11. November 2025
Am 11. November 1945 fanden die ersten Wahlen in Jugoslawien nach der Befreiung vom deutschen Faschismus statt. Sie ebneten den Weg für ein einzigartiges Experiment von Marktsozialismus, Arbeiterselbstverwaltung und Blockfreiheit, das bis heute inspiriert.

Jugoslawische Partisanen und sowjetische Soldaten feiern gemeinsam auf den Straßen des befreiten Belgrads im Oktober 1944.
Der Aufstieg und Niedergang der kommunistischen Bewegung in Jugoslawien gehört zu den spannendsten und erschütterndsten politischen Geschichten des 20. Jahrhunderts. Die 1919 in Belgrad gegründete Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) blieb bis in die 1930er Jahre eine kleine, isolierte Kraft und wurde durch harte staatliche Repressionen behindert. Doch als das nationalsozialistische Deutschland im April 1941 mit seinen italienischen, ungarischen und bulgarischen Verbündeten den Balkanstaat überfiel, war es die KPJ, die sich der Situation gewachsen zeigte. Unter der Führung von Josip Broz Tito baute sie eine Streitmacht von hunderttausenden Kämpferinnen und Kämpfern auf und befreite Jugoslawien nahezu ohne Eingreifen von außen.
Die Begeisterung der Massen nach diesem Sieg prägte die ersten freien Wahlen des Landes am 11. November 1945, bei der auch das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Knapp 90 Prozent stimmten für die Antifaschistische Befreiungsfront und die Schaffung eines föderalen Jugoslawiens ohne den ehemaligen König. Die KPJ gründete daraufhin als führende Kraft die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ), ein multinationales Gebilde aus sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Regionen, das im Kalten Krieg eine einzigartige Position zwischen beiden Blöcken einnehmen sollte.
Jahrzehntelang war Jugoslawien bekannt für seine Experimente mit Arbeiterselbstverwaltung und Marktsozialismus sowie für seine Schlüsselrolle bei der Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten. Es wurde weithin als mögliche Alternative zum Kapitalismus im Westen und zum Stalinismus im Osten bewundert. Doch mit dem Zusammenbruch der SFRJ Anfang der 1990er Jahre versank der Balkan in nationalistischem Blutvergießen. Dies ließ natürlich auch die Schwächen der jugoslawischen Bemühungen um einen multinationalen Staat in einem neuen Licht erscheinen. Erst jetzt, da eine neue, postsozialistische Generation heranwächst, beginnt eine Neubewertung der Vergangenheit, die auch das verlorene Potenzial der SFRJ wiederentdeckt.
Der Kultursoziologe Gal Kirn ist Autor von mehreren Büchern über den jugoslawischen Sozialismus, unter anderem Partisan Ruptures: Self-Management, Market Reform and the Spectre of Socialist Yugoslavia. Er sprach mit Loren Balhorn von Jacobin über die Besonderheiten der Partisanenbewegung, die Stärken und Schwächen des jugoslawischen Sozialismusmodells und ob es heute noch eine politische Relevanz besitzt.
Dein Buch Partisan Ruptures zeichnet den Niedergang des sozialistischen Jugoslawien nach – vom Partisanenwiderstand in den 1940er Jahren über die Blütezeit der Blockfreien Bewegung bis zum endgültigen Zusammenbruch der SFRJ. Es identifiziert drei verschiedene »Brüche«, die diese Entwicklung beschreiben. Was verstehst Du darunter?
In meinem Buch geht es um die aus meiner Sicht drei »Brüche« in der Politik der Partei, die einen relativ eigenständigen Weg zum Aufbau des Sozialismus in Jugoslawien eröffneten. Der Begriff »Bruch« geht weitgehend auf die Arbeiten des Marxisten Louis Althusser zurück, der aus dem französischen Strukturalismus hervorgegangen ist. Er wendet sich gegen eine krude hegelianische und teleologisch-lineare Geschichtsauffassung, die den Fortschritt als zentral für die fortschreitende historische Entwicklung ansieht. Entgegen der Behauptung, die Zukunft sei bereits entschieden (auch bekannt als »Es gibt keine Alternative« oder »Das Ende der Geschichte«), sind die Hauptmerkmale des Bruchs gerade seine Kontingenz und Unvorhersehbarkeit. Wie wir von Marx wissen, handeln wir unter gegebenen Umständen, aber die sozialen Kräfte und Prozesse werden von den Massen geformt und neu geschaffen.
