03. Juni 2021
Die Berliner SPD verkauft die Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen als Alternative zur Enteignung. Doch der »Sozialpakt« bringt den Mietern nichts. Denn er setzt auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen, statt zu regulieren.
Die Fusion der Immobilienriesen Vonovia und Deutsche Wohnen ist eine schlechte Nachricht für Mieterinnen und Mieter.
Das ist ein Schritt nach vorne und macht deutlich, dass wir in eine andere Phase von Unternehmenskultur eintreten und in ein neues Miteinander von Politik und Unternehmen. Ich glaube, es ist für viele Menschen sehr wichtig, dass wir nicht konfrontativ miteinander umgehen, sondern kooperativ und hier etwas gemeinsam erreichen wollen«, sagte Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz zu den Fusionsplänen der Vonovia und der Deutsche Wohnen am vergangenen Dienstag. Auch die Konzernchefs der beiden Unternehmen, Rolf Buch und Michael Zahn, waren zugegen. Mit der Fusion entsteht ein neuer Immobilienriese, der mit einem Wohnungsbestand von über 500.000 Wohneinheiten und einer Marktkapitalisierung von mehr als 45 Milliarden Euro zu Europas größtem Wohnungsunternehmen aufsteigt.
Parallel zur Fusion handelte Müller gemeinsam mit dem Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und den beiden Konzernchefs einen »Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen« aus. Doch dieser Pakt ist weder sozial noch zukunftsweisend. Er ist ein Rückschritt für die soziale Wohnungspolitik.
Der Zukunfts- und Sozialpakt beinhaltet im Wesentlichen vier Elemente: Der neue Immobilienriese kündigte an, die Mieten in den Berliner Beständen in den kommenden drei Jahren um maximal 1 Prozent zu erhöhen und sie zwischen 2025 und 2027 an die Höhe des Inflationsniveaus anzupassen. Für die Zeit danach gibt es keine weiteren Einschränkungen. Die Umlage von Modernisierungskosten wird auf 2 Euro pro Quadratmeter begrenzt. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen dem fusionierten Großkonzern rund 20.000 Wohnungen abkaufen. Dieser hat selbst vor, in den kommenden Jahren rund 13.000 neue Wohnungen zu bauen, ein Drittel davon soll unter Einsatz öffentlicher Fördermittel als Sozialwohnungen angeboten werden.
Was auf den ersten Blick sozial anmutet, stellt sich bei genauerem Hinsehen als geringer Beitrag zum Mieterschutz und zur sozialen Wohnraumversorgung heraus. Vielmehr kündigten die Konzernchefs lediglich an, sich in den kommenden Jahren an die bundesgesetzlichen Vorgaben zu halten, die seit dem Aus für den Mietendeckel nun auch wieder in Berlin gelten. Der »Mietendimmer«, also die Vereinbarung, die Bestandsmieten nur geringfügig zu steigern, mag auf den ersten Blick wie ein begrüßenswerter Vorstoß wirken. Doch zumindest in den kommenden zwei Jahren dürfen Vermieterinnen und Vermieter in Berlin die Mietpreise ohnehin nur um 1,1 Prozent anheben, wie es der Anfang Mai veröffentlichte Berliner Mietspiegel vorschreibt.
Auch die Ankündigung, die Mieten zwischen 2025 und 2027 maximal an das Inflationsniveau anzupassen, entspricht der langfristig orientierten Geschäftsstrategie der börsennotierten Immobilienaktiengesellschaften. Im vergangenen Jahr stiegen die Mieten bei der Deutsche Wohnen deutschlandweit lediglich um 1,5 Prozent. Bei der Vonovia beliefen sich die Mietsteigerungen zur selben Zeit auf 1 Prozent und im Jahr 2019 sogar nur auf 0,6 Prozent.
Die eigentlichen Mietpreistreiber sind die Neuvermietung und die Modernisierung von Wohnraum. Diese versprechen nämlich eine weitaus größere Gewinnspanne als Erhöhungen der Bestandsmieten. Deutsche Wohnen und Vonovia schöpfen bei der Wohnungsvermietung die Spielräume der Mietpreisbremse maximal aus oder umgehen die gesetzlichen Vorgaben durch vorherige Modernisierungen. Diese gängige Praxis wird durch die neue Vereinbarung in keiner Weise eingeschränkt.
