09. Dezember 2025
Die Vorschläge der Trump-Regierung für einen Frieden in der Ukraine muten an wie ein Immobilien-Deal: Russland bekommt ukrainisches Land zugesprochen und die USA kassieren dafür Abfindung. Der Führung in Kiew bleiben jedoch kaum Alternativen.

Der russische Präsident Wladimir Putin und sein Berater Juri Uschakow beim Gespräch mit Sonderbeauftragter des US-Präsidenten Steve Witkoff in Moskau, 2. Dezember 2025.
Am 21. November wurde der Ukraine ein Friedensvorschlag vorgelegt, der praktisch nach sofortiger Zustimmung verlangte. Der geleakte 28-Punkte-Friedensplan, der von Donald Trumps Gesandtem Steve Witkoff und dem russischen Vertreter Kirill Dmitrijew ausgearbeitet wurde, liest sich wie ein Immobilien-Deal: Russland bekommt Land, die USA nehmen sich ihren Anteil, Europa bezahlt die Rechnung und die Ukraine kann wählen, ob sie jetzt oder später kapituliert. Unter Druck wandte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unverblümt an die Nation: »Verlust der Würde oder Verlust eines wichtigen Partners. 28 schwierige Punkte oder ein außerordentlich schwieriger Winter.«
Die überrumpelten europäischen Staats- und Regierungschefs bemühten sich, Gegenvorschläge zu improvisieren. Im Weißen Haus herrschte indes Empörung, dass der Vorschlag an die Öffentlichkeit gelangte. Es kam zu einer Krisensitzung in Genf und man verständigte sich auf einen überarbeiteten 19-Punkte-Plan. Mit diesem wurden die schwierigsten Fragen auf einen »künftigen Dialog« auf hoher Ebene verschoben. Trump sah »enorme Fortschritte« und kündigte Witkoffs sechsten Besuch in Moskau in diesem Jahr an. Der Kreml lehnte die europäischen Überarbeitungen hingegen ab und signalisierte, dass nur die ursprünglichen 28 Punkte dem »Geist von Anchorage« entsprächen – also Trumps Annäherungsversuchen an Wladimir Putin bei ihrem Gipfeltreffen in Alaska im Sommer. Russlands Führung hat damit deutlich gemacht, dass sie weiterhin bereit ist, ihre Ziele mit militärischen Mitteln zu erreichen. Diese Haltung lässt wenig Raum für Kompromisse.
Der US-amerikanische Feiertag Thanksgiving ging vorbei, und die Position der Ukraine wurde nur noch schwächer. Am 28. November, kurz vor seiner Abreise nach Miami zu einer weiteren Konsultationsrunde, trat Andrij Jermak (Selenskyjs Stabschef und führender Friedensverhandler) zurück, nachdem Anti-Korruptions-Ermittler seine Wohnung durchsucht hatten. Am selben Tag gab es Berichte, Washington sei gewillt, die russische Kontrolle über die Krim und andere besetzte Gebiete einseitig anzuerkennen. Am nächsten Tag beklagte der ehemalige Oberbefehlshaber der Ukraine, Walerij Saluschnyj, das Fehlen klarer politischer Ziele und merkte an, dass auch nur ein vorübergehender Frieden eine Chance bieten könnte, sich zu erholen und auf die nächsten Schritte vorzubereiten.
Diese Kette von Ereignissen wird den Krieg möglicherweise nicht beenden – die jüngsten Gespräche im Kreml am vergangenen Dienstag waren ergebnislos –, aber sie zeigt, wie sich die Großmächte derzeit den Ausgang des Krieges vorstellen und wie wenig sich die Kernforderungen Russlands geändert haben. Die Verhandlungsposition der Ukraine hingegen ist deutlich geschwächt. Moskau hat geringfügige Zugeständnisse gegenüber seinen im Juni geäußerten maximalistischen Positionen gemacht, erwartet aber weiterhin, dass Kiew dauerhaft neutral bleibt, russische Gebietseroberungen anerkennt, militärische Beschränkungen in Form einer »Entmilitarisierung« akzeptiert und ideologisch-politische Zugeständnisse unter dem Deckmantel einer vermeintlichen »Entnazifizierung« macht. Somit hat sich nicht die Substanz der Verhandlungen verändert, wohl aber die Umstände: eine erschöpfte Ukraine, ein stärker gespaltener Westen und ein geopolitisches Umfeld, das eher Druckmittel hinnimmt, als irgendeiner – und sei es nur rhetorischen – Vision von Gerechtigkeit förderlich zu sein.
