08. September 2020
Tesla wird weltweit von Regierungen hofiert. Doch dabei geht es nicht um das Klima, sondern um die Monopolstellung in einem grünen Kapitalismus.
Elon Musk im Tesla-Hauptwerk in Fremont.
Das Phänomen Tesla löst nicht nur in der Welt der Investoren Erstaunen aus, sondern auch bei Beschäftigten, Staaten und Aktionären, die Tesla vor sich hertreibt. Tesla ist ein Unternehmen, das einen Börsenwert von 443 Milliarden US-Dollar hat. Im internationalen Vergleich ist Tesla somit bedeutend mehr »Wert« als seine Konkurrenten, wie etwa Volkswagen mit 86 Milliarden Dollar oder Toyota mit 185 Milliarden Dollar. Tesla liefert zwar einige Erfolgsmeldungen, zum Beispiel einen relativ geringen Produktionsrückgang während des Lockdowns oder einen steigenden Marktanteil bei den mittelpreisigen Limousinen, doch ist das wirklich ausschlaggebend für diese Bewertung?
Tesla ist mehr als ein Autofabrikant, die Marke ist zu einer Art Religion geworden: eine Wette auf die Zukunft. In dieser Zukunft fahren Tesla-Autos mit einer Tesla-Autopilot-Software zu Tesla-Ladestationen, welche mit Tesla-Strom, der in Tesla-Großbatterien gespeichert wird, von Tesla-Solarziegeln beladen werden.
Ein Kernelement dieser in sich geschlossenen Produktions- und Lieferkette ist die Ladeinfrastruktur der Elektroautos. Angesichts steigender Absatzzahlen bei den Elektroautos ist Tesla in der Pole-Position und kann dadurch immer mehr Netzwerkvorteile gewinnen und diese in die hauseigene Richtung manövrieren, beispielsweise durch Vergünstigungen für die hauseigene Ladeinfrastruktur und Energieerzeugung oder auch durch den Energiekonsum der hauseigenen Elektroautos und der hauseigenen Autopilotsoftware. Diese zunehmende Marktmacht in all diesen Bereichen macht es potenziellen Mitbewerbern schwer, mit Tesla in Konkurrenz zu treten. Und wenn wir eines wissen, dann, dass Monopole ihre Macht bei jeder Gelegenheit ausnutzen.
Das zweite Kernelement ist die Verkaufsstrategie der Elektroautos in einem zukünftig potenziellen Quasi-Monopol. Bei dauerhaften Gütern muss der Monopolist eine Mengenverknappung vornehmen, damit die Preissetzungsmacht erhalten bleibt, wodurch aber nicht die komplette Nachfrage bedient wird. Wenn man aber wie Tesla ursprünglich dauerhafte Güter wie Autos zu verbrauchbaren Gütern umfunktioniert, indem man etwa Mietzyklen oder Softwareupdates, die die Selbstbestimmung der Eigentümer verringern, standardisiert, kann ein Monopolist seine Preissetzungsmacht erhalten und gleichzeitig die Produktionsmengen ausweiten. Schon Amazon hat gezeigt, dass es extrem profitabel und machtausweitend ist, den kompletten Produktionsprozess abzudecken. Die Monopolisierung der Ladeinfrastruktur ist in den USA weitaus verbreiteter als in Europa oder Deutschland. Hierzulande kämpfen gegenwärtig die Konsumentinnen und Staaten gegen den weitgehend unregulierten Markt für Ladestrom. Hier schreitet auch die Monopolkommission ein, um existierende regionale Monopole zu bekämpfen. Doch Tesla könnte die Aufholjagd in Deutschland schneller aufnehmen, als man denkt – etwa, indem das kalifornische Unternehmen europäische Unternehmen übernimmt
Für die Umsetzung dieser Allmachtsphantasien braucht der Tesla-CEO Elon Musk Geld – viel Geld. Dafür greift er auf unkonventionelle Marketingmethoden zurück – sowohl für Tesla selbst als auch, um den Hype um seine Person weiter zu befeuern. So setzte er einen Tesla ins Cockpit einer Rakete, verkauft Flammenwerfer oder bietet SUVs in ungewohntem Design an. Das alles macht er, um sich als Freidenker zu inszenieren, als disruptiver Entrepreneur, der im richtigen Moment (bei einem hohen Aktienkurs) eine Kapitalerhöhung durchführt, um neues Kapital für seine Allmachtsphantasien einzusammeln, oder auch indem er einen Aktiensplit macht (bei dem eine Aktie z.B. in fünf Aktien geteilt wird, wodurch sich die Menge verfünffacht und sich der Preis ungefähr fünftelt), sodass sich auch Kleinanleger wieder eine Beteiligung leisten können.