Was die Partisanen betrifft, so kritisiere ich eine einflussreiche Interpretation der Partisanen-Figur, die der faschistische Denker Carl Schmitt entwickelt hat. Sein formalistischer Ansatz ist von einem »tellurischen« (im Boden verwurzelten) Verständnis des Partisanenkampfes geprägt, das nicht zufällig gut mit der nationalsozialistischen »Blut-und-Boden«-Ideologie harmoniert. Meine Sicht auf den Befreiungskampf besteht darin, zu zeigen, wie der nationale Aspekt von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der jugoslawischen Vision von internationaler antifaschistischer Solidarität, multinationaler und föderaler Organisation und damit ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Transformation in Jugoslawien war. Es gab eine dialektische Beziehung zwischen nationaler und sozialer Befreiung. Dies ging weit über die vorhergehende bürgerliche Auffassung von »nationaler Befreiung« im frühen 20. Jahrhundert hinaus, als die politischen Eliten des Balkans versucht hatten, ihre Ländereien vom zerfallenden Osmanischen Reich zu säubern.
Was genau waren die Ursachen für diese Brüche?
Der erste und wichtigste Bruch erfolgte während des Volksbefreiungskampfes von 1941 bis 1945. Die jugoslawischen Partisanen führten nicht nur einen erfolgreichen und relativ autonomen antifaschistischen Kampf – ähnlich dem albanischen und griechischen Widerstand. Sie befreiten sich aus eigener Kraft von der faschistischen Besatzung. Damit einher ging eine tiefgreifende gesellschaftliche Transformation, die zu einem föderativen und sozialistischen Jugoslawien führte. In Althussers Worten ein »Bruch mit schwerwiegenden Folgen«, der eine klare Trennung zwischen »Widerstand« und revolutionärer Umgestaltung mit dem Ziel der Befreiung und des antikolonialen Kampfes zieht.
Der nächste Bruch erfolgte 1948 mit dem Zerwürfnis zwischen Tito und Stalin. Obwohl Jugoslawien sowohl vom Westen als auch vom Osten isoliert war – und durch den Bruch auch den Zugang zu sowjetischen Krediten für den industriellen Wiederaufbau verlor –, konnten die jugoslawischen Kommunisten ihre parteipolitischen Erfahrungen und die breite Unterstützung in der Bevölkerung nutzen, um mit der neuen Situation umzugehen. Nach einer Reihe von Diskussionen in der Parteiführung führte Jugoslawien eine neue Form der gesellschaftlichen Ordnung ein: die Arbeiterselbstverwaltung. Ich behaupte, dass dies eine Art Fortsetzung der Parteipolitik mit anderen Mitteln war und den zweiten inneren Bruch mit der Planwirtschaft und der übermäßigen Abhängigkeit von der Bürokratie markierte.
»Wenn wir an bewaffneten Kampf denken, denken wir meist an Waffen, Sabotage und Guerillakrieg. Demokratische Partizipation oder kulturelle Stärkung der Betroffenen erscheinen eher zweitrangig.«
Diese echte Innovation des jugoslawischen Sozialismus trieb die »Nationalisierung« der Produktionsmittel einen Schritt weiter. Dies bedeutete eine Verlagerung der politischen Macht hin zu den Arbeitern und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel – gesellschaftliches Eigentum, das heute von manchen als »Gemeingut« bezeichnet wird. Gleichzeitig zwang die internationale Isolation die jugoslawischen Kommunisten, sich im globalen Kontext neu zu orientieren. Die aktive Teilnahme an und die Mitgestaltung der Bewegung der Blockfreien markierte den dritten Bruch mit der bipolaren Machtkonstellation des Kalten Krieges. Die Unterstützung antikolonialer Kämpfe, die nukleare Abrüstung und der Aufbau solidarischer, autarker Ökonomien wurden in den 1960er Jahren zu tragenden Säulen der jugoslawischen Außenpolitik.
