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25. Oktober 2025

Amerikanische Staatshilfe für Argentiniens Staatszerstörer

Donald Trump kürzt in Sozialstaat und öffentlichem Dienst, hat aber 20 Milliarden Dollar für Argentiniens libertären Präsidenten Javier Milei übrig. Das zeigt, dass es keinem von beiden um solide Finanzen geht, sondern nur um die Bereicherung ihrer Klasse.

Donald Trump empfängt Javier Milei im Weißen Haus, 14. Oktober 2025.

Donald Trump empfängt Javier Milei im Weißen Haus, 14. Oktober 2025.

IMAGO / ABACAPRESS

Der argentinische Präsident Javier Milei hatte während seines jüngsten Besuchs in Washington Grund zur Freude. Während US-Bürgerinnen und -Bürger mit einem anhaltenden Shutdown der Regierungsgeschäfte, Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und drohenden Kürzungen der Sozialleistungen zu kämpfen haben, die Millionen Menschen in die Armut stürzen könnten, hat die Trump-Regierung 20 Milliarden Dollar zur Rettung der kriselnden argentinischen Wirtschaft locker gemacht.

Der Zeitpunkt könnte für Milei nicht besser sein: Ende Oktober stehen Wahlen an, bei der die wirtschaftliche Notlage die Chancen seiner Partei beeinträchtigen könnte.

Die massive Finanzspritze dürfte zwar einige Investoren beruhigen, für die argentinische Arbeiterklasse sieht der jüngste Deal mit Trump hingegen wie ein weiterer zynischer politischer Schachzug in einer langen Reihe dubioser Rettungsaktionen aus. Die Warnung Trumps, dass die Hilfsaktion möglicherweise nicht zustande kommt, wenn bei den Wahlen »ein Sozialist oder Kommunist gewinnt«, verdeutlicht die eindeutig politischen Motive hinter dem geplanten Geldtransfer.

Austerität verbindet

Mit dem Bailout soll aus Sicht der US-Führung »die Wirtschaftskrise beruhigt und politisch dazu beigetragen werden, dass es zu einem möglichst guten Ergebnis für die Regierung kommt. Schließlich soll Milei weitere Strukturreformen vorantreiben«, erklärt Julio Gambina vom Nationalen Koordinierungsausschuss der Rentner- und Pensionärsorganisationen der Republik Argentinien.

Im Jargon der internationalen Finanzwelt bedeuten »Strukturreformen« oder »Strukturanpassungen« in der Regel Austerität, Privatisierungen und erhebliche Kürzungen bei den Sozialausgaben und anderen staatlichen Programmen.

Für die Rentnerinnen und Rentner Argentiniens war Mileis Amtszeit bislang katastrophal. Dank seiner »Strukturanpassungen« bleibt den Pensionären des Landes eine durchschnittliche monatliche Rente von rund 385.000 Pesos – etwa 220 Euro. Das liegt unterhalb der Armutsgrenze und entspricht, wie Studienzeigen, nur einem Drittel des Betrags, der zur Deckung der Grundbedürfnisse erforderlich wäre. Fast 20 Prozent der älteren Menschen in Argentinien müssen neben der Rente arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Kürzungen betreffen darüber hinaus die staatliche Krankenversicherung für ältere Menschen (PAMI), die nun nicht mehr 100 Prozent der Kosten für notwendige Medikamente übernimmt – obwohl die argentinischen Arbeiterinnen und Arbeiter ihr ganzes Berufsleben lang in das Programm einzahlen.

»Nach den schlechten Ergebnissen von Mileis Partei bei den Wahlen in Buenos Aires zeigten sich Investoren besorgt, dass der Präsident seine weiteren Austeritätspläne möglicherweise nicht umsetzen könnte. Doch dann sprang die US-Regierung in die Bresche.«

Das Institute for Policy Studies, bei dem ich tätig bin, hat kürzlich die argentinischen Rentnerorganisationen mit seinem jährlichen Letelier-Moffitt-Menschenrechtspreis für ihren Widerstand gegen die Austeritätsmaßnahmen ausgezeichnet. Der Preis wurde stellvertretend von Marcos Wolman entgegengenommen, einem langjährigen Anführer der Bewegung. Er wird im November neunzig Jahre alt.

