14. März 2025
Vergangene Woche trafen sich zahlreiche Mitglieder der UN, um an einem Atomwaffenverbotsvertrag zu arbeiten. Doch ausgerechnet in dieser Zeit gefährlicher geopolitischer Zuspitzung blieben Deutschland und auch alle anderen NATO-Länder fern.
Teilnehmer des dritten Treffens der Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags von 2021 im UN-Hauptquartier in New York, 3. März 2025.
Eine Abrüstungskonferenz bei den Vereinten Nationen, und Deutschland ist nicht dabei? Das kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Das passt nicht zum Selbstbild der Bundesrepublik. Es ist aber so – vergangene Woche endete die Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag in New York. Die Bundesrepublik hat, wie alle NATO-Länder, die Konferenz boykottiert. Damit hat die Bundesregierung ihren Ansatz aufgegeben, zumindest als Beobachterin dabei zu sein. Abrüstung bei der UN und Deutschland hat sich verabschiedet.
Worum geht’s? 2017 hat die UN einen Atomwaffenverbotsvertrag verhandelt und beschlossen, dem bislang 94 Mitgliedstaaten zur völkerrechtlichen Gültigkeit verholfen haben. Geregelt wird nicht nur das Verbot der Atomrüstung, sondern auch das Gebot, den vielen Opfern des Atomzeitalters Recht, Gerechtigkeit und Entschädigung zukommen zu lassen. Dazu zählen nicht nur die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, die sich in diesem Jahr zum achtzigsten Mal jähren, sondern auch die Millionen von Opfern der rund 2.000 Atomtests, die bis in die 1990er Jahre weltweit durchgeführt wurden.
In unserer Welt des politischen Chaos gibt es hier also noch eine Staatengruppe der Gutwilligen, die an nachhaltigen Abrüstungsbestrebungen arbeiten, die inklusiv sind, statt sich auf launische Deals der Großmächte zu verlassen.
Die NATO-Staaten, unter der Führung der Obama-Administration, hatten die Vertragsinitiative zum Teil massiv behindert. Die Ignoranz der ersten Trump-Administration hat ihr ungewollt zum historischen Durchbruch verholfen. ICAN, die internationale Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen, deren Gründerin die IPPNW ist, wurde für die wesentliche Zuarbeit, die zu diesem Vertrag führte, 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
»Selbst wenn man die Atomkriegsgefahr durch den Ukrainekrieg nicht sehen will, muss doch klar sein: Spätestens nach dem Ende dieses Kriegs kann es Sicherheit in Europa nicht durch eine Verschärfung des konventionellen wie atomaren Wettrüstens geben, sondern nur durch Rüstungskontrolle und Abrüstung.«
Der Kurs der Bundesregierung ist ein weiteres fatales Signal. Dabei erfordern die aktuellen politischen Krisen der Welt gerade die Rückbesinnung auf völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen zwischen den betroffenen Staaten und nicht die Aufgabe dieser rechtsbasierten Ordnung. Während sich die NATO in der Öffentlichkeit als Teil einer internationalen Sicherheitsstruktur vermarktet, untergräbt sie gleichzeitig Abrüstungsbestrebungen. Das ist die bittere Wahrheit, für die auch die Bundesregierung Verantwortung trägt.
Die Krise der NATO soll nach dem Willen einiger mit einer europäischen Atombombe beantwortet werden. Das ist nicht nur brandgefährlich, weil uns jedes Säbelrasseln dem Atomkrieg näher bringt. Die EU-Staaten geben damit ein schlechtes Beispiel ab, das Rüstungskontrolle im allgemeinen und konkret den Nichtweiterverbreitungsvertrag delegitimiert.
Die Absage der Teilnahme durch das immer noch grün geführte Auswärtige Amt ist nicht nur peinlich. Die Begründung, der Vertrag sei irrelevant, da er vor dem Ukraine-Krieg geschlossen wurde, kann nur als dumm bezeichnet werden. Mit diesem Argument müssten alle Rüstungskontrollverträge aufgekündigt werden. Das Gegenteil ist richtig. Es muss alles getan werden, damit Länder sich zu multilateral überprüfbaren Vereinbarungen verpflichten.
Selbst wenn man die Atomkriegsgefahr durch den Ukrainekrieg nicht sehen will, muss doch klar sein: Spätestens nach dem Ende dieses Kriegs kann es Sicherheit in Europa nicht durch eine Verschärfung des konventionellen wie atomaren Wettrüstens geben, sondern nur durch Rüstungskontrolle und Abrüstung. In vielen europäischen Ländern gibt es Rechtsregierungen oder drohen solche in naher Zukunft. Schlimm genug, dass Donald Trump über die größte Militärmacht der Welt befiehlt. Aber wollen wir wirklich auch noch seinen Gesinnungsgenossen in Europa vergrößerte Militärarsenale übergeben?
Auch wenn der Atomwaffenverbotsvertrag von der deutschen Politik stiefmütterlich behandelt wurde und wird: Er hat einmal mehr gezeigt, dass Abrüstungsdiplomatie möglich ist, wenn man sie denn will. Nur das kann der Arbeitsauftrag für die neue Bundesregierung sein.
Lars Pohlmeier ist Vorsitzender der deutschen Sektion der Organisation Internationale Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) und Facharzt für Innere Medizin.