15. Februar 2025
Jahrelang kämpfte Yanis Varoufakis für eine Demokratisierung Europas. Doch heute, sagt er, ist dieser Traum endgültig Geschichte. Warum wir uns auf das Ende der EU vorbereiten müssen, erklärt er im Gespräch mit JACOBIN.
Yanis Varoufakis spricht auf dem Parteitag der MeRA25 in Athen, 24. Januar 2025.
Kaum eine Figur steht so sehr für eine radikale, gar sozialistische Vision der europäischen Einigung wie der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. Nachdem er aus dem Kabinett von Alexis Tsipras zurücktrat und zuschauen musste, wie die europäischen Institutionen jede Hoffnung auf eine echte Veränderung in seinem Land erstickten, gründete er das sogenannte »Democracy in Europe Movement 2025«, oder DiEM25. Die Bewegung setzte sich das Ziel, bis 2025 eine europäische Verfassung zu entwerfen, die die Grundlage für eine andere, demokratische und soziale Union bilden sollte.
Doch 2025 ist gekommen, und statt über eine neue Verfassung zu diskutieren, wird die Debatte in Europa dominiert von Kriegen, Wirtschaftsängsten und Forderungen nach Massenabschiebungen. Ist die Europäische Union in der Lage, den Herausforderungen gerecht zu werden, geschweige denn ihren Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Zukunft anzubieten?
Yanis Varoufakis ist mittlerweile pessimistischer geworden. Am Rande der Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz sprach er mit JACOBIN über die Auswirkungen der Kriege in Europa und Gaza, die erneute Gefahr, die von Donald Trumps Wiederwahl ausgeht, und warum er das große soziale Experiment in China noch nicht abschreiben würde.
Yanis, Du wurdest kürzlich an der Einreise nach Deutschland gehindert, um am Palästina-Kongress teilzunehmen. Jetzt bist Du wieder im Lande, um gegen die Münchner Sicherheitskonferenz zu protestieren. Fühlst Du Dich in Deutschland sicher?
Ich wurde nicht nur an der physischen Einreise nach Deutschland gehindert, sondern auch daran, über Zoom oder ein anderes Medium digital an der Veranstaltung teilzunehmen, was in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig ist. Was noch ungeheuerlicher an der Sache ist, dass ich nicht weiß, warum sie mich an der Einreise gehindert haben. Wir haben einen Brief an das Innenministerium geschickt und gefragt: Wer hat mein Einreiseverbot beantragt? Wann wurde die Einreise untersagt? Und was war der Grund dafür? Sie haben uns zurückgeschrieben, dass sie aus Gründen der nationalen Sicherheit und um die Zusammenarbeit der deutschen Nachrichtendienste mit ausländischen Nachrichtendiensten nicht zu gefährden, unsere Fragen nicht beantworten werden.
»Wenn man wirklich Frieden und Gerechtigkeit will, dann muss man dafür sorgen, dass diejenigen, die von Krieg und Ungerechtigkeit profitieren, nicht die Macht haben.«
Aber ja, ich fühle mich in Deutschland absolut sicher. Ich denke, die Frage ist, ob sich die Deutschen in einem Regime, das sich so verhält, sicher fühlen sollten. Damit werden selbst die Grenzen der bürgerlichen Demokratie überschritten.
Die Münchner Sicherheitskonferenz findet seit 1963 jährlich statt. Das diesjährige Thema lautet »Frieden durch Dialog«. Ist die MSC nicht zumindest ein Versuch, Außenpolitik diplomatisch zu gestalten? Warum protestierst Du dagegen?
Wenn Marlboro Zigaretten als Gesundheitsprodukt vermarkten würde, würden sie dann gesünder werden? Nein, es würde sie viel schlimmer machen. Das Krebsgeschwür im Innern würde einfach ein neues Gesicht aufgesetzt bekommen. Ich ziehe es vor, die MSC die »Münchner Unsicherheitskonferenz« zu nennen, denn das ist es, was die NATO tut. Wie die Mafia ist es ihr Geschäft, Unsicherheit zu schaffen, um ihre eigene Macht zu stärken – und natürlich, um mehr Waffen zu verkaufen. Es ist ein großer Waffenbasar.
Gibt es einen denkbaren Rahmen, in dem eine solche Konferenz legitim sein könnte, oder sollte sie ganz abgeschafft werden?