Dieser dreifache »Bruch« in der Politik der Partisanen zwischen Partisanenkampf, Selbstverwaltung und Blockfreiheit, der sich von 1941 bis 1965 erstreckte, bildet den Kern des jugoslawischen Experiments und ist ein Erbe, auf dem wir heute aufbauen können. Es widersprach sowohl theoretisch als auch politisch dem damals vorherrschenden Denken. Das »jugoslawische Modell« wurde in vielen Teilen der Welt zum Vorbild für eine spezifische, »demokratischere« Form des Sozialismus.
Du argumentierst, dass die Räte und die Massenorganisationen der Partisanen echte volksdemokratische Institutionen waren und nicht nur Anhängsel der Kommunistischen Partei. Aber hatte die Partei nicht einen starken Einfluss auf sie? Inwieweit funktionierte die Bewegung unabhängig von der kommunistischen Führung und war »Demokratie« unter Kriegsbedingungen überhaupt möglich?
Du wirst überrascht sein, was in Zeiten von Krieg und Besatzung alles »möglich« ist. Wenn wir an bewaffneten Kampf denken, denken wir meist an Waffen, Sabotage und Guerillakrieg. Demokratische Partizipation oder kulturelle Stärkung der Betroffenen erscheinen eher zweitrangig. Viele antifaschistische und antikoloniale Bewegungen des 20. Jahrhunderts waren maßgeblich an den sozialen, politischen und kulturellen Veränderungen in ihrem jeweiligen Umfeld beteiligt. Die besitzlosen Massen waren dabei oft ihrer politischen Repräsentation beraubt und vom kulturellen Leben ausgeschlossen. Das gilt auch für die jugoslawischen Partisanen, die eine beeindruckende Vielfalt kultureller Formen und Produktionen hervorgebracht haben.
Zweifellos war die Kommunistische Partei das wichtigste politische Subjekt des Befreiungskampfes. Sie war 1921 im damaligen Königreich Jugoslawien verboten worden, nachdem sie bei den ersten Wahlen nach dem Ersten Weltkrieg massive Unterstützung erhalten hatte. Parteimitglieder wurden verhaftet und mussten in der Illegalität arbeiten. Viele Kader wurden entweder verbannt, ermordet oder inhaftiert. In dieser Zeit verfolgte die Partei einen weitgehend stalinistischen und konspirativen Ansatz, bei dem die Führung die Kontrolle über die Politik ausübte. Erst mit der Zunahme von Streiks Mitte der 1930er Jahre kam es wieder zu einer öffentlichen Organisierung, während sich gleichzeitig etwa 1.700 jugoslawische Freiwillige den Internationalen Brigaden anschlossen, um im Spanischen Bürgerkrieg zu kämpfen.
»Die jugoslawischen Partisanen praktizierten eine Form revolutionärer Demokratie, die demokratische Aktivitäten von unten mit einer straffen Parteiorganisation von oben verband.«
Der Zweite Weltkrieg bot den Kommunisten eine historische Chance für revolutionäre Veränderungen. Sie wussten, dass sie die Bevölkerung mobilisieren mussten, um zu siegen. Zu diesem Zweck erfanden sie die Idee eines »neuen Jugoslawien«. Diese Idee selbst galt als ketzerisch, denn das alte Jugoslawien bedeutete für viele Menschen nationale Unterdrückung und Ausbeutung. Gleichzeitig widersprach das neue, revolutionäre Gebilde der offiziellen Politik Stalins – die auch von den Westalliierten geteilt wurde –, Volksaufstände oder Regimewechsel in Europa aktiv zu verhindern.
Von Anfang an kämpften die Partisanen nicht nur gegen die ausländische Besatzung und die einheimische Kollaboration, sondern befreiten auch Gebiete, wie die Republik Užice in Westserbien, die von September bis November 1941 bestand. Die Kader der Kommunistischen Partei spielten dabei zweifellos eine Schlüsselrolle, aber sie kümmerten sich auch sehr um die einheimische Bevölkerung. Da die Kommunisten wussten, dass die Massenbeteiligung am Kampf entscheidend für den Sieg war, standen die neuen politischen Institutionen, die unter der Kontrolle der Partei entstanden, Männern und Frauen gleichermaßen offen. Gleichzeitig führten sie ideologische Kämpfe gegen Kräfte wie die Kirche, lokale Grundbesitzer und Nationalisten.
