03. April 2023
Weite Teile der Bevölkerung sind gegen das Verbrenner-Aus – nicht weil sie ihr Auto so sehr lieben, sondern weil ihnen die Ampel keine Alternative bietet.
Präsentation des neuen VW-Elektromodells ID.3, der im Verkauf rund 15.000 Euro höher liegt als ein vergleichbarer Benziner, Dresden, 01. März 2023.
IMAGO / Sylvio DittrichDie Grünen wollen die Neuzulassung von Autos mit Benzin- und Diesel-Motor ab 2035 verbieten. Die FDP ist dagegen – angeblich weil sie für die Entwicklung von Benzin, das kein Kohlendioxid ausstößt, offen bleiben will. Doch selbst die Autokonzerne geben zu, dass die Aussicht darauf unrealistisch ist. Mit solchen Aussagen versucht die FDP lediglich, mit blinder Marktgläubigkeit in die Medien zu gelangen – in der Hoffnung, dadurch auch bei der nächsten Wahl die 5-Prozent-Hürde zu schaffen.
»SPD und Grüne wollen Klimaschutz auf Kosten der Geringverdiener und zum Wohle der Konzerne.«
Doch nicht nur die marktliberale Kleinpartei will das Benzin-Auto erhalten. Im März 2023 haben sich in der Umfrage der ARD 67 Prozent der Deutschen gegen das Verbot von Benzin-Autos ausgesprochen, in einer Umfrage des ZDF waren es 61 Prozent. Laut letzterer Umfrage sind 57 Prozent der LINKEN-Wähler gegen das Verbot, nur unter Grünen-Wählerinnen wird es mehrheitlich unterstützt.
Für diese Ablehnung gibt es unterschiedliche Gründe. Manche Menschen sind entschlossen, den Klimawandel zu ignorieren und manche lieben ihr brummendes Auto mehr als ihre Kinder.
Viele andere wiederum wollen und können die Kosten des Klimaschutzes nicht bezahlen. Die Alternative zum Benzin-Auto, die uns Regierung und Wirtschaft anbieten, ist nicht etwa ein gut ausgebauter, funktionaler, günstiger öffentlicher Nah- und Fernverkehr, mit dem man flexibel und mobil ist, sondern das Elektroauto.
Das Elektroauto wiederum ist zum einen ausgesprochen untauglich für den Alltag – denn solange nicht an jedem Parkplatz und an jedem Straßenrand eine Aufladestation steht, kann man ein Elektroauto nur am eigenen Haus laden. Mit einer Wohnung im dritten Stock ist man da raus. Vor allem aber sind Elektroautos teuer.
Einen neuen Volkswagen Golf mit Benzin-Motor gibt es ab 31.000 Euro. Das entsprechende Elektro-Modell ID.3 kostet mindestens 44.000 Euro. Einen deutlich kleineren Opel Corsa kriegt man als Benziner schon für 18.000 Euro, elektrisch erst ab 34.000. Manche mögen einwenden, dass man auch ganz ohne Auto sehr gut leben könne. Und wenn man keine Kinder hat und in einer Großstadt in zentraler Lage wohnt, dann stimmt das auch.
Aber an vielen Orten Deutschlands – und zwar nicht nur auf dem Land – ist man ohne Auto extrem eingeschränkt. In Städten wie Garbsen mit 61.000 Einwohnern gibt es bis heute keinen Regionalbahnhof, sondern nur eine S-Bahn nach Hannover. In Bergkamen im Ruhrgebiet mit 49.000 Einwohnerinnen fährt überhaupt keine Bahn. In Münster in Westfalen – einer Stadt mit immerhin 320.000 Einwohnerinnen und Einwohnern – gibt es zwar einen Fernbahnhof, aber in der gesamten Stadt weder S-Bahn noch U-Bahn noch Straßenbahn.
Gerade in Zeiten starker Preissteigerungen für Strom, Heizung und Lebensmittel ist die Aussicht, fürs elektrische Auto auch noch 15.000 Euro mehr bezahlen zu müssen, abschreckend.
»Solange der öffentliche Verkehr nicht verbessert und dauerhaft vergünstigt wird, läuft der Klimaschutz nach den Regeln des Kapitalismus.«
Zwar versprechen uns Volkswagen, Mercedes und BMW, dass ihre Elektro-Autos viel billiger werden, wenn sie erstmal massenhaft gekauft werden. Und tatsächlich stellt zum Beispiel das chinesische Unternehmen SAIC Motor günstige Elektroautos her. Aber können wir den Konzernen wirklich vertrauen? Ist es nicht der Job eines Konzern-Vorstands, am Markt die höchstmöglichen Preise durchzusetzen? Auch vegane Lebensmittel sind in der Herstellung etwa nicht teurer als vergleichbare tierische Produkte, werden aber für deutlich höhere Preise verkauft.
Natürlich ist Klimaschutz trotzdem dringend notwendig und mit dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr auch technisch möglich. Bundes-, Landes- und Kommunalregierungen versprechen schon seit Jahrzehnten einen zügigen Ausbau, doch passiert ist bisher wenig – und das obwohl im Sommer 2022 der Verkaufserfolg des 9-Euro-Tickets bewiesen hat, dass bei entsprechendem Angebot Millionen Menschen bereit sind, auf die Bahn umzusteigen. Zudem könnte man für Normalverdiener, die sich für ein Elektroauto entscheiden, die Steuern senken, um ihnen den Umstieg zu erleichtern.
Doch solange der öffentliche Verkehr nicht verbessert und dauerhaft vergünstigt wird, läuft der Klimaschutz nach den Regeln des Kapitalismus. Das Verbot von Benzin-Autos bedeutet dann Rekordpreise für Elektroautos und entsprechende Rekordprofite für Konzerne.
SPD und Grüne wollen Klimaschutz auf Kosten der Normal- und Geringverdiener in Deutschland und zum Wohle der Wirtschaft. Die Ampel diskutiert etwa auch über ein Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen, ohne aber Immobilienkonzernen zu verbieten, höhere Kosten für Wärmepumpen auf ihre Mieterinnen und Mieter abzuwälzen.
Manche Leute unterstützen diese Politik, weil sie – zu Recht – der Meinung sind, dass der Klimaschutz schnell vorankommen muss. Doch die Klimaschutz-Politik der Grünen verspricht nicht mehr Tempo beim Klimaschutz, sondern ist zum Scheitern verurteilt.
Kein noch so redegewandter Wirtschaftsminister Habeck wird einen Klimaschutz auf Kosten der großen Mehrheit durchsetzen – nicht in Deutschland und schon gar nicht in Ländern wie China, Indien und Indonesien, in denen hunderte Millionen Menschen in großer Armut leben und der Klimaschutz mindestens genauso wichtig ist wie hier.
Klimaschutz kann nur dann erfolgreich sein, wenn er von den Reichen, Banken und Konzernen bezahlt wird – und zwar nicht nur weil das moralisch geboten und sozial gerecht ist, sondern auch weil es keinen Klimaschutz geben wird, solange die Menschen befürchten, dass er auf ihre Kosten durchgedrückt wird, während sich eine Handvoll Konzerne dabei die Taschen vollmacht.
Hans Krause arbeitet als gewerkschaftlicher Organizer in Berlin.