07. Juli 2025
Mexiko ist ein Lieblingsfeind von Donald Trump. Claudia Sheinbaum macht vor, wie man der MAGA-Regierung die Stirn bietet.
Lässt sich nicht provozieren: Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum in Mexiko-Stadt, 12. Juni 2025.
Am 9. März versammelten sich über 350.000 Menschen auf dem Zócalo, dem zentralen Platz von Mexiko-Stadt, um gegen die angedrohten Zölle von US-Präsident Donald Trump zu protestieren. Wenige Tage zuvor hatte Präsidentin Claudia Sheinbaum allerdings bereits die Einigung auf ein Abkommen bekannt gegeben, mit dem Mexiko im Zuge des United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) von den meisten Abgaben ausgenommen werden würde. »Glücklicherweise haben sich der Dialog und vor allem der Respekt zwischen unseren Nationen durchgesetzt«, erklärte Sheinbaum vor der Menschenmenge. Als Trump am 2. April seinen »Liberation Day« verkündete, blieben sowohl Mexiko als auch Kanada tatsächlich von den Zöllen ausgenommen.
Der Zollstreit war aber nur eine Auseinandersetzung in den seitdem höchst angespannten Beziehungen zwischen den USA und Mexiko. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump mit ähnlichen Zöllen gedroht, sich kurzerhand zum »Sieger« erklärt sowie mexikanische Zugeständnisse in der Migrationspolitik eingestrichen – und das südliche Nachbarland dann weitgehend in Ruhe gelassen. Diesmal scheint die US-Führung – getrieben vom verantwortungslosen nationalistischen Furor ihrer Anhänger – die Spannungen immer weiter verschärfen zu wollen. Dies wiederum ist eine Herausforderung für Präsidentin Sheinbaum, die ihrem unberechenbaren Amtskollegen bisher meist mit einer »cabeza fría« (kühlem Kopf) entgegengetreten ist.
Eine kurze Zusammenfassung reicht aus, um sich ein Bild von den aktuellen Beziehungen zu machen. Am 21. März lehnten die USA zum ersten Mal seit der Unterzeichnung eines Vertrags über gemeinsame Wassereinzugsgebiete im Jahr 1944 eine mexikanische Anfrage nach Wasser, in diesem Fall für die Stadt Tijuana, ab. Nach wochenlangen Verhandlungen wurde der Streit Ende April beigelegt. Am 11. Mai kündigten die Vereinigten Staaten dann die Aussetzung von Viehimporten aus Mexiko an, da im Süden des Landes die Neuwelt-Schraubenwurmfliege aufgetreten war. Mexikos Landwirtschaftsminister Julio Berdegué zeigte sich sichtlich enttäuscht und erinnerte Washington daran, dass man dort 2023 nicht auf Bitten um Unterstützung beim Kampf gegen die Schädlinge reagiert hatte. Diese waren erstmals in Panama wieder aufgetreten und drohten, sich nach Norden auszubreiten, so die damalige mexikanische Warnung. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels ist das US-amerikanische Importverbot weiterhin in Kraft.
Anfang Mai wurden einer Gouverneurin der linken MORENA-Koalition und ihrem Ehemann ohne Erklärung die US-Visa entzogen. Am 16. Mai verstieß der neu ernannte Botschafter Ronald D. Johnson gegen jegliche diplomatischen Gepflogenheiten und ethischen Grundsätze, indem er schon am zweiten Tag seiner Amtszeit in Mexiko den rechtsextremen, weitgehend noch unbekannten Politiker Eduardo Verástegui bei einem vertrauten Abendessen als seinen »Bruder« bezeichnete. Diese Bekundung, die in den Sozialen Medien geteilt wurde, bestärkte viele in Mexiko in ihren Vorbehalten gegenüber Johnson – seines Zeichens ehemaliger CIA-Agent und einer der 55 »Berater« der Junta während des Bürgerkriegs in El Salvador.
Kurz zuvor hatte die Trump-Regierung siebzehn Mitgliedern der Mafiafamilie Guzmán die Einreise in die Vereinigten Staaten gestattet – kaum zwei Monate, nachdem sie unter anderem das Sinaloa-Kartell als ausländische terroristische Organisation eingestuft hatte. Zeitgleich legte Trump nahe, diese Einstufung könne sogar eine militärische Intervention der USA in Mexiko rechtfertigen: So erklärte er im Telefonat mit Sheinbaum, er würde sich »geehrt fühlen«, aktiv zu werden und bei der Bekämpfung der Kartelle zu »helfen«. Ein Angebot, das die mexikanische Staatschefin natürlich ablehnte.
