25. Oktober 2023
Deutschlands Rechtspopulisten stellen sich erfolgreich neu auf. Sind sie gerade dabei, zur führenden Kraft rechts der Mitte zu werden? Der Journalist und AfD-Experte Sebastian Friedrich erklärt, was den Erfolg der Partei nährt und was er für die Zukunft des deutschen Parteiensystems bedeutet.
Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel am Tag nach den Landtagswahlen im Oktober.
Alle Wahlen und Umfragen dieses Jahres sehen die AfD auf einem historischen Höhenflug. Ist das der Beginn eines neuen Normalzustands rechtsradikaler Stärke – oder sind es kurzfristige Konjunkturen, die den Rechten Auftrieb verschaffen? Mit was für einem Biest haben wir es bei der heutigen AfD zu tun? Wo liegen seine Schwachstellen und inwiefern nährt es sich vom Versagen der anderen Parteien?
Der Journalist und Autor Sebastian Friedrich (»Die AfD. Analysen–Hintergründe– Kontroversen«), beobachtet die AfD seit ihrer Gründung intensiv und mit großer analytischer Schärfe. In einem Artikel für JACOBIN ließ er im März zehn Jahre AfD Revue passieren. Für das ARD-Magazin Panorama recherchierte er zu den Plänen der Partei für eine Zerstörung der CDU sowie zuletzt, mit Nils Schniederjann, zur Debatte um ein mögliches AfD-Verbot.
Im Gespräch mit Linus Westheuser skizziert er, was die gleichzeitige Radikalisierung und Normalisierung der AfD für die Zukunft des deutschen Parteiensystems bedeutet. Es ist Zeit, so Friedrich, über ein Szenario nachzudenken, in dem die AfD zur führenden Kraft auf der rechten Hälfte des politischen Spektrums avanciert.
Anlässlich des zehnjährigen Gründungsjubiläums der Partei schriebst du kürzlich, dass wir es heute mit einer »neuen« AfD zu tun haben. Was macht diese Partei aus und was unterscheidet sie von der »alten« AfD?
Die AfD hat sich 2013 als eine Sammlungspartei formiert, die mehrere Strömungen rechts von CDU und FDP bündelte. Die erste Strömung war die national-konservative, der beispielsweise Alexander Gauland oder Beatrix von Storch zuzuordnen sind. Zweitens gab es die national-neoliberale Strömung um Figuren wie Bernd Lucke und drittens den sich erst nach der Gründung formierende völkischen Flügel, für den Björn Höcke zu einem zentralen Repräsentanten wurde.
Dieser völkische Flügel war in der Anfangszeit marginal, sowohl quantitativ als auch qualitativ, entwickelte sich über die Zeit aber zu einer sehr starken Strömung in der Partei. Seit dem Riesaer Parteitag im Sommer 2022 steht nun zweifelsfrei fest, dass der völkische Flügel die Führung in der AfD übernommen hat. Die beiden anderen Strömungen bestehen zwar weiter, aber sie müssen sich dem Flügel unterordnen. Wer in Reden nicht völkische Buzzwords wie das des »Bevölkerungsaustauschs« oder der »Identität« aufruft, hat kaum Chancen auf einen Listenplatz.
»Klar ist, dass die Radikalisierung der Partei nicht schadet: Die AfD ist so rechts wie noch nie, gleichzeitig ist sie so stark wie noch nie.«
Die »neue« AfD ist also von einem erstarkten rechtsradikalen Selbstbewusstsein charakterisiert. Das bemerken übrigens auch AfDler selbst. Björn Höcke etwa sagte jüngst lobend, die Partei habe sich nun weltanschaulich konsolidiert. Der Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah spricht von einer erneuerten »Post-Riesa-AfD«.
Nun ist die AfD im Jahrzehnt seit ihrer Gründung nicht nur radikaler geworden, sondern auch immer erfolgreicher. Ist dieser Erfolg eine Konsequenz der Radikalisierung?
