30. März 2023
Während der Westen wegschaut, leiden die Menschen des von Indonesien besetzten Landes unter brutaler Repression.
»Seit Beginn der Besatzung wurden in Westpapua insgesamt fast 450.000 Menschen getötet.«
Infografik: Markus StumpfWestpapua hat den drittgrößten Regenwald der Welt, ist eine der artenreichsten Regionen und beheimatet eine Vielzahl indigener Stämme und Sprachen. Es ist auch der Schauplatz eines langen, aber kaum bekannten Kampfes um Unabhängigkeit. In den 1960er Jahren wurde Westpapua von einem kolonialen Besatzer, den Niederlanden, an einen anderen übergeben, Indonesien. Seitdem kämpft die westpapuanische Bevölkerung gegen die indonesische Herrschaft.
Laut einer Schätzung von Amnesty International hat das indonesische Militär in dieser Zeit mindestens 100.000 Westpapuanerinnen und Westpapuaner getötet; andere Schätzungen gehen von einer noch höheren Opferzahl aus. Die Bevölkerung Westpapuas hat systematische rassistische Diskriminierung und Landraub erlitten. Die globalen Bergbau-, Palmöl- und Holzkonzerne, die in ihrem Land Geschäfte machen, vernichten unersetzliche natürliche Lebensräume. Doch durch den Ausschluss der internationalen Medien sind diese Vorkommnisse weitgehend vor der Außenwelt verborgen geblieben.
Benny Wenda wuchs in einem abgelegenen Dorf des Stammes der Lani auf, das sich in den 1970er Jahren gegen die indonesische Besatzung auflehnte. Die brutale Repression, die darauf folgte, einschließlich der sexuellen Gewalt, die seinen weiblichen Verwandten angetan wurde, bezeugte er mit eigenen Augen. Während seines Studiums begann Wenda, sich mit der verdrängten Geschichte seines Landes und seiner Kultur auseinanderzusetzen und organisierte Arbeitskreise zu diesen Themen. Schließlich wurde er eine der Führungsfiguren der Unabhängigkeitsbewegung Westpapuas.
Im Jahr 2002 wurde er unter fadenscheinigen Vorwürfen inhaftiert, gefoltert und in Isolationshaft gehalten. Es gelang ihm, seiner 25-jährigen Haftstrafe zu entfliehen und politisches Asyl in Großbritannien zu erhalten. Derzeit ist Wenda der Vorsitzende des Verbands United Liberation Movement for West Papua (ULMWP), der 2014 gegründet wurde, um die drei zentralen politischen Organisationen, die für die Unabhängigkeit Westpapuas kämpfen, zusammenzuführen.
Die ULMWP reichte 2019 eine Petition mit 1,8 Millionen westpapuanischen Unterschriften – das sind 70 Prozent der Bevölkerung – bei den Vereinten Nationen ein und forderte Selbstbestimmung. Im Jahr 2020 verkündete die Bewegung, dass sie eine provisorische Regierung für Westpapua bilden werde, mit Wenda als Interimspräsident.
Auf dem Klimagipfel in Glasgow 2021 stellte die ULMWP ihre »Grüne Staatsvision« vor. Deren Ziel ist es, Westpapua zum »ersten grünen Staat der Welt« zu machen. Dazu sollen Ökozide unter Strafe gestellt werden und alle in Westpapua tätigen Bergbauunternehmen eine »Mahnung« erhalten. Im Interview mit JACOBIN spricht Wenda über Geschichte, Gegenwart und Zukunft seines Landes.
Warum endete die niederländische Kolonialherrschaft in Westpapua nicht zur gleichen Zeit wie in Indonesien, im Jahr 1949? Und wie kam es dazu, dass Westpapua heute unter indonesischer Besatzung steht?
Sowohl Indonesien als auch Westpapua waren niederländische Kolonien. Nachdem Indonesien seine Unabhängigkeit erlangt hatte, argumentierten die Niederlande, dass Westpapua gesondert zu behandeln sei. Seine Bevölkerung unterscheide sich kulturell, sprachlich und geografisch von der Indonesiens. Nach der indonesischen Unabhängigkeit hielten die Niederlande noch über ein Jahrzehnt lang an Westpapua fest. Dann, 1960, bereiteten sie sich darauf vor, uns unabhängig werden zu lassen. Der Niederländisch-Neuguinea-Rat wurde gegründet und die Flagge Westpapuas offiziell anerkannt.
Indonesien widersprach: »Der Rest der niederländischen Kolonie, einschließlich Westpapua, gehört uns.« Aber die Niederlande bestanden darauf, dass Westpapua eigenständig sei. Dann schlug die indonesische Führung einen anderen Kurs ein. Es war die Zeit des Kalten Krieges – darin sah sie eine Gelegenheit, die USA, Großbritannien und andere europäische Länder zum Umdenken zu bewegen.
Sie drohte: »Wenn ihr uns Westpapua nicht gebt, werden wir uns im Kalten Krieg euren Gegnern anschließen.« Die Kommunisten waren damals zu einer wichtigen politischen Kraft in Indonesien geworden, was die westlichen Großmächte als eine Bedrohung ansahen. Indonesien hatte mit dieser Strategie Erfolg und erhielt Washingtons Unterstützung für seinen Anspruch auf Westpapua.
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Benny Wenda ist der Vorsitzende des Verbands United Liberation Movement for West Papua (ULMWP).