20. Januar 2024
Anders als viele andere Science-Fiction-Klassiker präsentiert »Star Trek« eine optimistische Vision von der Zukunft der Menschheit: Die Demokratie triumphiert, die Ausbeutung hat ein Ende und die materiellen Bedürfnisse aller Menschen werden befriedigt.
Die Besetzung von »Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert« in einem Werbefoto, 1987.
Es ist das Jahr 2364 und ein schmuddeliges kleines Raumschiff mit dem ehemaligen Wallstreet-Kapitalisten Ralph Offenhouse an Bord, der sich seit 1994 in einem Kryoschlaf befindet, schwebt durchs Weltall und wird vom Raumschiff Enterprise-D entdeckt. Nach dem Aufwachen findet Offenhouse heraus, dass die Wissenschaft zwar eine Heilung für seine zuvor unheilbare Krankheit gefunden hat, seine Bankkonten und Investitionen aber alle nicht mehr existieren. Zu seinem Entsetzen muss er feststellen, dass nicht einmal sein geliebtes Wall Street Journal sich dem Zahn der Zeit entziehen konnte.
»In den letzten drei Jahrhunderten hat sich unglaublich viel verändert«, erklärt ihm der Schiffskapitän Jean-Luc Picard. »Es ist für die Menschen nicht länger wichtig, große Reichtümer zu besitzen. Wir haben den Hunger eliminiert, die Not, die Notwendigkeit reich zu sein. Die Menschheit ist erwachsen geworden.«
Star Trek präsentiert eine optimistische Zukunftsvision der Menschheit. Das macht die Serie zu einer Ausnahmeerscheinung im Science-Fiction-Genre, das ansonsten zu trostlosen Dystopien neigt. Tatsächlich wäre es zu vereinfachend, zu behaupten, Star Trek stelle eine sozialistische Gesellschaft dar, doch der Utopismus dieser Geschichte lehnt sich allemal stark an die Ideen von Marx an. Star Trek bildet eine Zukunftsvorstellung ab, in der der Kollektivismus triumphiert hat, das Geld überflüssig geworden ist, und jedes materielle Bedürfnis befriedigt wird.
Die Serie dreht sich um ein Raumschiff und seine Crew, die in wechselnder Zusammensetzung der fortwährenden Mission folgt, »in Galaxien [vorzudringen], die nie ein Mensch zuvor gesehen hat«. Jedoch, so erklärt es Captain Picard im Film Der erste Kontakt (1996), sei »der Erwerb von Reichtum [...] nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern – und den Rest der Menschheit.«
Statt zu arbeiten, nur um zu überleben, sind die Menschen frei, ihre Zeit der Erkundung des Kosmos, dem Erfinden oder den Künsten zu widmen – manchmal sogar allen drei gleichzeitig. Diese optimistische Sicht auf die menschliche Natur steht in starkem Kontrast zu Filmen wie zum Beispiel Pixars Wall-E. Dieser folgt der rechten Vorstellung, dass eine Gesellschaft ohne Knappheit (was Keynes das »Umsetzungsproblem« nennt) zu Trägheit und Hedonismus führen würde und schlussendlich zum Untergang der Menschheit.
In Star Trek ist auch Geopolitik eine Sache der Vergangenheit. Stattdessen gibt es eine Vereinigte Föderation der Planeten. Die von der UN inspirierte Organisation ist auf den Prinzipien von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Fortschritt und friedvoller Koexistenz gegründet und hat sich dem Streben nach Wissen und den universellen Rechten für empfindungsfähige Wesen verschrieben. Die ökonomischen Bedingungen der Gesellschaft erlauben es allen ihren Mitgliedern, nach ihren Fähigkeiten zur Gesellschaft beizutragen und nach ihren Bedürfnissen zu konsumieren.
»Die Serie liefert eine Antithese dazu, wie der Kapitalismus uns veranlasst, Technologie wahrzunehmen, indem sie uns erlaubt, uns vorzustellen, wie die Gesellschaft aussehen könnte, wenn Technologie einzig und allein dazu eingesetzt würde, unsere Lebensqualität zu verbessern.«
Es ist erwähnenswert, dass Star Trek ein Produkt jener politischen Ära ist, die der postfordistischen, neoliberalen Phase vorausging, und in der man sich verschiedene Zukünfte nicht nur vorgestellt, sondern auch für sie gekämpft hat. The Original Series wurde zwischen 1966 und 1969 ausgestrahlt – einer trotz großer Unruhen fruchtbaren Zeit für die politische Imagination.
