22. September 2020
Wir Linken von heute gehen miteinander um, als könnten wir den Kampf für eine bessere Welt alleine aufnehmen. Doch um wirkungsvoll gegen Kapitalismus und Rassismus vorzugehen, müssen wir uns solidarisieren.
Streikposten der International Ladies' Garment Workers' Union (ILGWU) geben auf Englisch und Spanisch ihren Streik gegen Sears Roebuck bekannt, Februar 1965.
Ständig bekommen wir zu hören, alle unsere Probleme ließen sich lösen – es bräuchte nur etwas mehr Vorstellungskraft und eine gewisse Kreativität. Es macht den Eindruck, als könnten kreative neue Ideen nicht nur die Klimakatastrophe aufhalten, sondern auch soziale Ungleichheit beseitigen und sogar den Rassismus beenden.
Bezeichnenderweise ist der Appell an unsere Vorstellungskraft linken Aktivistinnen, Tech-Giganten, Mainstream-Politikerinnen und Fürsprechern eines »vollautomatisierten Luxuskommunismus« gemeinsam. Diese scheinbare Einhelligkeit hindert uns daran, zu erkennen, wie schwerwiegend die Konflikte um Kapitalismus, Grenzregime und Ressourcen tatsächlich sind. Hinter der illusorischen Vorstellung, es könnte eine Idee geben, die groß genug wäre, um uns alle an einem Strang ziehen zu lassen, geraten diese grundsätzlichen Gegensätze schnell aus dem Blick.
In Wirklichkeit wird die Frage über die Zukunft unserer Gesellschaften in Grundsatzkonflikten entschieden. Sozialer Wandel geschieht nicht kurz und schmerzlos. Wir müssen der Realität dieser Gegensätze ins Auge sehen, wissen, auf welcher Seite wir stehen, und für deren Stärkung kämpfen. Es ist weder möglich noch nötig, dass wir alle überzeugen. Wir müssen lediglich genug Menschen auf unsere Seite ziehen, um die uns bevorstehenden Kämpfe bestreiten und gewinnen zu können.
Große Ideen sind nichts ohne die Kader, die für sie einstehen. Leider hat es die heutige Linke in vielen Teilen der Welt – und insbesondere im Westen – versäumt, engagierte und gut organisierte Kämpferinnen und Kämpfer auszubilden und zu halten. Zugleich ist die Disziplin kollektiver Arbeit am gemeinsamen Vorhaben durch eine individualisierende Rhetorik der Achtsamkeit und Selbstsorge ersetzt worden.
Diese Rhetorik und die Praktiken, die sie empfiehlt, reagieren auf ein tatsächliches Problem: das Fehlen politischer Organisationen, die ihre Mitglieder mit bedeutungsvollen Aufgaben ausstatten und sie zugleich in ihren persönlichen Belangen und Bedürfnissen unterstützen. In Ermangelung solcher Organisationen muss in vielen Fällen das Internet als politisches Ventil herhalten. Angesichts ständiger Empörung und Anfeindungen in den sozialen Medien kann der Online-Aktivismus mitunter aber zu einer zutiefst erschöpfenden und masochistischen Erfahrung werden.
Am härtesten gehen wir dabei mit denjenigen ins Gericht, die eigentlich auf unserer Seite stehen sollten. Wenn wir einmal zeitweise Bündnisse bilden, um Aktionen oder Kampagnen zu planen, dann bauen wir nur langsam wechselseitiges Vertrauen auf, sind aber umso schneller voneinander enttäuscht. An Beleidigungen und Verletzungen nämlich hat uns das Leben in einem rassistischen und patriarchalen Kapitalismus gewöhnt. Achtsamkeit und Selbstsorge behandeln die Symptome, aber nicht die Ursache unserer politischen Unfähigkeit. Was uns wirklich fehlt, sind auf Solidarität gegründete politische Beziehungen.