Klar ist, dass die Radikalisierung der Partei nicht schadet: Die AfD ist so rechts wie noch nie, gleichzeitig ist sie so stark wie noch nie. Sie konnte ihr maximales Wählerpotenzial von etwa 18-20%, noch vor ein paar Jahren, auf etwa 25% steigern. Zwar ist das ein vergleichsweise kleiner Sprung, aber er zeigt, dass die programmatische Strategie der Rechtsaußen-Strategen aufgeht. Zugleich ist auch klar, dass es momentan auch die Unbeliebtheit der Regierung ist, die die Partei beflügelt.
Ist es Ausdruck einer unaufhaltsamen Normalisierung, dass die AfD in den hessischen und bayerischen Landtagswahlen so stark vom Unmut über die Ampel profitieren konnte? Oder hätte die CDU auf eine Weise als Opposition auftreten können, die der AfD die Butter vom Brot genommen hätte?
Der AfD spielen gerade mehrere Faktoren in die Karten. Zum einen wird die Partei tatsächlich vermehrt als normale Partei wahrgenommen. Laut dem Demoskopie-Institut Allensbach halten inzwischen 27 Prozent die AfD für eine »normale Partei«, 2016, als die Partei noch deutlich gemäßigter aufgetreten ist, waren es 17 Prozent. Außerdem tritt die Partei nach außen hin viel disziplinierter auf, als das vor dem Parteitag in Riesa 2022 der Fall war. Zwar gibt es weiterhin Macht- und Richtungskämpfe, aber von diesen dringt immer weniger nach außen.
Dann kann die AfD als die Partei auftreten, die eine andere Position zum Ukrainekrieg einnimmt als die meisten anderen Parteien. Man darf nicht vergessen: Eine Mehrheit der Deutschen findet, dass die Bundesregierung zu wenig diplomatische Anstrengungen unternimmt, den Krieg zu beenden. Die AfD argumentiert im Kern nationalistisch, aber profitiert sicherlich auch davon, dass andere regierungskritische Stimmen in Bezug auf geopolitische Fragen kaum sicht- und hörbar sind. Zuletzt bekommt die AfD indirekte Unterstützung durch eine Union, die zunehmend kulturkämpferische Themen aufgreift. Der CDU selbst hilft das überhaupt nicht, sie stagniert in Umfragen. Sie bestellt aber diskursiv das Feld für die Rechten. Die Ernte fährt dann die AfD ein, bei denen nationalistische Identitätspolitik das Kerngeschäft ist.
In der Vergangenheit gab es die Prognose, die AfD könnte diese nationalistische Identitätspolitik mit sozialeren Elementen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik verbinden. Man denke an die rechte Arbeitersymbolik von AfD-Kandidaten wie Guido Reil, einem Ex-Bergmann und SPD-Stadtrat aus Essen. In der neuen AfD scheinen solche Stimmen aber immer leiser zu sein. Woran liegt das?
Inhaltlich war die Wirtschafts- und Sozialpolitik lange ein Streitpunkt. Der im Vergleich zu den Neoliberalen sozialer daherkommende Ansatz hatte seine Hochphase etwa zwischen 2016 und 2019, und wurde besonders durch Höcke und das Institut für Staatspolitik vertreten. »Solidarischer Patriotismus« lautet das Konzept, das wesentlich auf den neurechten Autor Benedikt Kaiser zurückgeht und sich in Opposition zum Neoliberalismus definierte, der bei den Rechten seit etwa den 1980er Jahren dominierte.
Mittlerweile wurde der Spalt zwischen den beiden Lagern gekittet. Auf dem Sozialparteitag in Kalkar Ende 2020 wurde ein Kompromiss geschlossen: ein bisschen Sozialpolitik hier, ein bisschen Neoliberalismus da. Seitdem ist das Thema zumindest parteiintern eigentlich durch. Oberflächlich wird der soziale Schein zwar in Reden noch instrumentalisiert, programmatisch hat sich allerdings kaum etwas geändert. Die aktuelle Parteiposition zur Sozialpolitik lautet heruntergebrochen: Die AfD ist irgendwie gegen Milliardärs- oder Raubtier-Kapitalismus, aber auch gegen jegliche Steuererhöhungen. Es ist ein Formelkompromiss, der vor allem die Funktion hat, das Thema aus dem politischen Sichtfeld zu verbannen.