Nun, wir, die hier sind, um gegen die Kriegstreiber zu demonstrieren, veranstalten die Münchner Friedenskonferenz. Die MSC ist nicht das Problem an sich. Das Problem ist, dass die Kriegshetzer an der Macht sind. Wenn man also wirklich Frieden und Gerechtigkeit will, dann muss man dafür sorgen, dass diejenigen, die von Krieg und Ungerechtigkeit profitieren, nicht die Macht haben.
Viele Menschen warten recht nervös auf J.D. Vances Auftritt bei der Konferenz. Wird Trump den Niedergang der US-Hegemonie beschleunigen?
Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Hegemonie der USA im Niedergang begriffen wäre, aber das ist Wunschdenken. Die Europäische Union ist im Niedergang begriffen. Der Westen ist im Niedergang begriffen. Die deutsche Industrie, die griechische Industrie – wir alle befinden uns in einem sehr steilen, rasanten Niedergang. Aber die Hegemonie der USA hat noch nicht begonnen zu schwinden.
Nie zuvor hatten ein Land und eine herrschende Klasse so viel Einfluss und Macht über den Rest der Menschheit wie die USA heute. Trump versucht, den Niedergang abzuwenden. Im Wesentlichen war es das, was auch Biden tat, indem er drei Kriege an drei Fronten gleichzeitig führte, einen in der Ukraine, einen im Nahen Osten und einen in China. Trump ist der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten an zu vielen Fronten kämpfen und sich auf die Chinesen konzentrieren sollten.
Wird es ihm gelingen, den unvermeidlichen Niedergang der Vereinigten Staaten abzuwenden? Jedes Imperium erreicht einen Höhepunkt, ab dem der Niedergang beginnt. Also, nein, ich glaube nicht, dass er Erfolg haben wird. Aber das liberale Establishment, die radikale Mitte, und ich fürchte, auch einige von uns Linken, unterschätzen Trumps Masterplan zur Ausweitung der amerikanischen Hegemonie gewaltig.
Ich finde es oft schwierig, Trumps Politik zu verstehen. Die Schwächung der CIA oder die Schließung von USAID scheinen aus der Perspektive des US-Imperialismus kontraproduktiv zu sein.
Trump hat eine interessante Vorstellung davon, wie die amerikanische Hegemonie aussehen soll. Er glaubt, dass der Versuch, die Welt durch die CIA, USAID, die WTO, die WHO und so weiterzusteuern, ein Fehler ist. Er will eine vollständige Aufteilung des Planeten in zwei Hemisphären, von denen die USA eine tatsächlich besitzen werden. Nicht nur kontrollieren, sondern besitzen. Wenn er davon spricht, Grönland zu annektieren, Kanada zu annektieren, Panama zu annektieren, dann meint er das auch so. Er ist ganz froh, eine Hemisphäre zu haben, die ihm vollständig gehört und die er kontrolliert, solange seine militärische Macht es ihm erlaubt, Deals mit Putin und Xi Jinping zu machen.
»Das liberale Establishment, die radikale Mitte, und ich fürchte, auch einige von uns Linken, unterschätzen Trumps Masterplan zur Ausweitung der amerikanischen Hegemonie gewaltig.«
Er hält die EU für eine verbrauchte Kraft, will also Europa nicht besitzen, aber er will, dass wir seine direkten Vasallen sind, was wir übrigens bereits mehr oder weniger geworden sind. Er hat kein Interesse an der NATO, denn wenn man die US-Armee hat, wozu braucht man dann noch die NATO? Die Idee, Regierungen zu stürzen, wie es die CIA seit 1945 getan hat, ist für ihn uninteressant. Stattdessen bewundert er die transaktionalen Beziehungen, die China mit afrikanischen Ländern unterhält. Auch er will Deals machen.
Der Begriff »Multipolarität« wird sowohl in der Linken als auch in breiteren politischen Debatten dieser Tage häufig verwendet. Glaubst Du, dass er genau beschreibt, was mit der Weltordnung geschieht? Und könnte eine friedlichere Welt das Ergebnis sein?