Der Aufbau volksnaher Institutionen war eine der wichtigsten Prioritäten der Partisanen, da sie darin eine Möglichkeit sahen, Massenunterstützung zu gewinnen, obwohl 70 oder sogar 80 Prozent der Bauern immer noch Analphabeten waren. Die Komitees und Räte auf allen Ebenen des Befreiungskampfes bildeten das Rückgrat der sogenannten Nationalen Befreiungsfront. Die jährlichen Treffen der »Front« gipfelten im November 1943 in der Versammlung des »Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens« (AVNOJ) in Jajce, Bosnien-Herzegowina. Dort wurde offiziell die Gründung eines föderativen Jugoslawiens verkündet und Tito zum Marschall, dem obersten Anführer des antifaschistischen Widerstands, ernannt. Es war ein Sprung ins Ungewisse, denn alle alliierten Mächte lehnten diesen Schritt entschieden ab.
Die jugoslawischen Partisanen praktizierten eine Form revolutionärer Demokratie, die demokratische Aktivitäten von unten mit einer straffen Parteiorganisation von oben verband, auch wenn die Parteilinie stark schwankte. Der Austausch zwischen der Parteiführung und dem breiteren Widerstand – insbesondere der kommunistischen Jugendorganisation und der Antifaschistischen Frauenfront, die am Ende des Krieges zwei Millionen Mitglieder zählte – trug dazu bei, neue Ideen voranzutreiben und neue Institutionen der Volksmacht aufzubauen.
Dein Buch charakterisiert den Partisanenkrieg als Teil einer dreizehnjährigen »revolutionären Sequenz«, die Spanien, Jugoslawien und Griechenland umfasste und in der die »negative Politik« des Kampfes gegen den Faschismus in eine soziale Revolution und ein politisches Zukunftsprojekt umgewandelt wurde. Aber es gibt auch deutliche Parallelen zu China, wo eine Rebellenarmee, die sich auf die Bauernschaft konzentrierte, den Kampf gegen die ausländischen Besatzer allmählich intensivierte und die Staatsmacht eroberte. Gab es viel Interaktion zwischen jugoslawischen und chinesischen Kommunisten?
Es ist richtig, auf diese Parallele hinzuweisen. Aber um es noch einmal zu sagen: Mitte der 1930er Jahre war das Königreich Jugoslawien eine halbfaschistische Diktatur an der Peripherie Europas. Der bewaffnete Kampf und die Vision einer anderen Zukunft, die aus der spanischen Erfahrung hervorging, waren daher eine entscheidende Inspiration. Die jugoslawische Bewegung war auch eng mit dem griechischen Widerstand verbunden, der 1949 mit der tragischen Niederlage der kommunistischen Kräfte endete. In diesem Jahr endete auch der chinesische Bürgerkrieg mit dem Sieg der Roten Armee unter Mao.
Dennoch gab es viele Parallelen zwischen den bewaffneten Kämpfen in China und in Jugoslawien. Wie die Chinesen verließen auch die jugoslawischen Partisanen die Städte – sie hatten von den Internationalen Brigaden und der tragischen Niederlage der Spanischen Republik gelernt – und operierten in ländlichen Gebieten, tiefen Wäldern und Bergen. Zweitens stand der Kampf Männern und Frauen offen, insbesondere der bäuerlichen Bevölkerung. Ihr Kampf war nicht nur ein militärischer, sondern auch ein Kampf für soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungen. Drittens wurde der Kampf gleichzeitig gegen einen gut ausgerüsteten Feind, gegen inländische Kollaborateure und gegen eine ausländische Besatzung geführt.
