19. September 2025
Auf der kommenden UN-Generalversammlung wollen einige westliche Staaten einen Staat Palästina anerkennen. Dies darf nicht zu einem Alibi für Israels Komplizen verkommen, sondern muss von Taten gefolgt werden, mahnt die Knesset-Abgeordnete Aida Touma-Sliman.
Mahmoud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, bei der 79. UN-Generalversammlung im September 2024.
In den vergangenen Monaten, während das genozidale Töten der Menschen Gazas weiterging, haben immer mehr Länder ihre Absicht bekundet, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, und sich damit den 147 Ländern angeschlossen, die dies bereits getan haben. Die meisten dieser Neuen stammen aus dem Kreis der westlichen Verbündeten Israels und die formelle Anerkennung soll auf einem UN-Gipfel unter dem gemeinsamen Vorsitz von Saudi-Arabien und Frankreich erfolgen und die Zwei-Staaten-Lösung wiederbeleben.
Im Rahmen dieser Bemühungen hat die UN-Generalversammlung die Initiative mit einer überwältigenden Mehrheit von 142 Für- und nur 10 Gegenstimmen nachdrücklich unterstützt. (Sogar einer der stärksten Verbündeten Israels, Deutschland, stimmte für diese Initiative, auch wenn es erklärte, dass es einen palästinensischen Staat zum jetzigen Zeitpunkt nicht anerkennen werde.) Diese umfassende Initiative könnte einen starken Hebel für die grundlegenden Forderungen des palästinensischen Volkes darstellen, frei von der israelischen Besatzung in einem eigenen unabhängigen Staat zu leben.
Diese Anerkennung wäre ein bedeutendes Ereignis, käme sie nicht inmitten eines Vernichtungskriegs gegen Gaza und parallel zu einer Offensive des Militärs und der Siedler gegen das palästinensische Volk im besetzten Ostjerusalem und im Westjordanland. Derzeit ist es das Dringendste, so viel internationalen Druck wie möglich aufzubauen, um den Angriff auf Gaza sofort zu beenden, die verbliebenen Bewohner vor Mord oder ethnischer Säuberung zu bewahren und zu verhindern, dass das gesamte Gebiet erneut über Jahre besetzt wird.
Die Welt bewegt sich auf zwei parallelen Bahnen: Auf der einen Seite gibt es eine Welle populärer Solidarität mit der palästinensischen Sache und gegen den Genozid, einschließlich verstärkter Diskussionen über echte Sanktionen gegen Israel. Auf der anderen Seite steht die beispiellose Brutalität Israels gegenüber dem palästinensischen Volk, die von den Vereinigten Staaten bedingungslos unterstützt wird. Das jüngste Beispiel dafür war, dass die USA gegen die Bedingungen für die Ausrichtung der UNO in ihrem eigenen Land verstießen, als Außenminister Marco Rubio vor der UN-Konferenz ein Visumverbot für achtzig Beamte der Palästinensischen Autonomiebehörde, darunter Präsident Mahmoud Abbas, verkündete.
Eines der Probleme dieser beiden Bahnen ist, dass sie mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorgehen. Die Umsetzung des öffentlichen Drucks in konkrete Maßnahmen, die Israels Fähigkeit, weitere Zerstörungen anzurichten, einschränken könnten, verläuft weitaus langsamer als das erschreckende Tempo der Kriegsverbrechen Israels.
»Die Anerkennung eines palästinensischen Staates könnte westlichen Regierungen eine Chance bieten, sich angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks durch Palästina-Solidaritätsbewegungen zu entlasten.«
Die westlichen Verbündeten Israels scheinen zwischen diesen beiden Ansätzen hin- und hergerissen zu sein, was zu einer schizophrenen Politik gegenüber den Palästinensern geführt hat. Genau die Länder, die jetzt ihre Absicht bekunden, Palästina in den kommenden Tagen anzuerkennen, haben den Völkermord an denselben Menschen ermöglicht, deren Recht auf Selbstbestimmung sie nun verspätet anerkennen, und tun dies auch weiterhin. Einige Länder haben durch fortgesetzten Handel profitiert, während andere eine direktere und aktivere Rolle bei der Beihilfe zu Israels Verbrechen in Gaza gespielt haben: von britischen Flugzeugen, die Aufklärungsflüge über Gaza durchführen, um Informationen für Israels Kriegsmaschinerie zu sammeln, bis hin zu deutschen Motoren für Panzer, die auch dazu eingesetzt worden sind, die Städte Rafah und Khan Yunis plattzumachen.
Diese Details helfen, die bevorstehende Anerkennung Palästinas zu kontextualisieren. Wer glaubt, dass dies den Höhepunkt der diplomatischen Bemühungen darstellt, irrt sich. Die Anerkennung ist nicht das Ende des Weges, sondern dessen Anfang. Sie muss von konkreten Maßnahmen begleitet werden, die das Überleben des palästinensischen Volkes sowie dessen Recht auf Selbstbestimmung garantieren.