Die Geschichte sozialistischer und kommunistischer Organisation hat uns eine Figur hinterlassen, die eine solche Beziehung verkörpert: den Genossen. »Genossin« und »Genosse« funktionieren als Anreden, vermitteln Zugehörigkeit und transportieren zugleich wechselseitige Ansprüche und Erwartungen. Die Verbindung zwischen Genossinnen und Genossen erwächst aus dem gemeinsamen politischen Kampf. Damit weist der Begriff über die individuelle politische Überzeugung hinaus auf die Solidarität, die wir beim Aufbau einer kollektiven politischen Kraft voneinander erwarten können müssen. Weil unsere Genossinnen und Genossen darauf zählen, gehen wir zu Versammlungen, die wir sonst geschwänzt hätten, und leisten politische Arbeit, die wir sonst vermeiden würden. Wir versuchen, der Verantwortung gerecht zu werden, die wir füreinander tragen, erleben dabei Freude am gemeinsamen Kampf, lernen aus unserer politischen Praxis, und überwinden Ängste, die uns überwältigen würden, wenn wir uns ihnen alleine stellen müssten. Die Gesellschaft unserer Genossinnen und Genossen macht uns besser und stärker, als wir es sein könnten, wenn wir auf uns allein gestellt wären.
Ein Bespiel aus der Geschichte der Kommunistischen Partei der USA beschreibt aufschlussreich, wie wir damit umgehen können, wenn die Erwartung der Solidarität auf die Wirklichkeit der Diskriminierung trifft: Im Jahr 1931 spielte sich im Bezirk Harlem der Stadt New York – einem Zentrum Schwarzer Kultur – ein großangelegter Schauprozess ab, in dem die Kommunistische Partei der USA den finnischen Arbeiter August Jokinen anklagte, weil dieser rassistische Vorurteile vertrat, von einer Überlegenheit weißer Menschen ausging und damit Ansichten verbreitete, die der Arbeiterklasse schadeten. Etwa 1.500 Schwarze und weiße Arbeiterinnen und Arbeiter verfolgten den Prozess, der im Harlem Casino – einem der größten Säle des Stadtteils – stattfand. Clarence Hathaway, ein weißer Redakteur der von der Kommunistischen Partei herausgegebenen Tageszeitung Daily Worker, führte die Anklage. Richard B. Moore, einer der angesehensten Schwarzen Redner der Partei, trug Jokinens Verteidigung vor. Eine Jury aus vierzehn Arbeiterinnen und Arbeitern – davon sieben Schwarz und sieben weiß – fällte das Urteil.
Jokinen war eines von drei Parteimitgliedern, die bei einem Tanzabend im Finnischen Arbeiterclub von Harlem als Türsteher gearbeitet hatten. Als eine Gruppe Schwarzer Arbeiter zum Tanz kam, wurden sie erst nur widerwillig eingelassen und daraufhin derart feindselig behandelt, dass sie die Feier bald wieder verließen. Keines der weißen Parteimitglieder hatte sie in Schutz genommen oder auch nur willkommen geheißen.
Im Zuge der Untersuchung des Vorfalls durch die Partei gaben Jokinens Genossen ihren Fehler zu. Jokinen selbst hingegen versuchte, sein Verhalten zu rechtfertigen: Er habe gedacht, die Gruppe würde in den Pool steigen – und er hätte nicht zusammen mit Schwarzen Menschen baden wollen.
Als der Parteiprozess losging, hatte Jokinen seine Schuld bereits eingestanden und versprochen, diese durch einen konkreten Beitrag für die Schwarze Befreiungsbewegung wiedergutzumachen. Die Frage, die nachfolgend vor der Jury verhandelt wurde, bestand darin, ob Jokinen aufgrund seines Rassismus und Chauvinismus aus der Partei ausgeschlossen werden oder eine Bewährungsfrist erhalten sollte.
Hathaway betonte in seiner Anklage, dass Jokinen nicht nur entgegen der egalitären Überzeugungen der Kommunistischen Partei gehandelt, sondern sich durch dieses Fehlverhalten auch mit rassistischer Segregation und Lynchmorden gemein gemacht habe. Noch die geringste Äußerung von Rassismus würde die Klassensolidarität der Arbeiterinnen und Arbeiter untergraben und damit der Bourgeoisie in die Hände spielen. Als Jokinen es versäumte, den Antirassismus der Partei in die Tat umzusetzen, gab er den Schwarzen Arbeiterinnen und Arbeitern guten Grund, von ihren weißen Genossinnen und Genossen nichts als Verrat zu erwarten. Da der Einsatz für die Gleichberechtigung Schwarzer Menschen für den proletarischen Kampf unverzichtbar sei, müsse die Kommunistische Partei praktisch unter Beweis stellen, dass sie entschlossen sei, jede Spur des weißen Chauvinismus zu tilgen – und der Ausschluss Jokinens würde diese Entschlossenheit demonstrieren.