»Während des Krieges wurde der Name Tito zu einem Symbol nicht nur für den Kommunismus, sondern für den gesamten Volkswiderstand. Tito war sowohl Partisan als auch der Partisan selbst, ein Name, der den kollektiven Kampf symbolisierte.«
Viele jugoslawische Kommunisten ließen sich von den chinesischen Revolutionären inspirieren. Delegierte der jugoslawischen Komintern berichteten über die chinesische Revolution und veröffentlichten 1940 eine Übersetzung von Edgar Snows Roter Stern über China. Einige Partisanengruppen verteilten Broschüren über die chinesische Revolution, die weite Verbreitung fanden. Einer von Titos engsten Mitstreitern, Vladimir Dedijer, überschrieb ein Kapitel seines Kriegstagebuchs mit »Unser langer Marsch« – eine direkte Anspielung auf den Langen Marsch der chinesischen Kommunisten. Im selben Kapitel wird auch der jüdische Partisanenführer und Kommunist Moša Pijade mit den Worten zitiert: »›Das Volk ist das Wasser, und der Partisan ist der Fisch. Ohne Wasser gibt es keine Fische.‹ Das ist das Motto der chinesischen Partisanen und es gilt auch für uns.«
Du beschreibst, wie der Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kominform 1948 und die anschließende »Antititoismus«-Kampagne Stalins die Parteiführung zwangen, viele eigene Überzeugungen zu überdenken und schließlich eine gewisse Entstalinisierung einzuleiten. Wie weit ging diese? Schließlich gehörte zu dieser »Entstalinisierung« auch die Deportation bekennender Stalinisten in Lager und ein jahrzehntelanger Personenkult um Tito selbst.
Die Kommunistische Partei erlebte während des Krieges eine besondere Form der »Entstalinisierung« und wuchs von einer kleinen Partei mit 3.000 Mitgliedern auf über 150.000 Mitglieder an, vor allem politisch einflussreiche Bauern. Bemerkenswert ist, dass die Kollektivierung der Landwirtschaft auf heftigen Widerstand bis hin zu Aufständen stieß und weitgehend gestoppt wurde. Die kommunikative und politische Ausrichtung der Partei änderte sich nach dem Krieg noch stärker, da sie nun nicht mehr eine kleine verschworene Clique war, sondern große öffentliche Versammlungen abhielt und in den Medien präsent war. Insofern fanden einige Veränderungen bereits vor dem Bruch mit Stalin statt.
Die Spaltung vollzog sich in einem höchst widersprüchlichen Prozess: Einerseits begann die Führung, jeden zu verfolgen, der weiterhin Stalin lobte – was jahrzehntelang Parteilinie gewesen war – und griff zu repressiven Methoden, die an Stalin selbst erinnerten. Dennoch gab es keinen Gulag mit Zehntausenden von Gefangenen und Toten. Die meisten politischen Gefangenen, darunter viele eingefleischte Kommunisten, Partisanen und Stalinisten, aber auch politische Gegner und Nationalisten, wurden auf Inseln im Mittelmeer gebracht, wo sie nicht zu konstruktiver Arbeit, sondern zu sinnloser Arbeit und Umerziehung gezwungen wurden. Zwischen 1948 und 1956 gab es etwa 15.000 Gefangene, von denen etwa 400 starben. An sie wird heute kaum erinnert, da es sich bei den Opfern um überzeugte Kommunisten handelte, die nicht in die vorherrschende Opferrolle des nationalistischen Dissidenten passten.
Trotz der manchmal brutalen Methoden war die Entstalinisierung in Jugoslawien produktiv, da sie die Partei dazu brachte, die Organisation der Gesellschaft zu überdenken. Sie führte zur Einführung der Arbeiterselbstverwaltung, des gesellschaftlichen Eigentums und der Arbeiterräte als grundlegende Produktionseinheiten sowie zur Arbeiterdemokratie. Natürlich entwickelten sich in der Praxis sehr unterschiedliche Formen der Selbstverwaltung.
Tito kommt in Deinem Buch kaum vor, obwohl er während der gesamten Existenz des sozialistischen Jugoslawien eine herausragende Persönlichkeit war. Wie wichtig war Tito Deiner Meinung nach für den Erfolg Jugoslawiens? Kann man die Partisanenbewegung und den daraus entstandenen Staat von seinem überragenden Einfluss trennen?
