05. September 2022
Um zu verstehen, wie mächtige Staaten außerhalb ihrer Grenzen agieren, hilft ein Blick auf die Herrschaftsprinzipien der alten Römer. Vieles, was sie einst ersannen, wird bis heute praktiziert.
Teile und herrsche. Du musst Deine Gegner spalten, wenn Du bestimmen willst. Dieses Alpha der Politik ist allen bekannt, wird aber selten erkannt. Dabei ist es das Fundament aller Herrschaft.
Sein Pendant ist die Basis des Widerstands: United we stand, divided we fall. Diese Weisheit unterdrückter Länder und aufbegehrender Klassen wirkt heute bisweilen verstaubt, der pluralen Wirklichkeit nicht angemessen. Und doch erfährt jede Allianz, jede Bewegung aufs Neue: Gegenmacht ist geballte Macht, sonst ist sie keine.
Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg vor. Wenn Du Deine Bedingungen diktieren willst, habe stets Waffen bereit, die für Deine Gegner unkalkulierbare Risiken sind. Dabei gilt: Betone, dass Du den Frieden willst und der Gegner Dich zur Abwehr zwingt.
Sensibel und scharfsinnig schrieb Walter Benjamin 1926: »Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg.« Wer die Schrecken des Krieges vor Augen hat, wird ihn scheuen. Aber das ist nicht genug. Es geht um mehr: Si vis pacem para pacem. Wer den Frieden will, bereite den Frieden vor. Angesichts der beiden existentiellen Gefahren – des schnellen Atomkriegstodes und des langsamen Klimatodes – ist globale Kooperation unverzichtbar geworden.
Wehre den Anfängen. Vernichte Deine Gegner, solange sie noch klein sind. Dieser Grundsatz kannte selten Gnade. Früher hieß das: Ketzer verbrennen, Kommunardinnen erschießen, Sozialisten und Kommunistinnen exekutieren, auch wenn sie noch ganz jung sind.
Schlechte Schülerin der alten Römer war in diesem Punkt immer wieder die Linke: Statt den kollektiven Willen wachsen zu lassen, war man von Anfang an bei minimalen Differenzen maximal erregt.
Bedenke das Ende. In vollständiger Fassung: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem. Was immer Du tust, tu es klug und beachte die Folgen. Dieser Rat verhallt, wenn der Wahn der Überlegenheit regiert. So steht auch das US-Imperium immer wieder vor den Ruinen seiner eigenen Taten: Iran, Vietnam, Afghanistan, Irak.
Verdammt jeden Krieg, jede Aufrüstung, bewahrt die Lebensgrundlagen. Das wäre respice finem auf der Höhe der Zeit. Nicht jeder für sich und alle gegeneinander auf der Jagd nach den Reichtümern dieser Welt. Nicht nach den Maßstäben der Macht erobern und unterdrücken. Sondern überzeugen, für Zusammenarbeit begeistern, der Ausbeutung von Mensch und Natur harte und verlässliche Grenzen setzen.