02. Januar 2024
Anfang 2020 kündigte BlackRock-CEO Larry Fink an, das Unternehmen werde sich zukünftig auf »klimafreundliche« Investitionen fokussieren. Nach gut drei Jahren zeigt sich jedoch, dass dieses Versprechen ein Luftschloss war.
BlackRock-CEO Larry Fink spricht während des Yahoo Finance All Markets Summit in New York, 20. September 2018.
Anfang Dezember 2023 verkündete Larry Fink, der CEO der weltgrößten privaten Investmentgesellschaft BlackRock, sein Unternehmen werde in Kryptowährungen einsteigen. Dadurch wurde das Interesse an der schwächelnden und extrem von fossilen Brennstoffen abhängigen Krypto-Branche kurzzeitig wieder angefacht. Diese alltäglich klingende Business-Story ist aus einem Grund bemerkenswert: Vor gut drei Jahren war Fink noch von vielen Wirtschaftsmedien dafür gefeiert worden, dass er (vermeintlich) dazu beitragen werde, einen neuen, grünen und nachhaltigen Kapitalismus zu etablieren.
Finks Einstieg in die fossil-intensive Kryptoindustrie ist ein guter Zeitpunkt, um einen Blick zurück auf die überaus wohlwollende Presseberichterstattung von damals zu werfen und sich zu fragen, welche Lehren aus diesem besonders zynischen Fall des Greenwashings gezogen werden können.
Fink erhielt Anfang 2020 für seine großspurige Ankündigung, BlackRock werde auf klimafreundliche Investitionen umstellen, ein umfangreiches und weitgehend positives Medienecho. Er wurde ebenso als Verteidiger der Privatwirtschaft wie als Kämpfer gegen den Klimawandel porträtiert.
BlackRock verfügt über Vermögenswerte in Höhe von rund zehn Billionen US-Dollar – das entspricht in etwa dem Gesamtvermögen Lateinamerikas und dem Doppelten Afrikas. Aus Finks Sicht könnte sein Unternehmen damit eine »Kraft des positiven Wandels« für das dringlichste Problem der Gesellschaft sein: den menschengemachten Klimawandel. Die New York Times, CNBC, Bloomberg und Fortune berichteten begeistert. Sie alle stellten die Ankündigung von BlackRock als einen kolossalen Kulturwandel in Corporate America dar: weg vom kurzsichtigen Profitstreben, hin zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Erde.
Fairerweise: Fink stellte seine Motive nie als völlig altruistisch dar. »Das Klimarisiko ist auch ein Investmentrisiko«, schrieb er in einem Brief an die Investoren des Unternehmens 2020. Er vertrete jedoch die Ansicht (die von vielen Medien aufgegriffen wurde), dass die Eindämmung der Klimakatastrophe auch eine potenzielle Quelle für Unternehmensgewinne sei.
Finks grüne Versprechungen erwiesen sich als Luftschlösser. Im Januar 2022 kritisierte er bereits einen angeblichen »woken« Kapitalismus. Wochen später gab BlackRock bekannt, dass es weniger Vereinbarungen mit Bezug auf den Klimawandel unterstützen würde als zunächst geplant. Das Unternehmen teilte seinen Investoren mit: »Wir sind der Meinung, dass dies nicht mit den langfristigen finanziellen Interessen unserer Kunden vereinbar ist.«
Nur wenige Monate zuvor hatte BlackRock der staatlichen saudischen Ölgesellschaft Aramco geholfen, eine Investition von 15,5 Milliarden Dollar an Land zu ziehen, um noch mehr Öl aus dem Boden pumpen zu können. Eine kritische Analyse des Morning Star zeigte auf, dass BlackRock in 80 Prozent der Fälle gegen klimarelevante Investitionsvorschläge der Aktionärinnen und Aktionäre gestimmt hatte und unter den großen Vermögensverwaltern bei der Annahme von insgesamt 34 solchen Vorschlägen das Schlusslicht bildete.
In seiner Kolumne in der Zeitschrift Popular Information von Juni 2022 beschreibt der Investigativjournalist Jedd Legum detailliert, wie die »Multi-Billionen-Dollar-Greenwashing-Industrie« funktioniert, die vor allem auf sogenannte ESG-Fonds (Environmental, Social und Governance) baut. Unter Berufung auf einen Bloomberg-Bericht über Betrug mit ESG-Fonds erklärte Legum, wie BlackRock die Entscheidung, ob ein Unternehmen in die Umwelt-, Sozial- und Corporate-Governance-Fonds aufgenommen wird, an dritte Prüfunternehmen auslagert. Diese Drittunternehmen würden bei der Entscheidung aber höchst irreführende Kennzahlen verwenden. So spiegeln die Ratings beispielsweise nicht die tatsächlichen Umweltauswirkungen der Investition wider, sondern »die potenziellen Auswirkungen der Welt« auf das Unternehmen und seine Aktionäre.
Das ganze System entpuppte sich als Masche, um die Verantwortung für den CO2-Ausstoß von einer Branche auf die andere abzuwälzen.
