25. November 2022
Amazon macht Rekordgewinne und kürzt gleichzeitig die Löhne derjenigen, die sie erarbeiten. Die Progressive Internationale steht heute an der Seite der Amazon-Beschäftigten und ihrer Verbündeten, die sich weltweit organisieren, um bessere Löhne zu erkämpfen.
In Deutschland, Frankreich und den USA fordern Amazon-Beschäftigte durch Streiks und Walk Outs höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und ein Ende des Union Busting (Symbolbild).
IMAGO / ZUMA WireAm 14. November ließ Jeff Bezos die Öffentlichkeit wissen, dass er den Großteil seines Vermögens für wohltätige Zwecke und den Kampf gegen den Klimawandel zu spenden gedenkt. Auch wenn es seiner Ankündigung an Details mangelte, schien der gewählte Zeitpunkt kein Zufall zu sein: Am Nachmittag desselben Tages berichtete die New York Times, dass Amazon die Entlassung von 10.000 Arbeitern in derselben Woche plante – also genau den Menschen, die diesen Reichtum überhaupt erst geschaffen haben.
Die Nachricht von der größten Entlassungswelle in der Geschichte des Unternehmens kam nur wenige Monate nach seiner größten Einstellungswelle. Inmitten der Schließung des Einzelhandels während der Covid-19-Pandemie verdoppelte Amazon die Zahl seiner Beschäftigten und verdreifachte seine Gewinne.
Jetzt, da die Pandemie auf dem Rückzug ist, spricht Amazons neuer CEO Andrew Jassy von Inflationsdruck und einer Verlangsamung des E-Shopping-Booms. Doch während die arbeitende Bevölkerung auf der ganzen Welt mit steigenden Kosten zu kämpfen hat, wächst Amazon weiter. Sein Umsatz im dritten Quartal 2022 lag bei 127,1 Milliarden Dollar, das sind 14,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie Jassy in einer Erklärung verriet, ist dies in erster Linie auf die »Verbesserung der Produktivität unseres Fulfillment-Netzwerks« zurückzuführen – Unternehmenssprache für die Ausbeutung der Beschäftigten durch totalitäre Überwachungstechnologie, intransparente Produktivitätsziele, sinkende Reallöhne und unmenschliche Arbeitsbedingungen.
Von fehlenden Masken und anderer Schutzausrüstung während der Pandemie über Verletzungsraten, die weit über dem Branchenstandard liegen, bis hin zu brennenden Lagerhallen – die Beschäftigten in der gesamten Lieferkette von Amazon sind ständig Risiken ausgesetzt, die allzu oft tödliche Folgen haben. Und obwohl der Konzern in vielen Märkten die Preise für seine Prime-Mitgliedschaften erhöht, weigert er sich, die Löhne der Inflation entsprechend anzuheben. Im Vereinigten Königreich bot Amazon den Arbeiterinnen im August eine lächerliche Lohnerhöhung von 35 Pence pro Stunde an – mit anderen Worten: eine massive Reallohnkürzung. Auch in Frankreich und Deutschland lehnten die Arbeiter Angebote ab, die eine reale Lohnkürzung bedeutet hätten. Amazon hat im Jahr 2021 einen Gewinn von 33,3 Milliarden Dollar gemacht, will aber seinen Beschäftigten keinen fairen Anteil zahlen.
»In Wirklichkeit sind es die Gewinne, nicht die Löhne, die die Inflation vorantreiben.«
Zynisch behauptete der frühere CEO Jeff Bezos, die hohen Preise hätten nichts mit Profitstreben zu tun, sondern seien nur »grundlegende Marktdynamik«. Doch in Wirklichkeit sind es die Gewinne – und ganz sicher nicht die Löhne –, die die Inflation vorantreiben. Doch wenn Amazon-Beschäftigte versuchen, sich zu wehren, entlässt der Konzern Organisatoren und investiert noch mehr Ressourcen in seine gewerkschaftsfeindlichen Praktiken.
Während der Umsatz des Unternehmens auf dem Rücken der Beschäftigten weiter wächst, plant Amazon zudem, seine ausbeuterisches Modell weltweit auszuweiten. In den nächsten sechs Monaten plant Amazon die Eröffnung seines »Marketplace« in mindestens fünf weiteren Ländern: Belgien, Chile, Kolumbien, Nigeria und Südafrika.
Und Amazon wird nicht nur seine Misshandlung von Arbeitern exportieren, sondern ein ganzes Modell, das darauf beruht, so viel wie möglich aus den Gesellschaften herauszupressen. Während die Schaffung von Arbeitsplätzen häufig als Argument für Amazons Expansion angeführt wird, hat eine Studie in Frankreich gezeigt, dass für jeden in großen E-Commerce-Firmen geschaffenen Arbeitsplatz sechs Arbeitsplätze in der stationären Wirtschaft vernichtet werden. Aber nicht nur das – im Gegensatz zu vielen kleinen und mittleren Unternehmen zahlt Amazon keine Steuern. In Europa zahlte das Unternehmen im Jahr 2021 keine Einkommenssteuer und erhielt stattdessen Steuergutschriften in Höhe von 1 Milliarde Dollar auf 55 Milliarden Dollar Umsatz.
