03. Oktober 2020
Mit der Einheit wurde ein Wirtschaftswunder versprochen. Tatsächlich erlebte der Osten einen ökonomischen Zusammenbruch, von dem sich die Region bis heute nicht erholt hat. Über die Spätfolgen eines überhasteten, neoliberalen Großexperiments.
Kundenschlage vor einer Filiale der Genossenschaftskasse in Gera am Tag der Währungsreform.
Soziale Marktwirtschaft hat sich als ganz gewöhnlicher Kapitalismus entpuppt«, damit entließ Hans Modrow die Leser des Offenen Blattes in das Jahr 1993. Die Desillusionierung des Reformers und kurzzeitigen DDR-Staatsoberhaupts kam nicht von ungefähr.
Als »redlicher Verwalter« des frühen »Übergangsprozesses in der DDR«, wie ihn die Grünen-Politikerin Antje Vollmer im Februar 1990 nannte, hatte Modrow aus nächster Nähe erlebt, wie reformorientierte Initiativen der DDR durch die machtpolitischen Interessen der Bundesregierung im Keim erstickt wurden. Kritikerinnen in der BRD und DDR wurden als Verräter des Einheitsgedanken missachtet. Modrow war dabei und wurde als späterer Bundestagsabgeordneter einer der schärfsten Kritiker der Einheits- und Wirtschaftspolitik der Regierung Kohl. Diese setzte auf die D-Mark des freien Marktes – mit katastrophalen Folgen für ganz Deutschland. Ein Blick auf die deutsch-deutschen Verhandlungen 1989/90 gibt Aufschluss darüber, warum strukturelle Abhängigkeiten die Ost-West-Beziehungen Deutschlands bis heute bestimmen.
Im Herbst 1989 wurde der Ruf nach Wirtschaftsreformen in der DDR lauter. Die Mitarbeitenden der DDR-Blockparteizeitung Der Morgen schrieben intern im Oktober 1989, dass »viele der anzupackenden Probleme in unserem Lande mit knallharter Ökonomie zu tun« haben. Eckpfeiler aller Reformanstrengungen in der DDR war daher die Wirtschaftspolitik. Auch auf oberster Regierungsebene wurde das eingesehen. Am 1. November 1989, kurz nach der Absetzung Erich Honeckers, reiste der neue Staatsratsvorsitzende Egon Krenz nach Moskau. In einem vertraulichen Gespräch mit Michail Gorbatschow gab er, laut Protokoll, zu, dass Beschlüsse des neunten Parteitags der SED nicht »auf einer realen Einschätzung der Lage« basiert hätten. »Bei der Lösung ökonomischer Fragen«, sei man vielmehr von »subjektiven Auffassungen« ausgegangen. So seien Schlüsse gezogen worden, die völlig an den nationalen und internationalen Realitäten vorbeigingen. Jetzt sei die Katastrophe im eigenen Land kaum mehr aufzuhalten. Acht Tage später fiel die Berliner Mauer.
Bereits am folgenden Tag kursierte in der Bundesanstalt für gesamtdeutsche Aufgaben ein 75-seitiger Bericht, der die Ziele der wichtigsten DDR-Oppositionsgruppen zusammenfasste. Sie alle hielten an der »Sonderexistenz der DDR« fest, »d.h. an einer Vision von einem zu errichtenden demokratischen Sozialismus auf deutschen Boden mit garantierten Freiheitsrechten«. Darin waren sie sich einig – ein Umstand, der oft vergessen wird.
