22. November 2022
»Triangle of Sadness« schlägt ziemlich über die Strenge. Aber was soll’s? Denn überzogen ist an dem Film vor allem die schonungslose Darstellung der hässlichen Realität der Klassenunterschiede.
Woody Harrelson (rechts) in der Rolle des marxistischen Kapitäns der Luxusjacht.
Man könnte meinen, Triangle of Sadness sei als Geschenk für eine leidende Linke erdacht worden – eine schwarze Komödie, die die Reichen aufs Korn nimmt, hat viele Lacher zu bieten. Man beobachtet das naive, unnausstehliche und absurde Verhalten von Tech-Milliardären, russischen Oligarchen, Models, »Influencerinnen« und Senioren mit altem Geld, die vergnügt davon erzählen, wie ihr Waffenkonzern seit Jahrzehnten die Freiheiten der USA verteidigt.
Mit Triangle of Sadness hat der schwedische Drehbuchautor und Regisseur Ruben Östlund nach Höhere Gewalt (2014) und The Square (2017) einen weiteren preisgekrönten und international erfolgreichen Arthouse-Film vorgelegt. Er hat ein unbestreitbares Talent dafür, provokante Themen in Szene zu setzen. Unter Filmkundigen wird viel über die epische Kotzszene diskutiert, die sich in der Mitte von Triangle of Sadness ereignet und die Kotzszene von Mr. Creosote in Monty Pythons Der Sinn des Lebens geradezu dezent wirken lässt.
In dieser mittlerweile berühmt-berüchtigten Szene wird den opulent gekleideten Müßiggängern und Hedonistinnen an Bord einer Luxusjacht ein Meeresfrüchte-Bankett serviert, während draußen ein schwerer Sturm tobt. Die Gäste an Bord sind scheinbar nicht dazu imstande, sich vorzustellen, dass Naturgewalten ihrem Vergnügen im Weg stehen könnten. Also verköstigen sie Likör, Kaviar, Austern und auch sonst so ziemlich alles, was an Bord eines schwankendes Schiffes Seekrankheit auslösen könnte, bis der gesamte riesige Speisesaal mit Erbrochenem geflutet wird.
Kurz darauf explodieren die überlasteten Sanitäranlagen, woraufhin die Plutokraten und die gesamte Crew der Jacht in Unmengen an Urin und Fäkalien versinken. Hat da jemand Allegorie gesagt?
In der Zwischenzeit verzieht sich der durchweg betrunkene Kapitän Thomas Smith (Woody Harrelson) – der je nach Laune behauptet, ein amerikanischer Kommunist, Marxist oder Sozialist zu sein, und sich die meiste Zeit der Reise dagegen verwehrt, seinen Pflichten nachzukommen – und spielt Trinkspiele mit dem russischen Kapitalisten Dimitri (Zlatko Burić). Sie lesen sich gegenseitig Zitate vor, die sie auf ihren Handys nachschlagen. Thomas zitiert Mark Twain und Noam Chomsky, Dimitri zitiert Ronald Reagan und Margaret Thatcher.
Zwischendurch sieht man Aufnahmen aus dem Steuerhaus, in dem niemand sitzt. Obwohl die Katastrophe unmittelbar bevorzustehen scheint und der Mikrokosmos »Narrenschiff« unterzugehen droht, ist da niemand am Steuer, verstehst Du? Und ist das in der echten Welt da draußen nicht genauso?
Dieser visuelle Gag ist der Punkt, an dem der Film mich langsam verliert. Dieses Augenzwinkern erschien mir plötzlich zu selbstgefällig und zu neunmalklug. Trotzdem habe ich noch eine Weile durchgehalten, bis das Schiff tatsächlich unterging, auch wenn es nicht der Sturm war, der dafür sorgte. Es gab so viele desaströse Szenen, dass ich gespannt darauf wartete, was die Jacht letztlich zum Untergehen bringen würde. In einer früheren Episode im Film besteht die Frau des russischen Oligarchen, Vera (Sunnyi Melles), darauf, dass die gesamte Besatzung, einschließlich der Arbeiter im Maschinenraum, ihren Posten verlassen und Baden gehen müssen, um zu beweisen, dass »alle gleich sind«.
Da die Personalchefin Paula (Vicki Berlin) die Crew angewiesen hat, jeden Wunsch eines Passagiers mit einem enthusiastischen und unterwürfigen »Ja!« zu erwidern, hüpfen alle augenblicklich in Badesachen über Bord.
Als später Piraten aufziehen und eine Handgranate auf das Deck werfen, hebt die muntere alte Matriarchin der Waffenfabrik, Clementine (Amanda Walker), sie auf und trällert ihrem Mann Winston (Oliver Ford Davies) zu: »Oh, schau mal, Winston, ist das nicht eine von unseren?«
Kabumm.
Das war lustig. Und es war ein nettes kleines Detail, dem Ehepaar die Vornamen von Winston Churchill und seiner Frau Clementine zu geben.
