09. Juli 2025
Einige Linke haben den Glauben an ein besseres Morgen aufgegeben. Das zeugt nicht nur von Demoralisierung, sondern auch von Selbstbezogenheit. Denn wer nicht mehr um die Zukunft kämpft, starrt am Ende nur noch auf sich selbst.
Wer sich die Zukunft nur noch als Apokalypse vorstellen kann, wird niemanden politisch begeistern können.
»Je klarer wir in die Zukunft sehen, desto zweckentsprechender werden wir unsere Kräfte in der Gegenwart anwenden.«
— Karl Kautsky, Das Erfurter Programm (1891)
»Wenn man die Idee der Zukunft verwirft, geht der Begriff von Gut und Recht verloren. Dann würde das ganze Weltgefüge zu einem dunklen, unergründlichen Geheimnis.«
— Papst Leo XIII, Rerum Novarum (1891)
Guy Edward Bartkus, der mutmaßliche Täter eines Bombenanschlags auf eine Kinderwunschklinik in Kalifornien, war ein sogenannter Efilist – ein Anhänger einer extremistischen Form des Antinatalismus. Efilismus (die Umkehrung von »life«: »efil«) ist, wie praktisch alle extremistischen Ideologien heutzutage, vor allem ein Online-Phänomen. Doch das Interesse am Antinatalismus – also der Überzeugung, dass es moralisch verwerflich sei, Kinder zu haben – scheint insgesamt zu wachsen. Manche meinen, Menschen hätten schlichtweg kein Recht, Kinder in die Welt zu setzen. Ein Antinatalist in Indien hat seine Eltern verklagt, weil er ohne seine Zustimmung gezeugt und geboren wurde. Andere sind der Meinung, die freiwillige Auslöschung der Menschheit sei die einzige Lösung für all das Leid, das sie verursacht. Der Gründer der Bewegung Antinatalism International, Anugraha Kumar Sharma, betont: »Es gibt absolut keine Hoffnung in dieser Welt.« Er setzt sich für bedingungslose freiwillige Sterbehilfe ein. Und er bezeichnet sich als Marxist.
Antinatalismus lässt sich schwer in ein ideologisches Links-Rechts-Spektrum einordnen, doch die Ansichten stoßen definitiv auch in Teilen der heutigen Linken auf Resonanz. »Ich persönlich finde es nicht offensichtlich, dass wir eine Verpflichtung haben, den Fortbestand der Menschheit zu sichern«, meint zum Beispiel Nathan Robinson, Herausgeber des linken Magazins Current Affairs: »Lasst doch die Seehunde die Erde bevölkern.« Ähnlich argumentiert Antonio Melonio, ein linker Autor, der den beliebten Substack »Beneath the Pavement« schreibt. Kinder zu haben ist für ihn »das Ende radikaler Gesinnung und in vielerlei Hinsicht der Freiheit selbst«. Für Melonio ist die Gründung einer Familie nicht gleichbedeutend mit etwas Neuem, einem Fenster in die Zukunft sowie einer Verbindung zur Nachwelt, sondern vielmehr ein Zeichen der ultimativen Unterwerfung: »Es ist sehr schwer zu protestieren, sich zu organisieren, einen Riot zu starten und Polizeiautos in Brand zu setzen, wenn man Münder zu stopfen und Hypotheken abzubezahlen hat.«
»Unsere Vision für die Zukunft hat sich stetig verengt. Heute scheint sie schlicht darin zu bestehen, von anderen in Ruhe gelassen zu werden.«
Für manche ist die progressive Hinwendung zum Antinatalismus möglicherweise nur eine Reaktion auf den Pronatalismus der Rechten. Wenn Vizepräsident J. D. Vance will, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner mehr Kinder haben, ist die einzige logische Antwort demnach, keine zu haben. Für andere entspringt der Antinatalismus einer Art moralischem Utilitarismus: der Überzeugung, dass das Nicht-Zeugen von Leben der sicherste Weg ist, weiteren Schaden zu verhindern. Die mit Abstand populärste Strömung des Antinatalismus ist klimabezogen. Ihre Ansicht: Menschen tragen offensichtlich in hohem Maße zur Erderwärmung bei. Wenn es sie nicht gäbe, könnte sich der Planet erholen.
