01. Mai 2025
Keine Gesellschaft ist ohne Revolution dem Sozialismus so nahe gekommen wie Schweden. Am Ende reichte es nicht. Doch immerhin war das Land für eine Weile das wohl lebenswerteste auf der Erde.
Schwedens Ministerpräsident Olof Palme beim Tischtennis.
Das Schweden der 1970er Jahre war die wohl fortschrittlichste Wohlfahrtsgesellschaft aller Zeiten. Die in diesem Jahrzehnt durchgeführten Sozialreformen übertrafen alles, was es je zuvor gegeben hatte.
Über einen Zeitraum von zehn Jahren wuchs der Anteil der öffentlichen Hand am BIP um 50 Prozent. Zahlreiche Reformen stärkten die Position der Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt erheblich. Die meisten Maßnahmen, die heute mit dem schwedischen Wohlfahrtsstaat in Verbindung gebracht werden – vom Krankenversicherungssystem über Elterngeld und Kindertagesstätten für alle bis hin zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen –, wurden zu Beginn oder Mitte der 1970er Jahre eingeleitet oder umgesetzt. Stellvertretend für diese Ära und die Entwicklungen stand der damalige, radikal sozialdemokratische Premierminister Olof Palme.
Die Reformen zielten darauf ab, eine inklusive und universalistische Wohlfahrtsgesellschaft zu schaffen, die auf einem tief verwurzelten Glauben an einen starken Staat, eine geplante Wirtschaft und eine aktive staatliche Wirtschaftspolitik aufbaute. All dies wurde als dringend nötig angesehen, um die Kräfte des freien Marktes korrigierend zu ergänzen. Gleichzeitig wurden die sozialen Dienste tendenziell dekommodifiziert.
Das Besondere an dieser umfassenden Reformwelle war – neben ihrer unglaublichen Reichweite – ihr offen etatistischer Fokus: Alle zentralen Komponenten des Sozialsystems wurden vom Staat finanziert, gehörten ihm und wurden von ihm verwaltet oder betrieben. So wurde ein einheitliches staatliches Rentensystem für alle Arbeiterinnen und Arbeiter eingerichtet. Die schnell anwachsenden Pensionsfonds wurden vom Staat kontrolliert. Die eine Million neu gebauten Wohnungen wurden größtenteils mithilfe staatlich garantierter Darlehen finanziert, von denen wiederum ein großer Teil aus den staatlichen Pensionsfonds stammte. Und es wurde eine starke, immer stärker sozialdemokratisch orientierte Bürokratie aufgebaut, die fähig war, diese Reformen umzusetzen.
»Sogar der konservative französische Präsident Georges Pompidou räumte ein, eine ideale Gesellschaft sähe seiner Ansicht nach aus wie Schweden – nur mit mehr Sonne.«
Der öffentliche Sektor wurde zur Speerspitze des gesellschaftlichen Wandels. Könnte dieser Prozess vielleicht sogar den Kapitalismus durch ein sozialistisches System ersetzen? Tatsächlich waren die zu dieser Zeit durchgeführten Reformen so umfangreich, dass sich Menschen sowohl in Schweden als auch in anderen Ländern fragten, wie weit die Sozialdemokraten gehen würden. Als der Gewerkschaftsdachverband LO (Landsorganisationen i Sverige) den Vorschlag des Ökonomen Rudolf Meidner unterstützte, sogenannte Lohnempfängerfonds einzurichten, schien es vielen, als könnte Schweden ein grundlegend anderes Land werden.
War dies wirklich der Fall? Jedenfalls räumte sogar der konservative französische Präsident Georges Pompidou ein, eine ideale Gesellschaft sähe seiner Ansicht nach aus wie Schweden – nur mit mehr Sonne.
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Kjell Östberg ist Professor für Geschichte an der Hochschule Södertörn in Schweden und Autor des Buches The Rise and Fall of Swedish Social Democracy.