24. Dezember 2023
Am 24. Dezember 1913 gipfelte ein erbitterter Kampf zwischen der Arbeiterbewegung und den Bergbau-Baronen von Nord-Michigan in dem grausamen Tod von über 70 Gewerkschaftern und ihren Kindern. Die Tragödie veränderte die Region für immer.
Kupferbergleute in Tamarack, Michigan, posieren auf einem Haufen Abfallgestein außerhalb des Schachts, ca. 1905.
Die obere Halbinsel des US-Bundesstaats Michigan und die finnische Community, deren Nachkommen dort bis heute die Bevölkerungsmehrheit ausmachen, sind nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man an die US-amerikanische Arbeiterbewegung denkt. Und auch sonst denkt man so gut wie nie an sie.
Die sogenannte Upper Peninsula, oder UP, nimmt im öffentlichen Bewusstsein der USA eine Randstellung ein. Zwischen drei der Großen Seen gelegen, ist die UP an der Fläche gemessen fast doppelt so groß wie das Bundesland Hessen, zählt aber bloß 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner – 3 Prozent von Michigans Gesamtbevölkerung. Ihre größte Stadt, Marquette, hat eine Bevölkerung von nur 20.000 Menschen. Auf Landkarten wird die Halbinsel manchmal fälschlicherweise als Teil des südwestlich gelegenen Bundesstaats Wisconsin dargestellt – oder verschwindet sogar ganz von der Karte.
Als eines der rostigeren Segmente des US-amerikanischen »Rostgürtels« hat die UP seit dem Niedergang des Bergbaus und der verarbeitenden Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg damit zu kämpfen, menschenwürdige Arbeitsplätze zu bieten. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind heute der Tourismus und die Holzindustrie und die Perspektive auf ein besseres Leben im Landesinneren veranlasst viele junge Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Wie der Großteil der ländlichen USA ist auch die UP tendenziell stark republikanisch geprägt – vierzehn ihrer fünfzehn Wahlbezirke stimmten 2016 und 2020 für Donald Trump.
Diese konservative Haltung war jedoch nicht immer gegeben. Vor knapp über hundert Jahren beheimatete die UP eine kämpferische, proletarische Linke, die fest in den Einwanderercommunities verwurzelt war, die den Großteil der dortigen Arbeiterschaft ausmachten. Vor allem im sogenannten »Copper Country« rund um die Kupferminen auf der nördlichen Keweenaw-Halbinsel am Oberen See, der größte der Großen Seen, gaben Organisationen wie die Industrial Workers of the World (IWW) und die Sozialistische Partei Amerikas (SP) Tageszeitungen heraus, betrieben Genossenschaftsläden und Versammlungslokale und organisierten gegen die mächtigen Interessen, die alles daran setzten, die Kontrolle über die Minen und die dort arbeitenden Menschen zu behalten.
»Es gab eine Menge Geld zu verdienen für die Kapitalisten, die Land auf der UP kauften, aber nur, wenn sie das Metall aus dem Boden holen konnten.«
Der Niedergang der sozialistischen Bewegung auf der UP, an die sich außerhalb von Historikerkreisen kaum noch jemand erinnert, ist untrennbar mit einer erschütternden Episode verbunden, die der Lyriker Woody Guthrie später in seiner Ballade »1913 Massacre« verewigte: dem sogenannten »Italian Hall Desaster« von 1913, als eine Weihnachtsfeier für streikende Arbeiter und ihre Familien in Calumet, Michigan, in einer tödlichen Massenpanik endete.
Die Historiker Gary Kaunonen und Aaron Goings beschrieben das Ereignis als »makabres Ausrufezeichen einer besonders gewalttätigen Zeit in der US-amerikanischen Arbeitergeschichte« – einer Zeit, an die es sich zu erinnern lohnt, sowohl wegen der Brutalität, mit der die damalige Arbeiterbewegung in den USA bekämpft wurde, als auch wegen der Tapferkeit der Menschen, die bis zum Schluss die Stellung hielten.