Gleichzeitig bot Hathaway dem Angeklagten aber auch einen Weg zurück in die Partei an: Würde Jokinen aktiv gegen Rassismus vorgehen, indem er den Liberator, eine Zeitung der Schwarzen Befreiungsbewegung, verkaufte, und seine Genossinnen und Genossen im Finnischen Arbeiterclub darüber unterrichten, dann könnte er einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen.
Jokinens Verteidiger Moore verlagerte den Fokus auf den wahren Feind – die kapitalistische Klasse. Es waren die Grundbesitzer und die Bourgeoisie, die die Gesellschaft mit ihrem Rassismus vergifteten. Doch auch opportunistische Kräfte in den Gewerkschaften und Parteien würden das Spiel mitspielen. Moore wollte nicht darauf hinaus, dass Jokinen nicht zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Es ging ihm vielmehr darum, zu zeigen, dass niemand unschuldig war. Jeder Aspekt des kapitalistischen Imperialismus habe Anteil an der Verbreitung des Chauvinismus.
Moore wandte sich in seiner Kritik auch der Kommunistischen Partei selbst zu und fragte, ob sie denn überhaupt die nötige antirassistische Aufklärungsarbeit geleistet habe: Hatte sie Programme entwickelt, die der Arbeiterbewegung die Bedeutung des Kampfes gegen die rassistische Lynchjustiz näher bringen würde? Hatte sie sich ernsthaft bemüht, Vorurteile unter ihren Mitgliedern zu bekämpfen? Das hatte sie nicht. Damit habe sich die Partei, so Moore, an Jokinens Vergehen mitschuldig gemacht. Auf diese Weise kam er zu dem Ergebnis, dass nicht Ausschluss, sondern Selbstkritik die Lösung sei. Am besten würde die Partei ihr antirassistisches Engagement unter Beweis stellen, wenn sie sich zur Selbstkritik verpflichtete. Außerdem, so hob Moore hervor, könnte Jokinen durch Selbstkritik ein Teil des Kampfes bleiben – und das sei wichtig, denn um das kapitalistische System zu überwinden, werde jeder einzelne Arbeiter und jede einzelne Arbeiterin gebraucht.
In seinem Resümee vor den Geschworenen betonte Moore, wie schwer die Strafe des Parteiausschlusses wiegen würde: »Lieber würde ich mir von den kapitalistischen Lynchmördern den Kopf abtrennen lassen, als aus der Kommunistischen Internationale ausgeschlossen zu werden.« Von der Partei abgeschnitten und von seinen Genossinnen und Genossen getrennt zu werden, sei ein schlimmeres Schicksal als der Tod. Eine Existenz als Außenseiter der eigenen Bewegung zu fristen, mindestens so geächtet wie der kapitalistische Feind, wenn nicht noch mehr – das bedeute nichts geringeres, als einen sozialen Tod zu sterben.
Moore kam zu dem Schluss, dass Jokinens Verhalten durchaus zu verurteilen sei – noch wichtiger sei es aber, das kapitalistische System zu verurteilen: wegen des Elends, der Vorurteile, des Terrors und der Lynchjustiz, die es hervorbringt. Die Partei müsse den Genossen vor sich selbst retten, ihn eines Besseren belehren und ihm eine Chance geben, sich zu beweisen. Zugleich müsse sie dem Chauvinismus den Kampf ansagen – ebenso wie allen anderen Ideologien, die die Einheit der Arbeiterklasse bedrohen.