Man kann nicht über Jugoslawien sprechen, ohne über Tito zu sprechen, von seinen ersten Jahren im Gefängnis bis zu seinem entscheidenden Aufstieg. 1937 war er in Paris und organisierte als Generalsekretär der KPJ – ohne Stalins Segen – den Transit der Internationalen Brigaden aus ganz Europa nach Spanien. Seine Rolle und die der Partei während des Partisanenaufstandes und -kampfes verdienen Anerkennung und Würdigung. Ohne ihren eisernen Willen und ihren Glauben an eine andere Welt wären viele erbitterte Kämpfe und Belagerungen verloren gegangen.
Während des Krieges wurde der Name Tito zu einem Symbol nicht nur für den Kommunismus, sondern für den gesamten Volkswiderstand. Tito war sowohl Partisan als auch der Partisan selbst, ein Name, der den kollektiven Kampf symbolisierte. Und er war der einzige Oberbefehlshaber, der im Zweiten Weltkrieg auf dem Schlachtfeld verwundet wurde. Deshalb können wir Tito nicht vom Partisanenkampf, dem Sieg über den Faschismus, dem Aufbau des sozialistischen Staates oder der Gründung der Blockfreien Bewegung trennen. All diese Errungenschaften wären jedoch ohne die politischen Leistungen unzähliger Kommunisten und ohne die wirkliche Unterstützung der Bevölkerung nach dem Krieg nicht möglich gewesen.
»Die frühen 1950er bis 1970er Jahre waren die produktivste und widersprüchlichste Phase der Arbeiterselbstverwaltung. Sie brachte beeindruckende wirtschaftliche Ergebnisse in Form neuer Unternehmen und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Straßen, von denen viele noch heute genutzt werden.«
Angesichts der spezifischen, unkritischen Tito-Nostalgie, die heute im ehemaligen Jugoslawien weit verbreitet ist, möchte ich hinzufügen, dass es, wie der Philosoph Alain Badiou einmal über Mao gesagt hat, einen Unterschied zwischen Tito als Partisanenführer und Tito als Staatsmann gibt. Das gilt vor allem für den späteren Tito, der ins internationale Showgeschäft einstieg und mit Hollywoodstars wie Elizabeth Taylor und Richard Burton, der Tito 1973 im Film Die fünfte Offensive – Kesselschlacht an der Sutjeska verkörperte, Urlaub machte.
Ich argumentiere, dass die Marktreformen und die damit verbundene Unzufriedenheit Ende der 1960er Jahre nicht nur interne Widersprüche, sondern auch den korrumpierenden Einfluss politischer Macht und die allmähliche Erschöpfung der kommunistischen Führung in Jugoslawien offenbarten. Anstatt die eingeschlagene »Politik der Brüche« fortzuführen, wurde die Partei zur Macht im Staat. Ich versuche auch zu zeigen, dass Reformen und ihre Auswirkungen auf den Lauf der Geschichte nicht von einer Person, sondern von objektiven Prozessen und der politischen Arbeit von Menschen und Organisationen bestimmt und gelenkt werden.
Diese institutionelle Lähmung wurde 1968 schmerzlich deutlich, als große Studentenrevolten und Streiks für mehr Kommunismus innerhalb des Systems, das damals offiziell als »Marktsozialismus« bezeichnet wurde, ausbrachen. Anstatt sich neu auszurichten und ihre Reihen für junge Revolutionäre zu öffnen, führte die Partei eine umfassende Säuberung vor allem von linken, aber auch rechten »Abweichlern« durch. Damit wurde der Grundstein für ein Bündnis zwischen Parteibürokraten und Fabrikmanagern gelegt.
Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Partei mit ihrem Verweis auf die »Rechtsabweichler« fälschlicherweise die Aktivistinnen und Aktivisten der 1968er Jahre mit der offen antikommunistischen und nationalistischen Massenbewegung in Kroatien Anfang der 1970er Jahre in einen Topf warf. Letztere zielte auf die Zerstörung des sozialistischen Jugoslawien und strebte offen die Restauration des Kapitalismus im Rahmen des Konzepts »eine Nation in einem Staat« an.
