14. Dezember 2023
Investitionspakete in den USA, Preiskontrollen in Deutschland – wackeln etwa die neoliberalen Dogmen? Die Ökonomin Stephanie Kelton weiß, was dran ist und wo es noch hakt.
»Mr. Market wedelt mit dem Finger und sagt: ›Nein, nein, nein, das darf nicht sein.‹«
Viele sagen, die Wirtschaftspolitik habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert. In den USA und Europa können wir riesige Ausgabenprogramme und eine Reihe von Preiskontrollen zum Beispiel für Strom und Gas beobachten. Sind dies die Anfänge eines Paradigmenwechsels?
Ich denke, ja. Die politische Reaktion auf die Pandemie und die Art und Weise, wie das US-Finanzministerium und die Regierung durch den Kongress handeln, ist diesmal konsequenter und unterscheidet sich von der Art und Weise, wie wir auf die Finanzkrise von 2008 reagiert haben. Damals gab es im Grunde ein einziges großes Ausgabenpaket, das zunächst wie eine Menge Geld erschien.
Doch dann machte die Schuldenkrise in der EU den US-Gesetzgebern Angst und veranlasste Barack Obama und die Demokraten, sich zurückzuziehen, als die Wirtschaft eindeutig weitere Unterstützung benötigte. Infolgedessen hatten wir im Wesentlichen ein verlorenes Jahrzehnt. Etwa zehn Jahre lang erholte sich die Wirtschaft nur sehr schleppend, Millionen Menschen litten Not, verloren Jobs und Häuser.
Was genau hat sich mit der Pandemie geändert?
Nun, zunächst einmal leitete die Trump-Regierung eine viel umfangreichere fiskalische Reaktion ein – und zwar nicht einmal, sondern zweimal. Dann brachte Präsident Biden ein drittes großes Ausgabenpaket auf den Weg. Wir sprechen hier von etwa fünf Billionen Dollar in drei Gesetzen. Und das war noch nicht alles. Es folgten der Chips and Science Act, das von beiden Parteien mitgetragene Infrastrukturgesetz und der sogenannte Inflation Reduction Act, die größte Klimagesetzgebung, die wir in den USA jemals hatten. Wir reden hier von Aberbillionen Dollar, und zwar nicht nur zur Linderung der direkten Auswirkungen der Pandemie, sondern in Form von Investitionen in die Wirtschaft im Allgemeinen.
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Stephanie Kelton ist Ökonomin und eine der bekanntesten Vertreterinnen der Modern Monetary Theory, die Geldsystem und Staatsfinanzen neu beschreibt. Sie ist Autorin unter anderem des Buches Der Defizit-Mythos und war Chefökonomin von US-Senator Bernie Sanders.