01. Mai 2025
Donald Trumps Autoritarismus wird als ein tiefer Bruch mit der US-Geschichte dargestellt. Dabei ist seine reaktionäre Politik in Wahrheit uramerikanisch und fest in den antidemokratischen Institutionen der Vereinigten Staaten verankert.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nach einem Meeting mit Vizepräsident JD Vance und anderen Senatoren in Washington.
Die zweite Amtszeit von Donald Trump ist zwar noch jung, hat sich aber schon jetzt als deutlich radikaler erwiesen als die erste. Ein Präsident, dem es in seiner ersten Amtszeit an den nötigen Mitteln und Erfahrung fehlte, um die Macht dieses Amtes dafür zu nutzen, die US-Politik komplett umzukrempeln, scheint nun in der Lage und willens zu sein, die dunkelsten Befürchtungen seiner Kritiker wahr werden zu lassen.
Mithilfe einer Clique von Gefolgsleuten – allen voran dem südafrikanischen Milliardär Elon Musk – nutzt Trump seine Macht als Präsident, um nicht weniger als den Zerstörungsprozess bestimmter Staatsinstitutionen und Behörden einzuleiten. Das trifft vor allem die Stellen, die im Kulturkrieg zu Zielscheiben der Rechten geworden sind, beispielsweise das Bildungsministerium. Darüber hinaus hat Trump bereits deutlich gemacht, dass er Normen und sogar Gesetze zu brechen bereit ist. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels hatte er bereits 97 Executive Orders erlassen – davon allein 26 an seinem ersten Tag im Amt. Mitte März setzte sich seine Regierung über eine richterliche Anordnung hinweg und deportierte Hunderte venezolanische Staatsbürger in ein salvadorianisches Gefängnis.
Besonders erschreckend für Wissenschaftler wie mich ist, dass die Trump-Administration Badar Khan Suri, einen indischen Doktoranden, der mit einem Studentenvisum an der Georgetown University lehrte, wegen »aktiver Verbreitung von Hamas-Propaganda und Förderung von Antisemitismus in den sozialen Medien« verhaften lassen hat. Ähnliches geschah dem Green-Card-Inhaber Mahmoud Khalil, der als eines der bekanntesten Gesichter der propalästinensischen Protestbewegung an der Columbia University im vergangenen Jahr gilt.
Trumps erschreckende Maßnahmen haben bei Liberalen und Linken (und sogar bei einigen Konservativen) verständlicherweise für Entsetzen gesorgt. Während die erste Amtszeit Trumps – in der sein größter politischer Erfolg eine massive Steuersenkung für die Reichen war – kaum von den Standardpraktiken früherer republikanischer Politik abwich, scheint seine zweite Amtszeit von einem Wunsch dominiert zu sein: Er will nicht weniger, als den amerikanischen Staat und die amerikanische Gesellschaft verändern. Weniger klar ist hingegen, inwieweit Trumps antidemokratisches Verhalten eigentlich einen Bruch mit der bisherigen Ordnung der USA darstellt.
»Trump und seine Anhänger bauen auf langjährigen amerikanischen Traditionen auf und nutzen die üblichen Instrumente einer amerikanischen Regierung, um die Demokratie zu demontieren.«
Die öffentlichen Debatten drehten sich hauptsächlich um die Frage, ob Trump 2.0 für eine Hinwendung zum Faschismus steht. Diejenigen, die von Faschismus sprechen, haben dabei sicherlich hehre Absichten. Sie wollen schlichtweg verstehen und benennen, was vor sich geht. Doch die Verwendung des Begriffs »Faschismus« verstellt den Blick auf die eigentliche Natur und die Probleme der heutigen Zeit. Denn im Kern des Trumpismus liegt eine ganz fundamentale Wahrheit, die einen Vergleich mit dem historischen europäischen Faschismus kaum haltbar macht: Einfach ausgedrückt bauen Trump und seine Anhänger auf langjährigen amerikanischen Traditionen auf und nutzen die üblichen Instrumente einer amerikanischen Regierung, um die Demokratie zu demontieren.
Der Trumpismus ist kein Import aus dem Ausland. Er ist eindeutig »homegrown«. Wenn die amerikanische Linke ihn jetzt und in Zukunft bekämpfen will, sollte sie sich darauf fokussieren, die uramerikanischen Grundlagen des Autoritarismus des amtierenden US-Präsidenten umzuwälzen.
Nun mag die geneigte Leserin sich die offensichtliche Frage stellen: Ist es nicht vollkommen egal, wie oder als was wir Trump und den Trumpismus bezeichnen? Ist das nicht nur intellektuelles Gepose? In der Tat haben Kritiker die Faschismusdebatte an verschiedenen Stellen als kaum mehr als eine akademische Nabelschau dargestellt, ein besonders dekadentes Beispiel für akademische Abgehoben- und Weltfremdheit in einer Zeit, in der die Trump-Regierung sehr reales menschliches Leid verursacht.
Diese Kritik ist zwar verständlich, geht aber am Ziel vorbei. Denn etwas zu benennen ist die Grundvoraussetzung, um zu einer Diagnose zu gelangen; und erst wenn eine Krankheit diagnostiziert ist, kann ein Heilmittel gefunden werden. Eine falsche politische Analyse und Diagnose führt unweigerlich zu ineffektivem Widerstand. Wenn eine Patientin an einer Herzerkrankung leidet, der Arzt aber Hämorrhoiden diagnostiziert, droht die Patientin an ihrer nicht erkannten Herzkrankheit zu sterben. Ähnliches gilt für die Demokratie.
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