»Unser Planet kann sich ganz sicher keine weiteren Monate oder gar Jahre unkonkreter Wohlfühl-PR von den reichsten Menschen der Welt leisten.«
Der Höhepunkt kam dann, als Fink Anfang Dezember 2023 ankündigte, BlackRock werde nun in großem Stil auf Kryptowährungen wetten. CoinDesk schrieb dazu, Fink sei zwar »ein spät Bekehrter, aber jetzt einer der einflussreichsten Bitcoin-Befürworter«. Das Magazin erkannte darin eine Wiederbelebung von Krypto: »Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass BlackRocks unerwarteter Vorstoß das Interesse an Krypto-Handelsinstrumenten, von denen viele annahmen, sie seien mausetot, neu entfacht hat.«
Kryptowährungen sind ein nicht zu unterschätzender Treiber für die Förderung fossiler Brennstoffe und deren Emissionen. In einer aktuellen Studie der United Nations University über die Auswirkungen von Kryptowährungen auf den Klimawandel heißt es: »Die Ergebnisse sind schockierend. Neben einem beträchtlichen CO2-Fußabdruck haben die weltweiten Bitcoin-Mining-Aktivitäten auch einen erheblichen Wasser- und Land-Fußabdruck.« Weiter wird mit Blick auf eine frühere Studie erinnert: »Wäre Bitcoin ein Land, läge es mit seinem Energieverbrauch auf Platz 27 der Welt, noch vor einem Land wie Pakistan mit seinen mehr als 230 Millionen Menschen.«
Die Autorinnen und Autoren der Studie stellen weiter fest: »Der daraus resultierende CO2-Fußabdruck entspricht der Verbrennung von 84 Milliarden Pfund Kohle oder dem Betrieb von 190 erdgasbefeuerten Kraftwerken. Um diesen Fußabdruck auszugleichen, müssten 3,9 Milliarden Bäume gepflanzt werden, was fast der Fläche der Niederlande, der Schweiz oder Dänemarks beziehungsweise sieben Prozent des Amazonas-Regenwaldes entspricht.«
Fink scheint also die 180-Grad-Wende hin zum Klima-Bösewicht vollführt zu haben; dabei hätte sein Werben für einen verantwortungsbewussten Kapitalismus schon viel früher die Alarmglocken schrillen lassen müssen. In Zukunft sollten Medien, die über Wirtschaftsthemen berichten, solchen Behauptungen über eine gleichzeitig kapital- und klimafreundliche Business-Strategie mit der gebotenen Skepsis begegnen.
Sehen wir uns rückblickend noch einmal an, wie über Finks grüne Versprechen Anfang 2020 berichtet wurde. Der schlimmste »Übeltäter« war dabei wohl der Finanzkolumnist der New York Times, Andrew Ross Sorkin. Dieser begleitete die BlackRock-Ankündigung wie Finks persönlicher PR-Beauftragter. »Ich glaube, wir werden in einigen Jahren auf diesen Moment zurückblicken und ihn als Wendepunkt betrachten, wie Unternehmen über Nachhaltigkeit denken«, sagte Sorkin gegenüber CNBC. »Viele Jahre lang haben Unternehmen über dieses Thema geredet und einige von ihnen haben dieses oder jenes getan, aber keiner der großen US-Vermögensverwalter hat sich ernsthaft damit befasst.«
Nun sind einige Jahre vergangen, und man muss sich fragen, was Sorkin heute denkt. Inwiefern war 2020 ein »Wendepunkt«? Warum hat er damals keine kritischen Fragen dazu gestellt, wie BlackRock die Nachhaltigkeit in seinen ESG-Fonds messen wollte? Er wurde sogar darauf angesprochen, doch wischte das Thema im Interview einfach beiseite.
In seiner Kolumne in der New York Times zeigte sich Sorkin ebenso leichtgläubig. In einem Artikel vom Februar 2020 mit der Schlagzeile »BlackRock CEO Larry Fink: Klimakrise wird das Finanzwesen verändern« wird Fink als ein zunächst widerwilliger, doch nun aufrichtiger Verfechter einer klimaschonenden Unternehmenspolitik dargestellt. Es folgen einige obligatorische »To be sure«-Absätze, in denen beschrieben wird, wie Fink von rechts (»die Trump-Regierung steuert in die entgegengesetzte Richtung«) und von links (»Klimaaktivisten organisierten zahlreiche Proteste vor der BlackRock-Zentrale«) bedrängt wird. Dann wird dem Lesenden schnell wieder der Eindruck vermittelt, dass der Schwenk von BlackRock Teil einer breit angelegten und vor allem ernst gemeinten Lösung für unsere Klimakrise sein dürfte.
»Der Schritt von Mister Fink ist ein Wendepunkt, der eine nationale Diskussion unter Finanziers und politischen Entscheidungsträgern anstoßen könnte«, schreibt Sorkin. »Der neue Ansatz könnte Druck auf die anderen großen Vermögensverwalter und Finanzunternehmen in den USA – darunter Vanguard, T. Rowe Price und JPMorgan Chase – ausüben, selbst ehrgeizigere Nachhaltigkeitsstrategien zu formulieren.«
Unnötig zu erwähnen, dass nichts von alledem geschah. Was tatsächlich geschah, war ein vorübergehender Schub für BlackRocks Anlagediversifizierung sowie ein langsamer Rückgang seiner wirklich sinnvollen ESG-Portfolios.