Auch die Drosselung der Modernisierungskosten auf maximal 2 Euro pro Quadratmeter dürfte in vielen Fällen nicht über die bestehende Gesetzeslage des Paragraphen 559 des Bürgerlichen Gesetzbuches hinausgehen. Demnach muss die Modernisierungsumlage gekappt werden, wenn die Ausgangsmiete unter 7 Euro pro Quadratmeter liegt. Die Durchschnittsmiete bei der Vonovia liegt deutschlandweit bei 6,95 Euro pro Quadratmeter und in Berlin bei 6,87 Euro pro Quadratmeter – und damit unter dieser Grenze. Bei der Deutsche Wohnen beträgt die deutschlandweite Durchschnittsmiete 7,12 Euro pro Quadratmeter und in Berlin 7,09 Euro pro Quadratmeter – die Grenze wird also nur knapp überschritten.
In diese Durchschnittswerte fließen jedoch auch die Mieten der Wohnungen ein, die in den letzten Jahren modernisiert wurden. Gerade für Quartiere mit einfacher Wohnausstattung und ärmerer Bevölkerungsstruktur hat die Begrenzung der Modernisierungsumlage also kaum einen Mehrwert. In der Otto-Suhr-Siedlung in Kreuzberg oder dem Lettekiez in Reinickendorf waren deutlich geringere Mietsteigerungen nach umfassenden Modernisierungen Auslöser für langwierige Mieterproteste in den vergangenen Jahren.
Die Selbstverpflichtung, die Bestandsmieten und Modernisierungsumlage zu begrenzen, betitelte Rolf Buch als »Mietendeckel«, der über »privatrechtliche Erklärungen« umgesetzt worden sei. In ähnlicher Manier ließ der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Raed Saleh verlautbaren: »Unser Mietendeckel ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen.«
Diese markigen Worte sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ankündigungen weit hinter den gesetzlichen Vorgaben des Mietendeckels zurückbleiben. Dieser sah schließlich nicht nur einen Mietenstopp vor, sondern auch Mietobergrenzen bei der Neuvermietung, die Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 1 Euro pro Quadratmeter und die Absenkung überhöhter Mieten vor. Die Selbstverpflichtung ist hingegen lediglich ein beschwichtigendes Lippenbekenntnis ohne größere Einschränkungen der Verwertungs- und Renditemöglichkeiten. Für die Unternehmen verursacht dieser »Mietendimmer« so gut wie keine Kosten. Und sollten die Konzerne gegen die eigens gesetzten Vorgaben verstoßen, können sie dafür rechtlich nicht belangt werden und haben keine Konsequenzen zu befürchten.
Die Tatsache, dass die schwachen Regelungen als großer Erfolg verkauft werden, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass dem Senat die politischen Instrumente fehlen, seitdem das Bundesverfassungsgericht den Ländern die Kompetenz absprach, Mieten zu regulieren. Aufgrund dieser Hilflosigkeit besteht nun die Gefahr, dass die großen Wohnungskonzerne freiwillige Selbstverpflichtungen als scheinbare Alternative für die dringend notwendigen politischen Eingriffe in den Wohnungsmarkt ins Spiel bringen. Mittelfristig könnten sie dadurch ihre Position als vermeintlicher Sozialpartner stärken. Gleichzeitig werden sie mit zunehmender Größe und Diversifizierung ihres Portfolios besser gegen regulatorische Eingriffe auf regionaler Ebene gewappnet sein.
Michael Zahn bewarb den Sozial- und Zukunftspakt als »pragmatische Lösung« für die Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Die angestrebte Kooperation zwischen dem neuen Immobilienriesen und dem Senat sei ein Signal an andere private Vermieter, die nun angehalten seien, ähnliche Vereinbarungen zu treffen. Dies sei der einzige Weg, um die Stadt zu »befrieden«. Bereits in der Vergangenheit hatten sowohl die Deutsche Wohnen als auch die Vonovia mit Selbstverpflichtungen und sozial anmutenden Modellprojekten versucht, ihr ramponiertes Image zu verbessern.
