11. Januar 2024
Die SPD meint wohl, sie hat genug respektiert. Jetzt zückt sie die Sanktionspeitsche gegen Arbeitslose.
Hubertus Heil will Deutschland besser machen, indem er Arbeitslosen das Leben schwer macht.
Mit Respekt hat die SPD Wahlkampf gemacht. Jetzt wollen sie den Arbeitslosen, die nicht den erstbesten Job annehmen, sogar das Geld zum Essen streichen. Wenn Arbeitslose das erste Jobangebot ablehnen, soll ihnen das Bürgergeld für mehrere Monate von 563 Euro auf 0 Euro gekürzt werden können. Wohnungsmiete und Heizung sollen weiter übernommen werden, Lebensmittel und Klopapier hingegen nicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil möchte uns das sogar als Chance für die Menschen und als Mitwirkungspflicht verkaufen. Doch das ist in allererster Linie menschenverachtend und keine Chance.
Legitimiert wird diese Politik aus einer angeblichen Finanzierungsnot der Ampel. Diese ist natürlich selbstverschuldet. Denn die Ampel muss sich nicht an die Schuldenbremse klammern, die Superreichen schützen oder Milliarden in Aufrüstung stecken – dies sind politische Entscheidungen, die sie freiwillig trifft, und keine Sachzwänge.
Aber selbst unter diesen irrsinnigen Prämissen geht es bei den Vollsanktionen um läppische 170 Millionen Euro jährlich. Das sind in Anbetracht des Gesamthaushalts von rund 450 Milliarden Euro Peanuts. Aberwitzig, dass man dafür solche menschenverachtenden Eingriffe in Kauf nimmt. Es gibt hunderte andere Reformen, die ein ähnliches Volumen gebracht hätten, ohne arbeitslose Menschen zu schikanieren.
»Man braucht sich nicht zu wundern. Hubertus Heil und Olaf Scholz waren Gerhard Schröders Agenda-Soldaten.«
Im Endeffekt sind von den 3,9 Millionen Menschen, die erwerbsfähig sind und Bürgergeld empfangen, nur 23.400 Personen mit Sanktionen wegen mangelnder Mitwirkung belegt. Das sind 0,6 Prozent. Und da sind auch noch Menschen dabei, die psychische Störungen, Suchtkrankheiten oder andere schwere Schicksale haben. Real geht es also um wenige Tausend Menschen in einem Land von über 80 Millionen. Kein großes gesellschaftliches Problem, wie es so oft beschworen wird – doch ein umso größeres Problem für jene Betroffenen, die in Zukunft unter dieser SPD-Politik leiden werden.
Doch diese Politik hat noch einen anderen Sinn. Sie ist ein Angriff auf die gesamte Arbeiterschaft. Jene, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sollen dazu diszipliniert werden, ihren Ausbeutungsjob trotz schlechtem Lohn und Umständen weiterzumachen. Wenn sie nicht sofort in den nächsten Ausbeutungsjob wechseln, droht ihnen ansonsten, dass sie nicht mal mehr Geld für Lebensmittel bekommen. Das zieht das ganze Lohngefüge nach unten und schwächt die Verhandlungsmacht der Arbeiterschaft, wodurch im Endeffekt die große Mehrheit der Menschen verliert und das Kapital gewinnt.
Aber ganz ehrlich: Man braucht sich nicht zu wundern. Hubertus Heil und Olaf Scholz waren Gerhard Schröders Agenda-Soldaten. Heil war Mitglied im Fraktionsvorstand der SPD, Scholz der Generalsekretär. Schröders Schüler zücken nun die Peitsche noch viel härter als ihr Lehrer.
Lukas Scholle ist Volkswirt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Deutschen Bundestag und Kolumnist bei JACOBIN.