Tatsächlich gibt es unzählige Gründe, warum Menschen sich gegen Nachkommen entscheiden. Das könnte uns etwas über die Unzufriedenheit in der Gesellschaft und insbesondere in der Linken verraten. Die Zunahme antinatalistischer Strömungen deutet auf einen kollektiven Verlust des Glaubens an die Zukunft, auf erschöpfte Hoffnung und auf die Unfähigkeit hin, sich ein glückliches Leben für die nächste Generation vorzustellen.
Seit Jahren ist es in linken Kreisen Mode, »anti« zu sein: antirassistisch, antifaschistisch, antikapitalistisch et cetera. Man definiert sich eher auf Basis dessen, was man ablehnt, als danach, was man aufbauen will. Solche Positionen sind progressiv in ihrer Form, aber reaktiv in ihrer Funktion. Nach Bernie Sanders’ Wahlkampf 2020 ähneln sogar viele selbsternannte US-Sozialisten vielmehr dieser »Anti«-Linken als den Sozialdemokraten des 19. und 20. Jahrhunderts. Letztere hatten die selbstbewusste Zuversicht, dass sie die Zukunft gestalten würden.
Im Gegensatz dazu schwanken Progressive heute zwischen Verzweiflung und Fatalismus. Naomi Klein und Astra Taylor beispielsweise sind der Ansicht, dass wir Zeugen eines »Endzeitfaschismus« werden. Während sie die »Bunkermentalität« der extremen Rechten kritisieren, reicht ihre eigene Vision ebenfalls nicht über das bloße Überleben hinaus: »Wir sind an einem Scheideweg angelangt«, meinen Klein und Taylor. Es gehe nicht mehr darum, »ob uns eine Apokalypse bevorsteht, sondern nur noch darum, wie sie aussehen wird«.
Andere Linke verstehen die Klimakatastrophe als das Ende allen menschlichen Lebens auf der Erde. Kein Wunder daher, dass das Interesse an »linkem Preppen« in letzter Zeit stark zugenommen hat. Der »renommierte Klimaexperte« Alex Steffen hat ein progressives Publikum von Zehntausenden. Er bietet einen Kurs an, wie man sein Leben »robuster« und widerstandsfähiger gestalten kann (»Ruggedize Your Life«), um sich auf den bevorstehenden Zusammenbruch der Gesellschaft vorzubereiten. Der Kurs ist für 149 Dollar zu haben – mit Rabatt-Gutschein.
»Eine Linke, die ›Überleben‹ derart großschreibt, glaubt nicht, dass die Zukunft ihr gehören wird. Vielmehr erscheint die Zukunft als eine angsteinflößende Bedrohung, gegen die man sich wappnen muss.«
Dieser Fokus auf Überleben wird auch von vielen radikalen Abolitionisten geteilt, deren Leitbegriff nicht Sozialismus oder eine umfassendere Vision von kollektivem Wohlergehen ist, sondern einfach nur das Überleben unter immer härteren Bedingungen. Eine Linke, die »Überleben« derart großschreibt, glaubt nicht, dass die Zukunft ihr gehören wird. Vielmehr erscheint die Zukunft als eine angsteinflößende Bedrohung, gegen die man sich wappnen muss.
Wie der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze kürzlich feststellte, ist die Trumpsche Rechte heutzutage »viel eher gewillt, über die Zukunft zu sprechen, und zwar in kraftvollen und optimistischen Worten«, als die Linke. Die heutige Rechte agiert, die Linke reagiert – eine komplette Umkehrung ihrer früheren Beziehung zur Geschichte.
Wie ist es dazu gekommen? Seit wann und warum hat die Linke nur einen Blick auf die Gegenwart und Angst vor der Zukunft?