Russlands Obsession mit einer Neutralität der Ukraine reicht bis vor die Invasion zurück: Am deutlichsten kam sie in den Vertragsentwürfen Moskaus vom Dezember 2021 zum Ausdruck, in denen gefordert wurde, nicht nur die Ukraine, sondern den gesamten ehemaligen sozialistischen Block effektiv als Pufferzone zu behandeln. Dies ist die wohl gewichtigste der »Ambiguitäten der vergangenen 30 Jahre« (wie sie in den 28 Punkten genannt werden), die der Kreml endlich geklärt haben will. Bei der Forderung, die Ukraine aus der NATO fernzuhalten, geht es faktisch nicht um »Sicherheit«, sondern um das Schaffen eines russischen Einflussbereichs, in dem die Sicherheitsbedürfnisse kleinerer Staaten ignoriert werden können. Die Ukraine ist der Testfall dafür, ob Moskau künftig stets ein Veto gegen die Außenpolitik seiner Nachbarn einlegen kann – eine Monroe-Doktrin im russischen Gewand.
Russland verlangt nicht nur von Kiew, sondern auch von den NATO-Mitgliedern formelle Zusicherungen hinsichtlich einer dauerhaften Neutralität der Ukraine. Die ursprünglichen Klauseln, die die Staaten verpflichten, Verträge, die gegen diese Neutralitätsverpflichtungen verstoßen, zu kündigen oder nicht abzuschließen, könnten sogar den künftigen Weg der Ukraine zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union beeinträchtigen, insbesondere wenn Brüssel die eigenen Regularien zur gemeinsamen Verteidigung stärkt. Die USA scheinen derweil nicht bereit zu sein, über ihr bisheriges Engagement hinauszugehen, geschweige denn Sicherheitsgarantien ähnlich wie in Artikel 5 des NATO-Vertrags anzubieten, der die Gründe für eine Reaktion auf einen Angriff festlegt. Sollte Russland erneut zuschlagen, verpflichtet sich Washington demnach lediglich zur Aufhebung des 28-Punkte-Abkommens und zu einer nicht näher definierten »entschlossenen koordinierten militärischen Reaktion«. Somit dürfte Kiew in Zukunft für seine Sicherheit selbst verantwortlich sein. Darüber hinaus müsste die Ukraine auf Versprechungen bauen, die von Moskau jederzeit ignoriert und gebrochen werden können.
Es ist schwer vorstellbar, dass die Ukraine in Russland einmarschiert. Die Argumente des Kremls für eine Entmilitarisierung hatten immer nur ein Ziel: Kiews Widerstandskraft zu schwächen und dann Bedingungen zu diktieren.
Bei den Verhandlungen in Istanbul im April 2022 wurde vorgeschlagen, die maximale Zahl der ukrainischen Truppen auf 85.000 bis 250.000 zu begrenzen, mit eingeschränkten Luftabwehrreichweiten und beschränkter Artilleriestärke. Im Entwurf von Witkoff und Dmitrijew wird die Obergrenze nun auf 600.000 Soldaten mehr als verdoppelt, aber gleichzeitig das Verbot ausländischer Militärpräsenz beibehalten. Dadurch würde jede Chance auf Friedenstruppen oder Abschreckungskräfte zunichte gemacht. Nach heftigem Widerstand wurden die Möglichkeiten für den Einsatz von Friedenstruppen wieder auf den Tisch gebracht und die Obergrenze für die Truppenstärke angehoben. Es ist abzuwarten, ob diese Änderungen vom Kreml angenommen werden. Doch ungeachtet dessen dreht sich die ganze Debatte um die falsche Frage: Warum sollte die Ukraine in Friedenszeiten eine Armee in Kriegsstärke unterhalten, und vor allem: Wer soll das in einem zerstörten Land bezahlen?