Man kann eine unipolare Welt haben, die friedlich, aber absolut autoritär ist – das Römische Reich zum Beispiel. Man kann auch ein Free-for-All haben, eine Hobbes'sche Welt, in der alle gegen alle kämpfen, was total multipolar und total grausam und schrecklich ist. Oder man kann eine multipolare Welt haben, in der es Solidarität und Kooperation zwischen verschiedenen Polen gibt.
Oder, um es mit den Worten von Hobbes zu sagen, man könnte mehrere Leviathane gleichzeitig haben.
Das stimmt. Meiner Meinung nach haben wir eine bipolare Welt: Wir haben die Vereinigten Staaten und wir haben China. Europa hat sich selbst obsolet und irrelevant gemacht, und Indien ist weit davon entfernt, eine internationale Rolle für sich zu entwickeln.
Ich glaube, dass wir außerdem Zeugen einer neuen Mutation des Kapitals sind, die ich als »Cloud Kapital« bezeichne, das keine Produktionsmittel produziert, sondern Mittel zur Verhaltensänderung, und wer es besitzt, hat eine exorbitante Macht über die Menschheit erlangt. Es gibt nur zwei Länder auf der Welt, die dieses »Cloud Kapital« besitzen: die USA und China.
Das ist einer der Gründe, warum Joe Biden den neuen Kalten Krieg gegen China, den Trump bereits mit dem Chips-Gesetz begonnen hatte, noch weiter angeheizt hat, indem er versuchte, den chinesischen Großtechnologien den Zugang zu Hochleistungs-Mikrochips zu verwehren. Das ist völlig gescheitert. Das ist auch der Grund, warum sich die Techno-Feudalherren, wie ich sie nenne, im Palast des Großen Donald versammeln, in der Hoffnung, dass er sie vor ihren idiotischen Fehlern bewahrt und sie vor der chinesischen Konkurrenz schützt.
Welche Position die Linke in Konflikten zwischen Großmächten einnehmen sollte, wird seit Jahrzehnten ausgiebig debattiert. Vor über hundert Jahren, in der Hitze des Ersten Weltkriegs, schlug Wladimir Lenin vor, dass es nicht Sache der Sozialisten sei »dem jüngeren Räuber … zu helfen, die älteren und sattgefressenen Räuber auszuplündern. Die Sozialisten haben den Kampf zwischen den Räubern ausnutzen, um sie allesamt zu beseitigen.« Glaubst Du, dass ein ähnlicher Ansatz heute auf Russland oder China angewendet werden kann?
Die Romantisierung von Diktatoren wie Wladimir Putin, die unsere Genossen in Moskau inhaftieren, ist für jeden Marxisten im Westen eine sehr dumme Politik. Wohlgemerkt, ich habe Putin schon 2001 als Verbrecher bezeichnet, als er 250.000 Tschetschenen töten ließ, um seine Diktatur zu festigen. Ich denke, damit ist Ihre Frage zu Russland beantwortet.
»China ist nicht expansiv, es ist nicht imperialistisch in dem Sinne, dass es Regierungen stürzt, gewählte Führer ermordet und Militärbasen in anderen Ländern errichtet, wie es die USA und die Europäer tun.«
China ist eine andere Geschichte. Wir sollten Russland und China nicht über einen Kamm scheren. China ist ein sehr interessantes Experiment. Es befindet sich noch in der Entwicklung. Wir haben keine Ahnung, wie es sich entwickeln wird, aber ich sehe einige bemerkenswerte und sehr hoffnungsvolle Anzeichen in China, die auf eine sozialistische Entwicklung bei gleichzeitig brutalster kapitalistischer Ausbeutung hindeuten. Es ist also eine mixed bag, es ist Klassenkampf in vollem Ausmaße.
Wir sollten kritisch sein. Wir sollten dialektisch sein und gleichzeitig nicht in die Falle tappen, entweder auf der Seite Chinas gegen die USA zu stehen oder neutral zu sein. Wenn ich höre, dass China ein imperialistisches Land sei, flippe ich aus. Es ist kein imperialistisches Land. Das letzte Mal, dass sie in einen Krieg verwickelt waren, war vor mehr als 40 Jahren mit Vietnam, und das war nur ein regionales Scharmützel. Wir müssen unsere Blockfreiheit, unsere Kritikfähigkeit bewahren, ohne neutral zu sein.
