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08. August 2025

Schikane für Leistungsbezieher, Profite für Visa

Die Hamburger SPD will die umstrittene Bezahlkarte für Geflüchtete jetzt auch Bürgergeld-Empfängern aufzwingen. Das ist nicht nur blanke Schikane, sondern auch ein Geschenk an Kreditkartenkonzerne.

Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus wird nicht nur die Kontrolle auf Empfänger von Sozialhilfe ausgeweitet. Konzerne wie Visa und Secupay erschließen sich so auch ein lukratives neues Geschäftsfeld.

Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus wird nicht nur die Kontrolle auf Empfänger von Sozialhilfe ausgeweitet. Konzerne wie Visa und Secupay erschließen sich so auch ein lukratives neues Geschäftsfeld.

IMAGO / epd

Inzwischen bestätigte auch ein Sprecher der Finanzbehörde gegenüber der Hamburger Morgenpost, dass bereits Sozialarbeiter mit Bezahlkarten ausgestattet wurden. Damit sollen sie zum Beispiel Taschengeld an Jugendliche in betreuten Einrichtungen ausgeben. Die Ausweitung richtet sich nach Darstellung des Senats zunächst an Leistungsbeziehende, die kein eigenes Konto haben. SPD-Finanzsenator Andreas Dressel erklärte dazu, mit der Einführung einer Bezahlkarte könne für diese Gruppen die Teilhabe am bargeldlosen Zahlungsverkehr verbessert werden. Außerdem trage es zur Modernisierung der Verwaltung bei, wenn Menschen nicht mehr bei Zahlstellen anstehen müssten, um sich ihre Sozialleistungen persönlich abzuholen. Dennoch ist das Hamburger Vorhaben scharf zu kritisieren.

Technisch handelt es sich bei den Bezahlkarten um Visa-Guthabenkarten ohne hinterlegtes Konto. Sie funktionieren nur dort, wo Visa-Karten akzeptiert werden. In kleinen Läden, auf dem Flohmarkt, in Cafés oder Kiosks ist das häufig nicht der Fall. Hamburg hat die Bezahlkarte für Geflüchtete als erstes Bundesland im Februar 2024 im Rahmen eines Pilotprojekts eingeführt, war also schon damals »Vorreiter«. Zuvor hatten sich der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder im November 2023 auf die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete geeinigt. Es folgten eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie ein Ausschreibungsverfahren, an dem sich vierzehn der sechzehn Bundesländer beteiligten. Den Zuschlag bekam das Unternehmen Secupay, dessen Produkt »SocialCard« seit Ende 2024 in den teilnehmenden Bundesländern an Asylsuchende und Menschen mit Duldung ausgegeben wird.

Mehraufwand statt Bürokratieabbau

Auch für die Bezahlkarte für Geflüchtete wurde mit der Behauptung geworben, diese könne Abläufe in der Verwaltung vereinfachen und Bürokratie abbauen. In der Realität ist jedoch häufig das Gegenteil der Fall: Die Umstellung auf die Bezahlkarte ist für die Kommunen mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Einige Kommunen haben sich deshalb grundsätzlich dagegen entschieden. Hinzu kommen hohe Kosten, deren Höhe allerdings nicht bekannt ist, Probleme beim Datenschutz und eine Vielzahl an technischen Schwierigkeiten. Die Nutzung im Onlinehandel funktioniert nach wie vor nicht, obwohl dies vom Anbieter der Karte vertraglich zugesichert wurde. Pro Asyl berichtet ferner von Menschen, die wochenlang darauf warten mussten, bis die gebuchten Beträge tatsächlich auf der Bezahlkarte ankamen.

»Die Profitinteressen von Secupay und Visa sowie die Ausweitung der Kontrolle von Sozialleistungsempfängern gehen hier Hand in Hand.«

So bleibt die Wirkung der Bezahlkarte repressiv und entmündigend: Es gibt ein monatliches Limit für Bargeldabhebungen, das für Einzelpersonen in den meisten Bundesländern bei 50 Euro liegt. Auslandsüberweisungen sind ausgeschlossen, Online-Käufe sind vorerst ebenfalls nicht möglich. Überweisungen und SEPA-Lastschriftmandate sind auf wenige Händler beschränkt, etwa Mobilfunkanbieter und bestimmte Inkasso-Unternehmen. Überweisungen an weitere Empfänger müssen mühsam einzeln beantragt werden. Aktivistinnen, Menschenrechtsorganisationen und Geflüchtete selbst begreifen die Bezahlkarte daher vor allem als Schikane, die die Betroffenen bevormunden soll und ihren Alltag erschwert.

Neue Kunden für Visa und Co. 

Das geschieht nicht per Gesetz, sondern mittels technischer Barrieren. Beispiel Auslandsüberweisungen: In der politischen Debatte wurden diese 2023 zu einem angeblich relevanten Problem hochstilisiert. So wurde behauptet, dass Geflüchtete Sozialleistungen nutzten, um Geld an ihre Familien im Herkunftsland zu schicken oder gar ihre »Schlepper« zu bezahlen. Die Bezahlkarte sei »ein Signal an Schlepper und Schleuser: Ihr könnt nicht auf unbegrenzte Zahlungen aus Deutschland rechnen«, erklärte etwa der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Es gab und gibt keine Belege für diesen Vorwurf, und es gibt auch keine Regelung, die Auslandsüberweisungen für Geflüchtete verbietet. Dennoch wurden diese mit Einführung der Bezahlkarte unmöglich gemacht.

Vieles spricht dafür, dass die Bezahlkarte auch bei anderen Gruppen von Sozialleistungsbeziehenden genutzt werden wird, um diese zu gängeln. So forderten einzelne CDU- und FDP-Politiker schon im vergangenen Jahr, die Bezahlkarte auch für Bürgergeldempfänger einzusetzen, aber nicht unter mit dem Vorwand, die Verwaltungsabläufe zu vereinfachen. Anstelle dessen forderten sie unverhohlen den Einsatz der Bezahlkarte als Mittel, um Druck auf vermeintliche »Totalverweigerer« auszuüben, damit diese sich gezwungen sehen, auch die unzumutbarsten Jobs anzunehmen. Dass nun ausgerechnet eine rot-grüne Landesregierung daran arbeitet, den Weg dafür zu bereiten, zeigt, wie breit das Ziel einer repressiven Sozialpolitik parteiübergreifend geteilt wird.

Wenn es Politikerinnen und Politikern dagegen tatsächlich darum ginge, Teilhabemöglichkeiten auszuweiten, gäbe es eine bessere Alternative: allen Menschen Zugang zu einem Basiskonto gewährleisten. Das sieht auch die EU-Zahlungskontenrichtlinie vor, die in der BRD allerdings nicht konsequent umgesetzt wurde. Davon, dass stattdessen auf die Bezahlkarte gesetzt wird, profitieren vor allem Unternehmen wie Secupay und Visa, die mit der »SocialCard« hohe Gewinne machen und sich neue Märkte erschließen wollen. Profitinteressen dieser Konzerne und die Ausweitung der Kontrolle von Sozialleistungsempfängern gehen hier Hand in Hand.

Katharina Schoenes ist Sozialwissenschaftlerin und schreibt regelmäßig zu migrationspolitischen Themen.