07. November 2021
Verleger, Filmproduzent, Netzwerker, Kommunist: Willi Münzenberg baute in den 1920er Jahren ein linkes Medienimperium auf, das sich als gewichtiger Gegenpol zur rechten und bürgerlichen Presse etablierte und die Massen erreichte.
Die erste Ausgabe der Arbeiter-Illustrierten Zeitung (AIZ), die am 7. November 1921 erschien, war wahrlich kein Meisterwerk. Das musste auch die spätere Chefredakteurin Lilly Becher zugeben. Was als Blatt mit »grauen, schmucklosen Seiten« und »technisch höchst mangelhaften Fotos« begann, entwickelte sich binnen weniger Jahre zu einem der bedeutsamsten Printmedien der Weimarer Republik: Spektakuläre Bilder, informative Grafiken und eine klare politische Haltung machten die AIZ zur vielgelesenen Alternative zu den Presseerzeugnissen der bürgerlichen Medienhäuser. Ende der 1920er Jahre soll die Auflagenhöhe der AIZ schon bei mehr als einer Million gelegen haben.
Eine maßgebliche Rolle für den Aufstieg der AIZ spielte ihr Herausgeber, der Kommunist Willi Münzenberg. Die Zeitschrift, die anfangs noch den Titel Sowjet-Russland im Bild trug, war keineswegs sein einziges Projekt. In den 1920er Jahren baute er ein Geflecht aus Medienunternehmen auf, das kommunistisch ausgerichtete, aber dennoch parteipolitisch unabhängige und wirtschaftlich eigenständige Agitation und Propaganda publizierte.
»Roter Medienzar« oder gar »roter Millionär« wird Münzenberg deshalb gelegentlich noch genannt. Den eigentlichen Charakter seines Engagements treffen diese Bezeichnungen jedoch nicht: Weder agierte der Medienmacher aus Profitstreben noch trieb ihn die Geltungssucht. Vielmehr versuchte er, einem Millionenpublikum kommunistische Ideen nahezubringen – und dafür auch breite politische Bündnisse aufzubauen. Treffender wäre es, ihn als »roten Netzwerker« zu beschreiben, was auch den Charakterisierungen durch seine Weggefährten näher kommt. Arthur Koestler oder Margarete Buber-Neumann rühmten Münzenberg etwa als genialen Organisator und charismatischen Redner, dem es mit Charme und hoher persönlicher Glaubwürdigkeit gelang, Intellektuelle, Künstlerinnen und Künstler für die kommunistische Bewegung zu gewinnen. Für den Historiker Mario Kessler war Münzenberg der vermutlich »brillanteste selbstständig gebildete Arbeiterintellektuelle, den der deutsche Kommunismus hervorgebracht hatte«.
Geboren wurde Münzenberg am 14. August 1889 in Erfurt als Sohn eines Gastwirts. Die Mutter starb früh und seine Kindheit war von häufigen Orts- und Schulwechseln geprägt. Im Alter von 17 Jahren trat er einem sozialistischen Arbeiterbildungsverein bei. Eine Friseurlehre brach Münzenberg ab und arbeitete in einer Schuhfabrik. Die anschließende Walz führte ihn 1910 nach Zürich. Dort redigierte er ab 1912 für den Zentralvorstand der Sozialdemokratischen Jugendorganisation der Schweiz die Zeitschrift Die Freie Jugend, drei Jahre später wählte ihn das Büro der Sozialistischen Jugend-Internationale zum Sekretär. In dieser Funktion gehörte er der sogenannten Zimmerwalder Linken an, einem internationalen Zusammenschluss sozialistischer Gegnerinnen und Gegner des Ersten Weltkriegs. Hier kam er auch in Kontakt mit einem Kreis russischsprachiger Emigrantinnen und Emigranten um Lenin.
