27. Januar 2025
Donald Trump will Grönland kaufen. Die frühere Kolonialmacht Dänemark ist strikt dagegen. Doch die Menschen Grönlands haben ihre eigenen Träume: Sie wollen weder zu den USA noch zu Dänemark gehören, sondern selbst über ihr Land bestimmen.
Junge am Flughafen Kangerlussuaq, der in den 1980ern als US-Armeebasis eröffnet wurde, 19. Januar 2025.
Im Vorfeld seiner Amtseinführung hat Präsident Donald Trump eine überraschende Priorität festgelegt: Grönland. Trump möchte die Insel (ein sogenanntes selbstverwaltetes Gebiet innerhalb Dänemarks) kaufen sowie die Kontrolle über den Panamakanal übernehmen und Kanada annektieren. Dadurch sollen die USA »great again« werden. Aus Dänemark gab es harsche Kritik an Trumps Plänen. Aus dänischer Sicht müsse Grönland letztendlich über seine Unabhängigkeit und seine Zukunft selbst entscheiden.
Es mag für manche Kommentatoren nahe liegen, Trump als verrückt oder geistig umnachtet zu bezeichnen, aber sein Vorschlag ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Tatsächlich ist Trumps Vorstoß bereits der fünfte Versuch der USA, Grönland zu erwerben. Während des Zweiten Weltkriegs besetzten die Amerikaner die Insel kurzzeitig, errichteten und unterhielten dort später ihren nördlichsten Luftwaffenstützpunkt im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. Heute, da China zum wichtigsten Handelspartner Grönlands aufsteigt, befürchtet die außenpolitische Führung der USA, der Westen könne seinen Zugang zu den wichtigen Ressourcen sowie den Schifffahrtsrouten rund um die riesige Insel verlieren.
Aus Europa gab es Kritik an Trump. In Brüssel betont man, Grönland gehöre zu Dänemark. Dabei wird etwas Grundlegendes aus den Augen verloren: Grönland gehört weder Dänemark noch den USA; es gehört den Grönländerinnen und Grönländern. Die Menschen in Grönland wünschen sich seit langem die Unabhängigkeit; eine Mehrheit unterstützt sie. Das größte Hindernis ist dabei nicht rechtlicher, sondern ökonomischer Natur: Grönlands Wirtschaft ist nach wie vor stark von dänischen Subventionen abhängig.
Um sich von der Kontrolle Kopenhagens zu befreien, könnte die grönländische Führung den Moment nutzen, in dem das Land im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit steht, um seine Unabhängigkeitsbestrebungen voranzutreiben und Investitionen anzuziehen, die für den Aufbau einer autarken Wirtschaft erforderlich sind. Wenn der Ressourcenreichtum der Insel gerecht verteilt würde – wie es sich die sozialdemokratische Regierungspartei Inuit Ataqatigiit auf die Fahnen schreibt –, könnte Grönland nicht nur die Unabhängigkeit, sondern auch die Befreiung von der kolonialismusbedingten Armut erreichen. Diese lastet seit Jahrhunderten schwer auf der Insel.
Grönland ist die größte Insel der Welt. Auf ihr leben 57.000 Menschen. Die Insel wird seit Jahrtausenden von Indigenen bewohnt; die Inuit kamen vor etwa tausend Jahren und sind seither dort geblieben. Dänemark begann 1728 mit der Besiedlung der Insel und rechtfertigte seine Eroberung damit, dass ab dem zehnten Jahrhundert bereits nordische Völker auf Grönland gelebt hatten. Diese Darstellung ignoriert jedoch geflissentlich die Tatsache, dass diese aus Island stammenden nordischen Stämme die Insel bereits über zweihundert Jahre vor der Ankunft der Dänen verlassen hatten.
Bereits 1867 versuchten die USA, alle in Nordamerika liegenden Gebiete Dänemarks zu erwerben, darunter Grönland, Island und Dänisch-Westindien in der Karibik. Der amerikanische Kongress wollte den Preis von 5,5 Millionen US-Dollar für Grönland und Island sowie 7,5 Millionen US-Dollar für die Westindischen Inseln jedoch nicht billigen. Letztere Inseln (heute die Amerikanischen Jungferninseln) wurden 1916 dann doch gekauft, um den Schutz des Panamakanals zu erleichtern. Die strategisch weniger wichtigen, dünn besiedelten Gebiete Grönland und Island waren hingegen nicht mehr von Interesse.