Um Protesten den Wind aus den Segeln zu nehmen, setzten beide Unternehmen zudem vermehrt auf Modernisierungsvereinbarungen, Beteiligungsformate und Sozialplanverfahren. Besonders der Vonovia-Chef Rolf Buch gibt sich öffentlich verständnisvoll gegenüber Unmutsäußerungen und präsentierte sein Unternehmen zuletzt verstärkt als politischen Partner: Man wolle wohnungswirtschaftliche Lösungen für gesellschaftliche Probleme wie den Klimawandel oder die alternde Gesellschaft anbieten.
Auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus präsentiert sich der neue Immobilienriese als Partner für die Politik. Jedoch geht auch die Ankündigung, 30 Prozent der 13.000 geplanten Neubauwohnungen als Sozialwohnungen zu errichten, nicht über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Denn laut dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung müssen Unternehmen bei Bauprojekten, für die ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss, ohnehin ein Drittel geförderte Wohnungen bauen. Die kürzlich verabschiedete Novelle des Baugesetzbuchs ermöglicht den Kommunen zudem, künftig auf innerstädtischen Baugrundstücken, für die ein Bebauungsplan entbehrlich ist, eine Quote an Sozialwohnungen vorzuschreiben.
Über die Konditionen der restlichen 70 Prozent der Neubauwohnungen machten Buch und Zahn keine weiteren Angaben. Aus den wenigen anderen Bauprojekten der beiden Konzerne ist jedoch bekannt, dass die freifinanzierten Wohnungen häufig zu Mietpreisen weit über 10 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Zur sozialen Wohnungsversorgung tragen sie nichts bei. Zudem fehlt bislang ein verbindlicher Zeitplan, der festlegt, bis wann die Wohnungen fertiggestellt werden.
Ein weiteres Kernstück des Deals ist die Re-Kommunalisierung von 20.000 Wohnungen. Zu den Details dieses Vorhabens ist bislang selbst in der rot-rot-grünen Koalition wenig bekannt. Dem Vernehmen nach handelt es sich wohl in vielen Fällen um ehemalige oder noch gebundene Sozialwohnungen in größeren Siedlungen. Nach Informationen des Tagesspiegels liegen rund 15.000 Wohnungen außerhalb des Innenstadtrings und nicht wenige davon in SPD-Hochburgen in Steglitz-Zehlendorf und Spandau. Zu dem Paket zählen jedoch auch die Bestände der Deutsche Wohnen am Kottbusser Tor, womit offenbar der Protest der Initiative Kotti & Co befriedet werden soll.
Noch diese Woche starten die Verhandlungen zwischen Senat und Vertretern von Deutsche Wohnen und Vonovia über den Preis für angebotene Wohnungen. Um welche Bestände es dabei geht, diktieren hingegen ausschließlich die Unternehmen, wie die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (DIE LINKE), in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am vergangenen Dienstag deutlich machte.
Die Re-Kommunalisierung von Sozialwohnungsbeständen ist sicherlich zu begrüßen. Der Übergang ins öffentliche Eigentum bietet Mieterinnen und Mietern durch den direkten politischen Zugriff einen deutlich besseren Schutz vor Mieterhöhungen und verbessert die Chance, dass ihre Wohnungen nach jahrelanger Vernachlässigung instandgesetzt werden.
Doch Re-Kommunalisierungen sind eine schlechte Alternative zur Enteignung und Vergesellschaftung der großen Wohnungsunternehmen. Denn im Gegensatz zum Enteignungsvolksbegehren ist davon nur ein kleiner Teil der 240.000 Wohnungen der großen Immobilienkonzerne betroffen. Verkauft werden nur jene Wohneinheiten, die ein geringes Aufwertungspotenzial haben und aufgrund der mangelnden Verwertbarkeit von den Unternehmen abgestoßen werden. Wohnungen im Innenstadtbereich, wo die Nachfrage nach günstigem Wohnraum am größten ist und die Mieten am stärksten explodieren, werden dagegen nicht verkauft. Doch gerade in diesem Wohnungssegment wäre ein Ausbau öffentlicher Wohnungsbestände dringend notwendig, um der Gentrifizierung der Innenstadt entgegenzuwirken.