Die Anerkennung eines palästinensischen Staates könnte westlichen Regierungen eine Chance bieten, sich angesichts des wachsenden öffentlichen Drucks durch Palästina-Solidaritätsbewegungen zu entlasten. Umfragen, Proteste und anekdotische Evidenz deuten darauf hin, dass die Öffentlichkeit empört ist über das, was Israel den Palästinensern antut, sowie über die Gleichgültigkeit und Komplizenschaft ihrer eigenen Regierungen und sehr oft auch ihrer eigenen Medien.
Die Menschen mobilisieren sich, um Druck auf ihre Regierungen auszuüben, und wir hoffen, dass sie dafür sorgen, dass die Anerkennung, so wichtig sie auch ist, nicht die dringende Notwendigkeit ersetzt, den Krieg zu beenden, ethnische Säuberungen zu verhindern und die Gewalt der Siedler im Westjordanland zu stoppen. Ohne sofortige Interventionen wird der schleichende Annexionsprozess ungebremst weitergehen, und die ohnehin schon geringen Aussichten auf die Gründung eines palästinensischen Staates werden weiter schwinden. Die Anerkennung muss eine Plattform sein, um das Blatt für die Zwei-Staaten-Lösung zu wenden, anstatt als Sühnebescheinigung für Staaten zu dienen, die sich mitschuldig an ihrem Tod gemacht haben.
Palästinenser haben die berechtigte Befürchtung, dass die Staaten, die die Anerkennung aussprechen, dies nicht nur als symbolische Geste tun, sondern dass damit auch größere Forderungen an die unter Besatzung lebenden Palästinenser gestellt werden als an ihre israelischen Besatzer. Diese Anerkennung könnte zu einem weiteren Druckmittel werden, mit dem die Rechte und das Wohlergehen der Palästinenser untergraben werden, anstatt die Kriminalität Israels infrage zu stellen.
»Der Westen behauptet, sich an ein regel- und wertebasiertes System zu halten, und daher wird es der Westen sein, der darüber entscheidet, wie schnell die Kluft zwischen der Zerstörung der Palästinenser und der Rechenschaft Israels geschlossen wird.«
Die Befürchtung ist nicht unbegründet: In den Erklärungen westlicher Staats- und Regierungschefs zur Ankündigung der Anerkennung wurden mehrere Bedingungen gestellt (einige davon in der UN-Resolution selbst), darunter die Beschränkung der Teilnahme an palästinensischen Wahlen auf diejenigen Fraktionen, die die PLO-Plattform unterstützen, und die Zustimmung der Palästinenser zur Entmilitarisierung ihres Staates, obwohl sie sich nicht gegen Völkermord verteidigen können.
Die Palästinenser müssen ihre politischen Angelegenheiten in Ordnung bringen, aber solche Forderungen dürfen nicht davon ablenken, dass sie Auslöschung, ethnische Säuberung und die Ausweitung der Siedlungen erleiden.
Trotz dieser Bedenken muss die Anerkennung Palästinas unterstützt werden – das fordert meine Partei Chadasch schon seit langem. Sie ist ein Weg, um einen globalen Konsens gegen das israelisch-amerikanische Projekt »Groß-Israel« und für die Selbstbestimmung der Palästinenser zu festigen, und in diesen schrecklichen Zeiten eine notwendige politische Aufgabe.
Um von Bedeutung zu sein, muss die Anerkennung jedoch mit Sanktionen gegen die permanente illegale Besetzung des anerkannten Staates einhergehen. Der Internationale Gerichtshof hat in seinem Gutachten vom letzten Jahr die Illegalität der Besatzung selbst dargelegt und einige der Maßnahmen aufgeführt, die Staaten ergreifen müssen, um sich nicht mitschuldig zu machen – von Beschränkungen des Handels bis hin zur militärischen Zusammenarbeit.
Einige Staaten wie Spanien, Irland und Slowenien haben bereits Schritte unternommen, um dem Völkerrecht zu entsprechen. Und es besteht ein Gefühl, dass diese Staaten nur die ersten sind: Selbst Deutschland hat kürzlich etwas angekündigt, was nach einem Waffenembargo klang und bei ernsthafter Umsetzung bedeutsam wäre. Die Europäische Union als Ganze versagt jedoch weiterhin gegenüber den Palästinensern, da sie nicht in der Lage ist, ein Waffenembargo zu verhängen.
Der Grund, warum dies so wichtig ist, liegt nicht darin, eine unipolare Ordnung in ihrer Dämmerung zu bekräftigen, sondern darin, dass der Westen nach wie vor Israels Hinterland ist: Hier betreibt Israel den Großteil seines Handels, parkt viele seiner Finanzanlagen in westlichen Banken, nimmt an internationalen Sportveranstaltungen teil und reist häufig und visumfrei.
Der Westen behauptet auch, sich an ein regel- und wertebasiertes System zu halten, und daher wird es der Westen sein, der darüber entscheidet, wie schnell die Kluft zwischen der Zerstörung der Palästinenser und der Rechenschaft Israels geschlossen wird. Solidarität auf den Straßen muss sich in Taten in den Machtzentralen niederschlagen, auch wenn dies für so viele Palästinenser zu spät kommt. Anerkennung ist ein wichtiger Schritt, aber auch sie muss in Taten umgesetzt werden.
Aida Touma-Sliman ist Abgeordnete der sozialistischen Partei Chadasch in der israelischen Knesset.