Nach mehrfachen Inhaftierungen schob ihn die Schweiz im November 1918 nach Deutschland ab, wo gerade die Revolution begonnen hatte. Massenproteste von Arbeitenden und Soldaten hatten den Kaiser gestürzt, das Ende des Krieges eingeleitet und einer parlamentarischen Demokratie den Weg geebnet. In Stuttgart beteiligte sich Münzenberg aktiv an der Revolution, in Berlin trieb er 1919 die Gründung der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI) voran und übernahm deren Vorsitz. Doch im Streit über das Verhältnis zu den »Mutterparteien« und um den zukünftigen Sitz des Sekretariats – Berlin oder Moskau – verließ er die KJI zwei Jahre später schon wieder.
Nun zahlte sich die Bekanntschaft mit Lenin aus, der Münzenberg damit beauftragte, die Koordinierung der internationalen Hilfe für die von einer verheerenden Hungersnot in Russland Betroffenen zu übernehmen. Die zu diesem Zweck gegründete Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) entwickelte sich schon bald zu einem weltumspannenden Solidaritätsnetzwerk der Arbeiterbewegung, das sich als eine »Unterstützungs- und Proviantkolonne des kämpfenden Proletariats« verstand. Ab 1923/24 verlagerte es seine Aktivitäten zunehmend auf die krisengeschüttelten kapitalistischen Länder: Einen Schwerpunkt bildete Deutschland. Mit Sammelaktionen, Suppenküchen und Streikhilfen mobilisierte die IAH die Massen, schmiedete breite Bündnisse und verknüpfte lokale mit internationaler Solidarität.
Nach Krieg und Revolution erlebte die deutsche Gesellschaft in den 1920er Jahren den Aufschwung einer konsum- und freizeitorientierten Massenkultur: Leuchtkörper und Reklamen prägten das Stadtbild der Metropolen, Sportveranstaltungen und Konzerte konnten mit Hilfe neuer Rundfunkgeräte übertragen werden, und täglich besuchten etwa 2 Millionen Menschen die Lichtspieltheater des Landes. Zeitungen mit ihren Morgen-, Mittags- oder sonstigen Sonderausgaben beschleunigten den Puls dieses neuen großstädtischen Lebens. Sie erschienen in Millionenauflagen.
Neben die beiden großen Berliner Verlage Mosse und Ullstein trat ein schnell wachsender Konzern, an dessen Spitze Alfred Hugenberg stand. Sein Imperium umfasste Verlage, Nachrichtenagenturen und Filmgesellschaften, unter anderem auch die Ufa. Über die Pressedienste erreichte es ein Meinungsmonopol. Hugenberg war darüber hinaus Direktor der Krupp AG und Vorsitzender der politisch weit rechts stehenden Deutschnationalen Volkspartei. Wiederholt arbeitete er schon vor 1933 mit den Nationalsozialisten zusammen.
Doch auch die linke Presse war zu dieser Zeit beeindruckend groß. So gab die Sozialdemokratie im Jahr 1929 beispielsweise mehr als 200 Zeitungen heraus. Der kommunistischen Bewegung gelang es jedoch kaum, an diesem Boom teilzuhaben. Die Abonnentenzahl der KPD-nahen Zeitungen sei »nie über die Zahl der Parteimitglieder« hinausgegangen, zog Wilhelm Pieck, Mitbegründer der KPD, 1935 ernüchtert Bilanz. Dies sei vor allem »auf die große Schwäche unserer Redaktionen« zurückzuführen, nicht »die Sprache der Massen zu sprechen«.
In diese Lücke preschte Münzenberg: Ab 1924 begann er mit dem Aufbau eines Medienimperiums, das rund um die IAH organisiert war und das bald – bis auf das staatlich kontrollierte Radio – alle verfügbaren Medien umfasste. Mit einem politisch-kulturell avantgardistischen Programm etablierte es sich schnell als Antipode des Hugenberg-Konzerns, aber auch in Konkurrenz zu sozialdemokratischen und liberalen Medien.