Eine Karte der Kupferregion im Norden Michigans. (Wikimedia)
Das Aufblühen einer sozialistischen Massenbewegung in diesem abgelegenen Teil der USA war eng mit der Bergbauindustrie verbunden, die bald nach der Entdeckung der weltweit größten Kupfervorkommen im Jahr 1841 in Keweenaw Wurzeln schlug. Berichte darüber, wie das Halbedelmetall buchstäblich auf dem Boden lag, lösten einen Ansturm auf den Bergbau aus. Ende der 1840er Jahre war Michigan bereits der größte Kupferproduzent des Landes, dessen Nachfrage stetig stieg, als die Elektrizität Einzug in US-amerikanische Unternehmen und Haushalte hielt.
Es gab eine Menge Geld zu verdienen für die Kapitalisten, die Land auf der UP kauften, aber nur, wenn sie das Metall aus dem Boden holen konnten. Dies war leichter gesagt als getan, denn in Copper Country gab es weder eine feste Bevölkerung noch eine nennenswerte Infrastruktur. Die Region war noch nicht mit der Eisenbahn erreichbar, und die Winter, die bis zu sechs Monate dauern konnten, brachten eisige Temperaturen und heftige Schneestürme mit sich, die Bewohnerinnen und Bewohner oft tagelang einschlossen.
Um die Angebotslücke zu schließen, entsandten große Bergbaufirmen wie die Calumet and Hecla Mining Company Anwerber, um europäische Einwanderer zu rekrutieren, die die harten Bedingungen in Nord-Michigan nicht kannten und bereit waren, für weniger Geld als einheimische Arbeitskräfte zu schuften. Die erste Welle bestand aus qualifizierten Bergarbeitern aus Cornwall, die England verließen, als die heimische Bergbauindustrie zurückging und die Arbeitsplätze knapp wurden. Ihnen folgten Deutsche, Italiener, Finnen und »Austrians«, das heißt in diesem Fall Kroaten und Slowenen aus Österreich-Ungarn.
Die Bevölkerung der UP hat sich von 1850 bis 1900 in jedem Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Über die Jahre schweißte diese multiethnische Arbeiterklasse aus den verstreuten, baufälligen Arbeitersiedlungen des Copper Country ein engmaschiges Netz von Kleinstädten, das sich über neunzig Kilometer von Copper Harbor im Norden bis nach South Range und Chassell im Süden erstreckte.
»Im Jahr 1911 starben in Copper Country sechzig Bergarbeiter bei der Arbeit – mehr als einer pro Woche.«
In der Überzeugung, dass verheiratete Männer zuverlässigere Arbeitskräfte waren, bauten die Bergbauunternehmen Einfamilienhäuser, Krankenhäuser, Bibliotheken, Theater, Schulen und alle Arten von firmeneigenen Geschäften, um Familien in die Region zu locken. Gemeinden wie Hancock, Ahmeek und Calumet waren klassische »company towns«, also Firmenstädte, die den Kapitalisten gehörten, die sie aufgebaut hatten. Auch die örtliche Regierung, Presse und Polizei waren in den Händen der Bergbauunternehmen.
Die Unternehmensleitung stellte dies als eine für beide Seiten vorteilhafte Vereinbarung dar, aber für die Arbeitenden bedeutete es, dass der größte Teil ihres Lohns in Form von Miete und Lebensmitteln an das Unternehmen zurückfloss. Die Firmenstädte verschafften den Bossen auch einen entscheidenden Vorteil im Arbeitskampf, denn Arbeiter, die Ärger machten, konnten sie einfach aus ihren Wohnungen vertreiben und auf schwarze Listen setzen.
