11. April 2024
Die auf der populären »Trisolaris«-Trilogie des Sci-Fi-Autors Cixin Liu basierende Netflix-Serie »3 Body Problem« ruft gemischte Reaktionen hervor. In jedem Fall bildet sie eine gelungene Variation auf das alte »Krieg der Welten«-Motiv für das 21. Jahrhundert.
Eiza González spielt Auggie Salazar in »3 Body Problem«.
Die Netflix-Produktion 3 Body Problem, die auf der Trisolaris-Trilogie des chinesischen Science-Fiction-Autors Cixin Liu basiert, gehört zu den aktuell meistgesehenen Serien der Welt. Wie zu erwarten, wird sie von vielen Fans von Lius Büchern hingegen harsch kritisiert und verrissen. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass es eine ausführlichere chinesische TV-Adaption gibt, die im vergangenen Jahr erschienen ist.
Gerade chinesische Zuschauerinnen und Zuschauer beschweren sich über die seichte Hollywood-artige Adaption, die Verlagerung des Schauplatzes von China nach Großbritannien und die antichinesischen Tendenzen, die sie in dieser neuen Version sehen. So würden in der Netflix-Serie sowohl die Charaktere als auch die Erzählung an sich »globalisiert«. Fans der Bücher kritisieren außerdem die maximal oberflächliche Behandlung von Physikthemen und die vielen Änderungen, die im Vergleich zu den Original-Büchern vorgenommen wurden.
Ich selbst habe die Bücher nie gelesen und bin daher ohne Vorkenntnisse in die acht Episoden umfassende erste Staffel gegangen. Insgesamt erschien mir die Serie zwar glatt und mit zu vielen hübschen TV-Schauspielern besetzt, aber dennoch fesselnd und sehr unterhaltsam. Unwissenheit kann offensichtlich ein Segen sein, wenn man 3 Body Problem sieht. Und ich muss anmerken, dass die Serie mit dem grobschlächtigen, phlegmatischen, pockennarbigen, insgesamt »unhübschen« Schauspieler Benedict Wong als zentrale Figur einen großen Trumpf in der Hand hat. Ich liebe diesen Typen einfach.
Die Serie wurde vom Game of Thrones-Kreativteam David Benioff und D. B. Weiss zusammen mit Alexander Woo (The Terror: Infamy) nach den Romanen von Liu adaptiert. Sie handelt von einem komplexen Weltuntergangsszenario: Experimente zur Teilchenbeschleunigung, die in Top-Forschungszentren auf der ganzen Welt durchgeführt werden, liefern plötzlich absurde Ergebnisse, die die gesammelten Daten aus den vorhergegangenen zehn Jahren zu widerlegen scheinen. Die Zentren werden geschlossen, und viele Forschende begehen Selbstmord oder sterben unter mysteriösen Umständen. Benedict Wongs Figur, der Geheimdienstler Clarence »Da« Shi, wird vom skrupellosen Spion Thomas Wade (Liam Cunningham), der für eine nicht näher benannte Regierungsbehörde arbeitet, damit beauftragt, herauszufinden, was eigentlich vor sich geht.
In Flashbacks werden die aktuellen mysteriösen Geschehnisse mit Ereignissen aus der Kulturrevolution im Jahr 1966 in China in Verbindung gebracht. Damals wurde die junge Ye Wenjie (Zine Tseng) Zeugin des brutalen Mordes an ihrem Vater bei einer Kampf- und Kritiksitzung, nachdem er zuvor von ihrer Mutter denunziert worden war: Der Physiker will seine konterrevolutionäre Haltung zur Urknalltheorie – die nach Ansicht der Revolutionäre die Existenz Gottes belegen könnte – nicht widerrufen und wird von fanatischen jungen Maoisten zu Tode geprügelt.
Wenjie wurde von ihrem Vater ausgebildet und gilt bald als mögliche Kandidatin für geheime wissenschaftliche Experimente, die von der chinesischen Regierung in einer Festung auf einem Hügel mit Blick auf das Gefängnis, in dem sie festgehalten wird, durchgeführt werden. Es wird Wenjies Aufgabe, die Versuche zur Kontaktaufnahme mit außerirdischem Leben über einen riesigen, auf den Himmel gerichteten Signalapparat zu überwachen. In dieser Technologie spiegelt sich auch die Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Nationen der Erde wider.