Der Fall Südafrikas könnte kaum deutlicher demonstrieren, dass Amazon nicht nur nichts an die Gesellschaft zurückgibt, sondern aktiv ganzen Gemeinden schadet. In Kapstadt wird der regionale Hauptsitz von Amazon auf dem heiligen Land der indigenen Bevölkerung im River Club errichtet, einem Ort, den niederländische Kolonialisten im 17. Jahrhundert dem Volk der Khoi gestohlen haben – was zum schleichenden Ethnozid an der Sprache, den Wissenssystemen und der Lebensweise der Khoi führte. Die Liesbeek Action Campaign, eine Koalition von indigenen Khoi- und San-Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Glaubensgemeinschaften, Gemeinschaftsnetzwerken, Bürgervereinigungen, Gewerkschaften und Umweltaktivisten, die gegen die neokoloniale Expansion Amazons kämpft, formuliert es so: »Es sind dieselben Kolonisatoren, nur mit anderen Schiffen«.
In ähnlicher Weise weitet Amazon seine Zusammenarbeit mit der repressiven Institutionen aus. Das Unternehmen arbeitet mit dem US-Verteidigungsministerium, institutionell rassistischen Polizeibehörden und Einwanderungsbehörden wie ICE zusammen. Trotz des Drucks seiner eigenen Arbeiterinnen versorgt der Konzern die israelische Regierung weiterhin mit Cloud-Service-Technologien, die zur Überwachung und Kontrolle von Palästinensern eingesetzt werden können und Israels Ausbau illegaler Siedlungen ermöglichen. Amazon spielt seine Rolle in der Apartheidspolitik des israelischen Staates.
»Obwohl sich das Unternehmen verpflichtet hat, bis 2040 klimaneutral zu werden, sind die CO2-Emissionen von Amazon im Jahr 2021 um 18 Prozent gestiegen.«
Amazon übt zudem Druck auf unseren Planeten aus, indem es den Klimazusammenbruch beschleunigt. Der CO2-Fußabdruck des Konzerns ist größer als der von drei Vierteln der Länder der Welt, obwohl Amazon nur 1 Prozent aller Produktverkäufe in seine CO2-Bilanz einbezieht. Und obwohl sich das Unternehmen verpflichtet hat, bis 2040 CO2-neutral zu werden, sind die CO2-Emissionen von Amazon im Jahr 2021 um 18 Prozent gestiegen. Warum sollten wir also dem Versprechen des milliardenschweren Gründers Glauben schenken, »sein« Geld zur Bekämpfung der Klimakrise zu verschenken?
Wir sollten ihm nicht glauben — und das tun wir nicht. Wir können uns offensichtlich nicht auf Amazons Versprechen verlassen, seine Arbeiter mit Würde zu behandeln, das Wohl der Gemeinschaft zu respektieren und die Zerstörung unseres Planeten zu stoppen. Stattdessen organisieren wir uns, um uns zu wehren.
Heute, am 25. November, organisiert die »Make Amazon Pay«-Koalition, der mehr als 90 Organisationen angehören und die von der Progressiven Internationale und UNI Global Union gemeinsam geleitet wird, ihren nächsten und bisher größten globalen Aktionstag.
In transnationaler Koordination werden die Amazon-Beschäftigten in Deutschland und Frankreich gemeinsam achtzehn Logistikzentren bestreiken, während ihre US-amerikanischen Genossinnen und Genossen »Walk Outs« organisieren. Ihre gemeinsamen Forderungen: Lohnerhöhungen, die über der Inflationsrate liege, bessere Arbeitsbedingungen und das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung ohne Repressalien. In Polen, dem Vereinigten Königreich und Indien schließen sich weitere Amazon-Beschäftigte ihren streikenden Genossen in großen Protesten an. In Bangladesch gehen Textilarbeiterinnen gegen die Ausbeutung in der Lieferkette des Unternehmens auf die Straße. Und in Dutzenden Ländern auf der ganzen Welt – von Kolumbien bis Japan – protestieren Bürger und Aktivistinnen in Solidarität mit ihnen auf öffentlichen Plätzen, vor den Amazon-Büros und Parlamenten.
In Luxemburg prangert eine organisationsübergreifende Koalition aus Klimaaktivisten, Gewerkschaftern und Steueraktivisten vor dem Finanzministerium die Steuervermeidungspraktiken von Amazon an. In Südafrika machen Aktivisten der Liesbeek Action Campaign auf die Realitäten von Landnahme, Kolonialismus, Kampf und Widerstand aufmerksam, symbolisiert durch einen Zaun, der indigene Völker von ihrem heiligen angestammten Land abhält – so wie der erste Palisadenzaun der niederländischen Siedler, der vor über 350 Jahren die Khoi-Hirten von ihrem Land, Wasser und Lebensunterhalt trennte. In Anlehnung an den antikolonialen Kampf prangern Palästinenser Amazons technologische Unterstützung der Apartheid des israelischen Staates an.
Daran schließen sich Klimaaktivisten an, die ein Ende der Zerstörung unseres Planeten durch Amazon fordern. In Irland, wo Amazon die meisten seiner Datenzentren auf dem europäischen Kontinent unterhält, fordern sie ein Ende des Baus neuer Zentren, da diese einen erheblichen Teil des Energiebudgets des Staates verschlingen und die Hauptstadt Dublin der Gefahr von Stromausfällen aussetzen.
Es ist diese wachsende globale Bewegung, die Amazons Ausbeutung von Arbeiterinnen, Gemeinden und des Planeten stoppen wird. Gemeinsam werden wir Amazon bezahlen lassen – und den Milliardenreichtum Jeff Bezos’ an die Menschen und Gesellschaften umverteilen, die ihn geschaffen haben.
Daniel Kopp ist Kommunikationsdirektor bei UNI Europa, dem europäischen Gewerkschaftsverband für den Dienstleistungssektor.