Die Zentrale der Bergbaugewerkschaft in Calumet, Michigan, 1913. (Flickr / Wystan)
Der Bergbau war schon immer ein harter Job, und das Copper Country bildete da keine Ausnahme. Die Arbeiter arbeiteten elf oder zwölf Stunden unter Tage für kaum mehr als zwei Dollar pro Tag, während Minenbetreiber wie James MacNaughton von Calumet and Hecla ein Jahresgehalt von 120.000 Dollar bezogen (das Äquivalent von knapp unter drei Millionen Euro heutzutage). Einstürze waren selten, da die Schächte in festem Gestein angelegt waren, aber von einem 500 Kilogramm schweren Felsbrocken erdrückt zu werden, war ein ziemlich häufiges Ereignis, ebenso wie Stromschläge zu erleiden oder durch die Grubenhunte verstümmelt zu werden. Im Jahr 1911 starben in Copper Country sechzig Bergarbeiter bei der Arbeit – mehr als einer pro Woche.
Die sanitären Bedingungen waren mittelalterlich. Beleuchtung und Belüftung waren schlecht bis gar nicht vorhanden und nur die saubersten Minen stellten den Arbeitern einen Eimer zur Verfügung, in dem sie ihre Notdurft verrichten konnten. Als sich einmal ein staatlicher Inspektor nach den sanitären Bedingungen in den Minen der Copper Range Company erkundigte, antwortete ein Angestellter des Unternehmens: »Es gibt keine sanitären Vorschriften, außer dass die Sohlen von Zeit zu Zeit gereinigt werden müssen.«
Die Kombination aus geografischer Isolation und Einschüchterung durch das Unternehmen mag die organisierte Arbeiterschaft in Copper Country benachteiligt haben, aber der Klassenkampf war nie weit von den Bergbaugebieten Nord-Michigans entfernt. Einer der ersten Zusammenstoße fand 1872 statt und wurde Berichten zufolge von Kadern der Internationalen Arbeiterassoziation angezettelt. Im Sommer 1895 brach in der Marquette Iron Range östlich von Copper Country ein großer Streik aus, der die Produktion für mehr als zwei Monate lahmlegte. Die Minenbesitzer gewährten schließlich kürzere Arbeitstage und höhere Löhne, um den Streik zu beenden, weigerten sich aber, die Gewerkschaft anzuerkennen – ein Knackpunkt, der in den folgenden Jahren einen Kampf nach dem anderen auslösen sollte.
»Historikern zufolge zählte keine Einwanderergruppe in den USA des frühen 20. Jahrhunderts so viele Sozialistinnen und Sozialisten in ihren Reihen wie die finnische, die rechtsgerichtete Zeitungen als ›rote Finnen‹ und ›Strauchkieferwildlinge‹ verspotteten.«
Ohne eine gesetzliche Rente, auf die sie sich stützen konnten, griffen die meisten Arbeiter in Copper Country auf Wohltätigkeitsvereine zurück, die wiederum auf gemeinsamer Sprache und Kultur basierten. Diese Gesellschaften organisierten finanzielle Unterstützung für arbeitslose Arbeiter und Witwen und boten den mittellosen Familien einen Ort, an dem sie mit Tänzen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen ihre wenigen freien Stunden genießen konnten. In einem neuen Land ohne Wohlfahrtsstaat und mit einer vergleichsweise prekären Arbeiterbewegung waren diese Vereine für viele Menschen das Einzige, worauf sie in der harten Realität des amerikanischen Arbeiterlebens zählen konnten.
Menschen, die aus Deutschland und Schweden eingewandert waren, hatten in den frühen 1860er Jahren die ersten derartigen Gesellschaften gegründet. Einwanderer aus Südeuropa folgten einige Jahrzehnte später und gründeten Organisationen wie die Società Italiana di Mutua Beneficenza, die in ihrem Hauptsitz, die Italian Hall in Calumet, Räumlichkeiten an die örtliche Sektion der Südslawischen Sozialistischen Föderation und deren Wochenzeitung Hrvatski Radnik (»Kroatischer Arbeiter«) vermietete. Besonders bemerkenswert war der Työmies Verlag in Hancock, einer Kleinstadt sechzehn Kilometer südlich von Calumet, die neben der englischsprachigen Wage Slave auch die finnischsprachige Tageszeitung Työmies (»Arbeiter«) herausgab.
