14. Dezember 2020
Robotron trat an, Computer auf Weltniveau zu produzieren. Doch anstatt die Planwirtschaft zu revolutionieren, wurde das Kombinat zum Ausdruck des Untergangs eines schlecht gesteuerten Systems.
Robotron-Ingenieure beim Testen einer neuen Anlage, 1980.
Der im kalifornischen Silicon Valley beheimatete technologische Fortschritt lässt die Herzen vieler Technikbegeisterter höher schlagen. Auch Linke sind davon nicht ausgenommen: Wenn man sich nur die Automatisierung und Digitalisierung zu eigen machen könnte, stünde dem sozialistischen Paradies nichts mehr im Wege. Doch es ist nicht das erste Mal, dass Sozialistinnen und Sozialisten ihre Hoffnungen auf technologische Innovation setzen. Das unter Salvador Allende in Chile begonnene Projekt Cybersyn und der Ansatz eines sozialistischen Internets in der Sowjetunion sind dafür Beispiele. Aber auch die Computerindustrie der DDR hält Lektionen für uns bereit, was wir von der Technologie erwarten können – und was nicht.
Zur Zeit des Mauerfalls verfügte die DDR über die am weitesten entwickelte Mikroelektronikindustrie unter den sozialistischen Ländern. Der Volkseigene Betrieb Kombinat Robotron ging 1969 aus einer Reihe von Vorgängerfirmen hervor, darunter den Büromaschinenwerken VEB Optima in Erfurt und VEB »Ernst Thälmann« in Sömmerda. In den 1980ern arbeiteten fast 70.000 Menschen in den zwanzig Betrieben des Kombinats. Dort produzierte man Schreibmaschinen, Drucker und Fernseher. Doch vor allen Dingen war Robotron für seine Computer bekannt: Die schrankgroßen R300 standen in manch einem Volkseigenen Betrieb und auch kleinere Personal Computer wie der A5120 oder der EC1835 fanden sich in vielen Büros und Privathaushalten. Computer sollten ein Teil des Alltags in der DDR werden. Damals übertrug das Radio Programmierunterricht und sogar Computerprogramme, die man auf Kassette aufnehmen und dann auf seinen Rechner spielen konnte.
Doch wozu brauchte die kleine DDR eine eigene Computerindustrie? 1967 berichtete das westdeutsche Magazin Der Spiegel von einer seltsamen neuen Sprache, die in die Reden von Walter Ulbricht eingezogen war: der Sprache der Kybernetik. Es war auch die Sprache einer neuen Generation von Ingenieurinnen und Theoretikern. Die Kybernetik beschäftigt sich mit Informationsfluss und Selbstregulierung von Systemen; sie ist die mathematische und theoretische Grundlage dessen, was wir heute als Internet bezeichnen. Ursprünglich vom US-amerikanischen Mathematiker Norbert Wiener nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt, stieß sie im Osten zunächst auf große Ablehnung. Der Vorwurf lautete, die Kybernetik sei bürgerlich und apolitisch.
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Caspar Shaller ist freier Journalist.