Mit dem Fokus auf Siedlungen mit einer hoher Quote an Sozialwohnungen schließt der Deal an die Ankäufe der jüngeren Vergangenheit an, als städtische Wohnungsbaugesellschaften größere Pakete von privaten Wohnungsunternehmen zu teuren Marktpreisen erwarben. Re-Kommunalisierungen sind mittlerweile ein lukratives Geschäftsmodell geworden. Immobilienunternehmen kaufen Wohnungen zu einem günstigen Preis, die häufig zuvor mit öffentlichen Mitteln errichtet und anschließend privatisiert wurden. Nach dem Erwerb lassen sie die Wohnungen über Jahre hinweg durch geringe Investitionen in Sanierung und Instandhaltung verkommen. Und am Ende des Zyklus verkaufen sie die Bestände schließlich zu hohen Summen zurück an die Stadt. Die heruntergewirtschafteten Wohnungen müssen anschließend mit öffentlichen Mitteln saniert werden, wie es etwa bei der nun angebotenen, asbestbelasteten Siedlung im Falkenhagener Feld in Spandau der Fall sein dürfte.
Beim jetzigen Deal wird der Preis für das Gesamtpaket wahrscheinlich zwischen 3 und 5 Milliarden Euro liegen, wie das Manager Magazin berichtet. Das frische Geld aus der öffentlichen Hand nutzen die großen Immobilienkonzerne wiederum, um neue Wohnungen oder ganze Unternehmen aufzukaufen und ihre Marktmacht weiter auszubauen. Durch den Ankauf der 20.000 Wohnungen kann die Vonovia den Kaufpreis für die Mehrheitsanteile an der Deutsche Wohnen zum Teil refinanzieren.
Ähnlich verlief es, als ADO Properties im Herbst 2019 knapp 6.000 Wohnungen in Spandau und Reinickendorf für 920 Millionen Euro an die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau verkaufte. Im Anschluss an diese Transaktion schlossen sich die beiden Unternehmen ADO Properties und Adler Real Estate zusammen und übernahmen den Projektentwickler Consus. Seither agiert das fusionierte Unternehmen unter dem Namen Adler Group. Deutschlandweit sind mehr als 80.000 Wohnungen in ihrem Besitz. Die öffentliche Hand fungiert in diesen Fällen oft als Geburtshelferin für die weitere Zentralisierung der finanzialisierten Wohnungswirtschaft.
Die SPD präsentiert den Deal als Erfolg ihrer Strategie einer Kooperation statt Konfrontation, obwohl so gut wie keine Verbesserungen zu erwarten sind. Die Übernahme des Stadtentwicklungsressorts durch die Linkspartei haben die Sozialdemokraten nie wirklich akzeptiert und versuchten sich über die gesamte Legislatur hinweg als Mieterpartei zu inszenieren.
Der jetzige Deal ist Teil eines politischen Kurswechsels, mit dem sich die SPD seit einiger Zeit verstärkt von der Wohnungspolitik unter der rot-rot-grünen Koalition abzusetzen versucht. Nachdem der Mietendeckel in Karlsruhe gekippt wurde, hatte Michael Müller einen Runden Tisch einberufen. Der neue Kurs der SPD nahm damit an Fahrt auf und mündete schließlich im »Bündnis für das Wohnen«. Seither kungelt die SPD mit der privaten Wohnungswirtschaft.
Mit der gemeinsamen Pressekonferenz und dem »Sozial- und Zukunftspakt« schlugen sich Rolf Buch und Michael Zahn demonstrativ auf Müllers Seite und scheinen seinen Kurs zu bestätigen. »Wir deckeln, wir verkaufen und wir bauen«, sagte Buch in Anlehnung an den sozialdemokratischen Dreischritt aus Bauen, Kaufen und Deckeln. Im Gegenzug erhalten die Konzernchefs Planungs- und Investitionssicherheit vom Regierenden Bürgermeister, der sich als Bollwerk gegen Enteignungen und Vergesellschaftung darstellt.
