16. Mai 2024
Nicht Palästina-Solidaritätscamps an deutschen Hochschulen sind der Skandal, sondern die mediale und politische Kampagne gegen sie. Wer friedlichen Protest dämonisiert, untergräbt auch die Universität als Ort demokratischer Wissens- und Willensbildung.
Menschenkette während der Besetzung eines Innenhofs an der FU Berlin durch pro-palästinensische Aktivistinnen und Aktivisten.
Innerhalb weniger Wochen haben sich Protestcamps gegen den Krieg in Gaza von US-Universitäten auf Europa ausgeweitet. Auch in Deutschland – Israels engstem Verbündeten neben den USA – haben Studierende versucht, Protestcamps an Unis zu errichten. An der Freien Universität Berlin hatten mehr als 150 Studierende am 7. Mai, dem Tag der Invasion Rafahs, einen Innenhof besetzt. Das Camp war kaum aufgebaut, als die Universitätsleitung die Polizei auf den Campus rief und das bis dahin friedliche Camp gewaltsam räumen ließ.
Ein noch am selben Tag veröffentlichter offener Brief von Lehrenden an Berliner Universitäten und anderen deutschen Hochschulen betonte das Recht der Studierenden auf friedlichen Protest und forderte die Universitätsleitung auf, statt auf polizeiliche Repression, solange wie möglich auf Dialog und Verhandlungen zu setzen. Daraufhin entzündete sich eine erbitterte Kontroverse, die sich nur am Rande um den Krieg in Gaza und erst recht nicht um die Tatsache drehte, dass Israel alle Universitäten im Gazastreifen systematisch zerstört hat.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, warf den Unterzeichnenden Verharmlosung von Gewalt und Antisemitismus vor und behauptete, sie hätten den Boden des Grundgesetzes verlassen. Der Regierende Bürgermeister Berlins erklärte, Verhältnisse wie in den USA oder Frankreich frühzeitig verhindern zu wollen. In den Tagen darauf forderten Unions-Politiker die Überprüfung von Hochschullehrenden durch den Verfassungsschutz, die Exmatrikulation von Studierenden und, wo möglich, auch deren Ausweisung.
»Die mediale Reaktion suggeriert, das Protestcamp an der FU sei ein noch nie dagewesener Skandal. Doch dass Universitäten und Hochschulen zu Arenen der Auseinandersetzung über politische Konflikte werden, ist keineswegs außergewöhnlich.«
Die größte deutsche Boulevardzeitung veröffentlichte unter der Überschrift »Die UniversiTÄTER« einen ganzseitigen Beitrag mit Fotos ausgewählter Berliner Unterzeichnenden im Stil von Fahndungsplakaten – ein Angriff, den inzwischen die Präsidien der betroffenen Universitäten sowie einige wissenschaftliche Fachgesellschaften und Gewerkschaften scharf kritisiert haben.
Die mediale Reaktion suggeriert, das Protestcamp an der FU sei ein noch nie dagewesener Skandal. Doch dass Universitäten und Hochschulen zu Arenen der Auseinandersetzung über (internationale) politische Konflikte werden, ist keineswegs außergewöhnlich. Akademische Institutionen sind nicht nur Orte der Produktion von Wissen und verwertbarer Arbeitskraft. Sie haben auch den Auftrag, gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu begleiten und Raum für Austausch zu schaffen. Sie sind Orte der politischen Bildung für ganze Generationen. Widerspruchsgeist ist ein integraler Bestandteil kritischer Bildung. Und bisweilen artikuliert sich dieser als Protest.
Studentische Proteste sind seit langem Katalysator für intergenerationelle Umbrüche und gesellschaftliche Transformation. Ende der 1960er Jahre wurden im Kampf zwischen Studierenden, Lehrenden, außerparlamentarischer Opposition und Staatsapparat der Umgang mit der nationalsozialistischen Geschichte, die neue Realität des Kapitalismus in der BRD und die Liberalisierung gesellschaftlicher Normen verhandelt.