Der Konflikt begann nicht erst mit Milei – seine Ursprünge reichen bis zu den Austeritätsmaßnahmen der frühen 1990er Jahre zurück. Während Wolman mit zwei weiteren argentinischen Vertretern die Auszeichnung in Washington entgegennahm, kam der Rest der Organisation zum allwöchentlichen Mittwochsprotest vor dem argentinischen Kongress zusammen – inzwischen zum 1.750. Mal.

Die Proteste werden derzeit mit überraschend harter Repression beantwortet, insbesondere angesichts des Alters der meisten Teilnehmenden. Eine Regierungsanweisung aus dem Jahr 2023 gibt Sicherheitskräften, die normalerweise mit der Überwachung der Grenzen beauftragt sind, die Erlaubnis, Tränengas und Gummigeschosse einzusetzen, um Demonstrationen zu zerstreuen. Die Rentner, mit denen ich gesprochen habe, berichteten, dass einige ihrer 80-, 85-, 90-jährigen Mitstreiter mit Schlagstöcken traktiert wurden.

Unter Milei geht es bei diesen Protesten jedoch um viel mehr als nur um die Renten. Schließlich enden die negativen Auswirkungen seiner Kürzungen nicht dort: So hat der Präsident beispielsweise Anfang des Jahres die Unterhaltszahlungen für 110.000 behinderte Menschen gestrichen, die nicht durch Arbeit in das System einzahlen können. Mit einem weiteren Gesetz wurde Menschen mit Behinderungen der subventionierte Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Therapien und Bildung entzogen.

Alles für die Investoren

Diese Kürzungen der Sozialausgaben führten tatsächlich zu einer Verbesserung einiger konventioneller Wirtschaftsindikatoren. So verwandelte sich das vorherige Haushaltsdefizit von fünf Prozent im Jahr 2023 in einen Überschuss von 0,3 Prozent 2024. Die Inflation ist auf unter 40 Prozent gesunken. Freilich gingen diese »Verbesserungen« auf Kosten der Ausgaben für Bildung, Wohnen und Renten.

Nach den schlechten Ergebnissen von Mileis Partei bei den Wahlen in Buenos Aires zeigten sich Investoren allerdings besorgt, dass der Präsident seine weiteren Austeritätspläne möglicherweise nicht umsetzen könnte. Doch dann sprang die US-Regierung in die Bresche: Finanzminister Scott Bessent gab Anfang Oktober bekannt, dass die Vereinigten Staaten der argentinischen Zentralbank eine Swap-Linie in Höhe von 20 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen würden. Dies bedeutet im Wesentlichen den Tausch von stabilen amerikanischen Dollar gegen volatile Pesos. Bessent deutete wenig später an, die US-Führung erwäge, diesen Betrag durch die Nutzung privater Quellen auf 40 Milliarden Dollar zu verdoppeln.

Diese vereinten Bemühungen von Regierung und Privatwirtschaft sorgen allerdings auch für Bedenken, dass Investoren die Krise Argentiniens ausnutzen könnten, um natürliche Ressourcen des Landes zu plündern. Gambina erklärt dazu: »Es handelt sich nicht nur um ein Engagement der amerikanischen Regierung, sondern auch des privaten Sektors in der US-Wirtschaft. Dieser ist an Argentiniens Energie, Land, Trinkwasser und Rohstoffen interessiert.«

»Über den politischen Boost für die anstehenden Wahlen hinaus ist die finanzielle Unterstützung für Argentiniens Regierung Teil eines umfassenderen Projekts zum Abbau von Sozialleistungen, das von Trump, Milei und internationalen Organisationen wie dem IWF und der Weltbank vorangetrieben wird.«

Die US-amerikanische Regierung ist jedoch nicht die einzige westliche Institution, die sich einmischt, um Mileis libertäre Agenda am Leben zu erhalten. Im April genehmigte der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Kredit in Höhe von 20 Milliarden Dollar – zusätzlich zu den 43 Milliarden, die Argentinien ohnehin schuldet.