Seit der Aufkündigung des Nachkriegspakts finden sich Liberale und Progressive in einem endlosen 1968er-Kreislauf gefangen: Sie wiederholen immer wieder die Parolen und Forderungen dieser kulturellen Revolution. In regelmäßigen Abständen kommt es zu Protesten gegen Rassismus und Sexismus, immer wieder gibt es neue Bürgerrechtsbewegungen. Doch etwas genuin Neues entsteht nicht. Wir messen Fortschritt lediglich daran, dass wir Hindernisse für die Partizipation in der liberalen kapitalistischen Gesellschaft beseitigen, anstatt danach zu streben, dieses System zu überwinden. In den 1990er Jahren – mit dem Beginn des »Endes der Geschichte« und dem starken Rückgang der Mitgliederzahlen der sozialdemokratischen Parteien – hat die Linke es aufgegeben, eine überzeugende Vision für die Zukunft unserer Gesellschaften zu entwickeln. Eine Linke, die nicht weiß, wofür sie kämpft, ist – wenig überraschend – nicht sonderlich stark.
Diese Stagnation beschränkt sich nicht nur auf Aktivistinnen und Aktivisten. Man denke an die großen Wahlsiege der (im weitesten Sinne) Linken in den vergangenen fünfzig Jahren. Bill Clinton war der letzte Präsident der Demokraten, der die Stimmen aller Teile der Arbeiterklasse – Weiße, Schwarze und Latinos – für sich gewinnen konnte. Das gelang ihm allerdings mit eher rechten Plänen für die Zukunft: Freihandel, Finanzderegulierung, Steuersenkungen.
Barack Obama, der in der Arbeiterklasse noch relativ gut abschnitt (obwohl er bereits Teile der weißen Arbeiterschaft verlor), versprach »Hoffnung und Wandel«, behielt aber eine bemerkenswerte Kontinuität zu seinen Vorgängern aufrecht. Liberale sahen in der Wahl des ersten Schwarzen US-Präsidenten einen endgültigen Triumph der Ideale der Bürgerrechtsbewegung und übersahen dabei seinen Konservatismus. Obamas Liberalismus war ein Liberalismus, der seine Zukunftsvision von der Rechten und sein Prestige aus der Vergangenheit zog. Womöglich kann man die Obama-Ära als den Vorläufer der heutigen Zukunftslosigkeit verstehen. Sie stand beispielsweise für die Vorstellung, dass »demografische Entwicklung Schicksal ist«. Die Zukunft musste nicht gestaltet werden – sie würde einfach kommen, wenn die alten weißen Männer endlich gestorben wären.
Und Joe Biden? Er war der erste Demokrat, der die Präsidentschaft gewann, obwohl er die Unterstützung der Arbeiterklasse verlor. Er war zweifellos progressiver als seine demokratischen Vorgänger. Doch es war Donald Trump in seiner ersten Amtszeit, der den historischen Bruch herbeiführte, der dann Bidens Experimente in Sachen Deglobalisierung und Fiskalpolitik erst möglich machte. Letztendlich sind die Bidenomics aber gescheitert. Zwar waren einige von Bidens Maßnahmen – wie sein Infrastrukturgesetz und der inzwischen aufgegebene Inflation Reduction Act – echte politische Erfolge, doch letztlich hat die Regierung es nicht vermocht, die miteinander verflochtenen Herausforderungen in Form von steigenden Preisen, explodierenden Schulden, stagnierenden Löhnen und niedrigen Steuern zu bewältigen.
»Keine Frage: Es gibt gute Gründe, nicht über morgen nachdenken zu wollen: eskalierende Kriege, düstere Klimaprognosen, eine trostlose politische Lage. Doch ohne ein Interesse an der Zukunft, verlieren wir den Blick dafür, wohin wir uns bewegen sollten.«
Biden ist damit nicht allein. Die demokratische Linke war weltweit nicht in der Lage, eine Wirtschaftspolitik zu entwickeln, die über den nächsten Wahlzyklus hinausblickt. Wie Wolfgang Streeck argumentiert, haben sich sozialdemokratische Parteien auf der ganzen Welt immer wieder »Zeit gekauft« und buchstäblich die Zukunft mit schuldenfinanzierten Ausgaben verpfändet, um gewisse Sozialleistungen aufrechtzuerhalten und ein Mindestmaß an sozialem Frieden zu wahren. Es wurde also lediglich Altes beibehalten; kein neues Modell entstand, das der nächsten Generation glaubwürdig Wohlstand und Gleichheit versprechen könnte. Seit Jahrzehnten wurde keine neue soziale Zukunftsvision erarbeitet – oder auch nur die Möglichkeit einer solchen ernsthaft in Betracht gezogen.