»Die deutsche Universität ist eine Masseninstitution, in der sich feudale und neoliberale Logiken kreuzen.«
In jüngerer Zeit haben Klimaaktivistinnen und -aktivisten für Schlagzeilen gesorgt. Im Zuge der internationalen Kampagne »End Fossil: Occupy!« besetzten sie 2022 und 2023 Hörsäle, darunter das Audimax der Martin-Luther-Universität in Halle. Diese Besetzung endete nach fünftägigen Verhandlungen mit einer Verpflichtung der Hochschulleitung auf spezifische Klimaziele. Häufiger noch als politische Kontroversen lösten hochschulpolitische Eingriffe Protestwellen aus, so etwa in den 2000er Jahren die Bologna-Reform oder die Einführung von Studiengebühren. Ein bundesweiter Bildungsstreik 2009 markierte den Höhepunkt dieser Bewegung. Zuvor waren in Hessen Autobahnen blockiert worden und in Bielefeld hatte das Auto des Rektors gebrannt.
Fast immer bedienen sich Hochschulangehörige jedoch gewaltloser Formen des Protests. Neben angemeldeten Demonstrationen gehören dazu auch Praktiken zivilen Ungehorsams wie Sit-ins, Veranstaltungsstörungen, Hörsaalbesetzungen oder Straßenblockaden. Physische Gewalt kommt meistens erst durch polizeiliche Räumungsversuche oder durch Angriffe von Gegendemonstrierenden ins Spiel. Auch an der FU kam es am 7. Mai, wie von verschiedenen Seiten beobachtet wurde, erst nach Beginn des Polizeieinsatzes zu Sachbeschädigungen und anderen Gesetzesverstößen.
Das aktuelle Protestgeschehen ist also keineswegs einzigartig, sondern lässt sich in eine Geschichte von Kämpfen einordnen, in denen in akademischen Institutionen von unterschiedlichen Seiten – manchmal gemeinsam, manchmal gegeneinander – um die Zukunft der Institution und auch um die Zukunft der Gesellschaft gerungen wird. Daher stellt sich die Frage, warum die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Rolle und Verhalten der deutschen Universitäten so hart geführt werden. Es scheint viel auf dem Spiel zu stehen.
Die diskursive Eskalation ergibt sich aus einem Spannungsfeld, in dem sich gesellschaftliche Transformationsprozesse und inneruniversitäre Herausforderungen überschneiden und verdichten. Eine neue demografische Realität, die tradierte Homogenitäts- und Dominanzvorstellungen bricht, Politiken der Antisemitismusbekämpfung, die aufgrund ihrer Instrumentalisierung dysfunktional werden, ökonomische Prekarisierung und autoritäre Tendenzen, die sich bereits im Umgang mit der Klimabewegung zeigten, werfen grundlegende Fragen für das Zusammenleben auf. Die deutsche Universität muss sich zu diesen dynamischen gesellschaftlichen Bedingungen verhalten und droht dabei selbst immer mehr in die Krise zu schlittern.
Der Krieg in Gaza und der laut vorläufigem Urteil des Internationalen Gerichtshofs mögliche Genozid an der dortigen palästinensischen Bevölkerung hat sehr konkrete und greifbare innenpolitische und gesellschaftliche Effekte, die sich auch an den Universitäten niederschlagen. Sie führen deutlich vor Augen, wie heterogen die deutsche Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten geworden ist – inzwischen hat jede vierte Person eine jüngere, über die nationalen Grenzen hinaus weisende Migrationsgeschichte, unter Kindern und Jugendlichen sogar jede dritte. Marginalisierte erleben sich zunehmend als politische Subjekte, die beanspruchen, am Diskurs teilzuhaben und Politik und Lebenswelt mitzugestalten. Das sorgt nicht nur am rechten Rand für Irritationen und Backlash, sondern stellt auch die Universität vor große Aufgaben, die sie autoritär oder kooperativ angehen kann.
Im Unterschied zu bekannten US-amerikanischen Universitäten, die bisweilen wie ein Investmentfonds mit angegliedertem Lehrbetrieb erscheinen, sind deutsche Universitäten in der Regel staatlich finanzierte Masseninstitutionen. Inzwischen studieren 56 Prozent eines Geburtenjahrgangs. Die Unabhängigkeit der Universitäten wird durch die sogenannte Hochschulautonomie garantiert, zugleich aber bei abnehmender Grundfinanzierung durch kompetitive und teils thematisch vorgegebene Drittmittel-Konkurrenz eingeschränkt.