Man kann vermuten, dass das auch ein Kompromiss zwischen verschiedenen Klassenfraktionen des AfD-Elektorats ist. Studien besagen, dass rechtsradikale Parteien sehr unterschiedliche Gruppen vereinen müssen: Arbeiterinnen und Arbeitern, die gegen ihre eigene Abwertung protestieren, indem sie nach unten treten; Kleinbürger, die vor allem keine Steuern zahlen wollen; und radikal nationalistische Eliten. Müssten soziale Themen bei einer so breit gefächerten Interessenlage nicht großes Spaltungspotenzial für die AfD bergen? Vielleicht liegt hier der Angriffspunkt für eine Wagenknecht-Partei?
Parteiintern würde ich das Spaltpotenzial bei diesem Thema als eher gering einschätzen. Selbst ein Höcke, der eigentlich für den solidarischen Patriotismus steht, benennt bemerkenswerterweise die Wirtschaftspolitik als entscheidende Differenz zu Sahra Wagenknecht. Auffällig ist jedoch, dass Wagenknecht immer häufiger in Reden der AfD vorkommt. Es gibt offenbar durchaus die große Sorge, dass ein Teil der AfD-Wählerschaft von einer Wagenknecht-Partei angesprochen werden kann.
Was die Wählergruppen angeht, befindet sich das Kernklientel der AfD eher in der sogenannten Mitte. Es sind weder die Eliten, noch sind es vor allem die unteren Klassen, sondern eher Facharbeiter, Menschen mit formal mittlerer Bildung und das von dir schon erwähnte Kleinbürgertum, also etwa selbstständige Handwerker, Soloselbstständige oder solche mit einigen wenigen Angestellten. Die werden auch von einem Tino Chrupalla angesprochen, wenn er bei Lanz die Verbindung zwischen Sanktionen gegen Russland und Inflation schlägt.
Selbstverständlich gibt und gab es darüber hinaus immer auch rechte Arbeiter. Man muss aber unterscheiden: Sind es gefestigt Rechte, bei denen Rassismus, Antifeminismus und Nationalismus ideologisch alles andere überstrahlen? Oder handelt es sich um Menschen, die zwar in gesellschaftspolitischen Fragen eher konservativ denken, aber durchaus empfänglich für sozialistische Positionen wären? Letztere sollten Linke unter gar keinen Umständen aufgeben.
Woran erkennt man den Unterschied zwischen jenen, die politisch erreichbar wären, und denen, bei denen das hoffnungslos ist?
Bei den meisten Wählerinnen und Wählern dominiert etwas, das man mit Gramsci als »diffusen Alltagsverstand« beschreiben könnte: eine eher chaotische Ansammlung disparater Auffassungen und Interessen, die nicht eindeutig auf das Programm irgendeiner Parteien passt. Bei Arbeiterinnen und Arbeitern mit rechten Tendenzen ist die entscheidende Frage, ob bei ihnen ein sozial- und wirtschaftspolitischer Oben-Unten-Gegensatz abrufbar ist.
»Die Angst zu verlieren ist groß, der Glaube etwas gewinnen zu können viel zu klein.«
Das hat nicht unbedingt nur etwas mit Klassenbewusstsein zu tun, sondern auch mit dem Faktor Hoffnung. Ich hatte vor einigen Jahren einen über Monate laufenden Whatsapp-Chat mit einem Familienmitglied, das jahrelang die AfD gewählt hat. Ich habe mit ihm - heute ist er Rentner, früher war er LKW-Fahrer - lange diskutiert und versucht gegen die rassistischen Sharepics, die er mir geschickt hat, mit Linkspopulismus gegenzusteuern, also zum Beispiel statt über Migranten zu sprechen, den Blick auf Reiche und Superreiche zu lenken. Irgendwann war er tatsächlich so weit einzugestehen, dass das tatsächliche Problem die Reichen sind – und eben nicht »die Ausländer«. Sein bemerkenswerter Kommentar war dann aber: »gegen die Reichen kann man ja sowieso nichts machen«.
