dementsprechend deren Fantasien wider: vollautomatische »smarte« Orte mit Medien-Hubs sowie Wellness- und Biotechzentren – alles ohne störende Arbeiter oder Angestellte.
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Laleh Khalili ist Professorin für Gulf Studies an der Universität Exeter sowie Autorin mehrer Bücher, darunter Sinews of War and Trade: Shipping and Capitalism in the Arabian Peninsula.