21. Februar 2024
Deutschland rüstet auf, ob mit oder ohne Schuldenbremse. Am Ende geben sich beide Strategien nicht viel, denn die arbeitende Klasse zieht in jedem Fall den Kürzeren.
Pistorius' Aufrüstung diszipliniert Deutschland gleich doppelt.
Deutschland muss »kriegstüchtig« werden – dieses Ziel hat der Verteidigungsminister Boris Pistorius schon vor Monaten ausgegeben. Was das eigentlich bedeutet und wer bei dieser Stärkung deutscher Militärmacht am Ende zahlen wird, können wir anhand der Diskussionen im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz erahnen. Derzeit spalten sich die Freundinnen und Freunde der Aufrüstung nämlich in zwei Lager: Auf der einen Seite stehen die Liberalen und Konservativen, die eine Stärkung der Bundeswehr mit Haushaltskürzungen gegenfinanzieren wollen. Auf der anderen Seite fordert die Sozialdemokratie eine Aufweichung der Schuldenbremse, um das 2-Prozent-Ziel auch dann einzuhalten, wenn das Sondervermögen Bundeswehr in einigen Jahren ausläuft.
2014 hatten sich die NATO-Mitglieder darauf geeinigt, 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung – sprich Waffen und sonstige Kriegstüchtigkeit – zu investieren. Doch über Jahre hatte ein Großteil der europäischen Staaten dieses Ziel nicht erreicht. Dass es jetzt eingehalten werden soll, darin sind sich von SPD bis CDU eigentlich alle einig.
Damit an der anstehenden Aufrüstung (und an den drohenden Verteilungskonflikten) keine Kritik laut wird, projiziert Bundeskanzler Olaf Scholz bereits jetzt das Einverständnis zu diesen Maßnahmen in die Bevölkerung hinein: »Wenn wir 2 Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, um unsere Sicherheit zu bewahren, Frieden, Demokratie, Rechtsstaat und unseren Wohlstand zu sichern, verstehen das die allermeisten, davon bin ich überzeugt.«
Derartige Aussagen sollen in erster Instanz die Zustimmung, von der Scholz redet, überhaupt einmal herstellen. Für die Regierenden stellt sich dann im zweiten Schritt die Frage: Wenn man der Bevölkerung den eigenen Militarismus schmackhaft gemacht hat, wie soll das ganze finanziert werden?
Bei der SPD zeigt man sich offen für eine Reform oder Aussetzung der Schuldenbremse. So sagte etwa der Außenpolitiker Adis Ahmetovic dem Spiegel: »Um dieser Aufgabe nachzukommen und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt in unserem Land mit allen notwendigen Investitionen zu garantieren, wird ein Aussetzen der Schuldenbremse immer unausweichlicher.« Auch Ralf Stegner oder Boris Pistorius schlagen in diese Kerbe.
Eine Abkehr von der Schuldenbremse – ist das für linke Fans einer progressiven Geldpolitik nun Grund zum Jubeln? Wahrscheinlich nicht. Dabei bedienen sich herrschende Politiker vielleicht der Einsichten der MMT, aber nicht etwa, um für bessere Infrastruktur oder modernisierte Schulen zu sorgen, sondern nur, um die Wettbewerbsfähigkeit und militärische Potenz des Landes zu stärken.
Die Schuldenbremse wird also nicht zugunsten einer progressiven Geldpolitik hinterfragt, wie sie MMTlern vorschwebt – es geht nicht um eine Jobgarantie oder einen Green New Deal, sondern um ökonomischen und militärischen Nationalismus. An solcher Kritik der Schuldenbremse ist nichts progressiv, denn eine Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Regel würde nicht zu ihrer generellen Abschaffung führen. Bereits jetzt loben Neoliberale die Schuldenbremse für ihre Flexibilität. Mit einer Reform, wie sie der SPD vorschwebt, würde die Schuldenbremse nun wahrscheinlich gestärkt werden. Für Soziales oder Klima wäre dann erst recht kein Geld da, während immer mehr Geld für Aufrüstung locker gemacht wird.
»Lindner macht die Streitigkeiten um Aufrüstung nutzbar, um den Sozialstaat weiter zu schröpfen und dem deutschen Kapital eine weitere Verbilligung der Ware Arbeitskraft zu gönnen.«
Dieser Strategie stehen Konservative und Liberale entgegen, die landauf, landab in Interviews dafür trommeln, im sonstigen Haushalt zu kürzen. Ob nun Gender-Lehrstühle oder Sozialausgaben – die Feinde, die zugunsten der Aufrüstung in die Mangel genommen werden könnten, sind schon lange ausgemacht. Dem Verteidigungsminister zufolge soll Christian Lindner schon von notwendigen »Brutalitäten in den Sozialsystemen« gesprochen haben.
Damit steht eine Verschärfung der Debatten an, die bereits während des Haushaltschaos im vergangenen November ausgebrochen sind: Für Lindner kam das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerade richtig, um seine Ideen von sozialem Kahlschlag durchzusetzen. Die neuerlichen 100-Prozent-Sanktionen für Menschen, die Bürgergeld beziehen, sind eine direkte Konsequenz des Urteils und des folgenden Spardiktats von Lindner. Die Streitigkeiten um die Erfüllung des 2-Prozent-Zieles macht er jetzt nutzbar, um den Sozialstaat weiter zu schröpfen und dem deutschen Kapital eine weitere Verbilligung der Ware Arbeitskraft zu gönnen.
Welche dieser zwei Visionen der Aufrüstung – mit oder gegen die Schuldenbremse – sich am Ende durchsetzen wird, das steht noch in den Sternen. Ob die FDP innerhalb der Ampel-Koalition mit ihrem Vorhaben Erfolg hat, ist also noch nicht entschieden. Bislang haben aber weder die Grünen noch die SPD den freiheitlichen Eurofightern bei irgendeinem anderen nennenswerten Vorhaben Steine in den Weg gelegt, sodass das Schlimmste zu befürchten steht.
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.