Der Journalist Harald Wessel führt die kulturelle Vielfalt der 1920er Jahre nicht zuletzt auf Münzenbergs Engagement zurück, der das »erste und bislang einzige geistig und wirtschaftlich effektive kommunistische Unternehmen in einem Land mit kapitalistischer Marktwirtschaft« aufgebaut habe. Zu diesem gehörten die Tageszeitungen Welt am Abend mit einer Auflage von bis zu 180.000 Stück und Berlin am Morgen, die eine Spitzenauflage von 100.000 Exemplaren erreichte. Teil von Münzenbergs Mediengeflecht war mit der »Universum-Bücherei für Alle« auch ein eigener Buchclub. Doch das Kernstück stellte der Neue Deutsche Verlag (NDV) dar, der nach Malik wichtigste linksintellektuelle Verlag der Weimarer Republik. Dessen Flaggschiff, die AIZ, erreichte mehrere Millionen Leserinnen und Leser. Selbst »der rechtssozialdemokratische Funktionär« kaufte das Blatt, das »zu einem der wichtigsten Instrumente der Meinungsbildung im Kampf gegen die bürgerlichen Illustrierten« wurde, erinnerte sich später Wolfgang Abendroth.
Zu Münzenbergs Mediengeflecht – diffamierend bald ebenfalls als »Konzern« bezeichnet – gehörten auch die Theoriezeitschrift Der Rote Aufbau, das Magazin für Alle, die Satirezeitschrift Eulenspiegel sowie die Illustrierten Der Weg der Frau und Der Arbeiterfotograf. Die Gesamtzahl der Bulletins, Almanache und Periodika lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Hinzu kamen bedeutende Filmverleih- und Produktionsfirmen. Anfang der 1930er Jahre beteiligte sich Münzenberg ferner an einer Tabakfirma, die mit Zigaretten der Marken Rote Sorte und Kollektiv hohe Umsätze erzielte, indem sie den Packungen Sammelbilder von prominenten »Arbeiterführern« beilegte.
Während die Agitprop-Konzepte der offiziellen KPD-Presse eher hölzern wirkten, schickte die IAH mit der »Kolonne Links« ein mitreißendes Wandertheater durchs Land. In einer 1924 von Erwin Piscator geleiteten Solidaritätsveranstaltung der IAH im Großen Schauspielhaus Berlin wurden zum ersten Mal »in großem Umfang die Mittel des Massenchores, der Massenszenen [...] und der revueartigen Darstellung politischer und sozialer Ereignisse« genutzt, die einen Grundstein für die Entwicklung des proletarisch-politischen Theaters in Deutschland legten, wie Münzenberg später schrieb.
Zur Öffentlichkeitsarbeit gehörten zudem aufwändig choreographierte Kongresse, Matineen, Revuen und Straßenumzüge, oft inszeniert als Höhepunkte politischer Kampagnen, etwa im Jahr 1926 zur Unterstützung des englischen Bergarbeiterstreiks und des Volksbegehrens zur Fürstenenteignung. Auch im folgenden Jahr, beim weltweiten Protest gegen die geplante Hinrichtung der Syndikalisten Ferdinando »Nicola« Sacco und Bartolomeo Vanzetti in den USA oder bei der Gründung der Liga gegen Imperialismus und für nationale Unabhängigkeit, spielten derartige Programmpunkte eine wichtige Rolle – ebenso bei den jährlichen »Solidaritätstagen« der IAH, an denen in Berlin bis zu 100.000 Menschen teilnahmen.