Aber Triangle of Sadness hat mich im dritten und letzten Teil völlig verloren, in dem eine kleine Gruppe von Überlebenden des Schiffbruchs auf einer scheinbar verlassenen Insel strandet und alle gemeinsam feiern, nachdem einer von ihnen einen Esel mit einem großen Stein erschlagen hat.
Nacht für Nacht hatte sie das Geschrei des Esels in Angst und Schrecken versetzt, weil sie es nicht als solches erkannten und dachten, ein wildes Tier könnte sie angreifen. Als der arme, harmlose Esel zum ersten Mal von dem Stein getroffen wird, ist bereits klar, dass es sich eben nur um einen Esel handelt. Trotzdem drängen alle den Tech-Milliardär Jarmo (Henrik Dorson) dazu, das Tier zu Tode zu prügeln. Später schmeissen sie ihm zu Ehren eine Party, bei der ihm über Klassengrenzen hinweg alle zujubeln.
Dazu gehören Dimitri, Paula, das junge Model-Paar Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean, die in diesem Sommer tragisch verstarb), die »Cheftoilettenputzfrau« Abigail (Dolly de Leon), die zur »Kapitänin« der Insel ernannt wurde, weil sie als Einzige weiß, wie man einen Fisch fängt, kocht und Feuer macht; auch dabei ist der Schiffsmechaniker Nelson (Jean-Christophe Folly), der beschuldigt wird, einer der Piraten zu sein, die die Jacht versenkt haben, woraufhin er entgegnet, er würde nur verdächtigt, weil er schwarz ist.
Die Party zum Anlass des getöteten Esels ist der einzige Moment im gesamten Film, in dem ein voller Gruppenzusammenhalt erreicht wird.
Eine heitere und schonungslose, wenn auch überlange Satire über das gefühlskalte, selbstgefällige und idiotische Verhalten der Reichen wird also plötzlich zu einer allgemeinen Betrachtung über die Menschheit, die in hoffnungsloser Weise durch dämlichen Sadismus vereint wird. Natürlich lassen sich auch für diese Position Argumente finden. Aber es fühlt sich ein bisschen wie Zeitverschwendung an, Stunden mit einer schwarzen Komödie über Klassenunterschiede zu verbringen, wenn am Ende doch nur wieder gesagt werden soll, dass im Grunde alle Menschen schlecht sind.
Nach Östlands eigener Aussage wollte er vor allem vermitteln, dass viele reiche Menschen reizend, während viele arme Menschen unausstehlich sind. Deshalb soll Dimitri lässig, amüsiert und charmant wirken, während die mürrische Abigail ihre Macht brutal missbraucht, sobald sie welche erlangt.
»Es gibt da diese konventionelle Sicht auf Klasse, die besagt: die Armen sind nett und die Reichen sind fies«, sagt Östlund, der sich darüber im Klaren war, wie die Umkehrung dieses Klischees wahrgenommen werden könnte. »Wenn ich sage: ›Nein, das sind Menschen‹, dann können sie entweder böse oder gut sein ...«
Deshalb beschloss Östlund, sie alle als nett darzustellen – also die wohlhabenden Charaktere versteht sich. Das führt zu zweierlei Irritationen: Diese Figuren sollen »nett« sein? Und wen kümmert es schon, ob sie in dem Sinne »nett« sind, dass sie lächeln und ein bisschen Smalltalk machen? Was spielt das für eine Rolle?
Zu verstehen, was Östlund einem eigentlich sagen will, ist deswegen notwendig, weil sein Film eine Satire ist und es in einer Satire darum geht, etwas spöttisch zu kritisieren. Worüber genau macht er sich also lustig? Auf den ersten Blick scheint es glasklar zu sein. Östlund untermauert seine Klassenkritik außerdem in Interviews, wobei er sich wiederholt auf verschiedene Versionen dieser einen Anekdote stützt:
»Als Ruben Östlund seinen neuen Film einem ausgewählten Publikum in Paris vorführte, war ›eine der reichsten Personen Frankreichs‹ unter den Anwesenden. Während der Fragerunde stand sie auf und verkündete lauthals, der Film sei ›zu einfach‹. Östlund verzieht die Mine als er mir die Geschichte erzählt. ›Nein, es ist nicht besonders kompliziert‹, sagt der schwedische Regisseur und verschränkt trotzig die Arme. ›Es ist eben nicht OK, einen anderen Menschen auszubeuten und ihm einen beschissenen Lohn zu zahlen. Und es ist auch nicht OK, riesige Profite zu machen, indem man andere Menschen ausnutzt. So einfach ist das.‹«
Aber je länger man liest, desto verworrener werden Östlunds politische Positionen. In den Medien gibt es eine Tendenz, ihn als »vernünftigen« und träumerischen Zentristen dazustellen, der zwischen lärmenden politischen Extremisten eingeklemmt war.