Wirtschaftsreform hieß hier die »Schaffung eines Mischsystems«, also ein »Einbau marktwirtschaftlicher Elemente in eine entbürokratisierte, demokratischer Kontrolle unterworfene [staatliche] Rahmenplanung«. Ausgehend von »radikaldemokratischen und sozialistischen Überlegungen« sollte der Staat entschlackt und soziale Gerechtigkeit wieder in den Vordergrund einer demokratisierten Sozial- und Wirtschaftspolitik geschoben werden. Am 1. Dezember hob die Volkskammer dann das Machtmonopol der SED auf, zwei Tage später traten Krenz, das Politbüro und das ganze Zentralkomitee zurück. Hans Modrow, ein früher Kritiker Honeckers in der SED-Führung, wurde de facto zum Staatsoberhaupt der DDR. Am 7. Dezember formierte sich der oppositionelle basisdemokratische Runde Tisch, der von Modrow zunächst ignoriert wurde. Wenig später arbeitete Modrow mit dem Runden Tisch als »Schule der Demokratie« zusammen. Der Grundtenor blieb jedoch derselbe: demokratische Reformen, nicht Einheit.
Auf bundespolitischer Ebene sah es schon frühzeitig anders aus. »Die Forderung nach Selbstbestimmung der Deutschen in der DDR sei vollkommen richtig«, hieß es beispielsweise auf einer FDP-Präsidiumssitzung Mitte November 1989, doch »davor gehöre aber der Satz, daß die FDP die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten anstrebe«. Auch Kohls Zehn-Punkte-Programm Ende November sah eine stufenweise Einheit vor, was für den FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff ein »deutliches Ja der DDR zur Marktwirtschaft« bedeutete.
In der Deutschlanddebatte im Bundestag Mitte Januar forderte der Chef des Bundeskanzleramtes Rudolf Seiters dann dementsprechend eine Vertragsgemeinschaft mit der DDR, mit dem Ziel der deutschen Einheit. Die Reformkräfte der DDR und Kritikerinnen und Kritiker der BRD erhoben dagegen Einspruch und baten um Zeit. DDR-Reformer wollten einen anderen Staat, Kritikerinnen in der BRD kein geeintes Deutschland mit desaströser Zukunft. Zur Diskussion am Runden Tisch standen somit eine Vertragsgemeinschaft, beruhend dem Grundlagenvertrag von 1972, und eine Konföderation beider deutschen Staaten.
Den Hintergrund dieser Diskussionen bildeten neben der instabilen Lage der DDR auch mehrere Treffen zwischen Modrow und Kohl. In Vorbereitung auf Kohls Besuch in Dresden am 19. Dezember 1989 notierte Modrow, »es darf keine Enttäuschung über dieses Treffen geben, weil darin die Gefahr einer Zunahme sozialer Unruhen als Folge politischer und sozialer Unsicherheit läge«. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, »dass von seiten der BRD auf eine Zunahme der Instabilität der DDR gewartet wird, statt wirksame, also rasche Unterstützung zu geben«.
Die Liste der Sorgen war lang: die Wirtschaftslage, Auswanderung, das Ost-West-Währungsgefälle. Letzteres würde sich mit der Einführung des visumsfreien Reiseverkehrs Anfang 1990 gegen die DDR richten und zu einem »verstärkten Rückfluss spekulativen Geldes in die DDR [...] einschließlich Folgen der Schwarzarbeit« führen. Modrows Plan war deshalb eine Vertragsgemeinschaft und ein Lastenausgleich für die Reparationszahlungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg ausschließlich von der DDR geleistet worden waren. Mit einer Zahlung von 15 Milliarden D-Mark in den Jahren 1990 und 1991 sollte die BRD ihren Teil dazu beitragen. Im Gegenzug sollte sich die DDR verpflichten, vor allem den westdeutschen Absatzmarkt zu nutzen. Auf dem Treffen sicherte Kohl Hilfe zu. Das Resultat des Treffens war die Schaffung deutsch-deutscher Expertengruppen zu politischen und wirtschaftlichen Problemen.
