02. Oktober 2024
Bodo Ramelow hat die Linke in Thüringen stark gemacht. Doch als Landesvater brachte er nicht den großen Wandel, den viele sich von seiner Partei erhofften.
»Auf manchen Plakaten tauchte der Name der Partei überhaupt nicht auf.«
Die Thüringer Landtagswahl ist geschlagen. Wie die Prognosen bereits ahnen ließen, hat die AfD sie mit 32,8 Prozent klar gewonnen. Der andere große Gewinner ist das BSW, dessen Sprung aus dem Nichts auf 15,8 Prozent seinesgleichen sucht. Die Linke hingegen, die bei der vorigen Wahl 2019 noch 31 Prozent erreichte, hat sich auf 13,1 Prozent mehr als halbiert. Verglichen mit anderen jüngeren Wahlergebnissen der Partei ist das immer noch sehr gut. Doch Thüringen, wo die Linke mit Bodo Ramelow erstmals den Ministerpräsidenten eines Bundeslands stellte, stand einmal für größere Ambitionen: nicht nur die Mehrheitsbeschafferin zu geben und schlimmere Regierungen zu verhindern, sondern die gestaltende Kraft zu sein, eine linke Volkspartei, die es ganz anders macht.
»Bodo«, wie die meisten ihn nennen, ist laut Umfragen der bei weitem beliebteste Politiker des Bundeslands. Dabei stammt der ehemalige Gewerkschafter ursprünglich aus Niedersachsen, zog jedoch schon 1990 nach Thüringen. Ramelow ist im ganzen politischen Spektrum ebenso respektiert wie bei gesellschaftlichen Akteuren und Politikbeobachtern. Er gilt als volksnah, als begnadeter Rhetoriker, der jederzeit kompetent zu Sachthemen referieren kann. Seine Zustimmungswerte standen vor der Wahl bei rund 50 Prozent, weit vor allen anderen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten, und auch weit vor den Umfragewerten seiner eigenen Partei.
Der beliebte Ministerpräsident zog die ganze Partei an der Urne nach oben – doch abseits des Rampenlichts brach der personelle Unterbau der Partei weg. Die Linke in Thüringen, wie auch anderenorts, gilt als personell ausgezehrt. Insbesondere diejenigen, die seit PDS-Zeiten zur Partei halten, setzen sich zur Ruhe – und diejenigen, die nachrücken, haben weder den Bekanntheitsgrad noch die Verankerung, die Urgesteine wie Ramelow noch aufweisen. Entsprechend setzte die Kampagne ganz auf die Figur Ramelows: »Wer die Linke wählt, wählt Ramelow«, stand auf einem Wahlplakat. Auf anderen tauchte der Name der Partei überhaupt nicht auf. Hier geht es nicht mehr um die Linke und ihre Positionen, sondern nur noch um einen Mann.
Ramelow steht allein auf weitem Feld. Wählerinnen und Wähler, mit denen JACOBIN gesprochen hat, konnten kaum anderes Personal der Linken nennen. Manche kannten einzelne Minister, ein paar die ehemalige Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, manche wussten aber ihren Namen nicht, kennen sie nur als »die mit dem Blumenstrauß«. Als sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich 2020 mit Stimmen der AfD kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählen ließ, pfefferte sie ihm aus Protest über die Zusammenarbeit mit den Rechten ein Bouquet vor die Füße.
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Caspar Shaller ist freier Journalist.