»Er wuchs in der Nähe von Göteborg in einer Familie auf, in der häufig angeregt über Politik debattiert wurde. Seine Mutter beschrieb sich selbst als Kommunistin, während sein Bruder ein rechter Konservativer war. ›Wenn wir als Familie gemeinsam zu Abend gegessen haben, gab es ständig ideologische Konflikte.‹«
Er ist dafür, dass Bosse faire Löhne zahlen und dass alle gerecht besteuert werden und er ist skeptisch gegenüber vage beobachteten »Hierarchien«, die unser Leben organisieren. Die Magazinjournalistinnen, die Porträts über ihn verfasst haben, versichern ihren Lesern, dass Östlund eine insgesamt »vernünftige« Position vertritt:
»Er hat nichts gegen die Reichen oder den Kapitalismus an sich, er stellt lediglich die Legitimität eines Systems in Frage, in dem die Wirtschaft wichtiger ist als die Lebensqualität der Menschen. ›In welches Land ich auch reise, nirgendwo können sich junge Menschen eine Wohnung leisten, sagt er. ›Und das ist verrückt. Leben wir, um die Wirtschaft zu verbessern, oder ist die Wirtschaft dazu da, um unser Leben zu verbessern? Es ist beinahe so, als hätten wir vergessen, welche Qualitäten der Kapitalismus hat.‹«
Gut, das ist wahrscheinlich immer noch besser, als das, was wir gewöhnlich von Filmemachern zu hören bekommen, warum also das Gerede? Weil es dennoch schwerfällt, sich keine stärkere Haltung von Östlund zu wünschen, der eine Tendenz dazu hat, sich eher einfache Ziele auszusuchen.
Der erste Teil des Film steigt etwa über die oftmals geradezu lächerlich oberflächliche Welt der Mode ein. Bei einem Casting für ein Fotoshooting wird eine Horde männlicher Models dazu aufgefordert, ihre Shirts auszuziehen, auf und ab zu gehen und andere elementare Handlungen auszuführen, während eine Jury von Modekennern erbarmungslose Urteile über sie fällt. In dieser Szene erfahren wir, was unter einem »Triangle of Sadness«, also einem Dreieck der Traurigkeit, zu verstehen ist: Es beschreibt den Bereich über der Nase und zwischen den Augenbrauen, der im menschlichen Gesicht besonders ausdrucksstark ist, weshalb er zur Faltenbildung neigt. Dem sehr jungen Carl wird daher eine Botox-Behandlung nahegelegt.
Die Szene endet damit, dass Carl und die anderen Models erst so abweisend und schlecht gelaunt posieren, wie man es von Reklamen für Luxusmarken wie Balenciaga kennt, und kurz darauf jenes einladende Lächeln präsentieren, das für Billigmarken wie H&M typisch ist und kommunizieren soll: »Oh, wir sind so billig, bitte kauft uns!«
Die Models werden aufgefordert, ungefähr zehnmal den Gesichtsausdruck zu wechseln – finster dreinblicken, grinsen, finster dreinblicken, grinsen –, bis dieser Gag, der von Anfang an nicht sonderlich aufregend war, maximal ausgereizt ist. Darin spiegelt sich Östlunds Faszination für eigentlich wohlbekannte und banale Tatsachen der Modeindustrie. In einem Interview sagte er etwa: »Diese Industrie ist ein wenig beängstigend, weil sie alles berührt, was mit Schönheit zu tun hat, und Schönheit erzählt uns auch viel über Hierarchien.«
Östlund erklärt, dass ein Teil des Films durch die Arbeit seiner Frau, einer Modefotografin, inspiriert wurde. Er scheint etwas erstaunt gewesen zu sein, als er erfuhr, dass männliche Models weniger Geld verdienen als weibliche Models – dieser untergeordnete Status ist für Männer eher ungewöhnlich und wird im ersten Teil des Films auf unterschiedliche Weise beleuchtet. Östlund ist begeistert von seiner Erkenntnis, dass Schönheit zur Ware wird und dazu eingesetzt werden kann, den eigenen Klassenstatus zu erhöhen. Das wird im Film büchstäblich anhand von Yaya gezeigt, die ständig sexy Selfies von sich macht, um ihre »Influencer«-Marke zu bewerben, die ihr diverse Annehmlichkeiten und Zugang zu Superreichen verschafft. Auch die Reise auf der Luxusjacht hat sie nur so für sich selbst und ihren Freund Carl ergattern können.
Aber dieses ABC der Kommerzialisierung körperlicher Attraktivität ist doch weit und breit bekannt?
Nun, vielleicht fällt mein Urteil über Triangle of Sadness etwas zu hart aus. Ich wünschte, ich hätte den Film früher gesehen, dann wäre ich nach dem großen Hype und den vielen begeisterten Empfehlungen nicht so enttäuscht gewesen. Der Film hat einige lustige und interessante satirische Szenen, und auch wenn er nicht alle meine Erwartungen erfüllt hat, so ist er auf jeden Fall immer noch besser als die riesigen, Brechreiz auslösenden Wellen hundertprozentig prokapitalistischer Propaganda, die uns jede Woche im Kino überspülen.
Eileen Jones ist Filmkritikerin bei JACOBIN, Autorin von »Filmsuck, USA« und Moderatorin des Podcasts »Filmsuck«.