08. März 2021
Der Immobilienboom der letzten Jahre hat die Vermögensungleichheit verschärft. Dazu kommen nun die Pandemie und ihre Kosten. Um die Krisengewinner zur Kasse zu bitten, brauchen wir die richtigen Werkzeuge. Etwa eine Vermögensabgabe und eine Hauszinssteuer.
Eine neue Hauszinssteuer würde an die Erträge des Immobilieneigentums gehen, eine Vermögensabgabe an ihre Substanz. Ihre Kombination könnte eine Antwort auf Wohnungsmarktprobleme, skandalöse Vermögens- konzentration und drohende Sparpolitik darstellen.
Der Immobilienbesitz spielt für die Vermögensbildung – und dadurch für die Verteilung von Reichtum in der Gesellschaft insgesamt – eine herausragende Rolle. Während die überwiegenden Vermögenswerte der unteren Hälfte der Bevölkerung aus Fahrzeugen bestehen, stellt für die oberen Teile der Mittelschicht das selbstgenutzte Wohneigentum den größten Vermögenswert dar. Bei den Millionären dominiert das Betriebsvermögen, doch auch hier kommt das nicht selbst genutzte Immobilieneigentum auf einen Anteil von respektablen 20 Prozent.
Zählt man die Vermögen aus vermieteten und selbstgenutzten Immobilien zusammen, so wird deutlich: Der meiste Reichtum in Deutschland existiert in Form von Immobilien – und er ist sehr ungleich verteilt. Laut einer vielbeachteten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem vergangenen Jahr vereint das reichste Prozent der Bevölkerung rund 35 Prozent des Vermögens auf sich. Die oberen 10 Prozent besitzen gut zwei Drittel. Das Immobilieneigentum ist dabei nicht allein Resultat des Reichtums, sondern eine der wichtigsten Quellen seiner Vermehrung.
Die Immobilienpreise in Deutschland sind seit 2011 im Durchschnitt um 50 Prozent gestiegen. Der Boom machte Immobilienbesitzer insgesamt um etwa 3 Billionen Euro reicher. »Diese Vermögenszuwächse entsprechen in etwa dem deutschen Bruttoinlandsprodukt eines Jahres und übersteigen die gesamte deutsche Staatsverschuldung um gut eine Billion Euro«, heißt es in einer Studie der Uni Bonn.
Die immense Anhäufung privaten Reichtums ist auch Folge unzureichender Besteuerung. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuer im Jahr 1997 fehlt eine Abschöpfung der stark gestiegenen Immobilienwerte. Gewinne aus Immobilienverkäufen sind nach Ablauf von zehn Jahren nach dem Erwerb außerdem von der Steuer befreit. Die Vererbung oder Schenkung von selbstgenutzten Immobilien ist bis zur Höhe von 400.000 Euro ohnehin steuerfrei. Viele Unternehmen nutzen beim Kauf und Verkauf zudem Steuervermeidungsstrategien wie Share Deals oder leiten ihre Gewinne in Steueroasen. Die jährliche Grundsteuer zielt zwar auf den Grundbesitz selbst, sie darf aber paradoxerweise auf die Betriebskosten der Mieterinnen und Mieter umgelegt werden.
Die Kehrseite der Vermögenszuwächse für eine kleine Schicht sind die steigenden Wohnkosten für die Mehrzahl der in Deutschland zur Miete lebenden Menschen. Die ärmsten 20 Prozent der Haushalte geben mittlerweile fast 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus. 1993 betrugen ihre Wohnkosten noch etwa ein Viertel. Selbst für Haushalte mit mittleren Einkommen sind die Ausgaben fürs Wohnen seit den 1990er Jahren um fast 20 Prozent gestiegen. Etwa zeitgleich zog sich der Staat aus seiner aktiven Rolle in der Wohnungspolitik zurück und überließ den Marktkräften das Feld. Seit den 1990er Jahren wurde der Wohnungsmarkt dereguliert und der öffentliche Wohnungsbestand privatisiert. Den Neubau überließ man weitestgehend privaten Investoren, die heute angesichts niedriger Zinsen und stetig steigender Erträge kaum Interesse an den Förderprogrammen des sozialen Wohnungsbaus zeigen. Als Resultat ist in den stark wachsenden Städten in Deutschland eine eklatante Unterversorgung mit günstigem Wohnraum zu beobachten.
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Phillip Mattern ist Politologe und Autor des Buches: »Mieterkämpfe. Vom Kaiserreich bis heute – Das Beispiel Berlin Realität der Utopie 3«
Philipp Möller ist Redakteur des MieterEcho, der Zeitschrift der Berliner MieterGemeinschaft und Co-Host des Podcast »Schöner Wohnen«, der sich mit den Wohnungsfragen unserer Zeit beschäftigt.