Aber was ist mit Chinas Rolle als neokolonialistischer Akteur im Globalen Süden, der zum Beispiel riesige Mengen landwirtschaftlicher Flächen pachtet? Was ist mit der Unterdrückung ethnischer Minderheiten und totalitären Aspekten im Umgang mit der Macht? Oder mit dem Expansionismus im Südchinesischen Meer? Können wir diese nicht als imperialistische Merkmale bezeichnen?
Nein, ich halte das für einen groben Fehler, und wenn Karl Marx noch da wäre, würde er jeden, der China als imperialistisch bezeichnet, verteufeln. China ist nicht expansiv, es ist nicht imperialistisch in dem Sinne, dass es Regierungen stürzt, gewählte Führer ermordet und Militärbasen in anderen Ländern errichtet, wie es die USA und die Europäer tun.
Die Chinesen nutzen die gewaltigen Dollarbeträge, die sie durch ihren massiven Handelsüberschuss angesammelt haben, um Verträge mit Ländern in Afrika und anderswo abzuschließen. Das kann sich langfristig als schädlich erweisen, aber das ist nur ein weiterer Fall, in dem die Ungleichheit der Mittel zu ausbeuterischen Verträgen führt, die Länder nicht unterzeichnen würden, wenn sie andere Möglichkeiten hätten.
In diesem Sinne spielt China die Rolle des Aggressors im Klassenkampf im Globalen Süden, aber gleichzeitig hinterlässt es einen Kapitalstock. Es hinterlässt Häfen, Telekommunikation und Infrastruktur. Die USA hinterlassen nur tote Menschen, Krankheiten, Radioaktivität und riesige Löcher im Boden. Die Chinesen als Imperialisten zu bezeichnen, ist eine grobe Verletzung der grundlegenden historisch-materialistischen Analyse.
»Nun sind meine und vor allem Ihre Generation die Generationen, die den Prozess der Dekonstruktion der Europäischen Union erleben werden. Es gibt keine Kraft auf der Erde oder darüber hinaus, die das verhindern kann.«
Was den Totalitarismus anbelangt. Schau mal, ich befürchte, wenn ich Chinese wäre und in China leben würde, säße ich jetzt wahrscheinlich in einer Zelle. Daraus mache ich also keinen Hehl. Es ist ein sehr autoritäres Regime. Aber gleichzeitig muss ich sagen, dass ich einige Zeit in China verbracht habe und das Ausmaß an Diskussionen und Demokratie an der Basis in den Gemeinden etwas ist, was wir in Europa nicht haben. Sie haben dort eine viel lebhaftere Demokratie als wir. Gleichzeitig leben sie aber unter der totalen Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas. China hat in den letzten 300 Jahren außerdem die größte Entwicklung der Produktivkräfte aller Länder eingeleitet, und das alles unter einem zentral geplanten sozialistischen System. Mit 60 % der Produktionsmittel in Kollektiv- oder Staatseigentum ist dies kein Experiment, das wir einfach als Staatskapitalismus abtun können.
Nun, in der Sowjetunion stieg das Bruttoinlandsprodukt ebenfalls dramatisch an, aber ich würde es deshalb nicht unbedingt als Sozialismus bezeichnen. Es wäre interessant, darüber zu diskutieren, wie sozialistisch beide Systeme wirklich sind. Ist die Kommunistische Partei eine eigene Klasse geworden? Ist das System Staatsmonopolkapitalismus?
Es besteht kein Zweifel, dass vieles von dem, was du sagst, wahr ist. Aber ich erinnere mich, dass ich kürzlich in Shanghai war und eine Kommune besuchte, in der 22.000 Familien leben. Unter ganz wunderbaren Bedingungen. Sie zahlen nichts. Sie organisieren ihre Kommune auf der Grundlage einer Bürgerversammlung, die sie selbst verwalten. Es ist eine rein sozialistische Gemeinde. Und als ich mich mit einigen ihrer Vertreter unterhielt und sie fragte, was die größte Bedrohung für sie sei, zeigten sie auf die Wolkenkratzer neben ihnen. Sie sagten Kapitalismus, weil der Kapitalismus in die Kommune eindringe.
Das ist China. Es gibt die Kommune und den kapitalistischen Sektor, und sie prallen aufeinander. Es ist ein Ort, der sich im Wandel befindet. Es kann als ein weiterer kompletter Albtraum enden, oder als die größte Hoffnung der Menschheit.