Sich mit Blick auf die Zukunft nicht festzulegen oder allzu weit zu planen, war früher ein Merkmal konservativer Politik. Nach Karl Kautsky ist nichts »irrtümlicher als die Anschauung, dass in der Politik nur Augenblicksinteressen entscheiden, dass ferne Ideale keine praktische Bedeutung haben«. Und dennoch zeigt sich heute ebenso unter Liberalen wie Progressiven und Sozialisten eine regelrechte Obsession mit der Gegenwart.
Unter den gemäßigteren Linken verhindert ein kurzsichtiger Pragmatismus langfristiges Denken über eine gesellschaftliche Neuordnung. Unter den Radikaleren herrscht »Katastrophismus«. Ökoterroristen, diverse »abolitionistische« Strömungen und radikale Antinatalisten wie Bartkus wollen die Zukunft der Menschheit verkürzen. Doch indem sie behaupten, dass es möglicherweise kein Morgen gibt, überbewerten sie das Heute. Das zeugt zweifellos von einem gewissen Narzissmus, einer Selbstverliebtheit. Eine ambivalente Haltung gegenüber zukünftigen Generationen impliziert eine Überbewertung der eigenen.
Unsere Vision für die Zukunft hat sich stetig verengt; und jetzt starren wir nur noch auf uns selbst. Heutige Forderungen sind nach innen gerichtet: mehr Freizügigkeit, mehr Toleranz, mehr Autonomie für den Einzelnen. Die Vision für die Gesellschaft scheint schlicht darin zu bestehen, von anderen in Ruhe gelassen zu werden. Darüber hinaus weigert sich eine zukunftslose Linke, darüber nachzudenken, wie die Kämpfe, die sie heute führt – von der Liberalisierung der Drogengesetze bis zur Ablehnung sozialer Normen – die politischen Ziele von morgen beeinflussen.
»Das zeugt von einem gewissen Narzissmus, einer Selbstverliebtheit. Eine ambivalente Haltung gegenüber zukünftigen Generationen impliziert eine Überbewertung der eigenen.«
Keine Frage: Es gibt genug gute Gründe, nicht über morgen nachdenken zu wollen. Eskalierende Kriege, düstere Klimaprognosen, eine insgesamt trostlose politische Lage und die sich langsam dahinziehende Wirtschaftskrise geben Anlass zur Hoffnungslosigkeit. Hinzu kommen die neuen Ängste vor KI. Angesichts dessen kann Verzweiflung durchaus als rationale und nicht als emotionale Reaktion erscheinen. Doch ohne ein Interesse an der Zukunft – ohne eine klare Vision von der Welt, die wir für unsere Kinder und deren Kinder wollen – verlieren wir den Blick dafür, wohin wir uns bewegen sollten.
Es ist nicht überraschend, dass die heutige Linke irgendwie »lost« und orientierungslos wirkt und nicht das nötige Selbstbewusstsein hat, um Leute zu begeistern. Trotz der vielen Akademikerinnen, Autoren und Denkerinnen, die sich als progressiv verstehen, herrscht intellektuelle Zurückhaltung und Unsicherheit. Wo sind heute linke Intellektuelle, deren Erkenntnisse und deren Engagement für die langfristige Zukunft der Menschheit mit denen von Karl Marx oder Karl Polanyi mithalten könnten?
Ist die Linke also am Ende? Nicht unbedingt. Die Gesellschaft braucht eine Kraft (und wird sie immer brauchen), die sich für die Interessen der einfachen Leute einsetzt, für Demokratie, Gleichheit und gesellschaftliche Solidarität. Solange liberale kapitalistische Gesellschaftskonstrukte weiterhin enttäuschen, werden intelligente und ambitionierte Menschen sich zur sozialistischen Tradition hingezogen fühlen. Die Proaktiven unter ihnen werden neue Reformwellen anstoßen. Eine lediglich reagierende, nicht in die Zukunft denkende Linke wird hingegen weiterhin verlieren.