Ab den 1880er Jahren wanderten Menschen aus Finnland in Scharen in die obere Halbinsel ein und stellten in den frühen 1900er Jahren die größte Einwanderergruppe dar. Historikern zufolge zählte keine Einwanderergruppe in den USA des frühen 20. Jahrhunderts so viele Sozialistinnen und Sozialisten in ihren Reihen wie die finnische, die rechtsgerichtete Zeitungen als »rote Finnen« und »Strauchkieferwildlinge« verspotteten. Ihre Genossenschaftsläden und Versammlungslokale wie die Kansankoti Hall in Hancock, wo der Työmies Verlag seinen Sitz hatte, dienten als Organisationszentren für Arbeiter aller Hintergründe.
Während Neueinwanderer den Großteil der Arbeit in den Bergwerken verrichteten, wurden qualifizierte Stellen und Leitungspositionen fast ausschließlich an Männer deutscher und cornischer Abstammung vergeben. Die Unternehmensleitung nutzte diese Hierarchie zu ihrem Vorteil, indem sie Einwanderer der zweiten und dritten Generation gegen ihre neu angekommenen Kollegen ausspielte und Arbeitskonflikte auf beeinflussbare »Ausländer« schob, die von üblen Gewerkschaftsorganisatoren getäuscht wurden.
Die sozialistischen Organisationen in Copper Country versuchten, diese Spaltungen zu überwinden, indem sie sich in einer Reihe von Sprachen organisierten und die Arbeiter trotz sprachlicher und kultureller Unterschiede zu Gewerkschaftstreffen zusammenbrachten. Im Juni 1913 nahmen beispielsweise über zweitausend Arbeiter an einer Versammlung der Calumet Miners’ Union teil, wo Reden auf »Englisch, Italienisch, Finnisch, Kroatisch und Ungarisch« gehalten wurden.
Als die Western Federation of Miners (WFM) 1908 begann, auf der UP Fuß zu fassen, gehörten zu ihrer Kadergruppe eine Reihe von Finnen wie John Välimäki und Helmer Mikko, aber auch Leute wie Teofilo Petriella, der in Calumet eine italienischsprachige sozialistische Zeitung namens La Sentinella herausgab, oder Anna »Big Annie« Clemenc, Präsidentin der örtlichen slowenischen Wohltätigkeitsgesellschaft und im Laufe des Streiks unter Gewerkschaftsanhängern in der Region als »Amerikas Jeanne d’Arc« bekannt.
Anna »Big Annie« Clemenc (Lyndon Comstock)
Die 1893 gegründete Western Federation of Miners hatte ihre Anfänge in einer Reihe von hart geführten Kämpfen um die Anerkennung der Gewerkschaften in den Bergbaugebieten von Colorado, Montana und Utah. Diese Kämpfe waren Teil einer allmählichen Intensivierung des Klassenkampfes in den USA, die zweifellos auch die Arbeiterschaft in Copper Country beeinflusste, wo die Finnische Sozialistische Föderation und andere linke Organisationen eine wichtige Rolle im Leben der arbeitenden Menschen spielten. Obwohl die Bergwerke immer noch gewerkschaftsfrei waren, starteten Belegschaften in anderen Industriezweigen des Copper Country zunehmend Organisierungskampagnen – mit Erfolg.
Gestärkt durch ihren Erfolg im Westen und in der Zuversicht, dass die Bergleute in Copper Country von der Perspektive auf einen einheitlichen, koordinierten Streik überzeugt werden könnten, begann die WFM im Jahr 1912 mit den Vorbereitungen. Sie legte vier Angriffspunkte fest: die niedrigen Löhne, die unsicheren Arbeitsbedingungen, die Einführung eines neuen Ein-Mann-Bohrers, der das Leben der Bergleute gefährdete und Arbeitsplätze vernichtete, und – am wichtigsten – die Weigerung der Arbeitgeber, die Gewerkschaft anzuerkennen.
