18. April 2025
Mit seiner chaotischen Zollpolitik torpediert Donald Trump seine eigentlichen Ziele: Die Welt wird noch abhängiger von China und die Re-Industrialisierung der USA wird blockiert.
Erratisch und planlos: Trumps Zollpolitik wird die heimische Wirtschaft vermutlich schwächen und China als Industriegiganten stärken.
Angesichts der jüngsten US-Zollpolitik herrscht Panik an den Märkten; man bereitet sich auf eine regelrechte ökonomische Apokalypse vor. Die Anhänger und Kritiker von Donald Trump sind sich in einer Sache weitgehend einig: Dahinter muss ein größerer Plan stecken. Als Trump seine erste Welle vermeintlicher »Gegenzölle« gegen den Rest der Welt startete – die oft in keinem Verhältnis zu den Abgaben standen, die andere Staaten auf US-Waren erheben, und die selbst befreundete Länder trafen, die Freihandelsabkommen mit den USA geschlossen haben –, betonten Kritiker, der Vorgang sei lediglich eine Verhandlungstaktik des Präsidenten, die schon bald wieder aufgegeben würde. Als Trump dann tatsächlich einen abrupten Rückzieher machte, eine 90-tägige Aussetzung der meisten Zölle ankündigte und sich darüber freute, dass ihn die Staats- und Regierungschefs der Welt um Verhandlungen anbettelten, behaupteten auch Trumps Regierungsvertreter und seine Fans, alles sei Teil eines Masterplans gewesen, um gute »Deals« für die USA abzuschließen.
»Sie haben die großartigste Wirtschaftsstrategie eines amerikanischen Präsidenten aller Zeiten miterlebt«, meinte beispielsweise Trumps stellvertretender Stabschef Stephen Miller. »Viele von Ihnen in den Medien haben The Art of the Deal eindeutig nicht verstanden«, sagte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt.
Inzwischen dürfte es aber an der Zeit sein, dass sich sowohl Trumps Fans als auch seine Kritiker mit einer beunruhigenden Vorstellung auseinandersetzen müssen: Ob man die Zölle nun mag oder nicht, der Ansatz des Weißen Hauses scheint chaotisch zu sein. Darüber hinaus steht die Zollpolitik oft im Widerspruch zur sonstigen Außen- sowie Innenpolitik. Das Fehlen eines wirklich koordinierten und kohärenten Plans könnte zur Selbstzerstörung des gesamten politischen Programms des Präsidenten führen, oder noch schwerwiegendere Probleme nach sich ziehen.
Ist das Ziel der Zölle, China auf der Weltbühne zu isolieren und gleichzeitig die US-Wirtschaft vom Reich der Mitte abzukoppeln? Wenn ja, dann dürfte der plötzlich erhobene Zoll von 125 Prozent, den Trump auf alle Waren aus China angekündigt hat, kein adäquates Mittel sein, um das zu erreichen. Denn China ist nicht nur der drittgrößte Handelspartner der USA, sondern auch fest in die Lieferketten zahlreicher wichtiger Güter integriert. Die Zahl der Produkte, bei denen die Vereinigten Staaten auf chinesische Importe angewiesen sind, hat sich zwischen 2000 und 2022 fast vervierfacht, während sich die entsprechende Zahl aus chinesischer Sicht halbiert hat. Ein derart hoher Zollsatz (auf den China bereits mit Gegenmaßnahmen reagiert hat) macht den Handel zwischen den beiden Ländern rein ökonomisch gesehen nahezu unmöglich. Das wird sich deutlich auf die Vereinigten Staaten womöglich heftiger auswirken als auf China.
Theoretisch könnten die USA versuchen, ihren Handel möglichst schnell auf andere Länder umzuorientieren, um zumindest einen Teil des von China hinterlassenen klaffenden Lochs in der US-Wirtschaft zu füllen. Doch Trump erhebt gleichzeitig auch Zölle gegen die gesamte Welt außerhalb Chinas. Darüber hinaus befinden sich die USA immer noch in einem Stellvertreterkrieg mit Russland, einem weiteren führenden Rohstoffproduzenten, der über diverse seltene Erden verfügt, die für die US-Lieferketten von entscheidender Bedeutung sind. Ebenso hat Trump monatelang Europa sowie die beiden größten Handelspartner der USA, nämlich Mexiko und Kanada, verprellt und gegen sich aufgebracht. Letzteren drohte er jüngst mit Bombardierung beziehungsweise Annexion. Die Aufgabe, die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China schnell zu ersetzen, wird dadurch ungemein erschwert.