»Statt alle demokratischen Kräfte gegen diese autoritäre Gefahr von rechts zu bündeln, kommt es aus der politischen Mitte immer wieder zu autoritären Initiativen.«
Die deutsche Universität ist eine Masseninstitution, in der sich feudale und neoliberale Logiken kreuzen. Weil Absolventinnen und Absolventen Arbeitskräfte mit verwertbaren Qualifikationen sind, erfüllt sie eine wichtige Funktion in der Logik kapitalistischer Märkte. Welche Studiengänge es gibt – und damit auch: welche Professuren – entscheidet sich nicht zuletzt an (imaginierten) Arbeitgeberinteressen. Feudal ist die Universität, weil sie Professorinnen und Professoren formal große Autonomie gewährt, institutionelle Macht in professoralen Gremien konzentriert und das nicht-professorale wissenschaftliche Personal zu Abhängigen in klientelistischen Arbeitsbeziehungen macht.
Während sich unter Studierenden die zunehmende Heterogenität der Gesellschaft wie auch globale Verflechtungen deutlich widerspiegeln, ist dies beim professoralen Personal, das die Universität dominiert, nur bedingt der Fall. Noch immer sind 72 Prozent aller Professuren von Männern besetzt, nur selten von Menschen mit ausländischem Pass, Migrationsgeschichte oder mit Eltern ohne Hochschulabschluss.
Diese institutionelle Architektur hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wie die Universität ihrer Aufgabe, Debatten zu informieren und zu organisieren und umfassende Bildung zu ermöglichen, praktisch nachkommen kann. Wie können Themen ihren Platz in der Institution finden, die außerhalb der Interessen und Anliegen derer liegen, bei denen die institutionelle Macht konzentriert ist? Wie ist es möglich, ein Problem, das vor allem Studierende als drängend wahrnehmen, zum Gegenstand akademischer Debatten zu machen, die sich in Konferenzen, Kolloquien und im schreibenden Austausch entfalten? Was passiert, wenn Themen keine institutionellen Ankerpunkte haben, weil es gar keine entsprechenden Professuren oder Studiengänge gibt? Die aktuelle Situation ist durch genau diese Problemlage geprägt. Und an großstädtischen Hochschulstandorten tritt dies besonders deutlich zutage.
Für Studierende und professorales Personal nimmt die Gewalt in Gaza nicht denselben Platz ein. Professoren und Studierende trennt nicht nur die Kluft der Generationen, sondern auch eine unterschiedliche Einbettung in sozial heterogene postmigrantische Realitäten. Nicht-professorale wissenschaftliche Mitarbeitende sind in ihrer Erfahrung und ihren Perspektiven dem studentischen Milieu oft näher. Doch klientelistische Abhängigkeit und neoliberale Prekarität (aufgrund des Sonderarbeitsrechts des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sind 80 Prozent befristet beschäftigt) beschränken ihre Handlungsspielräume.
Hinzu kommt, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Konfliktregion nur an wenigen Orten stark verankert ist. Denn Nahoststudien einschließlich der entsprechenden Sprachen zählen zu jenen Disziplinen, die als Orchideenfächer gelten und hochschulpolitisch seit Jahren ausgehungert werden. Es fehlen also institutionell starke Akteure, die mit der aktuellen Situation konstruktiv umgehen können.
Dass sich die FU Berlin am 7. Mai für die Polizei und gegen den Dialog entschied, lässt sich jedoch nicht allein aus der internen Verfasstheit der Universität und ihrer Beziehung zur gesellschaftlichen Vielfalt erklären. Der politische Druck von Entscheidungstragenden, die ihr Handeln an der deutschen Staatsräson ausrichten, mag eine Rolle gespielt haben. Am Ende war die Entscheidung des Präsidiums, die relative Autonomie der Universität zurückzustellen und der Polizei das Feld zu überlassen, vermutlich von der deutschen Politik und der dominanten Form der Antisemitismusbekämpfung beeinflusst, die im Zeichen der wissenschaftlich umstrittenen Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrence Alliance (IHRA) steht.