Gene Roddenberry, der Schöpfer von Star Trek, hat diesen Optimismus offensichtlich geteilt. Er glaubte, dass die Menschheit, statt der Selbstvernichtung geweiht zu sein, dazu bestimmt ist, sich aus der politischen Kurzsichtigkeit herauszuentwickeln.
Dank Roddenberry war The Original Series, wenn auch nicht nach heutigen Standards, mit seiner multinationalen, multiethnischen und gemischtgeschlechtlichen Crew seiner Zeit voraus. Die Serie strahlte den ersten jemals im Fernsehen gezeigten Kuss zwischen einer Schwarzen und einem Weißen aus. Martin Luther King sagte einst, Star Treksei »die einzige Serie, für die ich und meine Frau Coretta unseren drei kleinen Kindern erlauben, aufzubleiben und sie anzuschauen.«
Heutzutage sind Roddenberrys Mängel und Heucheleien bestens bekannt. Laut seiner letzten Frau, Majel Barrett, bezeichnete er sich selbst als Kommunist. Durch viele Berichte über seine unethischen Geschäftspraktiken wissen wir jedoch, dass er wie besessen davon war, Geld zu machen. Er predigte Frieden und Liebe, aber er war berüchtigt dafür, schwierig im Umgang zu sein. Außerdem schwang er die Flagge des Feminismus, war jedoch ein notorischer Frauenheld.
Statt sich auf Roddenberry, den Mann zu konzentrieren, ich es aber interessanter, sich mit Roddenberry, dem Geschäftsmann zu beschäftigen. Als die Serie ausgestrahlt wurde, gab es große Unruhen. Die USA wurden von Race Riots und Anti-Kriegsprotesten gespalten und dann erschien auch noch die schreckliche Bedrohung eines nuklearen Armageddon am Himmel. Statt jedoch eine »Fortschreibung und Übertreibung« dieser Bedingungen anzubieten, wozu Kulturproduktion oftmals neigt, sah Roddenberry die Anziehungskraft einer besseren Zukunft.
Möglicherweise hat er diese Anziehungskraft erkannt, weil er besser als die meisten wusste, wie schrecklich Menschen sein können.
Als die Serie in den 1980ern rebootet wurde, verengte sich der politische Horizont. Dennoch war es dieses Jahrzehnt, nur zwei Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer, in dem Star Trek am deutlichsten marxistisch wurde. Dies war der Einführung des »Replikators« zu verdanken, einem futuristischen 3D-Drucker, der alles Mögliche aus recycelter Materie herstellen kann, wodurch das Problem des »Mangels« gelöst wird.
In Star Trek führt die Technologie alleine jedoch nicht zur Utopie. Durch die Vorstellung der Ferengi – eine Alien-Rasse, deren Kultur auf Gier und Profitdenken aufbaut – lernen wir, dass die Sozialisierung des Replikators eine politische Entscheidung ist. Die Replikatoren der Ferengi sind nämlich privatisiert, während sich die Replikatoren der Föderation in öffentlichem Eigentum befinden.
»Indem Star Trek uns einfach die Möglichkeit der Kooperation aufzeigt, bietet sie uns etwas an, nachdem wir streben können – und die Solidarität ist ohne Zweifel der erste Baustein, den es für den Aufbau einer Utopie braucht.«
Zwar verbleiben Konzepte wie der Warp-Antrieb oder die Teleportation bis auf Weiteres im Bereich der Science Fiction, doch viele der technologischen Vorhersagen in Star Trek haben sich tatsächlich materialisiert oder sind am Entstehen – inklusive des Konzepts der 3D-Drucks auf molekularer Ebene und zunehmend nutzbringenden Anwendungen von Künstlicher Intelligenz. Was der Kapitalismus jedoch undenkbar macht, ist die Politik hinter der Technologie: dass technologischer Fortschritt uns allen nützen könnte, anstatt uns weiter in die Entfremdung zu führen.
Die Serie liefert eine Antithese dazu, wie der Kapitalismus uns veranlasst, Technologie wahrzunehmen, indem sie uns erlaubt, uns vorzustellen, wie die Gesellschaft aussehen könnte, wenn Technologie einzig und allein dazu eingesetzt würde, unsere Lebensqualität zu verbessern. Anstatt diesem Weg zu folgen, führen die Häppchen der Bequemlichkeit, zu denen uns der technologische Fortschritt verholfen hat, nur dazu, unser Gefühl dafür zu betäuben, dass wir in einen Kreislauf aus Konsumismus und Überwachungskapitalismus geraten sind.