»Brüssel und Peking haben Gespräche aufgenommen, um Zölle auf E-Autos aufzuheben, die die EU im vergangenen Jahr – teilweise auf Druck der USA – eingeführt hatte.«
Darüber hinaus bewirken Trumps Maßnahmen das Gegenteil von einer Isolierung Chinas, ein wichtiges geopolitisches Ziel seiner Regierung. Tatsächlich haben Brüssel und Peking nun Gespräche begonnen, um Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge aufzuheben, die die Europäische Union im vergangenen Jahr – teilweise auf Druck der USA – eingeführt hatte. Es scheint ohnehin eine Entspannung und Annäherung zwischen der EU und China zu geben.
Peking führt derweil auch Gespräche mit Japan und Südkorea (beide ihrerseits Verbündete der USA), um eine Antwort auf Trumps Zölle zu finden, die theoretisch in nur drei Monaten wieder in Kraft treten sollen. Die drei asiatischen Länder haben kürzlich ihre ersten wirtschaftspolitischen Gespräche seit fünf Jahren geführt. Weitere südostasiatische Staaten, die bereits wachsende Zweifel an der globalen Führungsrolle der USA angemeldet haben, führen ebenfalls Gespräche mit chinesischen Beamten. Westlich orientierte Beobachter aus der Region warnen, die US-Zölle könnten dazu führen, dass diese Länder sich ebenfalls verstärkt China annähern.
Oder geht es der US-Führung bei ihrer Zollpolitik darum, Industrie und Produktion zurück ins Land zu holen? In dieser Hinsicht warnen sowohl Experten als auch Branchenvertreter, der plötzliche, pauschale und aggressive Modus der verhängten Zölle könnte dieses Ziel ironischerweise torpedieren. Schließlich sind die Vereinigten Staaten, wie bereits erwähnt, überaus abhängig von chinesischen Importen. Erst kürzlich erlaubte Trump Ausnahmen für den Import von Smartphones und anderen Elektronikgeräten aus China. Offenbar ist auch zu ihm durchgedrungen, dass die Zölle untragbare Kosten für die amerikanischen Verbraucherinnen und Verbraucher verursachen würden. Das gleiche Problem besteht allerdings auch für eine Vielzahl anderer Importgüter, für die Trump bisher keine ähnlichen Ausnahmen vorgesehen hat.
»Fabriken entstehen nicht einfach aus dem Nichts. Es braucht Materialien und Maschinen – und diese sind aufgrund der Zölle plötzlich viel teurer. Des Weiteren braucht es Arbeitskräfte, von denen es nicht genug gibt – und die durch Trumps harte Linie in der Migrationspolitik auch nicht aus dem Ausland angeworben werden können.«
Das grundlegende Problem bei der Re-Industrialisierung ist: Fabriken entstehen nicht einfach aus dem Nichts. Es braucht beispielsweise Materialien und Maschinen – und diese sind aufgrund der Zölle plötzlich viel teurer. Außerdem muss jemand das Geld für den Bau der Fabriken aufbringen. Viele Firmen wollen dies derzeit aus mehreren Gründen nicht, darunter die gedämpfte Verbraucherstimmung und die erhöhte unternehmerische Unsicherheit, die durch die unberechenbare Zollpolitik verursacht wurden.
Des Weiteren braucht es Arbeitskräfte, von denen es in den Vereinigten Staaten nicht genug gibt. Dies gilt sowohl für bestimmte Schlüsselindustrien, die auf Fachkräfte angewiesen sind, beispielsweise die Pharmaindustrie, als auch für die Fertigung im Allgemeinen, die diverse Arbeitskräfte benötigt, die in den USA derzeit aber nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden sind. Nun könnten US-Firmen natürlich versuchen, diese Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, was jedoch wiederum durch Trumps harte Linie in der Migrationspolitik erschwert wird: Menschen werden bereits aufgrund ihrer politischen Ansichten die Visa verweigert oder entzogen, oder sie werden aufgrund bürokratischer Fehler für Wochen in Haftanstalten oder sogar in ein notorisch gefährliches Bundesgefängnis geworfen.