Kurz danach, im Januar 1990, mahnte Modrow, die verschlechterte Lage in der DDR sei »besorgniserregend«. Das politische Eigeninteresse verschiedener Gruppierungen in DDR und BRD müsse dem Ziel sozialer Stabilisierung weichen. Modrow versuchte, die am Runden Tisch versammelte Opposition in die Regierungsverantwortung einzubinden, nahm dafür an drei Treffen des Runden Tisches teil, und machte acht seiner Mitglieder zu Ministern. Eine Konsequenz dieser Kooperation waren vorgezogene Wahlen auf den 18. März 1990. Ende Januar verabschiedete jedoch auch Modrow einen Vier-Stufen-Plan zur »Bildung eines einheitlichen deutschen Staates«.
Zum zweiten Kohl-Modrow-Treffen in Bonn Anfang Februar unterstrich der Bundeskanzler dann, dass er mit einem beschleunigten Einigungsprozess rechne. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sei die Vorstellung einer Vertragsgemeinschaft überholt, es bräuchte nun eine Währungs- und Wirtschaftsunion. Ohne eine schnelle Währungsentscheidung werde es zu keiner Beruhigung kommen, erklärte Kohl in einem Vier-Augen-Gespräch mit Modrow. Laut Protokoll ging es Kohl vor allem um eines: »Die DM solle als stärkstes ›Aktivum‹ zur Beruhigung der Lage eingesetzt werden. Das erfordere in der DDR konsequente Wirtschaftsreformen zur Einführung der sozialen Marktwirtschaft.«
Modrow und der Runde Tisch waren dagegen. Sie argumentierten, das Ziel könne nicht ein voreiliger Anschluss sein, die DDR-Bürger müssten ihre Rechte behalten. Kohl habe trotz wiederholter öffentlicher Zusagen bisher keine Unterstützung geleistet, die hohen Erwartungen der Bevölkerung enttäuscht und so Unsicherheiten verstärkt. Diese »Hinhaltetaktik« und das Propagieren einer schnellen Währungsunion schürten, laut Modrow, willentlich oder nicht, eine öffentliche Meinung zur übereilten Einigung. Berichten über dieses Treffen nach zufolge, war es für den Runden Tisch dagegen »offensichtlich, dass manche Kräfte in der BRD gegenwärtig Kurs auf eine bewusste Verschärfung der Probleme in der DDR nehmen«, um eigene Interessen durchzusetzen. Er warnte erneut vor einer voreiligen Währungsunion – die DDR müsse in erster Linie eigene Lösungen für Wirtschaftsreformen finden. Das, so betonte Modrow, sei »der übereinstimmende Wille von Regierung und Rundem Tisch«.
Dieser Wille wurde ignoriert. Der Journalist Walter Süß schrieb im März 1990 in der taz, es handele sich um eine »demonstrative Missachtung der Regierung Modrow durch Bonn«, denn, wie Antje Vollmer ebenfalls in der taz kritisierte, behandle man die DDR-Regierung »als wäre sie nicht mehr existent«. Am 7. Februar 1990 machte das Bonner Kabinett dann die Übernahme des westdeutschen Wirtschafts- und Rechtssystems zur Voraussetzung für eine Währungsunion mit der DDR. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP) forderte dementsprechend von der DDR ein »uneingeschränktes Bekenntnis« zu »reinrassigem Privateigentum« und wies Modrows Kritik zurück. Mit »der Deutschen Mark im Gepäck zurückzukehren, ist eines der größten Geschenke«, so Haussmann. Schon in der folgenden Woche nahmen die Expertentreffen für die Währungs- und Wirtschaftsunion ihre Arbeit auf.