Der vielleicht wichtigste Teil Deines Buches ist das Kapitel über den »zentralen Antagonismus und das Paradox« zwischen Arbeiterselbstverwaltung und Marktsozialismus – Maßnahmen, die von der Führung eingeführt wurden, um der Bürokratisierung entgegenzuwirken und die Wirtschaft anzukurbeln. Du argumentierst, dass diese Maßnahmen letztlich die lokalen Machthaber stärkten und die Solidarität zwischen den Republiken schwächten, was die Föderation als Ganzes untergrub. Aber wäre mehr Zentralisierung und Planwirtschaft eine gangbare Alternative gewesen?
Die frühen 1950er bis 1970er Jahre waren die produktivste und widersprüchlichste Phase der Arbeiterselbstverwaltung. Sie brachte beeindruckende wirtschaftliche Ergebnisse in Form neuer Unternehmen und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten und Straßen, von denen viele noch heute genutzt werden.
Die Entscheidung zur Dezentralisierung des politischen Machtmonopols wurde nicht nur als Vergesellschaftung der wirtschaftlichen und politischen Macht, als Stärkung der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Produktion und als Ausweitung der demokratischen Teilhabe an der allgemeinen gesellschaftlichen Reproduktion verstanden, sondern auch als Weg zu einer neuen Konzentration der wirtschaftlichen Macht. Letztere wurde von einer Mischung aus neuen Direktoren, Managern, lokalen Bürokraten und den neu entstehenden Geschäftsbanken dominiert, nachdem diese 1966 gesetzlich eingeführt worden waren. Die Marktreformen zielten im Wesentlichen darauf ab, die »sozialistische Wirtschaft« effizienter zu machen. Dies übte Druck sowohl innerhalb der Unternehmen aus, wo die Ausbeutung der Arbeitnehmer zunahm, als auch zwischen den Unternehmen, wo der Wettbewerb um Marktanteile und Kredite härter wurde.
»In den Bereichen der sozialen Reproduktion wie Kultur und Gesundheit hätten Produzentenvereinigungen und Selbstverwaltung vielleicht besser funktionieren können. Aber auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Grundeinheiten Jugoslawiens gelang es ab den 1970er Jahren nicht, den Sozialismus zu vertiefen.«
Wie der slowenische Soziologe Rastko Močnik formulierte, sahen sich die Arbeiter damals einer doppelten Blockade gegenüber. Einerseits blockierten Titos Gefolgsleute und die republikanische Bürokratie die Demokratisierung des selbstverwalteten politischen Apparats. Anfang der 1970er Jahre wurde der Eintritt opportunistischer Kader in die Partei begünstigt – bezeichnenderweise rief Vladimir Bakarić 1971 aus: »Wir Kommunisten sind im Bund der Kommunisten in der Minderheit.« Andererseits blockierten die Marktreformen die wirtschaftliche Selbstverwaltung auf Betriebsebene. Anstatt dass die Arbeiter in den Arbeiterräten die Oberhand gewannen, wurde ihre Exekutivgewalt häufig an Manager und Fabrikdirektoren delegiert. Die von den Marktreformen propagierte Dezentralisierung bedeutete also, dass jede zentrale Autorität und Macht – und sei sie auch nur stalinistisch angehaucht – mit allen Mitteln bekämpft werden musste.
Langfristig stärkte diese Dynamik informelle Machtnetzwerke und die immer sichtbarer werdende Macht des Marktes. Die zwischenrepublikanischen Solidaritätsmechanismen, verkörpert durch die Bundesagentur für Entwicklung, die Gelder in ärmere Regionen verteilte und umleitete, wurden geschwächt und durch Banken und den Markt ersetzt. In den Bereichen der sozialen Reproduktion wie Kultur und Gesundheit hätten Produzentenvereinigungen und Selbstverwaltung vielleicht besser funktionieren können. Aber auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Grundeinheiten Jugoslawiens gelang es ab den 1970er Jahren nicht, den Sozialismus zu vertiefen.