Ein weiterer utopischer Aspekt von Star Trek ist die Darstellung von Solidarität. Roddenberry hatte viele »Regeln«, denen die Serie zwingend folgen musste. Die berühmteste wurde als »Roddenberry-Prinzip« bekannt: dass Konflikte nie zwischen Hauptcharakteren, sondern nur mit äußeren Kräften ausgetragen werden dürfen.
Roddenberry war der Ansicht, die Charaktere müssten das Beste der Menschheit verkörpern, um die utopischen Bedingungen von Star Trek glaubhaft zu machen. In der Folge »Das Experiment« zum Beispiel fällt der Schiffsärztin Beverly Crusher auf, dass Crewmitglieder verschwinden. Aber jedes Mal, wenn eine Person verschwindet, gerät sie zudem in Vergessenheit, als ob sie für alle anderen nie existiert hätte.
In einem typischen Drama entstünde daraus ein Plot, den man »Cassandra Truth« nennt: Die Heldin stößt auf eine Verschwörung, doch niemand glaubt ihr, also hat sie keine andere Wahl, als das Rätsel selbstständig zu lösen. In Star Trek wird die Möglichkeit, dass Menschen aus der Existenz gelöscht werden könnten, jedoch von den Kolleginnen und Kollegen der Ärztin ernst genommen und untersucht, anstatt sie zu behandeln, als ob sie ihren Verstand verloren hätte.
Anstatt dass sich die Dramaturgie der Serie um zwischenmenschliche Konflikte dreht, werden Probleme durch Teamwork gelöst – und nur in seltenen Fällen ist dies das Ergebnis des Heroismus einer einzelnen Person. Dies ist einer der einzigartigsten Aspekte der Serie: als Publikum erwarten wir für gewöhnlich Konflikte zwischen den Charakteren als eines der grundlegendsten Elemente eines Dramas.
»Wir alle leben im gleichen politischen System, das jedwede Bedrohung seiner Existenz auslöscht. Mit jedem Tag, an dem sich das System tiefer in unsere Leben verwurzelt, wird es schwieriger, sich eine Alternative vorzustellen.«
Es ist beruhigend, zu wissen, dass man, egal wie groß das Problem ist, darauf vertrauen kann, dass die Charaktere ihre Gedanken und Gefühle miteinander kommunizieren, eine Situation objektiv bewerten und zusammenarbeiten. Noch beruhigender ist es, wie Star Trek kontinuierlich Beispiele der Kooperation, der Konfliktlösung, der Freundlichkeit und Empathie bietet, die in den meisten modernen Drama-Serien kaum vorkommen.
Dies ist das wohl radikalste Element von Star Trek. Indem die Serie uns einfach die Möglichkeit der Kooperation aufzeigt, bietet sie uns etwas an, nachdem wir streben können – und die Solidarität ist ohne Zweifel der erste Baustein, den es für den Aufbau einer Utopie braucht.
Als es für Ralph Offenhouse, einen Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, Zeit wird, auf die Erde des 24. Jahrhunderts zurückzukehren, ist er ratlos. »Was soll ich machen? Wie werde ich leben?«, fragt er. »Was hat man dann noch für ein Ziel?« Das Problem ist: Offenhouse hatte sich nie erlaubt, sich eine Alternative zum Kapitalismus vorzustellen. Für jemanden, der sein ganzes Leben lang in einem Gefängnis saß, gibt es nichts Beängstigenderes, als freigelassen zu werden. Instinktiv will er in die Dunkelheit zurück, wie der Gefangene in Platons Höhle.
Auf gewisse Art sind wir alle wie Offenhouse. Wir mögen nicht alle unter seiner besonderen Ausprägung eines kapitalistischen Stockholm-Syndroms leiden, aber wir alle haben natürlich Schwierigkeiten damit, uns eine andere Lebensweise vorzustellen. Wir alle leben im gleichen politischen System, das jedwede Bedrohung seiner Existenz auslöscht. Mit jedem Tag, an dem sich das System tiefer in unsere Leben verwurzelt, wird es schwieriger, sich eine Alternative vorzustellen.
Hierin liegt die Macht von Star Trek. Es ist einfach, utopische Science Fiction als eskapistisch abzutun, als ob der kapitalistische Eskapismus eine niedere Form der Kunst wäre, als der Realismus. Aber was soll die permanente Erinnerung daran, dass alles schlecht ist, der Gesellschaft nützen? Negativität ist wenig inspirierend. Und, wie Gene Roddenberry festgestellt hat (Politiker aufgepasst): Optimismus verkauft sich gut.
Simon Tyrie ist Musiker und Aktivist aus Luton, England.