Das änderte sich während des Zweiten Weltkriegs, nachdem Nazi-Deutschland Dänemark überfallen hatte. Um zu verhindern, dass Deutschland den Krieg sogar nach Nordamerika tragen würde, besetzten die Vereinigten Staaten sowohl Grönland als auch Island. Nach dem Krieg lehnten die USA ab, Grönland wieder zu verlassen – trotz dänischer Proteste. Mit Blick auf die aufstrebende Sowjetunion boten die Vereinigten Staaten 1946 erneut an, die Insel für 100 Millionen Dollar zu kaufen. Das Angebot wurde abgelehnt, aber Dänemark stimmte zu, dass US-Truppen auf der Insel stationiert bleiben können, um diese im Notfall zu verteidigen.
»Dänemark rechtfertigt seine Einmischung in grönländische Angelegenheiten mit Sicherheitsbedenken. Doch laut einer aktuellen Umfrage nehmen die meisten Grönländer China nicht als Bedrohung wahr«.
1951 wurde die Thule Air Base (heute Pituffik Space Base) gebaut, um dort US-Atombomber zu stationieren, die im Kriegsfall gegen die Sowjetunion eingesetzt werden sollten. Für den Bau der Basis wurden Grönländerinnen und Grönländer umgesiedelt. 1968 wurde das Gebiet durch den Absturz eines Atombombers radioaktiv verseucht. Auf der Insel befand sich darüber hinaus das Camp Century, ein Lager für Atomraketen, welches ebenfalls Atommüll produzierte.
Nach dem Kalten Krieg fuhren die Vereinigten Staaten ihre Präsenz in Grönland zurück. Die meisten Radarstationen wurden aufgegeben, die Thule Air Base hingegen erhalten. 2007 stieg das Interesse an Grönland erneut, da seltene Erden auf der Insel entdeckt worden waren. Durch diese Vorkommen ist das nahezu vollständige Monopol Chinas auf diese wichtigen Ressourcen bedroht. Die grönländischen Vorkommen könnten möglicherweise ein Viertel des weltweiten Bedarfs decken. Dies veranlasste China dazu, seine wirtschaftlichen Beziehungen zur Insel schnellstmöglich zu vertiefen.
Um den Einfluss des Westens zu sichern, hat Dänemark chinesische Investitionen mehrmals blockiert, obwohl das Selbstverwaltungsgesetz Grönlands von 2008 der Insel die Befugnis gewährt, internationale Handelsabkommen selbst auszuhandeln. Ein Bericht zeigt, wie die USA und Dänemark Lobbyarbeit betrieben, um zu verhindern, dass ein Bergbauunternehmen aus Grönland seine Erzeugnisse an China verkauft. Während Dänemark seine Einmischung in grönländische Angelegenheiten mit Sicherheitsbedenken rechtfertigt, nehmen die meisten Menschen in Grönland laut einer aktuellen Umfrage China nicht als Bedrohung wahr.
Trumps jüngster Vorschlag, Grönland zu kaufen, ist nicht sein erster: Kurz nach seinem ersten Amtsantritt 2017 hatte er Dänemark bereits mehrere Angebote unterbreitet, die allesamt abgelehnt wurden. Trump hat zwar vage Gründe für seinen Kaufwunsch für Grönland genannt – darunter die schiere Größe sowie die Bedeutung der Insel für die Verteidigung der »freien Welt« – doch sein eigentlicher Fokus liegt offensichtlich auf China. »Wir brauchen Grönland für die nationale Sicherheit [...] Man braucht nicht einmal ein Fernglas, man schaut einfach nach draußen und sieht überall chinesische Schiffe«, so der US-Präsident. Er drohte außerdem, wenn Dänemark nicht verkaufe, könnten Wirtschaftssanktionen oder auch militärische Gewalt eingesetzt werden, um Grönland zu annektieren.