Die Jury befand den Angeklagten für schuldig – was nicht überrascht, da er seine Schuld bereits im Vorfeld des Prozesses eingestanden hatte. Sie stimmte seinem Parteiausschluss zu, akzeptierte aber auch den Vorschlag der Anklage, wonach Jokinen sein Fehlverhalten wiedergutmachen konnte, indem er den Liberator verkaufte und damit am Kampf gegen den Chauvinismus mitwirkte. Jokinen wurde also ausgeschlossen, blieb aber doch ein Genosse. Das Urteil wies ihn zurecht, aber es wies ihm zugleich auch eine Rolle im Klassenkampf zu – eine Rolle, in der er sich um die Einheit zwischen Schwarzen und weißen Arbeitern zu bemühen hatte. Die Partei schnitt ihn nicht ab, sie wies ihm einen Weg zurück.
Am Tag nach dem Urteil wurde Jokinen jedoch festgenommen. Er sollte nach Finnland abgeschoben werden, weil er Mitglied einer Organisation gewesen war, die den Umsturz des Staates propagierte. Der Daily Worker erklärte, dass man sich in Staatskreisen wohl erhofft hatte, Jokinen als Informanten gegen die Kommunistische Partei gebrauchen zu können, die Regierung sich von einem dem Antirassismus verpflichteten finnischen Genossen jedoch offenbar keinen Nutzen für die Gesellschaft verspreche. Während seiner Abschiebungsanhörungen wurde Jokinen durch die von der Komintern unterstützte International Labor Defense verteidigt.
Der Jokinen-Prozess hält eine Reihe von Lektionen für die heutige Linke bereit. Es sind Lektionen über politische Genossenschaft. Die erste Lektion lehrt uns, was es bedeutet, auf derselben Seite zu stehen. Während des gesamten Prozesses teilten Anklage und Verteidigung dieselben Grundsätze und dieselben Ziele: die Einheit der Arbeiterklasse, die Überwindung des Rassismus, die Notwendigkeit der Durchsetzung der Gleichberechtigung im Alltag – und in letzter Konsequenz die proletarische Revolution. Diese geteilten Grundsätze ermöglichten es ihnen, den gemeinsamen Feind zu erkennen und zu benennen: die herrschende Klasse, die den weißen Chauvinismus und die Lynchjustiz propagierte. Alle, die sich dem Kampf gegen diesen Feind anschlossen, waren Genossinnen und Genossen – auch dann noch, wenn sie Fehler machten. Sie mussten nur eines Besseren belehrt und politisch ausgebildet werden, denn für den revolutionären Kampf war jeder einzelne unverzichtbar.
Die zweite Lektion folgt aus der ersten und betrifft den Wert der kollektiven Selbstkritik. Wenn sich eine Genossin oder ein Genosse von uns irrt, dann sind auch wir selbst dafür verantwortlich. Was hätten wir tun können, um den Irrtum zu verhindern? Welche Art von Erklärung oder Anleitung hätten wir geben können? Wir sind alle immerzu von der rassistischen Ideologie des Kapitalismus umgeben. Im Kampf dagegen müssen wir uns gegenseitig unterstützen. Wir müssen sämtliche Handlungen verurteilen, die den Rassismus reproduzieren – noch schärfer aber müssen wir das System verurteilen, das ihn hervorbringt.
Bei der dritten und letzten Lektion geht es um den Weg zurück. Im Gegensatz zu dem toxischen Moralismus, der Mark Fisher dazu bewegte, die linke Onlinekultur als ein »Vampirschloss« zu bezeichnen, strebte die Kommunistische Partei im Fall Jokinen nach Einheit. Obwohl es darum ging, einem Genossen den Prozess zu machen, untermauerten die angewandten Praktiken diese Einheit, anstatt sie aufzulösen. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen, und war doch nicht völlig geächtet. Als er sich der Macht des imperialistischen Staates ausgesetzt sah, stellte die Partei sogar seine Verteidigung vor Gericht. Jokinen war noch immer auf der Seite der Kommunistischen Partei. Er war noch immer ein Genosse. Er akzeptierte das Urteil der Partei und die Arbeit, die er leisten musste, um den Rassismus zu bekämpfen und die Einheit der Arbeiterklasse zu befördern.
Dabei war kein Moralismus am Werk. Es ging weder darum, Jokinen eine Entschuldigung abzuringen, noch wurde ein individualistisches Urteil über seine Person gefällt. Es ging einfach darum, den revolutionären Kampf voranzubringen.