In Zeiten von Handelskriegen und neoliberaler Wirtschaftspolitik erscheint es nicht verwunderlich, dass ein maßgeblicher Anteil des Erfolgs von Tesla auf den US-amerikanischen Staat zurückgeht. Das Energieministerium vergab 2009 einen 465 Millionen Dollar Kredit an Tesla, um die drohende Insolvenz zu verhindern und den Produktionsstart zu ermöglichen. Jahre später wurde dann die Nachfrage durch Subventionen beim Kauf eines Autos mit Elektroantriebs unterstützt, was die FAZ präzise als »Tesla First!«-Strategie beschreibt, weil Tesla in den USA Marktführer unter den Elektroautoherstellern ist und Tesla davon überproportional profitiert. Darüber hinaus spielt Elon Musk die einzelnen US-Bundesstaaten bei der Wahl eines neuen Betriebsstandortes so gegeneinander aus, dass die Staaten immer höhere Subventionen anbieten. So konnte er sich für seine Gigafactory in Nevada Steuererleichterungen in der Höhe von 1,3 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2034 sichern. Und auch im Ausland wird um Teslas Gunst gerungen. In China hat Tesla für den Fabrikbau einen Kredit in Höhe von unfassbaren 1,4 Milliarden Dollar von einer chinesischen Staatsbank erhalten – und das zu Konditionen unter Marktpreisen. In Deutschland liegt aktuell ein Förderungsantrag (kein Scherz: ein »Förderungsantrag« und kein »Kreditantrag«) von 270 Millionen Euro beim Land Brandenburg zur Begutachtung vor, dazu weitere Anträge auf Ebene der europäischen Union. Angesichts der Förderung durch diverse Akteure verwundert es nicht, dass das Manager Magazin Tesla ein »Staatshilfe-Imperium« nennt. Normalerweise führen staatliche Förderungen zu Minimonopolbildungen, die oft durch ein Patent vorübergehend sicheren Gewinn einbringen. Nicht so bei Tesla – viele der Aktionäre spekulieren darauf, dass das Unternehmen eine sektorübergreifende und dauerhafte Vormachtstellung erlangen wird, welche aber ähnlich wie andere Plattform-Konzerne nicht als Monopol bewertet und eingeschränkt wird.
Das alles geschieht, obwohl Elon Musk für Staat, Beschäftigte und Aktionäre unberechenbar ist. Einmal behauptete er selbst auf Twitter, die Tesla-Aktie sei »überbewertet« – woraufhin die Aktie um 10% fiel und Musk sich Ärger mit der amerikanischen Börsenaufsicht einhandelte. Ein anderes Mal drohte er an, seine Firmenzentrale aufgrund eines zu lange andauernden Lockdowns von Kalifornien nach Nevada zu verlegen. Derartige Entgleisungen sind regelmäßig zu begutachten. Kürzlich postete Musk ein Marx Meme, auf dem zu Lesen ist: »Gib me dat for free« – ein Spruch, der unter US-amerikansichen Rassisten und Rassistinnen zur Diskriminierung von schwarzen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern verwendet wird. Dass Musk darüber hinaus offensichtlich vom Marxismus wenig versteht, hat er dabei ebenso preisgegeben, denn davon, dass der Mehrwert durch den Kapitalisten »for free« angeeignet wird, ist in dem Meme nicht die Rede.