Das bürgerliche Pressemonopol konnten AIZ, Welt am Abend und Berlin am Morgen nicht zuletzt auch deshalb durchbrechen, weil talentierte Mediengestalterinnen und Journalisten mitarbeiteten, die Münzenberg unabhängig von wechselnden Parteilinien und Dogmen der Kulturpolitik an sich zu binden verstand. Ungeachtet ihrer jeweiligen Hintergründe erhielten sie große Gestaltungsspielräume sich mit ihren Mitteln einzubringen, solange gegenseitiges politisches Vertrauen vorlag. Weit über die Parteigrenzen hinweg fühlten sich davon auch zahlreiche Autorinnen und Schriftsteller angesprochen. Allein Kurt Tucholsky lieferte der AIZ zwischen 1928 und 1930 unter dem Pseudonym Theobald Tiger 38 Gedichte und einige Prosabeiträge. Beispielhaft für die Zusammenarbeit mit der künstlerischen Avantgarde sind auch John Heartfields Fotomontagen und Covergestaltungen für die AIZ und für Bücher aus dem NDV.
Doch die AIZ beschäftigte nicht nur Prominente, sondern sie bezog auch ihre Leserinnen und Leser ein. Insgesamt waren bis zu 3.500 »Arbeiterreporter« für die AIZ tätig, die die Redaktion aufforderte, über Missstände in ihrem Arbeitsalltag zu berichten oder sie zu fotografieren. Das Blatt richtete sich also nicht nur an Arbeiterinnen und Arbeiter, sondern bezog sie auch aktiv ein. Aufgrund der oftmals verschlossenen kommerziellen Vertriebswege baute die AIZ zudem ein reges Netzwerk an Zeitungskolporteuren auf, die den Verkauf der Zeitschrift bis an die Haustür gewährleisteten. Der Schriftsteller Heinrich Mann lobte, die AIZ brächte »die proletarische Welt« zur Anschauung: »Was im Leben vorgeht, wird hier mit den Augen der Arbeiter gesehen.«
Darüber hinaus propagierte Münzenberg die »Eroberung des Films«, der »durch das gesehene Bild in viel stärkerer und eindringlicherer Weise auf den Zuschauer wirkt als das geschriebene Wort auf den Zeitungsleser«. Dementsprechend gehörten auch die Produktionsfirmen Meschrabpom-Film in Moskau sowie Prometheus-Film und die Weltfilm GmbH in Deutschland zu seinem »Imperium«. Münzenberg ging es vor allem um die Produktion eigener Filme und deren Verbreitung. Zu diesem Zweck legte sich die IAH sogar einen Fuhrpark mit Filmvorführwagen und Lichtbildapparaten zu.
Von den ersten Dokumentationen zur Unterstützung der Hungerhilfe bis hin zu spektakulären Werken der neuen sowjetischen Filmkunst entstanden in der Moskauer Filmabteilung zwischen 1921 und 1936 mehr als 500 Filme. Diese reichten von knappen bildlichen Dokumentationen der Herstellung von Dampflokomotiven bis hin zu Wsewolod I. Pudowkins großem Epos Sturm über Asien (1928). Mehrere hundert Filme waren zudem im Verleih, darunter Meilensteine wie Sergei Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin, den Münzenberg 1926 gegen versuchte Eingriffe der Zensur in Berlin und damit in die westliche Welt einführte. Der russische Film hat auf diesem Wege prägenden Einfluss auf den deutschen Film der Weimarer Zeit genommen – etwa auf Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? (1932) von Slatan Dudow (Regie) und Bertolt Brecht (Drehbuch), der großteils durch Prometheus-Film produziert wurde.
Die einzelnen Medienunternehmen Münzenbergs firmierten selbständig, befanden sich teilweise in Streubesitz, agierten aber im Verbund und inmitten des transnationalen Netzwerks von Ad-hoc-Komitees und Organisationen der IAH. Zwischen ihnen gab es Kredite, Zuschüsse und Querfinanzierungen und vieles spricht dafür, dass auch regelmäßig Mittel aus dem Exekutivkomitee der Komintern, dem Politbüro der KPdSU und der KPD-Zentrale zuflossen. Diese Aktivitäten unterstützend wirkte die 1922 von Münzenberg in Berlin gegründete Aufbau, Industrie & Handels AG, die mit der Garantie- und Kreditbank für den Osten AG (einer Tochter der sowjetischen Staatsbank) im Rücken unter anderem internationale Arbeiteranleihen mit langer Laufzeit verkaufte.