Die Berichterstattung der New York Times blieb allerdings nicht durchgängig positiv. So veröffentlichte die Zeitung zwei Jahre später, im Februar 2022, Kritik an BlackRocks nicht eingelösten Versprechen. Bis dahin hatte sich insbesondere die Wirtschafts- und Finanzredaktion unter Leitung von Sorkin mehrfach blauäugig und fast schon kindlich von Finks Selbstbeweihräucherung einlullen lassen.
»Anstatt den Konzernen heute Druck zu machen, damit sie sich auf vage Benchmarks für ebenso schwammige Ziele in 30 Jahren einlassen, sollten Politik und Medien davon ausgehen, dass diese Unternehmen immer nur handeln, wenn dies die kurzfristigen Renditen ihrer Investoren maximiert.«
Im Gegensatz zur späteren Kritik an den ESG-Trickserien sah auch Bloomberg die Fink’schen Ankündigungen im Januar 2020 durch die rosarot gefärbte Brille. Ein damaliger Artikel liest sich, als entspringe er direkt der BlackRock-Marketingabteilung. In ihm schreibt Emily Chasan: »Die Welt wird immer wärmer. Das erkennt man auch an Larry Finks Schal: Der Chef von BlackRock Inc. trug bei seinem Interview mit Bloomberg Television diese Woche auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos einen Schal mit Klimadaten und signalisierte damit, dass sein neues Engagement und der Wille, Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Geschäftsstrategie zu stellen, schon bei seiner Garderobe anfängt.«
Fortune titelte seinerseits: »BlackRock-CEO Larry Fink stellt Klimawandel in den Mittelpunkt der Anlagestrategie des Megafonds«. Im Artikel werden Finks Versprechen als gutgemeinte Reaktion auf den Druck von Aktivistinnen dargestellt. Der große Vermögensverwalter wird so zum potenziellen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. »Die Vermögensverwaltungsbranche ist in einer einzigartigen Position, um die globalen Dekarbonisierungsbemühungen voranzutreiben; aber dazu bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller, nicht nur einiger weniger«, wird Alex Bibani, der bei Sarasin & Partners in London selbst einen verantwortungsbewussten Investmentfonds verwaltet, in dem Artikel zitiert. »Wir freuen uns, dass BlackRock diese positiven Schritte unternimmt und hoffen, dass andere, wie Vanguard, diesem Beispiel folgen.«
Rückblickend lässt sich hoffen, dass niemand (mehr) diesem Beispiel folgt. Die Ankündigungen von BlackRock waren vollgestopft mit hohlen Phrasen, gespielter »Haltung« und vagen Verpflichtungen. Viele Wirtschaftsmedien müssen sich indes fragen, warum sie an BlackRocks Wandel hin zum klimafreundlichen Konzern glaubten, ohne zu wissen, wie die konzerneigenen »Nachhaltigkeitsfonds« gemessen und durchgesetzt werden. Wo war bei den ersten derartigen Aussagen die Skepsis, die Monate, wenn nicht Jahre später aufkam?
Der Zeitplan für Klimamaßnahmen ist inzwischen extrem knapp bemessen. Im vergangenen März veröffentlichte der Weltklimarat einen von 93 Fachleuten verfassten Bericht, in dem festgestellt wird, dass die Durchschnittstemperaturen auf der Erde um 1,5 Grad Celsius steigen werden, wenn nicht praktisch alle Industrien ihre Treibhausgasemissionen radikal und sofort reduzieren.
Warum sollte sich noch irgendjemand an die Konzerne wenden und hoffen, dass diese sich selbst regulieren? Warum sollten Klimaziele in exotisch-attraktive Investitionsmöglichkeiten übersetzt werden? Die Regierungen der Welt müssen dazu gedrängt werden, diese Billionen an Vermögenswerten unter demokratische Umweltkontrolle zu bringen. Unser Planet kann sich ganz sicher keine weiteren Monate oder gar Jahre unkonkreter Wohlfühl-PR von den reichsten Menschen der Welt leisten.
Anstatt den Konzernen heute Druck zu machen, damit sie sich auf vage Benchmarks für ebenso schwammige Ziele in 30 Jahren einlassen, sollten Politik und Medien davon ausgehen, dass diese Unternehmen immer nur handeln, wenn dies die kurzfristigen Renditen ihrer Investoren maximiert. Das wird stets so sein – unabhängig davon, welche Rhetorik die BlackRocks dieser Welt an den Tag legen, welche Schals ihre CEOs tragen oder wie hochtrabend sie behaupten, die Rettung der Erde könnte doch eine total spannende neue Investment-Chance sein.
Adam Johnson ist Co-Host des Podcasts Citations Needed und Journalist beim Magazin The Appeal.