»Der Außerirdische schickt ihr eine ominöse Nachricht, in der er sie warnt, nicht mehr zu antworten. Ansonsten sei das Überleben der gesamten Menschheit in Gefahr.«
Wenjie ist brillant und findet eine Möglichkeit, das Signal zu verstärken – und sie erhält tatsächlich eine Antwort. Sie ist allein im Labor und scheint einen ähnlich isolierten Außerirdischen erreicht zu haben, der sich selbst als Pazifist bezeichnet. Der Außerirdische schickt ihr eine ominöse Nachricht, in der er sie warnt, nicht mehr zu antworten oder anderweitig zu kommunizieren. Ansonsten sei das Überleben der gesamten Menschheit in Gefahr.
Wenjie ist fest davon überzeugt, dass die Menschheit ohnehin nicht in der Lage ist, sich selbst vor ihren eigenen grausamen Exzessen zu retten, und trifft die verhängnisvolle Entscheidung, trotzdem zu reagieren. Das Ergebnis ist eine Reihe von außerirdischen Angriffen auf Forschende, die sowohl von fanatischen Vertretern auf der Erde verübt werden, die die Außerirdischen als neue Götter betrachten, als auch von einer außerirdischen Sonde namens Sophon, einem Quantencomputer, der auf die Größe eines einzelnen Protons zusammengeschrumpft ist und die Wissenschaft auf der Erde sabotieren kann.
Computerspiel-Headsets, die technologisch viel zu fortschrittlich sind, um von der Erde zu stammen, werden an Spitzenwissenschaftler geschickt und lassen diese in verwirrende, hyperreale Spiele eintauchen, die in alten Königreichen mit jeweils drei Sonnen spielen (ein Verweis auf das »Dreikörperproblem« im Titel). Im Mittelpunkt des Spiels steht eine begrenzte Anzahl von Chancen, die Königreiche zu retten, bevor diese in Chaos und Zerstörung versinken.
Es werden auch Warnungen von einer offenbar weit überlegenen Macht geschickt, darunter das Bild eines Countdowns mit einer ebenso ungewissen wie angsteinflößenden Frist, die sich in die Netzhaut eines Wissenschaftlers einzubrennen scheint. Eine ungewöhnliche »Engelsgestalt« – eine hippie-esk anmutende junge Frau – erscheint mehreren Forschenden und predigt über die bevorstehende Apokalypse und die Möglichkeit, noch gerettet zu werden. Dabei scheint sie vor Ort zu sein, wird aber nie auf den auf sie gerichteten Bildaufnahmegeräten eingefangen.
Die breitere Öffentlichkeit wird sich der Angriffe auf die Menschheit und den menschlichen Verstand spätestens dann bewusst, als das gesamte Firmament am Nachthimmel mehrmals aufblinkt und den Erdbewohnern scheinbar »zuzwinkert«. Kurz gesagt: Es ist eine ebenso großartige wie furchterregende Prämisse. Hinzu kommen zahlreiche atemberaubende visuelle Effekte, die den klassischen Krieg-der-Welten-Szenarien frisches Leben einhauchen.
Das schwächste Glied in der erzählerischen Kette sind vermutlich die Charaktere der »Oxford 5«, die seit ihrer Uni-Zeit miteinander befreundet sind. Von den Wunderkindern wurde einst erwartet, sie würden die Wissenschaftswelt revolutionieren. Zwei von ihnen sind immer noch aufstrebende Forscherinnen: die engagierte Physikerin Jin Cheng (Jess Hong) und die ehrgeizige Auggie Salazar (Eiza González), die mit ihren bahnbrechenden Experimenten mit Nanofasern eine führende Position in ihrem Fachgebiet erreicht hat.
Auggies Freund Saul Durand (Jovan Adepo), der als Forschungsassistent noch als vielversprechend galt, ist ein zunehmend zynischer Kiffer geworden. Will Downing (Alex Sharp) hat offensichtlich seine intellektuellen Grenzen erkannt und akzeptiert. Er hat sich in die Lehre zurückgezogen. Aufgrund seines mangelnden Selbstbewusstseins hat er es bisher aber auch nicht geschafft, eine Beziehung zu Jin, seiner heimlichen Langzeitliebe, aufzubauen. Jack Rooney (John Bradley) schließlich tritt als Lebemann auf, der sich von der Wissenschaft verabschiedet hat, um erfolgreich ein florierendes Snack-Unternehmen aufzubauen.