Selbst ohne all diese Probleme – und einschließlich der Tatsache, dass, wie Brancheninsider kürzlich einräumten, das Know-how zur Herstellung bestimmter Produkte, beispielsweise Fahrräder, in den Vereinigten Staaten schlichtweg nicht mehr vorhanden ist – würden all diese Anpassungen viel Zeit in Anspruch nehmen. Der Aufbau einer Produktionsstätte dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte. Zwischen dem Kauf eines Baugrundstücks und der Einweihungsfeier gibt es unzählige potenzielle Hindernisse, die einen Strich durch die Rechnung machen können. Es besteht daher eine sehr reale Chance, dass Trump durch seine erratische Anwendung von Zöllen als Waffe einen Konjunkturabschwung auslöst. Dieses Risiko ist Trump Berichten zufolge bewusst und er scheint bereit, es einzugehen. Für Unternehmen bedeutet dies wiederum, dass sie vorsichtiger werden und nicht expandieren.
Diese missliche Lage könnte unter Umständen überwunden werden, wenn die Regierung eine direkte Rolle bei der Förderung von privatwirtschaftlichen Investitionen übernehmen oder eine industrielle Expansion fördern würde. Auf diesem Wege ist China zu dem Industriegiganten geworden, der es heute ist. Doch auch dieser Ansatz wird nicht verfolgt, dank der radikalen Anti-Regierungsagenda der Trump-Führung. So werden Steuersenkungen für die Reichen mit harten Austeritätsmaßnahmen und einem Abbau staatlicher Strukturen durch das Department of Government Efficiency (DOGE) und dem von ihm verordneten Massenentlassungen kombiniert.
»Behörden, die für die Vergabe von Krediten an Unternehmen und die Ankurbelung der Produktion zuständig sind, werden geschwächt.«
Zu den Opfern von DOGE gehören beispielsweise ein Drittel der Angestellten der staatlichen Stelle, die für die Verteilung der Gelder aus Bidens CHIPS Act zur Ankurbelung der Chipherstellung zuständig ist – und jüngsten Berichten zufolge auch das Energieministerium. Laut Heatmap könnten in den kommenden Wochen tausende Angestellte des Ministeriums ihren Arbeitsplatz verlieren. Dadurch wird aktiv der Aufbau neuer Energiekapazitäten untergraben und Behörden, die für die Vergabe von Krediten an Unternehmen und die Ankurbelung der Produktion zuständig sind, werden geschwächt.
Gleichzeitig versucht die Trump-Regierung – scheinbar aus keinem anderen Grund als reiner Boshaftigkeit und Rachelust – die Streichung von Milliarden Dollar an Zuschüssen, Darlehen und Subventionen zu erwirken, die unter Biden zur Förderung erneuerbarer Energien und ähnlicher Projekte gewährt wurden. Ironischerweise wäre dies ein enormer Vorteil für China, das schon heute global führend im Bereich der erneuerbaren Technologien ist.
Man könnte auch fragen, wie die aktuelle Strategie mit Trumps anderem großen Ziel vereinbar ist, nämlich die Sicherung des Status des US-Dollar als globale Reservewährung. George Saravelos, dem »Head of Foreign Exchange Research« bei der Deutschen Bank, warnte, Trump sei zwar von seinem ursprünglichen Plan für Zölle abgerückt, der Schaden sei aber bereits angerichtet. Nun würden die Märkte »die strukturelle Attraktivität des Dollars als globale Reservewährung der Welt neu bewerten« und befänden sich entsprechend »in einem Prozess der raschen Entdollarisierung«.
»Trumps Zollpolitik steht in direktem Widerspruch zu seinen geopolitischen und innenpolitischen Zielen. Und sie untergräbt auch die Wiederbelebung der US-Produktion.«
Trump fürchtet diesen Trend. Ihn besorgt eine solche Entdollarisierung so sehr, dass er den BRICS-Staaten wiederholt mit 100-prozentigen Zöllen gedroht hat, sollten sie es wagen, eine eigene Konkurrenzwährung einzuführen. Diese Drohung wird jedoch immer weniger wirksam und bedrohlich für die andere Seite, wenn Trump bereits ein BRICS-Land (Russland) massiv sanktioniert und gerade erst das größte BRICS-Mitglied (China) mit 125-prozentigen Zöllen belegt hat.