»In der Ukraine selbst sind eigentlich legitime Debatten über Nationalismus, Erinnerungspolitik oder Minderheitenrechte durch Russlands Vereinnahmung all dieser Themen als Vorwände für seine Aggression diskreditiert.«
Selbst im für Kiew ungünstigsten Szenario aus den Istanbuler Gesprächen vor drei Jahren wäre die Ukraine wohl nicht daran gehindert, eine eigene, robuste Verteidigung aufzubauen. Je nach Unterstützung in der Bevölkerung könnte die Führung in Kiew weiterhin auf eine große Zahl von Reservisten zurückgreifen. Einige davon sind im Ausland im Umgang mit modernen Waffensystemen ausgebildet und könnten bei einer Wiederaufnahme der Feindseligkeiten schnell wieder eingesetzt werden. Aber jede Vereinbarung, die die westliche Unterstützung einschränkt, würde die Asymmetrie institutionalisieren und die Ukraine letztendlich hilflos machen, wenn Russland erneut gegen getroffene Vereinbarungen verstößt.
Der ideologische Teil der russischen Forderungen – allen voran die geforderte »Entnazifizierung« der Ukraine – ist ein politisches Framing. Russische Truppen bezeichnen ukrainische Soldaten oft abwertend »Deutsche«; in Moskau ist man offiziell nach wie vor der Ansicht, die Invasion sei eine Reaktion auf einen »Genozid« im Donbass. Dass Statistiken und Berichte diese Lüge widerlegen, ist irrelevant. In den letzten drei Jahren vor dem Krieg (2019–2021) gab es in der Region insgesamt weniger als hundert zivile Todesopfer im Zuge des Konflikts. Seit Beginn der sogenannten Rettungsmission Russlands sind derweil Tausende gestorben. Allein in den beiden östlichsten Regionen wurden Hunderttausende vertrieben. Über ein Dutzend Städte mit einer Vorkriegsbevölkerung von insgesamt rund einer Million Menschen wurden zerstört.
Die Instrumentalisierung der Angst vor ukrainischen Rechtsextremen durch die russischen Behörden (während sie selbst den Neofaschismus im In- und Ausland fördern) ist Propaganda. Doch die Forderung nach diesem symbolischen Sieg bleiben. Im Jahr 2022 führte der Kreml ukrainische Gesetzesänderungen als Beweis für die erzwungene Deradikalisierung des Kriegsgegners an. Der Vorschlag von Witkoff und Dmitrijew verwendet inzwischen eine neutralere Sprache. In der Ukraine selbst sind eigentlich legitime Debatten über Nationalismus, Erinnerungspolitik oder Minderheitenrechte durch Russlands Vereinnahmung all dieser Themen als Vorwände für seine Aggression diskreditiert. Unter militärischer Drohung erzwungene Verpflichtungen würden die ukrainische Rechte kaum mäßigen, sondern vielmehr die Polarisierung verstärken und den Nationalisten ein gefundenes Fressen liefern.
Die territoriale Frage ist nach wie vor der Kern des russischen Standpunkts. Moskaus Sorge, dass seine Eroberungen in der Ukraine nicht anerkannt werden, wird inzwischen als eine der »Hauptursachen« des fortgeführten Konflikts angesehen. Der Kreml beansprucht heute fünf ukrainische Oblasten – Krim, Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja –, obwohl er nur zwei davon wirklich unter seiner Kontrolle hat. Aus russischer Sicht müsse man aber die »Realität vor Ort« anerkennen.
Die Rechtfertigungen haben sich mit den Veränderungen auf dem Schlachtfeld verschoben. Anfangs behauptete Moskau, die nominell unabhängigen, selbsterklärten »Volksrepubliken« Donezk und Luhansk zu »schützen«, entschied aber später, dass der beste Schutz ihre direkte Eingliederung in die Russische Föderation selbst sei. Um die Landbrücke zur Krim zu sichern, annektierte Russland zusätzlich Gebiete in Cherson und Saporischschja, die es bereits hielt, und beansprucht weitere Regionen, die es bis heute nicht hält. Die vorgeschlagenen »entmilitarisierten Pufferzonen« unter russischer Kontrolle in Teilen der Oblast Donezk, die derzeit von der Ukraine gehalten werden, zeigen ein klares Ziel: die Ukraine zum Rückzug aus strategischen Positionen zwingen, während die stark befestigten, russisch besetzten Gebiete unangetastet bleiben.