Er hatte also schlicht keinen Glauben an die Umsetzbarkeit selbst moderat-sozialdemokratischer Umverteilungspolitik. Die Reichen, meinte er, säßen ja letztlich doch am längeren Hebel. Und wenn es schon nichts zu gewinnen gäbe, wolle er wenigstens das kleine bisschen, das er sich erarbeitet hat, schützen. Mit einem Wort des Soziologen Klaus Dörre könnte man sagen: Er wollte sich sein Plätzchen auf der bescheidenen »Wohlstandsinsel«, für das er schwer arbeiten musste, nicht streitig machen lassen. Die Angst zu verlieren ist groß, der Glaube etwas gewinnen zu können viel zu klein.
Diese Hoffnungslosigkeit hat natürlich auch mit dem Versagen linker Politik zu tun. Die zumindest nominell linkeste Regierung der vereinten Bundesrepublik, die rot-grüne Koalition von 1998 bis 2005, hat gesellschaftspolitisch zwar vergleichsweise progressive Politik gemacht. Wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitisch hat sie mit der Agenda 2010, mit Flexibilisierungen, Deregulierungen und einem Ausbau des Niedriglohnsektors aber einen verheerenden Kurs gefahren. Nicht zuletzt auch deshalb gibt es so wenig Hoffnung auf die Durchsetzungskraft linker Politik, hat selbst der Begriff »links« für viele sein Versprechen verloren.
Kann man umgekehrt von einem »Rechtsruck« in der Bevölkerung sprechen?
Ich war lange Zeit der Auffassung, wir hätten es nicht mit einem Rechtsruck in diesem Sinne zu tun. Allerdings ist in den vergangenen ein bis zwei Jahren schon eine Radikalisierung und eben auch eine Normalisierung der extremen Rechten festzustellen. Ob auch mehr Menschen in der Bevölkerung rechts denken als vor ein paar Jahren, ist nicht eindeutig. Die jüngste Mitte-Studien kommt zu diesem Ergebnis, andere Umfragen widersprechen diesem Befund.
Aber der Formierungsprozess um die AfD herum zeigt seine Wirkung, etwa in der aktuellen Diskussion um Migration und Geflüchtete. Die Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung laut Umfragen heute viel geringer als noch 2015. Und der öffentliche Diskurs ist enthemmter. Vergleicht man heutige Aussagen von Politikern mit jenen von vor acht Jahren ist zumindest hier eine deutliche Verschiebung festzustellen.
Eine besonders wichtige Rolle kommt hier der CDU zu. Wie bewertest du deren derzeitiges Ringen um ihr Verhältnis zur AfD?
So wie ich unterschätzt habe, wie schnell die AfD normalisiert werden würde, hätte ich auch bis vor kurzem nicht damit gerechnet, dass die CDU so schnell ins Wanken gerät. Die Merz-CDU ist auf einem Zickzack-Kurs: Einerseits betont sie immer wieder eine mehr oder weniger klare Abgrenzung nach rechts. Andererseits bedient sie seit Monaten immer wieder die Talking Points der AfD. Sei es wenn Friedrich Merz ukrainische Flüchtlinge des »Sozialtourismus« verdächtigt, arabische Jugendliche als »kleine Paschas« bezeichnet oder sich wie jüngst als Zahnarzt-Experte geriert.
»Ich halte eine Spaltung der CDU derzeit für unwahrscheinlich. Aber: Sie kann eben auch nicht mehr ausgeschlossen werden.«
Es gibt auf lokaler, aber durchaus auf Landesebene immer mehr CDUler, die sich mehr oder weniger laut für eine Kooperation mit der AfD aussprechen. Der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher und andere haben in letzter Zeit oftdarauf hingewiesen, dass dieser Zickzack-Kurs am Ende vor allem der AfD nutzt. Weil der Eindruck entsteht, dass die AfD eigentlich die richtigen Themen benennt, und nur von den Machttöpfen ferngehalten werden soll.