»Die Trump-Truppe legt es darauf an, Reaktionen zu provozieren, um dann wiederum ein aggressiveres Vorgehen ihrerseits zu rechtfertigen.«
Am 21. Mai kündigten die Republikaner im Repräsentantenhaus die Einführung einer Steuer auf Geldsendungen an. Dies zielt offensichtlich auf Menschen, die Geld aus den USA an ihre Familien im Ausland schicken. Es ist Teil eines umfassenderen Plans, die Kosten der Steuersenkungen für Reiche auf Migranten abzuwälzen. Sheinbaum kritisierte die Pläne als Doppelbesteuerung und deutete bei einem Auftritt in der Stadt San Luis Potosí an, es könne zu Mobilisierungen in Mexiko kommen, um Widerstand gegen diese Maßnahme zu demonstrieren. Etwa zehn Tage später nutzte die US-Direktorin für Heimatschutz, Kristi Noem – die noch im März von Präsidentin Sheinbaum im mexikanischen Nationalpalast mit höchsten Ehren empfangen worden war – einen aus dem Zusammenhang gerissenen Clip, um zu behaupten, Sheinbaum würde zu gewalttätigen Protesten in Los Angeles anstacheln. Das ging selbst Trump zu weit; Botschafter Johnson wurde angewiesen, die Aussage zurückzuweisen und die Wogen zu glätten.
Anders verhielt es sich einige Tage später: Vor dem Hintergrund der Proteste in Los Angeles und der Drohungen Trumps, jedem, der die Proteste unterstütze, das Visum zu entziehen, veröffentlichte ein Mitglied der MORENA-Partei des mexikanischen Bundesstaates Jalisco am 12. Juni einen unglaublichen Tweet zu ihrem eigenen Visum. Zuvor hatte die mexikanische Politikerin sich (zu Recht) über die Gewalttaten und Schikanen der US-Einwanderungsbehörde ICE gegenüber Menschen mexikanischer Abstammung empört. Ihr Tweet ähnelte damit Tausenden, die tagtäglich veröffentlicht werden. Doch der stellvertretende US-Außenminister Christopher Landau, der sich gerade auf Besuch in Mexiko befand, sah sich angesichts der Kritik zur Erklärung veranlasst, er habe persönlich die Anweisung gegeben, das Visum der jungen Frau zu annullieren. Darüber hinaus gab er in diesem Zuge auch noch vertrauliche Informationen über deren Einreisestatus preis, die plötzlich für alle sichtbar waren.
Als ob dieses pubertäre Mobbing noch nicht genug wäre, legte Landau wenige Tage später mit einer Tirade in Reaktion auf eine harmlose Pressemitteilung der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) zu den Vorteilen potenzieller Handelsbeziehungen mit China nach. Abgesehen davon, dass es unangemessen ist, wenn ein Beamter des US-Außenministeriums sich in den sozialen Medien wie ein getriggerter Teenager aufführt, waren die Tweets auch in anderer Hinsicht kontraproduktiv: Sie machten nämlich deutlich, dass Visavergabe und -annullierungen in den USA derzeit offensichtlich willkürlich und vor allem durch persönliche Aversion begründet werden. Damit untergrub Landau unbeabsichtigt die Versuche der Trump-Regierung, Visumsregelungen als allgemeines Druckmittel einzusetzen.
Die Krönung erfolgte am 25. Juni bei einer Anhörung des Senatsausschusses für Haushaltsfragen, in der Generalstaatsanwältin Pam Bondi erklärte, die Trump-Regierung werde »Amerika schützen […], nicht nur vor dem Iran, sondern auch vor Russland, China und Mexiko. Vor jedem ausländischen Feind, egal ob er uns physisch töten oder unsere Kinder drogenabhängig machen will«. Auf diese spontane Einordnung Mexikos als einen mit Wladimir Putin und Xi Jinping vergleichbaren Feind der USA reagierte Sheinbaum entspannt und kühl – die US-Generalstaatsanwältin sei offenbar »nicht sehr gut informiert«, so Mexikos Präsidentin.
Inzwischen scheint aber auch die Geduld von Sheinbaum erschöpft: Am folgenden Tag verhängte das US-Finanzministerium unter Berufung auf den Fentanyl Sanctions Act und den FEND Off Fentanyl Act Sanktionen gegen drei mexikanische Finanzinstitute wegen »Geldwäschebedenken«. In einem deutlich kämpferischeren Ton forderte Sheinbaum das Ministerium auf, Beweise für die Vorwürfe vorzulegen – »sofern es solche überhaupt gibt«.