Michael Müller betonte auf der Pressekonferenz seine Hoffnung, mit diesem Pakt die Sorgen der Berliner Mieterinnen und Mietern zu »entkräften«, die sich laut Müller in dem Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co. enteignen ausdrückten. Nach den gescheiterten Verhandlungen über einen Rückkauf der ehemaligen Bestände der im Jahr 2004 privatisierten Wohnungsbaugesellschaft GSW, die heute im Besitz der Deutsche Wohnen ist, versucht die SPD den Ankauf erneut als Alternative zur Enteignung zu platzieren.
Das Volksbegehren hat seit dem Aus des Mietendeckels in Umfragen deutlich an Popularität gewonnen und sitzt der Politik im Nacken. Ob es durch den Deal tatsächlich an Zustimmung verliert, lässt sich momentan kaum absehen. In den ersten Reaktionen bei betroffenen Mieterinnen und Mieter überwog oftmals die Angst, einem womöglich allmächtigen neuen Wohnungsgiganten ausgeliefert zu sein. Offenbar ist vielen klar, dass die Vonovia die Bestände der Deutsche Wohnen nicht erwirbt, um sie anschließend wieder zu verlieren.
Bei vielen Berlinerinnen und Berlinern herrscht ohnehin schon großes Misstrauen gegenüber der Wohnungswirtschaft und der mit ihr eng verbundenen SPD. An diesem Misstrauen scheiterte die SPD schon 2014, als sie versuchte dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld durch soziale Zugeständnisse bei der geplanten Bebauung des ehemaligen Flugfeldes das Wasser abzugraben. Mit dem Sozial- und Zukunftspakt verfolgt die sozialdemokratische Führungsriege nun eine ähnliche Strategie.
Jedoch ist die Ankündigung zum jetzigen Zeitpunkt auch ein Spiel mit dem Feuer. Denn um das Volksbegehren zur Enteignung großer Immobilienkonzerne noch abzuwenden, bleiben der SPD nun nach Abschluss dieses Deal vorerst keine weiteren Möglichkeiten. Die Milliardensummen für die Rückkäufe werden haushaltsneutral über eine Kreditaufnahme durch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften finanziert. Die massive Ausweitung der Verschuldung macht weitere Ankäufe in größerem Umfang in der nächsten Zeit unwahrscheinlich. Der dringend notwendige Ausbau des kommunalen Wohnungsbaus wäre über Jahre hinweg blockiert, wovor Sebastian Gerhardt in einem Beitrag in der Zeitschrift Luxemburg warnte.
Sollten die unter rot-rot-grün verstärkten Wohnungsbauaktivitäten der kommunalen Gesellschaften in Folge des Ankaufs tatsächlich ins Stocken geraten, böte das dem neuen Immobilienriesen eine willkommene Möglichkeit, sich als politischer Partner für den Wohnungsbau in Spiel zu bringen. Das an den Verhandlungen beteiligte und links geführte Stadtentwicklungsressort täte gut daran, diese Risiken des Deals klar zu berücksichtigen. Generell gilt es, die Enteignung und Vergesellschaftung unter Marktwert nun gegenüber dem teuren Rückkauf und geringen Mieterschutz des vermeintlichen Sozialpaktes in Stellung zu bringen.
Denn nur die Übertragung von möglichst vielen Wohnungen in die öffentliche Hand könnte den Berliner Wohnungsmarkt dauerhaft entlasten. Die entscheidende Losung lieferten Kollatz und Müller in einem Brief an ihre Parteigenossen indes selbst: »Sicher fühlen sich die Mieterinnen und Mieter vor allem in landeseigenen Wohnungen.«
Philipp Möller ist Redakteur des MieterEcho, der Zeitschrift der Berliner MieterGemeinschaft und Co-Host des Podcast »Schöner Wohnen«, der sich mit den Wohnungsfragen unserer Zeit beschäftigt.