Inwiefern Münzenberg die Mittel gemäß Direktiven aus der Komintern einsetzte oder unabhängig davon agierte, ist nicht bekannt. Doch klar ist: Mit seinem direkten Draht nach Moskau und als Generalsekretär der IAH nahm er in der kommunistischen Bewegung eine Sonderstellung ein, die ihn selbst für die KPD-Führung lange Zeit unantastbar machte. Obwohl Münzenberg Abgeordneter des Reichstags (1924–33) und Mitglied des Zentralkomitees der KPD (1927–38) war, blieb er Parteiangelegenheiten oder Fraktionskämpfen weitestgehend fern. Seine Aufmerksamkeit galt vielmehr dem Aufbau parteiübergreifender Bewegungen und Bündnisse, getreu dem von Kurt Tucholsky für den NDV formulierten Motto: »Für den Arbeiter / mit dem Intellektuellen / gegen den gemeinsamen Feind.«
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass sich Münzenberg mit der Kritik an den Entwicklungen in der Sowjetunion unter Stalin lange Zeit zurückhielt. Das spiegelte sich auch in seinen Publikationen wider, die das Land weiterhin als »Vaterland der Werktätigen« idealisierten.
Ende der 1920er Jahre verschlechterte sich das ohnehin schwierige Verhältnis der beiden großen deutschen Arbeiterparteien zunehmend. SPD-Mitglieder beschimpften Kommunistinnen und Kommunisten als »rot lackierte Faschisten«, während sich in der KPD die Sozialfaschismusthese durchsetzte, also die indirekte Gleichsetzung der Sozialdemokratie mit Hitlers NSDAP. Die IAH ging derweil einen anderen Weg: Sie agierte weiterhin parteiübergreifend und erlangte sogar ihre größte Reichweite, als die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise das internationale Geschehen und den Alltag bestimmte. In dieser Zeit gehörten ihr – nach einer Aufstellung Münzenbergs – weltweit 15 Millionen Einzel- und Kollektivmitglieder an. Doch die Machtübernahme Hitlers konnten auch sie nicht verhindern.
Ende Februar 1933 entkam Münzenberg nur mit Glück einer Verhaftungswelle, die die neuen Machthaber nach dem Reichstagsbrand ausgelöst hatten. Der Völkische Beobachter hatte ihn zum »geistigen Leiter« eines angeblichen kommunistischen Aufstandsversuchs ernannt, für den der Brand des Parlamentsgebäudes vermeintlich ein Fanal hätte sein sollen. Die bekannten Einrichtungen der IAH wurden besetzt, alle Konten gesperrt. Münzenberg konnte das Land rechtzeitig verlassen.
Die AIZ erschien nun bis 1938 im Prager Exil. Ihr Herausgeber baute derweil in Paris – nunmehr als De-facto-Leiter der Propagandaarbeit der Komintern für Westeuropa – einen neuen Apparat auf. Dessen Unternehmen, Einrichtungen und Komitees bildeten ein bedeutendes Zentrum des Antifaschismus in Europa. Münzenberg erwarb beispielsweise den Verlag Éditions du Carrefour, der im Sommer 1933 das spektakuläre Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror veröffentlichte. Er initiierte die Gründung der Deutschen Freiheitsbibliothek, des Internationalen Instituts zum Studium des Faschismus und eines Hilfskomitees für die Opfer des Faschismus.