Während des gesamten Frühjahrs 1913 fanden Aufmärsche und Kundgebungen der Arbeiterbewegung statt. Työmies berichtete über eine Kundgebung von dreitausend »Lohnsklaven« aus den Calumet- und Hecla-Minen am 10. Juni. Nur zwei Tage zuvor waren Tausende von Menschen bei einer von der Calumet Miners’ Union organisierten Massenkundgebung durch die Innenstadt marschiert.
Charles Lawton, Generaldirektor der nahegelegenen Quincy-Mine, schrieb am 18. Juni, dass »viele unserer besten Männer der Western Federation beigetreten sind und manchmal dazu gebracht werden, sich den Sozialisten anzuschließen und ihnen zuzuhören«. Zwei Wochen später wurde es kritisch: »Ich bin wieder sehr besorgt über die derzeitige Arbeitssituation. […] Die Stimmung der finnischen Arbeiter ist heute beispiellos und fast unerträglich.« Sein Kollege MacNaughton soll geschworen haben, dass »eher Gras auf den Straßen wächst, bevor C&H die Gewerkschaft anerkennt.«
»Während die Kapitalisten über die Armee und angeheuerte Schläger aus Chicago und New York verfügten, hatten die Arbeitenden eine ebenso mächtige Waffe: ihre Solidarität.«
Im selben Monat stellte die WFM ihr letztes Ultimatum: Anerkennung der Gewerkschaft und Aufnahme von Verhandlungen über ihre Forderungen oder eine unbefristete Arbeitsniederlegung. Lawton gab den Brief angeblich ungeöffnet zurück, und am 23. Juli rief die Western Federation of Miners zum Streik in ganz Copper Country auf. Regierungsberichte aus dieser Zeit beschreiben, wie Hunderte von Streikenden bewaffnet mit Stöcken, Steinen und Metallstangen Arbeiter bedrohten, die versuchten, die Minen zu betreten. Am Ende des Monats meldete Työmies, dass sich 18.460 Bergleute im Streik befanden – mehr als doppelt so viele, wie es Gewerkschaftsmitglieder in der Region gab.
Die ersten Wochen des Streiks ermutigten die Bergleute von Copper Country. Nahezu täglich zogen die Arbeiter durch die Stadt, um für Unterstützung zu werben und die Moral zu stärken. Ortsverbände der Sozialistischen Partei veranstalteten Picknicks und Kundgebungen, um Geld für den Streikfonds zu sammeln, und Solidaritätsgrüße und Spenden gingen von Gewerkschaften aus dem ganzen Land ein.
Führende Persönlichkeiten der US-Arbeiterbewegung kamen, um ihre Unterstützung zu bekunden. Mother Jones, der »Engel der Bergleute«, sprach Anfang August auf einer Massenkundgebung in Calumet und flehte die Streikenden an: »Seid Männer, meine Söhne, dann macht ihr die Minenbosse demütig.« Auch der WFM-Vorsitzende Charles Moyer kam ins Copper Country, ebenso wie die berühmte Gewerkschaftsaktivistin Ella Reeve Bloor, deren Bericht über das Massaker am Weihnachtsabend später Woody Guthrie zu seiner Ballade inspirieren sollte.
Der Optimismus, den diese Männer und Frauen empfunden haben müssen, wurde in dem Lied »The Federation Call« festgehalten, das ein örtlicher Arbeiter namens John Sullivan zu dem Anlass schrieb und in der gewerkschaftsnahen Zeitung Miners Bulletin veröffentlichte:
»The Copper Country union men are out upon a strike,
Resisting corporation rule which robs us of our rights.
The victory is all but won in this noble fight
For recognition of the union.
Hurrah, hurrah for the Copper Country strike!
Hurrah, hurrah our cause is just and right.