Trump hat auch in anderer Hinsicht inzwischen weniger Spielraum für Vergeltungsmaßnahmen gegen Bestrebungen zur Entdollarisierung: Während die USA den ökonomischen Schock eines umfassenden Handelskrieges mit China vielleicht noch verkraften, können sie es sich nicht leisten, dasselbe auch mit Indien (ihrem immerhin zwölftgrößten Handelspartner) zu tun oder mit Brasilien, einem wichtigen Ziel für US-Exporte und einem Staat, von dem Washington bereits befürchtet, dass er seine Beziehungen zu Peking vertiefen wird. Beide Länder liegen darüber hinaus direkt hinter China, was die Vorkommen an seltenen Erden betrifft. Das ist nicht unerheblich, wenn Trump nun den US-Zugang zu chinesischen Lieferungen solcher Rohstoffe praktisch aufgibt.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Zölle die US-Regierung auch dazu zwingen werden, der bestehenden US-Industrie – insbesondere dem Agrarsektor, der stark vom Handel mit China abhängig ist und bereits einen Anstieg der Insolvenzen verzeichnet – einen finanziellen Rettungsanker zu werfen. Dies muss sie allein schon aus politischen Gründen tun, nicht aus rein ökonomischen.
Doch auch dies steht in direktem Widerspruch zur vehementen Opposition der Trump-Administration gegen höhere Staatsausgaben und insbesondere gegen »Rettungspakete«. Trumps einflussreicher Direktor des Office of Management and Budget, Russell Vought, hat diese Opposition zu einem zentralen Bestandteil seiner politischen Identität gemacht. Die Regierung betont unablässig, Unternehmensrettungen seien nicht notwendig, da »die Neuausrichtung der Wirtschaft zu einem beispiellosen Wohlstand für alle Amerikaner, insbesondere aber für unsere Landwirte und Viehzüchter, führen wird«. Wenn man im Weißen Haus wirklich so denkt, zeugt das eher vom Glauben an Märchen als von einer realistischen Strategie für die Zukunft.
Was Trumps Behauptung betrifft, dass diese Zölle ausreichend Einnahmen generieren werden, um die massiven Steuersenkungen für die Reichen zu finanzieren und sogar den Weg für die Abschaffung der Einkommenssteuer zu ebnen – und das alles, während er mit Verweis auf die ausufernden Staatsschulden essenziell wichtige öffentliche Dienstleistungen abbaut –, so ergibt sich ein offensichtliches Paradox: Wenn die Zölle tatsächlich die Handelsdefizite der USA beseitigen und das Land zu einem Nettoexporteur machen sollten, bedeutete dies naturgemäß, dass zukünftig weniger Einnahmen aus Zöllen zur Verfügung stehen. Allein dadurch dürften sich Dinge wie das Eine-Billion-Dollar-Militärbudget nicht finanzieren lassen.
Zusammengefasst lässt sich festhalten: Obwohl Trump und seine Kreise immer wieder betonen, einen großen Plan zu verfolgen, scheint die Zollpolitik vielmehr genau so improvisiert und spontan, genau so unkoordiniert und inkohärent zu sein, wie seine Kritikerinnen und Kritiker sie einschätzen. Seine Zollpolitik steht in direktem Widerspruch zu seinen umfassenderen geopolitischen und innenpolitischen Zielen. Und sie untergräbt möglicherweise auch die Wiederbelebung der US-Produktion, die ja eigentlich die Rechtfertigung für die Zölle sein soll.
Die Ziele, die US-Fertigung wiederzubeleben, »Arbeitsplätze zurückzubringen« und amerikanische Produzenten zu schützen, mögen lobens- und erstrebenswert sein. Wenn der Plan der Trump-Regierung aber weiter so verfolgt wird wie bisher, könnte dies der Anfang vom Ende, der Startschuss zum eigenen Scheitern sein.
Branko Marcetic ist Redakteur bei JACOBIN und Autor des Buchs »Yesterday’s Man: The Case Against Joe Biden«. Er lebt in Chicago, Illinois.