06. April 2021
Fade Eintönigkeit und Plattenbau-Tristesse: So erscheint der Sozialismus im Klischee. Tatsächlich wird der Sozialismus die freie Entfaltung der Kreativität fördern, statt beschränken.
Tanz-Pause auf dem Kongress des Komsomol, dem Jugendverband der KPR, 20. Mai 1982.
Wir schreiben das Jahr 2081 und endlich sind alle gleich. Und das nicht nur vor Gott oder dem Gesetz, sondern in jedem erdenklichen Sinn. Niemand sieht besser aus und ist stärker oder schneller als die anderen. All diese Gleichheit beruht auf den Verfassungsänderungen 211, 212 und 321, sowie der unermüdlichen Wachsamkeit der Mitarbeitenden des »United States Handicapper General«.
Dies ist nicht meine Vorstellung von 2081, sondern die des amerikanischen Science Fiction-Autors Kurt Vonnegut, wie er sie in der Kurzgeschichte »Harrison Bergeron« beschreibt: eine Zukunft, in der alle gleich sind. In dieser müssen attraktive Menschen Masken tragen und kluge Menschen Kopfhörer, die sie mit lauten Geräuschen beim Denken stören.
Wie man es von Vonnegut nicht anders erwarten würde, enthält die Kurzgeschichte einige gruselig-komische Passagen, wie beispielsweise eine Ballettvorführung in der die Tanzenden mit Fußgewichten versehen werden. Aber anders als die meisten Geschichten von ihm basiert »Harrison Bergeron« auf einer reaktionären Prämisse: Gleichheit kann nur hergestellt werden, wenn die Besten auf das mittelmäßige Level der breiten Masse herunterreguliert werden.
Häufig wird der Sozialismus in Science Fiction-Romanen als graue Dystopie dargestellt, was wiederum die ambivalente Haltung verdeutlicht, die zahlreiche Künstlerinnen und Künstler dem Kapitalismus gegenüber kultivieren. Einerseits gibt es unter ihnen eine Abneigung gegen die Unmenschlichkeit und Kommerzialisierung dieser Gesellschaft, andererseits nehmen sie in dieser Gesellschaft eine Sonderstellung ein, in der sie ihre individuelle Kreativität ausleben können – zumindest solange sie von ihrer Kunst leben können. Da sie nicht in der Lage sind, sich eine Welt vorzustellen, die die Kreativität einer jeden einzelnen wertschätzt und unterstützt, fürchten sie, dass der Sozialismus sie ihrer Sonderstellung berauben könnte und sie auf ein Level mit einfachen Arbeitenden stellen würde.
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