04. Dezember 2025
Gerhard Schröder garnierte seine Kürzungspolitik noch mit falschen Versprechungen einer besseren Zukunft. Friedrich Merz hingegen scheint nicht mal für eine neoliberale Vision zu brennen. Wie soll man einen derart langweiligen Gegner nur aushalten?

»Merz wirkt wie ein Vertretungslehrer, der durch unglückliche Fügungen des Schicksals leider in die Position geraten ist, dieses oder jenes verkünden zu müssen.«
Das erste politische Ereignis, an das ich mich mehr als nur schemenhaft erinnern kann, ist die Bundestagswahl 2005. Mein Vater, ein sozialdemokratischer Stammwähler, der mit dieser Haltung auf dem oberfränkischen Land beinahe als linksextremer Sonderling durchging, verkündete mir am Wahlabend freudestrahlend, dass »die« mit dem Ergebnis, nicht allein regieren könnten (gemeint war die verhasste Union). Die SPD – also »die Guten« – hatte zwar verloren, doch in der kommenden Koalition würde sie den Teufel in Gestalt der CDU etwas im Zaum halten können.
Die Katastrophe schien abgewendet, mein Vater ließ sich eine Flasche Bier holen und ich verabschiedete mich nach der Wettervorhersage der Tagesschau ins Bett, um am nächsten Tag eine neue Grundrechenart zu erlernen oder das Ökosystem Teich erklärt zu bekommen. Eine »Große Koalition« war damals noch eine politische Ausnahmesituation, die nur bei besonders verrückten Wahlergebnissen zum Einsatz kam und nicht das blutleere Zweckbündnis und Symbol für völlige politische Ambitionslosigkeit und reine Niedergangsverwaltung, zu dem sie zwanzig Jahre später längst geworden ist.
Auch Jahre später wurde mir überzeugt erklärt, Gerhard Schröder wäre ein großer Politiker, der ausschließlich vom Wohlergehen seines Volkes angetrieben würde. Schließlich habe er ohne Rücksicht auf Popularitätswerte und den eigenen Machterhalt dem Land im Zuge der Agenda 2010 einen Sparkurs verordnet, von dem Merkel und Konsorten Jahre später profitiert hätten. Man muss diese nicht nur rückblickend komplett behämmert wirkende Verklärung der Sozialpolitik Schröders in bedeutenden Teilen der Bevölkerung an dieser Stelle entschuldigen, denn so sehr sich Merz und Schröder auch hinsichtlich ihrer neoliberalen Kahlschläge ähneln mögen, so sehr unterscheiden sie sich darin, wie sie ihre Politik der sozialen Kälte nach außen verkauften.
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Sebastian Hotz ist Comedian, Podcaster und Autor. Im Internet als »El Hotzo« bekannt, schrieb er unter anderem für das ZDF Magazin Royale.