»Grönländer leben im Durchschnitt acht Jahre kürzer als Dänen und haben die höchste Selbstmordrate der Welt.«
Der Kauf Grönlands ist somit als Teil von Trumps größerem Plan zu sehen, die US-Außenpolitik konsequent auf die Bekämpfung Chinas auszurichten. Diese Verschiebung begann bereits mit Barack Obamas Ostasien-Strategie, mit der die Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten vom Nahen Osten und Europa weg und in Richtung Pazifik gelenkt werden sollte. Der Plan scheiterte zwar in dem Sinne, dass die USA weiter in Konflikte in Europa und im Nahen Osten verstrickt sind, aber er führte dazu, dass China heute tatsächlich als größter Rivale Amerikas angesehen wird. Das belegen der anhaltende Handelskrieg ebenso wie die US-amerikanische Paranoia gegenüber TikTok und chinesischen Spionen. Für Trump mag es vor diesem Hintergrund ein geringer Preis sein, Europa zu verärgern, wenn er mit einem Grönland-Kauf China ausbremsen kann.
Dänemarks und andere europäische Staats- und Regierungschefs haben Trumps Äußerungen verurteilt. »Wir nehmen diese Situation sehr, sehr ernst«, sagte der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen. Grönland sei »europäisches Territorium«. Die EU werde nicht zulassen, dass »andere Nationen der Welt, wer auch immer sie sind, ihre souveränen Grenzen angreifen«, bekräftigte der französische Außenminister Jean-Noël Barrot. In vertraulichen Gesprächen hat Dänemarks Regierung aber versucht, die USA zu beschwichtigen: Offenbar bot man an, die amerikanische Militärpräsenz könne erhöht werden, wenn im Gegenzug die Annexionsforderungen fallen gelassen werden.
Komplett außen vor gelassen wurden indes die grönländischen Menschen selbst. Sie sind zu fast 90 Prozent Inuit. Deutschlands Bundeskanzler Scholz erklärte mit Blick auf Trump: »Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden.« Dabei ignoriert Scholz aber, dass Dänemark einst seine Grenzen bis nach Grönland verschoben hatte – mit Gewalt.
Denn während der Kolonisierung Grönlands zwang Dänemark die Bevölkerung unter anderem, zum Christentum zu konvertieren. Im Zuge der »Modernisierung« der Insel wurden grönländische Inuit zwangsumgesiedelt. In den 1950er Jahren wurden Inuit-Kinder aus ihren Familien geholt und nach Dänemark gebracht, um sie zu »kleinen Dänen« zu machen. Inuit-Frauen wurden in den 1960er und 1970er Jahren gegen ihren Willen Verhütungsspiralen eingesetzt. Auch heute gibt es weiterhin strukturelle Ungleichheiten: Inuit-Kinder werden fünfmal häufiger in Pflegefamilien untergebracht als dänische Kinder. Darüber hinaus leben Grönländer im Durchschnitt acht Jahre kürzer als Dänen und haben die höchste Selbstmordrate der Welt.
»Dänische Subventionen machen 40 Prozent der Wirtschaft der Insel und 60 Prozent des grönländischen Staatshaushalts aus. Diese Unterstützung mag großzügig erscheinen, dient aber vor allem dazu, die dänische Kontrolle aufrechtzuerhalten.«
Diese Zahlen sind auch ein Grund für den grönländischen Kampf um mehr Autonomie. 1979 erhielt Grönland das Recht auf Selbstverwaltung; und 2008 stimmten drei Viertel der Menschen auf der Insel in einem Referendum für das sogenannte Grönländische Selbstregierungsgesetz. Gemäß dem Gesetz übernimmt die grönländische Führung die meisten Regierungsfunktionen, mit Ausnahme von Verteidigung und Sicherheit, die weiterhin in der Verantwortung Dänemarks liegen. Außerdem wird Grönland das Recht eingeräumt, seine Unabhängigkeit zu erklären.
Einerseits unterstützen laut Umfragen zwei Drittel der Grönländer die Unabhängigkeit, 78 Prozent würden sich trotzdem dagegen aussprechen, wenn dies einen Rückgang des Lebensstandards bedeuten würde. Das größte Hindernis für die Unabhängigkeit ist somit nicht rechtlicher, sondern ökonomischer Natur. Dänische Subventionen machen 40 Prozent der Wirtschaft der Insel und 60 Prozent des grönländischen Staatshaushalts aus. Im Falle einer Unabhängigkeit Grönlands würden diese Subventionen wahrscheinlich nicht mehr gezahlt werden.