Freedom from oppression is our motto in this fight
For recognition of the union.«
Streikende Bergarbeiter und ihre Familien marschieren durch Calumet, 1913. (Flickr / Wystan)
Entgegen den Hoffnungen der Bergleute war der Sieg im Sommer 1913 noch lange nicht errungen. Die Unternehmen verfolgten eine Doppelstrategie: Sie schüchterten die Streikenden mit Gewalt ein und warteten darauf, dass der harte Winter auf der Keweenaw-Halbinsel ihren Willen brechen würde. Innerhalb weniger Wochen überzeugten die Minenbesitzer die Landesregierung, die Nationalgarde zu entsenden.
Diese »Michigan-Kosaken«, wie die finnischsprachige Presse sie nannte, waren zwar angeblich dazu da, den Frieden zu wahren, lösten aber gewalttätig Streikversammlungen auf und schikanierten Streikposten. Als wäre das noch nicht genug, rekrutierten die Bosse »Waffenhunde« aus Union-Busting-Firmen wie der Detektei Berghoff and Waddell, um die Beschäftigten auszuspionieren und, als sich der Streik hinzog, Gewerkschaftsbüros zu überfallen und Streikende anzugreifen oder sogar zu töten.
Während die Kapitalisten über die Armee und angeheuerte Schläger aus Chicago und New York verfügten, hatten die Arbeitenden eine ebenso mächtige Waffe: ihre Solidarität. Anna Clemenc gründete im September 1913 in Calumet eine Ortsgruppe der WFM Women’s Auxiliary, marschierte an der Spitze von Paraden und organisierte Frauengruppen, um Streikbrecher beim Betreten der Minen zu schikanieren. Clemenc selbst wurde im Laufe des Streiks dreimal verhaftet, zusammen mit Dutzenden anderer Frauen der sogenannten »Besenbrigade«, die regelmäßig Streikbrecher und Polizei mit Haushaltsgegenständen angriffen.
Doch als der Winter nahte, begannen die Streikmittel zu schwinden und die Begeisterung der Streikenden ließ nach. Die WFM reagierte, indem sie eine Reihe von »union stores« einrichtete, in denen Grundnahrungsmittel per Gutschein verkauft wurden, und begann, Tanzveranstaltungen und andere Unterhaltungsangebote drinnen zu organisieren. Die Fronten verhärteten sich auf beiden Seiten: Die Gewerkschaft weigerte sich, klein beizugeben, und die Minenbesitzer wurden in ihrer Taktik immer aggressiver. Sie rüsteten Gewerkschaftsgegner und örtliche Händler zu einer »Bürgerallianz« auf, deren gewerkschaftsfeindliche Kundgebungen und Publikationen immer gewalttätigere Töne anschlugen.
In dieser Atmosphäre beschloss die Women’s Auxiliary, am 24. Dezember 1913 eine Weihnachtsfeier für streikende Familien und ihre Kinder zu organisieren. Geschenke wurden von Organisationen aus dem ganzen Land gespendet und sollten bei einer Feier in der Italian Hall verteilt werden, dem Zentrum der sozialistischen Bewegung in Calumet und seit langem eine Zielscheibe der Bürgerallianz.
Nach fünf zermürbenden Streikmonaten war die Party eine kurze, aber willkommene Atempause in einem Arbeitskampf, von dem viele noch glaubten, dass sie ihn gewinnen könnten. In Wirklichkeit markierte sie den Beginn ihrer Niederlage.
Das Fest war wahrlich ein Spektakel, an dem nach damaligen Berichten über fünfhundert Menschen teilnahmen. Anna Clemenc war eine der Hauptorganisatorinnen und erzählte den Kindern Märchen auf der Hauptbühne. Einige Eltern setzten ihre Kinder ab und gingen auf einen Drink in die Bar im Erdgeschoss, während andere die Weihnachtsfeier mitfeierten.
