13. Dezember 2021
Die Democratic Socialists of America sind in den letzten fünf Jahren um das Fünfzehnfache gewachsen. Auf einmal tragen sie politische Verantwortung.
Die Panikmache vor dem Sozialismus hat in den USA eine lange Geschichte. Sie kommt immer dann zum Vorschein, wenn innenpolitische Spannungen bestehen und man einen Sündenbock für die Probleme des Landes sucht. Die gegenwärtige reaktionäre Hetze gegen die »rote Gefahr« unterscheidet sich jedoch in einem ausschlaggebenden Punkt von früheren: Zum ersten Mal seit über einem Jahrhundert gibt es in den USA tatsächlich eine nennenswerte sozialistische Bewegung.
Die Democratic Socialists of America (DSA), der wichtigste organisatorische Ausdruck des demokratischen Sozialismus in den USA, ist seit 2016 um das Fünfzehnfache gewachsen, von etwa 6.000 auf fast 100.000 Mitglieder. Und auch qualitativ hat sich das Innenleben der DSA stark gewandelt: von einer passiven Mitgliedschaft zu einer aktiven Partizipationskultur. In einer Reihe von Bundesstaaten haben DSA-Verbände politische Ämter erobert, gewerkschaftliche Organisationen aufgebaut und eine breite Palette von Kampagnen durchgeführt – von Kämpfen um Wohnraum und Landnutzung bis hin zu Forderungen nach einer Überführung von Energieunternehmen in die öffentliche Hand.
Die Gründe für die wachsende Anziehungskraft des Sozialismus in den USA sind offensichtlich: grassierende Ungleichheit, politische Dysfunktionalität, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Polizeigewalt und Masseninhaftierung sowie das drohende ökologische Chaos – um nur einige zu nennen. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 übersetzte sich die Proteststimmung hinter Occupy Wall Street und Black Lives Matter in die Beteiligung an einer politischen Massenorganisation. Das Schlüsselelement, das die sozialen Proteste zusammenführte und institutionalisierte, waren jedoch die beiden Kampagnen von Bernie Sanders. Es gäbe heute keine wachsende demokratisch-sozialistische Bewegung in den USA, wenn Sanders 2016 und 2020 nicht für das Präsidentenamt angetreten wäre. Zwar ist er nicht Präsident geworden, jedoch hat er als Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Senats heute mehr Macht in Washington als je zuvor. Außerdem steht er jetzt nicht mehr alleine da: Seit seiner ersten Kandidatur ist eine wachsende Zahl demokratisch-sozialistischer und progressiver Abgeordneter in den Kongress gewählt worden, von denen Alexandria Ocasio-Cortez die bekannteste ist.
Der Congressional Progressive Caucus (CPC), den Sanders 1991 mitbegründete, hat sich von einem Fußabtreter zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt. DSA und CPC sind zwar nicht formell miteinander verbunden – einige CPC-Mitglieder haben DSA sogar scharf kritisiert. Dennoch ist der CPC das, was einem linken Block auf Bundesebene am nächsten kommt, und seine wachsende Stärke im Kongress spiegelt die wachsende Stärke der US-Linken im Allgemeinen wider. DSA hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die der Organisation bevorstehenden Herausforderungen sind aber beträchtlich.
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Chris Maisano ist Redakteur bei Jacobin und Mitglied der Democratic Socialists of America.