Diese Definition erlaubt es, Palästina-solidarische und Israel-kritische Positionen und Proteste pauschal als antisemitisch und volksverhetzend zu delegitimieren und zu kriminalisieren – auch wenn es sich um Jüdinnen und Juden handelt, die anti-zionistische Positionen vertreten. Seit Ende der 2010er Jahre wuchs ihr Einfluss auf politisches und öffentliches Handeln nicht nur in Deutschland; seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober haben sich die Bemühungen, sie verbindlich zu machen, in verschiedensten Kontexten nochmals verschärft. Auf diese Weise werden rechte Narrative – zu vermeintlich rechtsfreien Räumen, »importiertem Antisemitismus« und der Notwendigkeit eines starken Staates, der für Ordnung sorgt – unkritisch durch liberale und linke Medien und politische Akteure reproduziert.
Wie Diaspora Alliance und andere dissidente jüdische Organisationen unterstreichen, wird dadurch auch der gesamtgesellschaftlich zu führende Kampf gegen Antisemitismus und andere Formen des Rassismus gespalten und erschwert. All dies geschieht in einer Situation, in der der Großteil antisemitischer Gewalttaten noch immer von rechtsradikaler Seite begangen wird, in der es wieder zu massiver Gewalt von rechts gegen als politische Feinde markierte Individuen und Gruppen kommt und in der die rechtsradikale AfD weiterhin bundesweit bei fast 20 Prozent liegt und in manchen Bundesländern in Umfragen stärkste Kraft ist.
»Gegenwärtig konvergiert diese Form der Antisemitismusbekämpfung mit autoritären Tendenzen, die sich zuvor bereits gegenüber sozialen Bewegungen beobachten ließen.«
Diese dominante Form der Antisemitismusbekämpfung lässt sich als Versicherheitlichung begreifen. Dabei dominieren Verwaltungsakte und polizeiliche Eingriffe anstelle gesellschaftlicher Förderung von Wissen und Verständigung in der Breite. Die Versicherheitlichung der Universität und damit das Risiko, dass sie sich in eine (polizeiliche) Exekutive verwandelt, zeigt sich nicht nur an der Räumung, sondern auch an den hinter den Kulissen erbittert geführten Debatten um die Aufnahme der IHRA-Arbeitsdefinition in die Hochschulgesetze und Förderrichtlinien für Kulturinstitutionen.
Seit einer nicht bindenden Resolution des Bundestages zur BDS-Kampagne im Jahre 2019, in dem das Parlament erstmalig die IHRA-Arbeitsdefinition als Referenzpunkt setzt, ist eine zunehmende und auch rechtlich bedenkliche Instrumentalisierung zu beobachten, mit der sich Kritik an der israelischen Regierung besonders leicht als Antisemitismus brandmarken lässt.
Wissenschaftliche Fachleute warnen eindringlich davor, sie als rechtliches Regulierungsinstrument verbindlich zu machen, darunter mehr als 1.000 jüdische Akademikerinnen und Akademiker wie Omer Bartov, Seyla Benhabib, Atina Grossmann, Avishai Margalit und viele andere, die auch in Deutschland hoch angesehen werden – und mit Kenneth Stern sogar einer ihrer ursprünglichen Autoren. Seit 2020 liegt außerdem mit der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus eine wissenschaftlich breiter gestützte Definition vor, die es erlaubt, Antisemitismusbekämpfung mit Grundrechtsorientierung zu verbinden und so den Anforderungen zunehmend pluraler Gesellschaften besser Rechnung zu tragen.
Auch einigen Mitgliedern der Hochschulrektorenkonferenz, dem politisch mächtigen Zusammenschluss der deutschen Hochschulen, schwant, dass die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit durch eine weitergehende Implementierung der IHRA-Definition in Gefahr geraten könnte. An der Vehemenz der medialen und politischen Reaktion auf das Solidaritätsstatement der Lehrenden lässt sich jedenfalls ablesen, dass hier ideologische, lebensweltliche und habituelle Fronten kultiviert werden, die sich um grundlegende Rechte ebenso wie um die Repräsentation der Vielfalt der deutschen Gesellschaft in ihren Institutionen drehen. Auch wenn Exekutive und Polizei hier wirkmächtig ihre eigenen Agenden verfolgen, werden diese sozialen Verschiebungen nicht polizeilich gelöst werden können. Die autoritäre Wende erscheint daher auch als Krisen- und Übergangsphänomen.