Kritische Stimmen waren rar. Westdeutsche Politiker waren, wie die taz schrieb, »entsetzlich optimistisch« und erwarteten, wie etwa die SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier, ein »zweites Wirtschaftswunder«. Allerdings gab es auch Wirtschaftsexperten wie Elmar Altvater, die vor den »ökonomischen Folgen des hastigen Anschlusses der DDR an die BRD« warnten. So sprach sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung klar gegen eine Währungsunion aus. In einem Brief an Kohl vom 9. Februar 1990 stellte er fest, dass die schnelle Einführung der D-Mark keine langfristigen Vorteile für die DDR bringen würde, sondern das Gegenteil. In einem offenen Brief warnten Altvater und andere Experten:
»Der rasche wirtschaftliche Anschluss der DDR wäre ein Abenteuer nicht mit ungewissem, sondern sehr gewissem Ausgang: mit dem Zusammenbruch großer Teile der DDR-Wirtschaft, die ohne den Schutz eigener Währung mit niedrigem Wechselkurs nicht international konkurrenzfähig wären. Es wird offenbar bewusst kalkuliert, dass die gewaltigen sozialen Kosten eines raschen Anschlusses dem alten System angelastet werden können.«
Damit würde ein »(bi-)nationales Desaster« heraufbeschworen und die Einheit zu einem »unkontrollierten Großexperiment« verkommen. Die Kosten lägen in einer Größenordnung, »die kaum zu bewältigen« seien. Auch Kurt Hübner, offen kritischer Politikwissenschaftler, warnte vor den Folgen der sofortigen Währungsunion. Sie würde noch bestehende Schutzmechanismen beseitigen, die der ökonomischen Degradierung und der sozialen Polarisierung entgegenwirkten. Die Folge wäre der unmittelbare Verfall der DDR-Mark. Die Öffnung des Marktes würde »die DDR-Wirtschaft wie einen Schock treffen« und Billiglöhne, einen Einbruch der Industrie und »eine Situation der abhängigen Entwicklung« für die DDR zur Folge haben. Denn, so die Kritiker, versprochene Kapitaltransfers aus der BRD führten zur Übernahme von DDR-Eigentum durch private BRD-Unternehmen. Daher läge die Beschleunigung des Anschlusses »nur im Interesse der Spekulanten«, die versuchten, »sich die besten Stücke aus dem Kuchen der DDR herauszuschneiden«. Einen »Investitionsboom« könne es, wenn überhaupt, nur geben, wenn die DDR-Wirtschaft intakt bliebe und »unter sozialer Kontrolle umstrukturiert« würde. Möglichkeiten hier dafür böten etwa ein Finanzausgleich oder ein Entwicklungsfond, außerdem »gezielte ökonomische Schutzmaßnahmen« mit einer gesicherten DDR-Währung.
Solche Szenarien und Analysen erregten, so Hübner rückblickend, zwar öffentlich Aufmerksamkeit, seien aber »von politischen Parteien […] als Verrat an der deutschen Einheit wahrgenommen« worden. Damit wurde die Kritik im Keim erstickt und die Agenda Kohls erschien alternativlos, was laut Modrow »vordergründig politischem Ehrgeiz« geschuldet war. Ohne ein wirtschaftspolitisches Konzept zu haben vertraute die Bundesregierung ganz auf den Markt und hoffte auf das Wohlwollen des westdeutschen Privatsektors in der ostdeutschen Wirtschaft. So ließ sie man die Bevölkerung der DDR und der BRD im Dunkeln über den vollen Umfang und die langfristigen Folgen.
Wie von Kritikern vorhergesagt, wurde mit der Einführung der Marktwirtschaft am 1. Juli 1990 (also der Schaffung der Wirtschafts- Währungs- und Sozialunion) und der anschließenden politischen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 die bis dahin abgeschottete DDR-Wirtschaft schlagartig dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Schnell zeichnete sich ab, dass industriell gefertigte DDR-Produkte hinsichtlich ihrer Ausstattung, Qualität und Preis nicht mit Produkten aus westlicher Produktion konkurrieren konnten. Waren sie zuvor noch exportiert worden, dann nur zu deutlich geminderten Preisen. Das machte den Verkauf ostdeutscher Produkte auf westlichen Märkten faktisch unmöglich. Gleichzeitig brachen auch die osteuropäischen Märkte durch die dortigen Systemtransformationen schlagartig weg. Sie waren bis dahin ein sicherer Absatzmarkt für DDR-Produkte gewesen. Nach der deutschen Einheit wurden dann auch die Tariflöhne schnell angehoben. Das verschlechterte die Kostensituation ostdeutscher Unternehmen zusätzlich, nicht zuletzt auch wegen des hohen Personaleinsatzes. Laut Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz war es »daher offenkundig, dass ein Großteil der existierenden DDR-Betriebe über kurz oder lang aus dem Markt würde ausscheiden müssen«.