Ein großer Teil des zwischenmenschlichen Dramas, der Romantik und des Humors in der Serie wird durch diese fünf Personen erzeugt, die zusammen eine Art Verschmelzung mehrerer Charaktere aus den Originalbüchern darstellen. Für eine TV-Serie scheint diese Verschmelzung eine vernünftige Adaption zu sein, aber manchmal irritiert die Formelhaftigkeit, wie die Eigenschaften der Charaktere eingesetzt werden. So muss man viele Young-Adult-Storylines durchstehen, in denen es meist darum geht, wer mit wem zusammen ist (und wer mit wem nicht mehr zusammen ist).
»Nach dem, was die Charaktere über die Außerirdischen herausfinden, könnte auf der Erde lediglich eine rücksichtslose Bande von Alpha-Raubtieren gegen eine andere ausgetauscht werden.«
Andererseits werden die Charaktere gut eingesetzt, wenn es an die unterschiedlichen Vorstellungen über das mögliche Schicksal der Menschheit geht, wenn die Außerirdischen tatsächlich in 400 Jahren auf der Erde landen sollten. Die Zeitspanne von 400 Jahren basiert dabei auf Berechnungen, wie weit die Aliens reisen müssten. (Freilich lässt sich fragen: Wenn die Außerirdischen schon derart viel Macht über die unglücklichen Erdbewohner haben, müssen sie dann wirklich noch mit einem Raumschiff zum Planeten Erde fliegen?)
»Warum entspannen wir uns nicht einfach und machen einen Ausflug? In 400 Jahren sind wir doch eh alle tot?«, fragt Saul. Er stellt sich gegen die Ansicht, die Menschheit müsse alle verfügbaren Kräfte mobilisieren, um den Planeten für die eigenen Nachkommen zu sichern und zu verteidigen.
Seine Aussagen sorgen für einige unterhaltsame Szenen, beispielsweise wenn Saul (aus unerfindlichen Gründen) von den Vereinten Nationen zu einem der drei »Wandschauer« (Wallfacers) ernannt wird, die einen Weg finden sollen, die Außerirdischen zu bekämpfen, die von der allgegenwärtigen Überwachung nicht entdeckt werden können. Die Theorie besagt, dass die Fremden keine Gedanken lesen können, sodass die Wandschauer sich einen Plan ausdenken und dann blinden Gehorsam erwarten können, wenn dieser Plan in die Tat umgesetzt wird. Saul weigert sich, ein Wandschauer zu werden – nur um dann festzustellen, dass er mit neuen Begleitern »ausgestattet« wurde, die ihm überallhin folgen und mit allem einverstanden sind, was er sagt, sich aber weigern, von seiner Seite zu weichen, um bereit zu sein, wenn er Befehle zur Rettung der Menschheit erteilen sollte.
Gegen Ende der Serie wird das Gehirn einer Person der Oxford 5 zur außerirdischen Flotte geschossen. Die Hoffnung ist, dass die Außerirdischen nicht widerstehen können, die Person mithilfe fortschrittlicher Technologie wiederzubeleben, um mehr über die Menschheit zu erfahren. Dann könnte der Mensch gegebenenfalls Informationen über die Flotte zurück zur Erde schicken. Die Person zeigt sich grundsätzlich bereit, dieses Opfer zu bringen, weigert sich letztlich aber, einen solchen Loyalitätseid auf die Menschheit gegen die Außerirdischen zu leisten, denn: »Was, wenn die besser sind als wir?«
Das ist freilich eine gute Frage: Wie könnten die Aliens eigentlich noch schlechter, noch schlimmer sein als die Menschen? Nach dem, was die Charaktere über die Eigenschaften und Tendenzen der Außerirdischen herausfinden, könnte auf der Erde lediglich eine rücksichtslose, tötungswütige Bande von Alpha-Raubtieren gegen eine andere ausgetauscht werden.
Wie dem auch sei, angesichts der bisherigen Resonanz auf die Serie scheint klar, dass viele von uns bereits gefesselt sind – und sich die unvermeidliche zweite Staffel ansehen werden, um herauszufinden, wer nun eigentlich »besser« ist.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts »Filmsuck«.