»Die Universitäten haben das einzigartige Privileg, aber auch die Verpflichtung, eine wissensbasierte und kritische Reflexion gesellschaftlicher Veränderung zu ermöglichen.«
Gegenwärtig konvergiert diese Form der Antisemitismusbekämpfung mit autoritären Tendenzen, die sich zuvor bereits gegenüber sozialen Bewegungen beobachten ließen, die, wie Black Lives Matter oder die Klimabewegung, die Systemfrage stellen. Solche Politiken befördern nicht nur Repression, Kriminalisierung und Entsolidarisierung, sondern ermutigen auch Gewalt »von unten« (etwa von Autofahrern gegen sogenannte »Klimakleber«) oder nehmen sie zumindest in Kauf.
Statt alle demokratischen Kräfte gegen diese autoritäre Gefahr von rechts zu bündeln, kommt es aus der politischen Mitte immer wieder, so auch nach dem 7. Mai, zu autoritären Initiativen. So wird die Überwachung unliebsamer Akademikerinnen und Akadamiker durch den Verfassungsschutz erwogen, mit Exmatrikulation und Berufsverboten gedroht, sowie medial und politisch angefeindet, eingeschüchtert und dämonisiert.
Diese Kampagnen haben schon jetzt den Effekt, den Raum für dissidente Meinungen, Perspektiven und politische Praktiken einzuschränken, indem notwendige (wenn auch komplexe und umstrittene) Unterscheidungen willentlich verwischt werden: zwischen Israelkritik und Antisemitismus, zwischen Antikriegsprotesten und Terrorunterstützung, zwischen provokativen und aggressiven beziehungsweise als aggressiv wahrgenommenen Slogans und tatsächlicher Gewalt, zwischen nachvollziehbaren Gefühlen der Unsicherheit, einer politisch angeheizten Panik, die diese Gefühle anstachelt und ausnutzt, und tatsächlicher Sicherheit, auf die alle Universitätsangehörigen einen fundamentalen Anspruch haben.
Die Räumung des Protestcamps an der FU Berlin und ihr mediales und politisches Echo haben zweierlei gezeigt: Deutschland scheint noch nicht bereit, ernsthaft über einen Kurswechsel gegenüber der Politik der derzeitigen israelischen Regierung zu reden. Das hat zur Folge, dass entsprechende Stimmen hart und schnell aus dem Diskurs gedrängt werden. Zudem scheinen sich Universitäten noch nicht vollends dessen bewusst zu sein, dass sie der zentrale Ort für Debatten über gesellschaftlichen und politischen Wandel sein können und müssen.
Die Universitäten haben das einzigartige Privileg, aber auch die Verpflichtung, eine wissensbasierte und kritische Reflexion gesellschaftlicher Veränderung zu ermöglichen und die Möglichkeit der Partizipation an den entsprechenden Prozessen auszuweiten. Ausgerichtet an der Leitidee des kooperativen Strebens nach Wissen müssen sie sich als Inkubatoren des Neuen und nicht als Regierungsbehörden sehen. Folgen sie einer polizeilichen Logik, droht der Raum der kooperativen Wissensproduktion verengt und die potenziell demokratisierende Rolle der Universität weiter untergraben zu werden. Um umzusteuern, braucht es Kreativität und den Mut dazu, die Universität als neoliberal-feudal strukturierte Institution zu überwinden und sie wieder stärker zu einer Institution in der und für die Gesellschaft zu machen.
Teresa Koloma Beck ist Professorin für Soziologie an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg.
Robin Celikates ist Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin und momentan Gastwissenschaftler am MIT in Cambridge, USA.
Kai Koddenbrock ist Professor für Politische Ökonomie am Bard College Berlin.