Unter den derzeitigen Bedingungen kann die Ukraine nicht alle besetzten Gebiete mit Gewalt zurückerobern. Doch sie kann es sich auch nicht leisten, Moskau unwiderrufliche Rechte über diese Gebiete zu gewähren. Kiews Position beschränkt sich darauf, die Anerkennung zu verweigern, aber die derzeitige Frontlinie als Bezugspunkt für künftige Verhandlungen zu akzeptieren sowie militärische Mittel zur Beilegung von zukünftigen Streitigkeiten auszuschließen. Es gibt Beispiele für dauerhafte Waffenstillstände, wobei die zugrundeliegenden territorialen Ansprüche ungelöst blieben: Zypern seit 1974, Korea seit 1953, Kaschmir seit 1972. Allerdings: In Zypern sind Friedenstruppen der Vereinten Nationen sowie ausländische Truppen auf beiden Seiten im Einsatz. Korea hat eine der am stärksten militarisierten Grenzen der Welt. In Kaschmir kommt es regelmäßig zu Gewaltausbrüchen, die nur durch die nukleare Abschreckung der beiden Konfliktparteien nicht zu einem offenen Krieg ausarten. Keiner dieser Fälle ist eine erstrebenswerte Blaupause für einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine.
»Europäische Alternativen gibt es nicht oder sie sind bei Weitem nicht ausreichend.«
Die ökonomischen Aspekte des Witkoff-Dmitrijew-Plans zeigen, dass es hier vor allem um Geld geht: Moskau bekommt schrittweise Sanktionserleichterungen, wird quasi von der Verantwortung für Kriegsverbrechen freigesprochen, darf wieder bei den G8 mitmachen und kann lukrative Wirtschaftskooperationen eingehen. Washington bekommt eine Entschädigung für Garantien, profitiert von den eingefrorenen russischen Assets – und Trump wird persönlich Vorsitzender eines »Friedensrats«, der für die Umsetzung der Pläne zuständig ist. In der offiziellen Lesart ist das scheinbar kein Interessenskonflikt. Trump macht einen für ihn typischen Business-Deal. Europa wird in diesem Deal ironischerweise zum »Mitverursacher« der Misere und wäre in Zukunft mindestens genauso für den Wiederaufbau der Ukraine verantwortlich wie der eigentliche Aggressor. Obwohl der Schaden, den Russland der Ukraine zugefügt hat, mehr als eine halbe Billion Euro beträgt, würde sich die finanzielle Verantwortung Moskaus auf Teile der Vermögenswerte, die bereits von den EU-Behörden gesichert wurden, beschränken.
Hinzu kommen Verpflichtungen von den NATO-Mitgliedern – wie ein Blockieren der Mitgliedschaft der Ukraine und die Begrenzung von Truppenentsendungen –, die natürlich nur für 31 der 32 Mitgliedsstaaten gelten. Die Rolle der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten ist darauf beschränkt, zu protestieren, Änderungen zu fordern und zu versuchen, heikle Themen auf später zu verschieben. Und sobald Moskau diese Einwände zurückweist, wiederholt sich der Zyklus einfach.
2024 kritisierte die linke ukrainische Gruppierung Sotsialnyj Rukh die Reaktion des Staates auf den Krieg und forderte zum ersten Mal einen »Dialog über erreichbare Ziele«. Dies stand in krassem Gegensatz zur Haltung von zwei Jahren zuvor, als der Schwerpunkt auf einem absoluten Sieg und der Niederlage Russlands lag. Im selben Jahr hielt etwa die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung Verhandlungen mit Moskau entweder für unmöglich oder nur nach einer vollständigen Rückeroberung des ukrainischen Territoriums für akzeptabel.
In der zweiten Hälfte 2025 hat sich laut einer Umfrage des Internationalen Instituts für Soziologie in Kiew die Einstellung der Bevölkerung verändert. Während weniger als 20 Prozent bereit sind, die Bedingungen des Kremls zu akzeptieren, und nur 39 Prozent der Anerkennung der Annexion der Krim zustimmen würden, könnten mehr als drei Viertel mit einem Einfrieren des Konflikts an den aktuellen Frontlinien leben. Sie würden dies sogar als einen Teilerfolg betrachten, solange Russlands Gebietsnahme nicht legitimiert und formell akzeptiert ist, die militärische und finanzielle Unterstützung des Westens fortgesetzt wird, der Luftraum für russische Angriffe gesperrt bleibt und die Sanktionen bis zum Erreichen eines echten Friedens aufrechterhalten werden. Washington und Moskau bieten aktuell nichts davon an. Das zeigt, dass der Wille der ukrainischen Bevölkerung kaum eine Rolle spielt und sie keinerlei Möglichkeit hat, Einfluss auf die Verhandlungsergebnisse zu nehmen.