Münzenberg agierte zunehmend unabhängiger, seine Aktivitäten richteten sich immer weniger nach den Vorgaben der stalinisierten Komintern. Mit dem sogenannten Lutetia-Kreis legte er 1935 die zunächst vielversprechende Grundlage zur Vorbereitung einer deutschen Volksfrontbewegung und beteiligte sich an der weltweiten Mobilisierung zur Verteidigung der Spanischen Republik. Doch die auf Moskau ausgerichtete kommunistische Bewegung gab ab Mitte der 1930er Jahre ihren internationalistischen Anspruch vollkommen auf. Die Reste der IAH wurden aufgelöst und Münzenberg musste seine Pariser Unternehmen zum Jahreswechsel 1936/37 einem Emissär der Komintern übergeben. Derweil wurde in Moskau Material für einen Schauprozess gegen ihn gesammelt.
Münzenberg gründete daraufhin im Jahr 1938 mit Arthur Koestler die Wochenzeitung Die Zukunft, an der zahlreiche prominente Exilschriftsteller mitwirkten. Hier rief er im September 1939, also kurz nach Abschluss des sogenannten Hitler-Stalin-Pakts, zu einem Zusammenschluss »aller ehrlichen antinazistischen Arbeiter« auf. Er forderte die Formierung einer »revolutionären Einheitspartei der Arbeiterklasse« und ein Bündnis mit allen »demokratischen Kräften Deutschlands«.
Bereits ein halbes Jahr zuvor war Münzenberg, seinem Ausschluss zuvorkommend, aus der KPD ausgetreten. Nach einem zweijährigen Konflikt mit der Parteiführung habe er erkennen müssen, dass »innerhalb der heutigen Parteiorganisation [...] die Aufnahme einer Politik, die den Veränderungen seit 1933 Rechnung trägt, unmöglich ist«. Er habe geglaubt, »wenigstens eine freie und öffentliche Diskussion« in der Partei erreichen zu können, denn »mit reglementierten, kommandierten und schikanierten toten Seelen« sei »der revolutionäre Krieg nicht zu gewinnen«. Daher trenne er sich nun »von dieser Leitung und ihrem Apparat«, aber »nicht von den Hunderten, vielleicht Tausenden, die willkürlich, ohne Grund, ohne Verfahren, ohne die Möglichkeit einer Verteidigung widerrechtlich von anonymen Stellen entfernt, ›abgesägt‹, ›abgehängt‹ und ausgeschlossen wurden«.
Am 17. Oktober 1940 wurde schließlich Münzenbergs Leichnam in Frankreich aufgefunden, eine Schnur um den Hals geschlungen. Gestorben war er wahrscheinlich schon im Juni, wobei bis heute ungeklärt blieb, ob er sich auf der Flucht vor den heranrückenden deutschen Truppen selbst das Leben nahm oder von Stalins Agenten als »Renegat« ermordet wurde. Aufklären lassen wird sich das allerdings nur dann, wenn noch neue Akten hierzu auftauchen sollten.
Doch sind es weniger die Umstände seines Todes als vielmehr die Art und Weise wie Münzenberg als »roter Medienmacher« agierte, die ihn für spätere Generationen junger Linker interessant machte. Wie kaum ein anderer knüpfte er Netzwerke, schmiedete Bündnisse und erkannte nicht zuletzt die Möglichkeiten, die neu aufkommende Medien boten. So gelang es ihm, sozialistische und kommunistische Ansichten auf undogmatische Weise einem Massenpublikum näher zu bringen.
Marcel Bois ist Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Er forscht zum Kommunismus der Zwischenkriegszeit. Seine Dissertation erschien 2014 unter dem Titel »Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik« (Klartext-Verlag).
Uwe Sonnenberg ist Historiker bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Veröffentlichungen zu verschiedenen Schwerpunkten aus der Geschichte der Linken im 20. Jahrhundert. Unter anderem gab er zusammen mit Bernhard H. Bayerlein und Kasper Braskén den Sammelband zum 1. Internationalen Willi-Münzenberg-Kongress heraus: »Globale Räume für radikale Solidarität«.