Die Unterstützungsgelder mögen großzügig erscheinen, dienen aber vor allem dazu, die dänische Kontrolle aufrechtzuerhalten. Dänemark verhindert, dass andere Länder Grönland unterstützen – obwohl jeder sechste Mensch auf der Insel in Armut lebt. Diese Armut ist zum Teil auf den dänischen Kolonialismus zurückzuführen, in dem historisch gesehen dänische Arbeitskräfte bevorzugt und Inuit-Arbeiter ausgebeutet und ihnen niedrigere Löhne gezahlt wurden. Bis 1987 wurde in Grönland Bergbau betrieben, dessen Profite aber bei den Grönländern selbst kaum ankamen. Als die letzten Minen geschlossen wurden, hinterließen sie gefährliche Abfälle, die für Vergiftungserscheinungen bei Fischen sorgten. Letztere waren bislang das Hauptexportgut der Insel – und eine wichtige Nahrungsquelle.
Dass Dänemark chinesische Investitionen auf der Insel blockiert, mag auf Sicherheitsbedenken zurückzuführen sein. Offensichtlich geht die größte Gefahr für die grönländische Eigenständigkeit aber nicht von China, sondern von Amerika aus. Das Interesse der USA an Grönland reicht gut 150 Jahre zurück. Trumps Drohung, militärische Gewalt einzusetzen, ist natürlich extrem, das außenpolitische Kalkül dahinter deckt sich aber mit der allgemeinen Besorgnis über China im außenpolitischen Establishment der USA. Selbst einige Demokraten, wie Senator John Fetterman, haben sich gegenüber der Idee, Grönland zu kaufen, offen gezeigt. Unabhängig von Trumps zukünftigen Schritten haben die USA durch ihre Militärpräsenz auf der Thule Air Base ohnehin bereits erheblichen Einfluss auf die Insel. Wie Marc Jacobsen, Professor am Royal Danish Defense College, betont: »Die USA haben de facto bereits die Kontrolle.«
Dänemark kann sich historisch gesehen ebenfalls kaum als »Freund« der Grönländerinnen und Grönländer darstellen. Wie jede Kolonialmacht hat Kopenhagen seine Handlungen in der Vergangenheit stets als Schutzmaßnahmen für Grönland dargestellt – zuletzt gegen China und nun gegen die USA. Doch solange Dänemark Grönland kontrolliert, wird die Insel militarisiert bleiben und die Bevölkerung in Armut leben. Dänemark hat Grönland zwar rechtliche Autonomie gewährt, aber immer wieder in seine ökonomische Autonomie eingegriffen und die Insel daran gehindert, Unterstützung von anderen Ländern zu erhalten oder Kooperationen mit ihnen einzugehen.
Wenn die Unabhängigkeit Realität werden soll, muss Grönland zunächst eine größere wirtschaftliche Eigenständigkeit aufbauen. Ohne Unterstützung und Kooperation mit anderen Staaten besteht jedoch die Gefahr, dass Grönland auch nach einer formellen Unabhängigkeit in einem kolonieähnlichen Status verbleiben würde. Wenn Grönland den aktuellen Moment nutzt, um den Weg in die Unabhängigkeit zu ebnen, muss es wahrscheinlich Partnerschaften mit Ländern und Organisationen anstreben, die seine ökonomischen Interessen respektieren – und darf seine Autonomie nicht an den Meistbietenden verkaufen.
Das Objekt dänisch-amerikanischer Machtkämpfe zu sein, birgt Risiken, aber es bietet auch eine Chance für Grönland. Mit dem derzeitigen Platz im Rampenlicht eröffnet sich für die Insel eine Plattform, um die eigenen Forderungen zu äußern. Der grönländische Premierminister Múte Egede hat dies bereits deutlich gemacht und gegenüber der Presse erklärt: »Wir haben den Wunsch nach Unabhängigkeit; den Wunsch, Herr im eigenen Haus zu sein.«
Aidan Simardone ist Anwalt für Einwanderungsrecht sowie Publizist. Seine Texte erschienen unter anderem in Counterpunch, New Arab und Canadian Dimension.