»Das Massaker wird heutzutage in der Literatur oft als ›Katastrophe‹ oder ›Tragödie‹ bezeichnet, aber für die sozialistische Linke in Copper Country war es eindeutig ein gezielter Angriff, der den Streik brechen sollte.«
Was dann geschah, wird nie ganz geklärt werden – aber den meisten Augenzeugenberichten zufolge betrat am frühen Abend ein Mann, der einen Anstecker der Bürgerallianz trug, die Party und rief mehrmals »Feuer!«, bevor er sich davonschlich. Daraufhin stürzten sich Hunderte von Gästen in das enge Treppenhaus, das zum Ausgang führte. Einigen Berichten zufolge legten unbekannte Männer Gegenstände auf die Treppe, um den Weg zu versperren. Andere behaupteten, dass Polizisten und Bürgerallianz-Mitglieder vor dem Gebäude standen und die Eingangstüren geschlossen hielten.
Im Treppenhaus türmten sich Leichen, als panische Partygäste übereinander stolperten, hinfielen und in die sich windende, erstickende Masse gerieten. Als sich der Staub gelegt hatte und die Rettungskräfte die Leichen nach und nach entfernten, waren zwischen 72 und 75 Menschen gestorben, darunter 59 Kinder. Es gab kein Feuer.
Das Massaker wird heutzutage in der Literatur oft als »Katastrophe« oder »Tragödie« bezeichnet, aber für die sozialistische Linke in Copper Country war es eindeutig ein gezielter Angriff, der den Streik brechen sollte. Diese Ansicht wird durch die Abfolge der anschließenden Ereignisse gestützt.
Nach dem Massaker versuchte der WFM-Vorsitzende Moyer, die Führung in der Situation zu übernehmen, machte die Bürgerallianz verantwortlich und tat sein Bestes, um die Arbeiter hinter der Gewerkschaft zu versammeln. Fast, als wäre es geplant gewesen, stürmte zwei Tage später, während Moyer mit den Anwälten der Bergbauunternehmen verhandelte, ein wütender Mob in den Raum, schoss ihn an und verprügelte ihn bis auf die Knochen. Dann »deportierte« man ihn aus Copper Country, indem man ihn in einen Zug nach Chicago warf.
Työmies berichtete am 26. Dezember über die Geschehnisse in der Italian Hall unter der Schlagzeile »83 ermordet«. Der Miners Bulletin und andere gewerkschaftsnahe Zeitungen griffen diese Stimmung in den folgenden Tagen auf und veröffentlichten einen Bericht nach dem anderen, wonach Männer der Bürgerallianz, unterstützt von der örtlichen Polizei, sowohl die Panik verursacht als auch Unbeteiligte am Eingreifen gehindert hätten.
Nach dem Druck von eidesstattlichen Erklärungen, die die beteiligten Personen namentlich nannten, wurden der Herausgeber und mehrere Mitarbeiter von Työmies am 27. Dezember wegen Volksverhetzung ins Gefängnis geworfen. Anstatt gegen die Detekteien und Streikbrecher zu ermitteln, die mit ziemlicher Sicherheit hinter der Katastrophe steckten, nutzten die Behörden die Aufregung aus, um gegen die lästige Gewerkschaft vorzugehen, die sie für den ganzen Ärger verantwortlich machten.
Die offizielle Untersuchung der Katastrophe war eine reine Formsache. Staatsanwälte ignorierten die vielen Augenzeugenberichte, die das Unternehmen belasteten, und vermuteten stattdessen, dass die Katastrophe von den Kindern verursacht worden war.
Zwar bestritt niemand, dass jemand »Feuer!« gerufen hatte, jedoch wurde spekuliert, dass dies ein Betrunkener in der Bar im Erdgeschoss und nicht ein Mitglied der Bürgerallianz gewesen sei. Bei einer Untersuchung der Regierung Anfang 1914 wurde eine Reihe von Zeugenaussagen von Gewerkschaftssympathisanten aufgenommen. Die Suche nach dem Mann, der »Feuer!« gerufen hatte, zog sich über Monate hin, aber es kam nie zu Verhaftungen.
Der Trauerzug durch Calumet am 28. Dezember 1913. (Flickr / Wystan)
Der Trauermarsch, der am 28. Dezember in Calumet für die Opfer abgehalten wurde, war wohl eine bewegende Angelegenheit. Obwohl der von der WFM produzierte Film über den Tag leider verschollen ist, wissen wir aus überlieferten Berichten, dass 5.000 Menschen marschierten und mehr als 20.000 daran teilnahmen, darunter Hunderte von Bergleuten, die mit Sonderzügen aus der gesamten Region gekommen waren.