Zwischen 1989 und 1991 erlebte die DDR-Industrie somit einen dramatischen Niedergang mit entsprechend negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Bis zum Jahr 1991 sank die Zahl der Arbeitsplätze im Verarbeitenden Gewerbe von ehemals 3,3 Millionen auf 1,7 Millionen. Bis zum Jahr 1995 fiel die Industriebeschäftigung dann nochmal um weitere 800.000 ehemals Beschäftigte und war damit auf rund ein Viertel des DDR-Niveaus geschrumpft. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verloren im Osten Deutschlands zwischen 1989 und 1991 insgesamt mehr als 2,5 Millionen Menschen ihre Arbeit, die Gesamtzahl der Erwerbstätigen ging von fast 9 Millionen auf etwa 6,7 Millionen zurück. Dem folgte eine massive Arbeitskraftabwanderung und damit ein demographischer Wandel. Wer konnte ging zum Arbeiten in die alten Bundesländer. Die öffentliche Hand reagierte zwar mit umfassenden Transferzahlungen und dem Einsatz aufwendiger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, deren Kosten die Steuerzahler der alten Bundesländer übernahmen. Dem massiven Strukturbruch im Osten Deutschlands konnte das aber wenig entgegensetzen.
Wie viele andere kommt aber auch Ragnitz zu dem Schluss, dass diese Entwicklung unvermeidlich gewesen sei. Die DDR-Wirtschaft sei nach Einführung der Marktwirtschaft aufgrund »mangelnder Modernisierung der Betriebe in DDR-Zeiten sowie den anfangs schlechten infrastrukturellen Bedingungen« in sich zusammengebrochen. »Zu einem kleinen Teil« seien auch Fehler im Vereinigungsprozess gemacht worden, so wie etwa bei »der überhasteten Einführung der D-Mark«. Blickt man allerdings auf die Ereignisse 1989/90 zurück, so bietet sich ein anderes Bild. Die wirtschaftliche Katastrophe im Osten Deutschlands in den 1990ern war nicht zuletzt die konsequente Folge der Einigungspolitik der Bundesregierung: Sie baute auf den Markt und machte die Übernahme westdeutscher Strukturen zur ordnungspolitischen Bedingung. Die Priorität der Bundesregierung war dabei, etablierte Strukturen der BRD nicht zu gefährden; es ging nicht darum, eine unabhängige und damit konkurrenzfähige Wirtschaftsregion Ost aufzubauen.
Letztlich bildete damit der BRD-Standard den Reformhorizont der DDR. Die Folgen dieser Prioritätensetzung als gegeben abzutun, wird der historischen Realität nicht gerecht – vor allem deshalb nicht, da strukturelle Abhängigkeiten die Ost-West-Beziehungen Deutschlands bis heute bestimmen. Das zeigt sich etwa in der geringeren Erwerbstätigkeit und höheren Arbeitslosigkeit im Osten bei gleichzeitig höherer Besitz- und Firmenbeteiligungen im Westen. Hier muss selbstkritisch auf damalige wirtschaftspolitische Interessen und nach den aktuellen Konsequenzen dieser Interessendurchsetzung gefragt werden.
Eine frühere Fassung dieses Beitrags erschien zuerst beim Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.
Mandy Tröger, 1980 in Ost-Berlin geboren, hat 2018 am Institut of Communications Research der University of Illinois at Urbana Champaign zur Transformation der DDR-Medienlandschaft 1989/1990 promoviert. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München.