Letztendlich entscheiden bei den Gesprächen nicht diplomatisches Geschick, sondern die harten Fakten. Die Schwäche der Ukraine geht über den Mangel an Soldaten und Geld hinaus. Die USA stellen etwa 30 Prozent der Waffen, die Kiew einsetzt, zur Verfügung, darunter Patriot-Luftabwehrsysteme, F-16- und HIMARS-Raketen, Satellitenbilder und Geodaten. Washington kontrolliert auch den Transfer von Waffen aus den Beständen anderer NATO-Länder. Ohne US-Geheimdienstinformationen wäre sogar die Luftabwehr der Ukraine zum Schutz von Zivilisten und Infrastruktur faktisch lahmgelegt: Der Zugriff zu Starlink, der für die ukrainische Kommunikation unerlässlich ist, kann von Elon Musk nach Belieben abgeschaltet werden.
»Das Tragische ist, dass Trumps Zynismus, Europas Unvorbereitetheit und die Schwäche der Ukraine dazu führen könnten, dass dieser Deal tatsächlich angenommen wird.«
Europäische Alternativen gibt es nicht oder sie sind bei Weitem nicht ausreichend. Während die Artillerieproduktion inzwischen fast zwei Millionen Geschosse erreicht hat, gibt es keinen europäischen Ersatz für die US-amerikanischen Patriot-Raketen, da beispielsweise die französisch-italienischen SAMP/T-Systeme nur in geringer Stückzahl vorhanden sind. Das IRIS²-Satellitensystem wird noch jahrelang nicht mit den Kapazitäten der USA mithalten können. Alternativen zu HIMARS werden nur in Südkorea und Israel hergestellt.
Mehr noch: Die europäischen NATO-Mitglieder selbst zahlen mehr an US-Lieferanten als dass die Beschaffung im eigenen Land gestärkt wird – teilweise, um sich die Loyalität der USA zu sichern; teilweise, weil kurzfristig schlichtweg nichts anderes verfügbar ist. Außerdem tragen die Vereinigten Staaten zur Verteidigung Europas bei, indem 84.000 US-Soldaten in europäischen Stützpunkten stationiert sind und der nukleare Schutzschild aufrechterhalten wird. In diesem Sinne hat Trump nichts radikal Neues erschaffen. Er nutzt einfach die seit Jahrzehnten bestehende Abhängigkeit aus.
Ein gerechter Frieden würde bedeuten, dass Russland sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht, Sicherheitsgarantien mit echten Durchsetzungsmechanismen zulässt, Kriegsverbrechen geahndet werden und Reparationen über die eingefrorenen russischen Vermögenswerte hinaus gezahlt werden. Nichts davon ist in den Vorschlägen Moskaus oder der Trump-Regierung zu finden. Der Kreml ist nicht bereit, Kompromisse einzugehen. Tatsächlich hat er jede Friedensinitiative abgelehnt, die nicht seinen Maximalforderungen entspricht. Was jetzt als »Frieden« bezeichnet wird, ist eine von zwei Großmächten entworfene imperiale Einigung, deren Bedingungen von diesen beiden Staaten von oben auferlegt werden und bei der das am unmittelbarsten betroffene Land zuallerletzt konsultiert wird.
Das Tragische ist, dass Trumps Zynismus, Europas Unvorbereitetheit und die Schwäche der Ukraine dazu führen könnten, dass dieser Deal tatsächlich angenommen wird. Das ist die Logik imperialer Macht; sie hat noch nie zu dauerhaftem Frieden geführt und daran wird sich auch nichts ändern. Aktuell bleibt nur, sich keinerlei Illusionen zu machen und diesen Deal als das zu bezeichnen, was er ist: eine Verschnaufpause, bevor der nächste Krieg beginnt.
Oleksandr Kyselov stammt aus Donezk. Er ist ein linker Aktivist sowie Forschungsassistent an der Universität Uppsala.