31. Mai 2023
Joe Bidens Umfragewerte sind im Keller. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Donald Trump ihn 2024 besiegen könnte.
Eine zweite Amtszeit Donald Trumps wird leider immer wahrscheinlicher.
IMAGO / USA TODAY NetworkIn der Politik erliegt man leicht der Versuchung, aus Einzelereignissen allgemeingültige Annahmen abzuleiten und davon auszugehen, dass sie unter allen Umständen zutreffen werden. Doch dabei riskiert man viel. Seit der US-Präsidentschaftswahl von 2016 sollte uns klar sein, dass viele Aussagen darüber, wie man in den USA Wahlen gewinnt, schlicht nicht zutreffen – auch wenn beide der großen Parteien daran glauben. Wenn die Wahl von Donald Trump nicht Anlass genug dafür war, diese Überzeugungen zu überdenken, was dann?
Nach den Wahlen zum Senat und Repräsentantenhaus im November vergangenen Jahres beginnen sich in der US-Parteipolitik wieder alte Glaubenssätze der politischen Elite durchzusetzen. Das lag unter anderem daran, dass Donald Trumps anhaltende öffentliche Präsenz den Republikanern offenbar mehr schadete als nützte. In der Vorstellung von demokratischen wie republikanischen Strateginnen und Strategen wird der Wahlkampf von 2024 wieder traditionellen Mustern folgen. Das Phänomen Trump habe man hinter sich gelassen.
Die Demokraten fühlen sich von ihrem relativen Erfolg in ihrer Annahme bestätigt, dass Wahlen von moderaten Wählerinnen und Wählern aus den Vorstädten entscheiden werden. Die Elite der Republikaner hingegen deutete den Wahlausgang als Chance, um Trump endlich beiseite zu schaffen und den weniger wechselhaften Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, ins Rennen zu schicken. DeSantis, so ihr Kalkül, könne die Parteibasis während der Vorwahlen mit rechten Parolen motivieren, nur um dann, wie üblich, vor den eigentlichen Wahlen moderater aufzutreten. Die Normalität, oder jedenfalls ein Zustand, der ihr sehr nahe käme, sei dann endlich wiederhergestellt.
Doch bereits wenige Monate später wirkt dieses Stimmungsbild schon wieder veraltet.
Zum Auftakt seiner Kampagne erscheint DeSantis angeschlagen zu sein. In den Umfragen konnte er nie mit Trump mithalten und sein Rückstand ist mit zunehmender landesweiter Bekanntheit nur noch gewachsen – der Ex-Präsident liegt derzeit im Durchschnitt der wichtigsten Befragungen etwa 40 Prozent vor ihm. Die Liste der Wahlempfehlungen, die DeSantis verweigert wurden, wird immer länger und der Gouverneur sieht inzwischen dem glücklosen Jeb Bush aus dem Vorwahlkampf von 2015 und 2016 wesentlich ähnlicher als Trump. Sogar in seiner Hochburg Florida lassen ihn seine Parteikollegen sitzen.
Mit Blick auf die Demokraten ist kaum zu übersehen, wie schwach Joe Biden für den Wahlkampf aufgestellt ist. Zwar liegt er mit deutlichem Vorsprung vor seiner parteiinternen Konkurrenz, Robert Kennedy Jr und Marianne Williamson. Doch die Tatsache, dass beide auf zweistellige Umfragewerte kommen, ist für einen amtierenden Präsidenten kein gutes Zeichen.
»Nicht einmal eine Mehrheit der Demokraten möchte, dass Joe Biden erneut antritt. Noch beunruhigender ist vielleicht nur noch, dass die Wähler Trump eine höhere Wirtschaftskompetenz zusprechen.«
Im Februar kam eine Umfrage zu dem Ergebnis, dass Biden laut 62 Prozent der US-Amerikanerinnen und Amerikaner »nicht sehr viel« oder »fast nichts« in seiner bisherigen Amtszeit erreicht habe. Nachdem Biden seine erneute Kandidatur bekannt gegeben hatte, sanken seine Zustimmungswerte auf ein Rekordtief, nicht einmal eine Mehrheit der Demokraten möchte, dass er erneut antritt. Wenn morgen Präsidentschaftswahlen wären, würde Biden vermutlich gegen Trump oder DeSantis verlieren. Noch beunruhigender ist vielleicht nur noch, dass die Wählerinnen und Wähler Trump eine deutlich höhere Wirtschaftskompetenz zusprechen.
Da die US-Notenbank der Leitzins immer weiter anhebt, um die Arbeitslosenquote zu erhöhen, wird sich dieser Eindruck bis zur Wahl kaum zum Besseren wenden. Gleichzeitig ähnelt Bidens Botschaft an die Wählerinnen und Wähler, er werde das gespaltene Land einen und alte Wunden heilen lassen, bisher dem Tonfall seines Wahlkampfs von 2020. Doch die Bedingungen sind für den Präsidenten weniger günstig als damals. Ohne den Störfaktor einer globalen Pandemie wäre es gut möglich gewesen, dass Trump über Biden gesiegt und sich eine zweite Amtszeit gesichert hätte. Und selbst unter diesen sehr ungewöhnlichen Umständen entschieden am Ende nur etwa 44.000 Stimmen in Georgia, Arizona und Wisconsin die Wahl, da Trump Dank des Wahlsystems einen strukturellen Vorteil genießt. Sollten die Demokraten Biden erneut nominieren, deutet viel darauf hin, dass der Präsident die gleiche Strategie beibehält – nur, dass er dieses Mal unbeliebter ist und die Gesamtsituation für ihn ungünstiger ausfällt.
Eine zweite Amtszeit für Trump wird daher leider immer wahrscheinlicher. 2016 verhalfen liberale Nachlässigkeit, heterodoxe Rhetorik und ein riesiger Medienrummel Trump zu einem unwahrscheinlich geglaubten Sieg über Hillary Clinton. Dabei wurde klar, dass es sich bei den angeblichen normativen Schranken der US-Politik um eine Illusion handelte. Warum sollte es acht Jahre später anders sein? Die Umfragen zeigen deutlich, dass Trump für die Wahl von 2024 ein aussichtsreicher Kandidat bleibt. Sollten sich die Demokraten angesichts dessen auf althergebrachte Rezepte verlassen, gehen sie damit die gefährliche Wette ein, dass sich die Geschichte nicht wiederholen wird.
Luke Savage ist fester Autor bei Jacobin.