Die Sowjetunion ist interessant, weil sie ein Experiment war, das sich positiver hätte entwickeln können, wenn es echte Demokratie und Selbstverwaltung in den Fabriken gegeben hätte, was leider nicht der Fall war. Aber China und die Sowjetunion befinden sich auf unterschiedlichen Planeten. In der Sowjetunion gab es den Sputnik, der eine große technologische Errungenschaft war, dies ist aber nicht bis in die Nachbarschaften durchgesickert. In China hingegen ist die Entwicklung bis ins letzte Dorf, bis in die letzte Nachbarschaft vorgedrungen.
Um auf Europa zurückzukommen: Stimmst Du mit Persönlichkeiten der europäischen Linken wie Li Andersson vom finnischen Linksbündnis überein, die dafür plädieren, dass die EU eine unabhängige Sicherheitspolitik betreiben muss, einschließlich einer europäischen Aufrüstung?
Ich hätte dieses Gespräch mit Ihnen gerne vor fünf oder sechs Jahren geführt. Und dann hätte ich zu Ihnen gesagt: »Natürlich«, genauso wie ich für Eurobonds, eine Fiskalunion, einen gemeinsamen Investitionsfonds und einen europäischen Green New Deal eingetreten bin.
Heute ist das utopisch, denn Europa hat mit der Eurokrise oder der Pandemie jede Chance vertan, ausreichend Kohäsion zu bewahren, um eine gemeinsame Fiskalpolitik, eine gemeinsame Investitionspolitik oder eine gemeinsame Verteidigungspolitik betreiben zu können. Nun sind meine und vor allem Ihre Generation – und ich sage das mit viel Schmerz im Herzen – die Generationen, die den Prozess der Dekonstruktion der Europäischen Union erleben werden. Es gibt keine Kraft auf der Erde oder darüber hinaus, die das verhindern kann.
»Die EU ist ein sinkendes Schiff.«
Die Europäische Union ist kaputt. Sie ist am Ende. Sie befindet sich auf einer unumkehrbaren Straße, die zu ihrer Dekonstruktion führt. Jetzt darüber zu reden, wie wir einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt haben können, ist utopisch. Das können wir nicht, weil wir keinen gemeinsamen Haushalt haben können. Man kann keine gemeinsame Armee haben, wenn man kein gemeinsames Gemeinwesen hat. Wenn Sie keine Föderation haben, wer wird dann entscheiden, wer in den Krieg zieht? Ursula von der Leyen?
Weißt du, was wir jetzt erhöhen sollen? Unsere Ausgaben für ein gemeinsames Beschaffungsprogramm. Dazu hat aber niemand die Kapazitäten. Ich meine, Berlin hat keine Regierung. Auch nach der Bundestagswahl wird es in Deutschland keine Regierung geben, die den Haushalt ausgleichen kann. Wir alle sehen, dass jedes einzelne große europäische Land ins Trudeln geraten ist und Brüssel einfach nur versucht, zu regulieren, um mehr Macht für diese Bürokraten zu schaffen.
Die EU ist ein sinkendes Schiff, daher sollte es nicht unsere Aufgabe sein, unsere Zeit und Energie mit der Diskussion über utopische Projekte wie eine gemeinsame Verteidigung zu verschwenden, sondern wir sollten unser Bestes tun, um die Grundlagen für die Unterstützung der Opfer dieser Dekonstruktion zu schaffen und uns um unsere Leute, d. h. die Menschen Europas, zu kümmern.
In welchem Sinne? Auf nationaler Ebene oder darüber hinaus?
Beides. Darum geht es in unserer Bewegung »Demokratie in Europa«: um Solidarität auf Basisebene in ganz Europa, um sich um alle in Europa zu kümmern und ihnen zu helfen, die Schläge zu verkraften, die einer nach dem anderen kommen werden – durch Faschismus, Militarismus, Austerität, durch die Zerstörung des sozialen Netzes, durch all die Dinge, die das Leben der Deutschen, der Griechen, der Franzosen und so weiter gleichermaßen beeinträchtigen werden. Aber wir schaffen es nicht allein gestellt als Deutsche, als Franzosen, als Griechen. Das ist das gesamte Projekt der internationalen Solidarität, das jetzt Teil dessen ist, was ich als europäische Notlage betrachten würde.