Eine reine »Anti-Linke« wird also nicht siegen. Wie auch? Welche Wählerschaft würde einer politischen Kraft vertrauen, die im Prinzip sagt, dass ihr egal ist, was als Nächstes kommt? Wie soll eine solche Linke Vertrauen in Fortschritt wecken, wenn es ihr egal ist, ob die Seehunde die Macht übernehmen und die Entbindungsstationen leerstehen?
Paradoxerweise muss zurückgeblickt werden, um die Zukunft neu zu gestalten. Progressiv zu sein bedeutet, mit der Vergangenheit in Verbindung zu stehen. »Tradition«, wie G. K. Chesterton es so schön ausgedrückt hat, »ist die Demokratie der Toten«.
Es ist nicht nur so, dass alle erfolgreichen Bewegungen für menschlichen Fortschritt ihre Inspiration aus der Vergangenheit ziehen (dieses Magazin heißt beispielsweise Jacobin); es ist auch so, dass diese alten Ideale nie verwirklicht wurden. Stattdessen sind unzählige neue Ideale aufgetaucht, die ihren Platz einnehmen wollen – viele davon losgelöst von den großen Erzählungen der Vergangenheit oder einer kohärenten Vorstellung von einer sozialen und demokratischen Zukunft.
»Sind Kinder nicht die Verkörperung der Hoffnung? Es gibt keinen direkteren Weg, seinen Glauben an die Zukunft der Menschheit zu demonstrieren, als neues Leben zu schaffen.«
Unsere Kurzsichtigkeit führt dazu, dass wir bei moralischen Idealen meist nur einen Teil des Weges gehen, bevor wir abrupt die Richtung ändern – und uns dann wundern, warum wir nicht vorankommen. Was uns fehlt, ist Beständigkeit und Beharrlichkeit: ein Gefühl dafür, wo wir herkommen und wohin wir gehen wollen. So scheinen uns zum Beispiel die vier Freiheiten des US-amerikanischen New Deal heute ferner als vor 84 Jahren, als sie erstmals verkündet wurden.
Man kann die Warnung des früheren Papstes Leo nicht ignorieren. Er mahnte, das Ende der Zukunftsidee vergifte unsere moralische Sicht auf die Gegenwart. Im schlimmsten Fall bedeutet das Aufgeben der Zukunft, dass man sich mit der Gegenwart als Endpunkt abfindet. Das Projekt Menschheit erscheint damit als abgeschlossen.
Der Bombenattentäter auf die kalifornische Klinik und andere »Promortalisten« stehen für eine solche Denkweise. Nach ihren eigenen Worten sind sie nicht von Wut getrieben, sondern von Nächstenliebe. Sie sehen die Menschheit als von Leid geprägt – und da auch neues Leben leiden wird, ist es ihrer Meinung nach ein Akt der Barmherzigkeit, es ganz zu verhindern. In einer solch finsteren Weltsicht hat die gesamte Menschheit keine Zukunft.
Im Gegensatz dazu verteidigte der marxistische Philosoph Ernst Bloch in Das Prinzip Hoffnung die Zukunft. Der Kapitalismus, so glaubte er, berge eine Erniedrigung der Menschenwürde in sich durch Armut sowie eine Instrumentalisierung des menschlichen Lebens. Er beurteilte die Gesellschaft nicht anhand der Sünden der Vergangenheit oder anhand eines abstrakten Prinzips der Minimierung von Leid in der Gegenwart, sondern anhand des Potenzials für eine bessere Zukunft. Das Böse könne nur durch Hoffnung besiegt werden – ein Konzept, das offensichtlich einen engen Bezug zur Zukunft hat.
Um mit dem Blick auf Kinder zu enden – und entgegen der Sicht der Antinatalisten: Sind Kinder nicht die Verkörperung der Hoffnung? Es gibt keinen direkteren Weg, seinen Glauben an die Zukunft der Menschheit zu demonstrieren, als neues Leben zu schaffen.
Der Gewerkschafter Dustin Guastella ist Director of Operations beim Teamsters Local 623 in Philadelphia.