Disziplin hat in der heutigen Linken keinen guten Ruf. Viele sehen in ihr nicht nur eine Bedrohung der individuellen Freiheit, sondern betrachten jede Art tief empfundener politischer Zugehörigkeit mit Skepsis. Da sie die Disziplin unter Genossinnen und Genossen nur als Zwang und nicht als freie Entscheidung zum Aufbau kollektiver Macht wahrnehmen, ersetzen sie die Wirklichkeit des politischen Kampfes mit den Phantasiegebilden einer individualisierten Politik. Sie blenden aus, dass politische Genossenschaft einen Entscheidungsprozess voraussetzt – sowohl bei der Person, die eintritt, als auch bei der Partei, die Eintritt gewährt. Und zuletzt ignorieren sie die befreiende Qualität der Disziplin. Denn wenn wir Genossinnen und Genossen haben, dann sind wir von der Verpflichtung befreit, alles selbst zu sein, zu wissen und zu tun.
Als Genossinnen und Genossen sind wir Teil eines größeren Kollektivs mit einer Linie, einem Programm und einem Ziel – sowie einer Reihe zielführender Aufgaben, derer wir uns gemeinsam annehmen. Disziplin befreit uns von jenem Zynismus, der sich als Reife ausgibt, und sie eröffnet uns einen praktischen Optimismus, der mit ernsthafter politischer Arbeit einhergeht.
Die Disziplin der politischen Genossenschaft erlaubt es uns, Fehler zu machen, daraus zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Wenn wir uns irren – und wir irren uns alle einmal –, dann werden unsere Genossinnen und Genossen da sein, um uns aufzufangen und richtigzustellen.
Vereinzelte und unorganisierte Linke hängen allzu oft der Illusion nach, dass die Menschen irgendwann spontan aus ihrem Alltag heraus neue Lebensformen erzeugen werden, die eine glorreiche egalitäre Zukunft einläuten. Diese Vorstellung von radikalem Wandel verkennt die Entbehrungen und Entmündigungen, die vierzig Jahre Neoliberalismus über die Masse der Menschen gebracht haben. Wenn es wahr wäre, dass Austerität, Verschuldung, Kapitalflucht und der Zusammenbruch der öffentlichen Infrastruktur und Institutionen irgendwie die Entstehung egalitärer Lebensformen beförderten, dann würden wir nicht die Verschärfung ökonomischer Ungleichheiten, die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt, die Hochrüstung der Polizeikräfte und Überwachungssysteme, den Rückgang der Lebenserwartung, den langsamen Tod durch ungenießbares Wasser und verseuchte Böden und die Verelendung ganzer Städte und Landstriche erleben, die heute zu unserem Alltag gehören.
Zu der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen zählt auch die Erschöpfung der menschlichen Ressourcen. In vielen Fällen wollen die Menschen etwas an ihren Lebensumständen verändern – nur wissen sie manchmal nicht, was sie tun sollen oder wie es gelingen könnte. Diese Menschen können in Arbeitsverhältnissen ohne gewerkschaftliche Interessenvertretung isoliert, durch mehrere Nebenjobs überlastet, oder mit der Betreuung ihrer Angehörigen überfordert sein. Was ihnen in diesen Situationen fehlt, ist die Einbettung in eine Organisation, die weiß, was sie tut, und die Gesellschaft von Genossinnen und Genossen, die sich dem gemeinsamen emanzipatorischen Kampf für eine egalitäre Zukunft verschrieben haben.
Manchmal wollen und brauchen wir einfach jemanden, der uns sagt, was wir tun können, weil wir zu erschöpft sind, um es selbst herauszufinden. Manchmal, wenn wir als Genossinnen und Genossen handeln, bekommen wir das Gefühl, dass unsere kleinen Bemühungen einen größeren Sinn und Zweck haben – vielleicht sogar eine welthistorische Bedeutung im uralten Kampf der Menschheit gegen Unterdrückung. Manchmal macht allein die Gewissheit darüber, dass wir Genossinnen und Genossen haben, die unsere Verpflichtungen, unsere Freuden und unsere Bemühungen teilen, und die mit uns zusammen aus unseren gemeinsamen Niederlagen lernen, politische Arbeit möglich, wo sie vorher undenkbar war.