Argentinien hat eine lange Geschichte mit dem IWF, dem es im September 1956 offiziell beigetreten ist. Der Unterstützungsdeal im April war das 23. Hilfspaket für das lateinamerikanische Land. Damit festigt Argentinien seinen Status als größter Kreditnehmer der Institution. Die über 60 Milliarden Dollar, die Buenos Aires inzwischen schuldet, sind fast viermal so viel wie die Schulden des zweitgrößten IWF-Kreditnehmers, der kriegsgebeutelten Ukraine.

Der Bevölkerung Argentiniens helfen die IWF-Mittel kaum. »Dieses Geld fließt zwar in die argentinische Zentralbank, dient dann aber vor allem der Kapitalflucht«, so Gambina. Die Unterstützung aus den USA dürfte beispielsweise Bessents Freund und milliardenschweren Hedgefonds-Manager Rob Citrone, einem Großinvestor in argentinische Anleihen und Aktien, erheblich bereichern.

Die westlichen Unterstützer machen keinen Hehl aus den politischen Motiven hinter diesen Rettungsaktionen. 2020 erklärte Mauricio Claver-Carone, ein Trump-Berater für die Region Lateinamerika und vormaliger Exekutivdirektor der USA beim IWF, unverblümt: »Alles, was Trump beim IWF getan hat, diente dazu, [den damaligen konservativen argentinischen Präsidenten Mauricio] Macri zu unterstützen und zu verhindern, dass der Peronismus in die Casa Rosada zurückkehrt.«

Unbezahlbare Schulden

Über den politischen Boost für die anstehenden Wahlen hinaus ist die finanzielle Unterstützung für Argentiniens Regierung Teil eines umfassenderen Projekts zum Abbau von Sozialleistungen, das von Trump, Milei und internationalen Organisationen wie dem IWF und der Weltbank vorangetrieben wird.

Das Geld des IWF ist an Bedingungen geknüpft – sogenannte »Konditionalitäten« –, die faktisch Austeritätsmaßnahmen erfordern. Diese Konditionalitäten bestimmen die Strukturanpassungsprogramme Argentiniens, seitdem der Fonds dem Land 2018 45 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat. Zwischen Mileis Wahl 2023 und Ende 2025 sanken die Sozialausgaben um 17 Prozent und Umweltprogramme wurden gekürzt, wie eine Analyse des Bretton Woods Project zeigt.

»Die Schulden gegenüber dem IWF sind ein permanenter Faktor, der das wirtschaftliche, soziale und politische Leben unseres Landes beeinflusst.«

Gleichzeitig führten Zahlungen an Gläubiger zu einem Rückgang der Staatsverschuldung um 21 Prozent. Derweil wurde das staatliche Sicherheitsbudget aufgebläht. »Das zeigt die Hierarchie der Prioritäten: Gläubiger an erster Stelle, Menschen und Ökosysteme an letzter«, so das unmissverständliche Fazit der Studie.

»Die Schulden gegenüber dem IWF sind ein permanenter Faktor, der das wirtschaftliche, soziale und politische Leben unseres Landes beeinflusst«, sagte auch der fast neunzigjährige Rentner Wolman in Washington. »Diese Schulden können schlichtweg nicht zurückgezahlt werden. Es handelt sich um eine unbezahlbare Schuld, unabhängig davon, welche Anpassungen vorgenommen werden.«

Nach Ansicht der Rentnergruppe ist es längst überfällig, dass sich Argentinien mit seinen Auslandsschulden befasst. Das Land solle demnach nicht nur neue Kredite ausschlagen, sondern auch die Rückzahlung seiner Schulden aussetzen sowie eine Untersuchung über die Quellen dieser Gelder anstellen, um deren Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Es wäre wünschenswert, wenn die argentinischen Rentnerinnen und Rentner dabei von Gruppen aus den USA unterstützt würden. Schließlich wird deren Staatskasse – in Zeiten von eigenen Austeritätsmaßnahmen, Entlassungen und zunehmendem Autoritarismus – angezapft, um einen angeschlagenen rechten Präsidenten im Ausland zu unterstützen.

Chris Mills Rodrigo ist leitender Redakteur bei Inequality.org des Institute for Policy Studies.