Hintergrund des Ganzen ist auch eine Hegemoniekrise, die sich darin ausdrückt, dass etablierte Parteien, alte Institutionen und Ideologien ihre Bindungskraft verlieren. Das zeigt sich bei der Sozialdemokratie, aber momentan eben auch beim deutschen Konservativismus. Der hatte immer auch die Aufgabe, das rechtsradikale Potenzial in der Gesellschaft einzufangen, also historisch gesehen etwa, die Nazis mit der Demokratie zu versöhnen. Als Strauß mal sagte, rechts von der CSU sei nur die Wand, dann war damit nicht nur gemeint, dass die Union auch rechte Positionen bedienen müsste, sondern dass die Union die gesellschaftliche Rechte einzubinden hat.
Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Das schafft ein enormes Spaltpotenzial innerhalb der CDU, gerade im Osten. Und der große Profiteur einer Spaltung der CDU ist die AfD.
Wenn du von so einer Spaltung sprichst, meinst du dann tatsächlich ein Auseinanderbrechen der CDU? Das wäre für das deutsche Parteiensystem ja die größte denkbare Explosion.
Ja, das meine ich. Aber um es ganz klar zu sagen: Ich halte eine Spaltung der CDU derzeit für unwahrscheinlich. Aber: Sie kann eben auch nicht mehr ausgeschlossen werden. Niemand kann heute sagen, wie die deutsche Parteilandschaft in ein paar Jahren aussehen wird. Wir reden momentan viel über die Wagenknecht-Abspaltung. Aber es formiert sich auch im Feld zwischen CDU und AfD etwas. Ich denke hier an Personen wie Hans-Georg Maaßen, Markus Krall, vielleicht auch ehemalige AfD-Abgeordnete wie Joana Cotar oder Jörg Meuthen. Wenn die sich alle zusammentun für eine neoliberal orientierte, rechte, sich aber gemäßigter als die AfD präsentierende Sammlungspartei könnte das mittelfristig durchaus funktionieren. Eine solche Partei würde sicherlich auch einige am rechten Rand der Union ansprechen, die momentan noch auf die Werteunion setzen.
Eine solche Partei zwischen Union und AfD würden wohl nie so stark wie die AfD, aber trotzdem hätten sie das Zeug, in den Bundestag und in Landtage einzuziehen. Ich denke es ist sinnvoll, jetzt schon darüber nachdenken, was passiert, wenn es so weit kommt. Auch wenn ein solches Projekt die AfD vielleicht ein paar Prozentpunkte kosten würde, wäre eine weitere rechte Partei aus linker Sicht alles andere als gut. Zum einen weil sie die Normalisierung rechter Positionen beschleunigen könnte. Und zum anderen, weil es zu neuen Koalitionsoptionen auf der Rechten käme. Die AfD könnte so – vielleicht noch nicht sofort, aber mittelfristig – die führende Kraft im rechten Spektrum werden.
»Wenn wir jetzt also mal 10-15 Jahre vorausdenken, dann ist diese derzeit größte demografische Front gegen die AfD nicht mehr vorhanden.«
Düstere Aussichten.
Ja. Schon jetzt ist auch nicht besonders beruhigend, dass der AfD in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen nicht mehr viel zu einer absoluten Mehrheit fehlt. Die AfD steht da jeweils bei etwa 32 Prozent, aber es gibt viele Parteien, die um die Fünf-Prozent-Hürde krebsen und möglicherweise den Einzug verpassen könnten. Wenn sich der Trend der vergangenen ein, zwei Jahre auch nur leicht fortsetzt, dann könnte bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im kommenden Jahr eine absolute Mehrheit für die AfD herausspringen. Ich fürchte, dieses heute undenkbar erscheinende – aber leider nicht mehr auszuschließende – Szenario ist bei vielen noch nicht angekommen.
Über alledem schwebt zudem langfristig eine demografische Dimension, die ebenfalls nur wenige auf dem Zettel haben. Die AfD ist am schwächsten bei Rentnerinnen und Rentnern. Das gilt überall, auch in Ostdeutschland. Wenn wir jetzt also mal 10-15 Jahre vorausdenken, dann ist diese derzeit größte demografische Front gegen die AfD nicht mehr vorhanden. Die AfD ist besonders stark bei Mittelalten und vermehrt auch bei Jungwählern. Ohne Rentner läge die absolute Mehrheit für die AfD schon heute in einigen ostdeutschen Bundesländern zum Greifen nah.
Sebastian Friedrich ist Autor und Journalist aus Hamburg.