In Deutschland ringen seit längerem Politikerinnen und Politiker darum, wem die Lorbeeren für die Standortwahl Teslas nahe Berlin gebühren. Neben Konservativen, die öffentlich in Erwägung ziehen, Tesla bei der Forschung zu unterstützen, und die zeigen wollen, wie schnell Deutschlands Bürokratie ist, sind es vor allem die Mitte-Links-Regierungen in Berlin und Brandenburg, die den Erfolg auf ihrer Seite verbuchen wollen. Renate Künast, die auch gerne mal Wahlkampf im Tesla macht, verkündet schlichtweg, dass man es einfach gemeinsam genießen solle, dass es (durch unternehmerische Willkür) so gekommen ist.
Aus Sicht der Bundesländer und der Kommunen ist diese Erfolgsbewertung aber tatsächlich naheliegend. Tesla schafft Arbeitsplätze, die wiederum Kaufkraft in umliegende Orte bringen. Außerdem wird der Wissenschaftsstandort Berlin-Brandenburg gestärkt. Dazu kommen Steuereinnahmen, die durch das selbstauferlegte Spardiktat der Bundesregierung für die Länder und der oftmals klammen Kassenlage der Kommunen umso wichtiger sind.
Wir dürfen trotzdem nicht vergessen, dass es sich bei Tesla um ein kapitalistisches Unterfangen in grünem Gewand handelt, das auf privatisierten Renditeversprechungen basiert. Es ist eine nur scheinbare sozial-ökologische Transformation mit öffentlichen Geldern, aber ohne öffentliche Mitbestimmung. Die geschaffenen Jobs kommen überwiegend einer gut gebildeten Schicht zugute. Die Tesla-Produkte können sich überdies sowieso nur die Gutverdienenden leisten. Der geschaffene Mehrwert fließt langfristig den Aktionären und Elon Musk zu, der aufgrund seines außergewöhnlichen Vergütungsmodells mit Aktienoptionen fürstlich belohnt wird. CO2-technisch mag es sicherlich Fälle geben, in denen ein Elektroauto angebracht ist, aber Elektroautos als klimapolitische Lösung des Verkehrssektors zu vermarkten, ist allein schon aufgrund der verursachten Umweltschäden bei der Produktion in ärmeren Ländern fragwürdig. Außerdem sollten wir uns nichts vormachen: Musk wird im Zweifel alle rechtlichen Mittel zur Steueroptimierungen und gegen den Gewerkschaftsaufbau nutzen.
Und die Alternative? Anstatt urplötzlich die Vergesellschaftung von Tesla zu fordern, sollte eine progressive Bundesregierung eher Vorgaben in Sachen Löhne, Mitbestimmung, Nachhaltigkeit etablieren und darüber hinaus etwa die Förderung von Elektroautos an deren Größe und Gewicht koppeln und wettbewerbsrechtlich die Ladeinfrastruktur weiterhin regulieren.
Eine politische Alternative zu einem grün angestrichenen Kapitalismus bietet ein Green New Deal, der auf einem sozial-ökologischen Transformationsanspruch basiert und den Fokus auf gesamtheitliche und gemeinschaftliche Transformation setzt: Soziale Sicherheit durch eine Arbeitsplatzgarantie, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung, öffentliche und zugängliche Daseinsvorsorge und eine Verkehrsinfrastruktur, die Massenindividualverkehr ersetzt, anstatt die Umweltkosten in andere Länder überzuwälzen.
Lukas Scholle ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag für Finanzpolitik und betreibt den Podcast Wirtschaftsfragen.
Lukas Scholle ist Volkswirt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Finanzpolitik im Deutschen Bundestag und Kolumnist bei JACOBIN.