Sheinbaum weiter: »Wir werden niemanden decken, es gibt keine Straffreiheit, aber es muss bewiesen werden, dass Geldwäsche stattgefunden hat, nicht mit Statements, sondern mit schlüssigen Beweisen […] Unsere Beziehung zu den Vereinigten Staaten ist eine Beziehung zwischen Gleichberechtigten, nicht zwischen Herrscher und Untergebenem. Wir sind niemandes Piñata.« Die drei betroffenen Finanzinstitute – CiBanco, Intercam Banco und Vector Casa de Bolsa – unterhalten umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu China. Das nährt die Vermutung, dass das US-Finanzministerium unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Drogen die chinesisch-mexikanischen Beziehungen stören will.
Natürlich ist Mexiko nicht das einzige Land, das derart behandelt wird. Vielmehr ist das Vor-den-Kopf-Stoßen anderer Staaten eher die Regel als die Ausnahme in dieser wankelmütigen Neuauflage des Trumpismus. Die Trump-Truppe legt es darauf an, Reaktionen zu provozieren, um dann wiederum ein aggressiveres Vorgehen ihrerseits zu rechtfertigen. Sheinbaums Ansatz, sich hartnäckig nicht provozieren zu lassen, ist daher sehr empfehlenswert. Man muss in dieser Hinsicht aber auch klar durchschauen, was offizielle US-Politik ist und was – wie die Ausbrüche von Noem, Bondi und Landau – eher das Ergebnis von institutionellem Chaos, persönlichem Hass, Machtmissbrauch und purem Rassismus.
»All das ist darauf ausgelegt, Sheinbaum in eine Situation zu bringen, in der sie praktisch nicht gewinnen kann: Wenn sie etwas tut, provoziert sie weitere Vergeltungsmaßnahmen; wenn sie nichts tut, gibt sie implizit grünes Licht.«
Dass Sheinbaum nun doch den Ton gewechselt hat, spiegelt vermutlich die wachsende Erkenntnis wider, dass imperialer Feindseligkeit nicht allein mit Charme und rationalen Argumenten begegnet werden kann. Die jüngsten Attacken sind darüber hinaus lediglich eine Fortsetzung der seit langem bestehenden Forderung der USA, Mexiko solle sich unterwerfen. Wenn dies ohne die Unannehmlichkeiten einer unpopulären Militäroperation möglich ist, umso besser.
Zu diesem Zweck werden alle verfügbaren Mittel eingesetzt: offizielle und inoffizielle Diffamierung, Verleumdung und Lüge, Medienkampagnen, Steuern, Sanktionen, Grenzschließungen, Visumsannullierungen, Rechtsstreitigkeiten über bestehende Verträge. All dies ist sorgfältig abgestimmt: Man fängt klein an, damit die zukünftigen »Gegenschläge« bei Bedarf ausgeweitet werden können. All das ist letztlich darauf ausgelegt, Sheinbaum in eine Situation zu bringen, in der sie praktisch nicht gewinnen kann: Wenn sie etwas tut, provoziert sie weitere Vergeltungsmaßnahmen; wenn sie nichts tut, gibt sie implizit grünes Licht für weitere Übergriffe der USA.
Dies ist die Zwickmühle, die Sheinbaum um jeden Preis umgehen muss. Die passende Antwort liegt vermutlich in einer Mischung aus Mobilisierung der Bevölkerung, unabhängigen Medien, strategischen Allianzen, Souveränität über wichtige Wirtschaftssektoren, aktiver Industriepolitik, regionaler Koordination – und ganz grundlegend im Verzicht auf jegliche Naivität gegenüber den US-Kapriolen. Sich zurückzuhalten ist keine Lösung, ebenso wenig wie auf vermeintlich mäßigende Effekte einer weiteren ökonomischen Integration zu setzen.
Kurz gesagt: Mit Nettigkeit wird sich das Problem nicht lösen lassen. Darüber hinaus wird Mexikos Stimme auf der internationalen Bühne – da sich der Westen beispielsweise durch sein anhaltendes Schweigen zu Gaza selbst diskreditiert – immer wichtiger und ist dringend erforderlich. Als zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt und geografische Brücke zwischen dem Globalen Norden und Süden muss Mexiko seine Stimme finden und sich erfolgreich gegen den Tyrannen aus dem Norden behaupten.
Kurt Hackbarth ist Schriftsteller, Dramatiker, Journalist und Mitbegründer des unabhängigen Medienprojekts MexElects. Derzeit arbeitet er an einem Buch über die mexikanischen Wahlen im Jahr 2018 mit.