Diese negativen Prozesse beschleunigten sich nach der Ölkrise von 1974, und mit der Zeit wurde die blinde Kritik an jeder zentralisierten Macht als »stalinistisch« leicht von liberalen Ideologen und, wie Du sagst, zentrifugalen Kräften vereinnahmt, die auf wirtschaftlichen und sozialen Zerfall drängten. In dieser Hinsicht haben es die kommunistischen Führer versäumt, ernsthaft über den Fortbestand der Arbeiterselbstverwaltung nachzudenken, und naiv an das Versprechen von Modernisierung und endlosem Wachstum geglaubt.
Du argumentierst überzeugend, dass das sozialistische Projekt Jugoslawiens ein besonderes Kapitel in der Geschichte des Sozialismus im 20. Jahrhundert ist. Es genoss breite Unterstützung und baute ein eigenständiges System jenseits der Kontrolle Moskaus auf. Glaubst Du, dass die sogenannte »Jugonostalgie« angesichts der heutigen Dominanz rechter Politik auf dem Balkan positiv genutzt werden kann, um die sozialistische Idee zum neuen Leben zu wecken?
Der jugoslawische Sozialismus war ein einzigartiger Fall: eine organisierte Partei, die während des Krieges tiefgreifende Veränderungen durchlief und ein sozialistisches Modernisierungsprojekt mit breiter Unterstützung der Bevölkerung startete. Das Buch argumentiert, dass es trotz seiner Unzulänglichkeiten und Widersprüche dem Projekt gelang, zumindest bis 1965 sowohl ein deutlich demokratischeres Wirtschaftssystem, eine gut funktionierende öffentliche Infrastruktur und eine hohe Lebensqualität also auch eine neue Eigentumsform mit stetig steigenden Löhnen und einem verbesserten Lebensstandard für die Arbeiterklasse zu schaffen. Es war wahrscheinlich eines der stabilsten Beispiele für demokratischen Sozialismus.
»Die Jugonostalgie hat oft einen progressiven Kern. Aber sie muss, wenn man so will, die parteiische Geste von gestern wiederholen, indem sie in der Gegenwart Partei ergreift.«
Was die Jugonostalgie betrifft: Wenn wir sie unkritisch bejahen, laufen wir Gefahr, uns in Tagträumen und einer einseitigen Idealisierung der Vergangenheit zu verlieren. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Jugonostalgie für viele eher eine subkulturelle Aktivität – eine Kommerzialisierung der Erinnerung – ist, die mehr als alles andere zu einer weiteren Entpolitisierung beiträgt. Es gibt aber auch eine positivere Seite, die versucht, den Horizont ethnischer Identität und Konflikte zu überschreiten. Die vielen Gruppen von jungen und alten Menschen, die sich über Generationen und Grenzen hinweg zum Gedenken an den Partisanenkampf treffen, zielen auch darauf ab, parteipolitische Denkmäler und Erinnerungen zu bewahren. In der Praxis bedeutet dies auch, sich dem Neofaschismus und anderen reaktionären Kräften entgegenzustellen.
In diesem Sinne hat Jugonostalgie oft einen progressiven Kern. Aber ich glaube, sie muss, wenn man so will, die parteiische Geste von gestern wiederholen, indem sie in der Gegenwart Partei ergreift. Das heißt nicht, dass wir blind wiederholen können, was offensichtlich nicht mehr existiert. Wir können nicht einfach durch die Wälder gehen und uns einbilden, wir seien Anhänger einer heroischen Vergangenheit. Im Gegenteil: Die jugoslawische Revolution zu bekräftigen, würde bedeuten, im Geiste des Erbes des jugoslawischen Sozialismus fortzufahren und zu versuchen, emanzipatorisches Denken mit politischer Praxis unter neuen Bedingungen zu verbinden.
Gal Kirn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Kulturphilosophie/Philosophie der Kulturen an der Europa-Universität Viadrina. Zu seinen Veröffentlichungen gehören Memory of Liberation (2025), The Partisan Counter-Archive: Retracing the Ruptures of Art and Memory in the Yugoslav People’s Liberation Struggle (2020) und Partisan Ruptures: Self-Management, Market Reform and the Spectre of Socialist Yugoslavia (2019).