Die gesamte Veranstaltung wurde von der Gewerkschaft finanziert. Die Bürgerallianz und andere gewerkschaftsfeindliche Organisationen waren ausdrücklich ausgeschlossen. Ausgelöst durch eine verheerende Tragödie, bildete diese düstere Veranstaltung vermutlich die größte Massenversammlung der organisierten Arbeiterschaft in der Geschichte von Copper Country.
»Es gibt keine Statistiken über die darauffolgende Abwanderung, aber Hunderte von Familien verließen die Gegend nach 1914 auf der Suche nach besseren Löhnen und einem weniger feindseligen Klima in den Industriezentren des Mittleren Westens.«
Der Streik in Copper Country zog sich noch einige Monate hin, aber das Momentum war nun auf der Arbeitgeberseite. Clemenc erkrankte im Januar und ging nach ihrer Genesung zusammen mit Ella Bloor auf eine überregionale Vortragsreise, wodurch der Streik zweier seiner talentiertesten Agitatorinnen beraubt wurde. Moyer war mit dem Tod bedroht worden, sollte er jemals nach Keweenaw zurückkehren, und blieb ebenfalls fern.
Im Januar waren bereits achttausend Männer wieder an die Arbeit gegangen, und als der Winter in den Frühling überging, war klar, dass die Streikenden nicht mehr lange durchhalten würden. Die Bergbauunternehmen boten den Arbeitern, die noch ausharrten, einen Achtstundentag und bessere Löhne unter der Bedingung, dass sie ihre WFM-Mitgliedschaften ablegten. Am 14. April stimmte schließlich eine überwältigende Mehrheit für die Wiederaufnahme der Arbeit und beendete damit den Streik, ohne die Anerkennung ihrer Gewerkschaft zu erreichen.
Das Trauma des Weihnachtsabends in Verbindung mit einer solch bitteren Niederlage war für viele Menschen schlicht zu viel. Es gibt keine Statistiken über die darauffolgende Abwanderung, aber Hunderte von Familien verließen die Gegend nach 1914 auf der Suche nach besseren Löhnen und einem weniger feindseligen Klima in den Industriezentren des Mittleren Westens. Der Työmies Verlag zog nach Superior, Wisconsin, und bildete später die finnische Sektion der Kommunistischen Partei. Anna Clemenc zog nach Chicago, wo sie ein ruhiges Leben abseits der Gewerkschaftsbewegung führte.
Zurück in Copper Country festigten Gruppen wie die Bürgerallianz und die neu gegründete Antisozialistische Liga ihren Einfluss auf die Kommunalpolitik, während die Ereignisse jenes Weihnachtsabends jahrzehntelang aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängt wurden. Die Bergbauunternehmen erkannten die Gewerkschaft erst 1939 an, auf Druck der gewerkschaftsfreundlichen Regierung von US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Der Bergbau selbst wiederum wurde bis 1968 fortgesetzt, als der neue Inhaber, Universal Oil Products, auf einen erneuten Streik der Bergleute reagierte, indem er sämtliche Minen schloss und stilllegte. Seitdem ist die gesamte Region weitgehend deindustrialisiert.
Die Italian Hall wurde 1984 abgerissen – angeblich, weil eine Renovierung zu viel gekostet hätte. Manche behaupten aber, es sei auch politisches Kalkül gewesen – ein Versuch, die Erinnerung an dieses besonders brutale Kapitel in der Geschichte der Stadt auszulöschen. Heute sind nur noch der Torbogen des Gebäudes und eine von den Gewerkschaften gestiftete Gedenktafel geblieben. Sie trägt die Worte von Mother Jones: »Betet für die Toten, kämpft für die Lebenden.«
Loren Balhorn ist Editor-in-Chief von JACOBIN.