13. Dezember 2021
Die Atlantik-Brücke ist kaum bekannt. Dabei hat die Organisation den außenpolitischen Kurs Deutschlands während des Kalten Krieges immens beeinflußt. JACOBIN hat mit der Historikerin Anne Zetsche über ihr Wirken bis heute gesprochen.
Der Adenauer-Vertraute Erik Blumenfeld (CDU) zählte zu den maßgeblichen Initiatoren der Atlantik-Brücke.
Deutschlands Mitgliedschaft in der NATO genauso wie dessen enge außenpolitische Bindung an die USA erscheinen heutzutage fast selbstverständlich. Abgesehen von dem sanften deutschen »Nein« zum amerikanischen Einmarsch in den Irak 2003 gab es seit 1945 kaum einen Moment, in dem die Bundesrepublik die US-Außenpolitik nicht stützte. Trotz der Drohungen von Donald Trump, das US-Militär aus Deutschland abzuziehen, sind heute beinahe 40.000 US-Soldatinnen und US-Soldaten im Land stationiert. In nahezu allen internationalen Organisationen, allen voran der NATO, sind Deutschland und die USA enge Partner.
Doch das war nicht immer so. Trotz der Auswanderungswelle in der Zeit um die 1840er Jahre, in der Deutsche massenhaft in die USA emigrierten, und der nicht zu unterschätzenden kulturellen Nähe der beiden Länder waren sie jahrzehntelang außenpolitische Kontrahenten. Erst nach der Kapitulation Nazideutschlands 1945 und der Gründung der Bundesrepublik 1949 begann sich die Allianz zwischen Deutschland und den USA zu formieren.
An dieser Entwicklung hatten Organisationen wie die Atlantik-Brücke mit ihrem derzeitigen Vorsitzenden Sigmar Gabriel und der Anfang der 1950er Jahre gegründete American Council on Germany (ACG) einen entscheidenden Anteil. Die Historikerin Anne Zetsche hat mit The Atlantik-Brücke and the American Council on Germany eine kritische Studie vorgelegt, die den politischen Einfluss dieser Vereine untersucht. Warum die Selbstverständlichkeit der deutsch-amerikanischen Partnerschaft trügerisch ist und welche Rolle diese Organisationen auch heute noch spielen, erklärt sie im Interview.
Dein Buch beschreibt, wie die Eliten der USA und Westdeutschlands in der Nachkriegszeit die Wiederannäherung der beiden Staaten vermittelten. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Atlantik-Brücke und der American Council on Germany. Was sind das für Organisationen und wer steckt dahinter?
Mein Buch untersucht die Geschichte der Atlantik-Brücke und ihrer Schwesterorganisation, der American Council on Germany (ACG), von 1949 bis 1974. Die Atlantik-Brücke und auch der ACG sind Organe der transatlantischen Elitenvernetzung und -koordination, wobei sie auch im innenpolitischen Bereich wichtige vermittelnde und integrierende Funktionen haben. So bringt insbesondere die Atlantik-Brücke die Arbeitgeberseite mit den Gewerkschaften zusammen und auch Politikerinnen und Politiker aller etablierten Parteien sowie Diplomaten, ehemalige Militärs und Medienschaffende.
Im aktuellen Vorstand der Atlantik-Brücke sitzen Vertreterinnen und Vertreter der SPD, der CDU, der Grünen und der FDP, von großen nationalen und internationalen Unternehmen und auch des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Insofern funktionieren die Atlantik-Brücke und der ACG als Scharniere, die Eliten verschiedener gesellschaftlicher Gruppen miteinander verbinden. Die Funktion und Rolle solcher Organisationen ist insofern wichtig, als dass sie die künstliche Trennung zwischen öffentlichen, staatlichen und privaten Strukturen aufheben.