06. März 2025
Während ihrer Zeit als Ministerin für Bergbau und Energie in Kolumbien machte Irene Vélez-Torres den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen zur Chefsache. Warum sie für einen Schuldentausch zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen plädiert, erklärt sie im Interview.
Irene Vélez Torre ist Philosophin, Umweltaktivistin und war zwischenzeitlich Ministerin im Kabinett von Gustavo Petro.
Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro plant, keine fossilen Brennstoffe mehr zu befördern und auf den Weltmarkt zu exportieren. Die erste linke Regierung Kolumbiens stellt bei ihrer Vision einer sozial-gerechten ökologischen Transformation die Interessen lokaler Arbeiter und indigener Gemeinschaften in den Vordergrund.
Von reichen Industrieländern wie Deutschland, die kolumbianische Energieressourcen importieren, fordert die Regierung einen Schuldentausch, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu finanzieren. Zugleich strebt die linke Regierung an, lokale Gemeinden stärker an Wirtschaftsprojekten zu beteiligen und fordert mehr soziale Verantwortung von global agierenden Unternehmen.
Präsident Petro wählte die frühere Philosophie-Professorin und Umweltaktivistin Irene Vélez-Torres 2022 zur Ministerin, um den Ausstieg aus dem Rohstoff-Abbau voranzutreiben. Vélez-Torres, die nach knapp einem Jahr aufgrund von Vorwürfen von Amtsmissbrauch zurücktrat, vertritt heute das kolumbianische Konsulat in London – die Anschuldigungen gegen sie bestreitet sie. In ihrer Amtszeit forderte Vélez-Torres von Ländern des Globalen Nordens, dass diese ihr Wirtschaftswachstum beschränken sollen und löste damit Empörung aus.
Was treibt die ehemalige Ministerin an, die eine Schlüsselfigur für die Strategie von Gustavo Petro darstellte, der einst selbst Guerilla-Kämpfer war? Im Interview spricht Ex-Ministerin Vélez-Torres darüber, warum sie für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einsteht, wie sie sich einen sozial-gerechten Übergang vorstellt und welche Rolle Länder des Nordens einnehmen sollten.
Frau Vélez-Torres, Ihre Ernennung zur Ministerin für Bergbau und Energie im Jahr 2022 hat für Überraschung gesorgt, da Sie zuvor vor allem als Akademikerin und Umweltaktivistin in Kolumbien bekannt waren. Wie sind Sie von einer Aktivistin zur Ministerin geworden?
Präsident Gustavo Petro entschied, den Energiesektor, der lange Zeit von Unternehmensinteressen geleitet wurde, einer Umweltschützerin zu übertragen.
Petro wollte für das Amt jemanden, der sich aus voller Überzeugung für einen Paradigmenwechsel in der Energiepolitik einsetzt und sich von Gewinnorientierierung und vom traditionellen Extraktivismus – also dem Abbau von Rohstoffen zum Zweck des Exports auf den Weltmarkt – abwendet. Also ernannte er mich für diesen Posten.
Wir haben da eine progressive Führungsperspektive in der Regierung. Allerdings erfahren wir eine Menge, teils gewaltvollen Widerstand von den traditionellen Eliten, die das alte Modell verteidigen, welches kohlenstoffintensiv und unternehmensorientiert ist.
Sie haben zu Umweltrassismus geforscht. Welche Verbindungen gibt es zwischen Rassismus und der Förderung fossiler Brennstoffe?
Die Korrelationen zeigen sich, wenn man sich die Gebiete ansieht, in denen Bergbau und Öl- und Gasförderung geplant und entwickelt wurden. Sie kommen meist in Gebieten vor, die von ethnischen Gemeinschaften bewohnt werden und ländlich geprägt sind. Es handelt sich dabei um die ökologisch wertvollsten und strategisch wichtigsten Gebiete des Landes. Zugleich ist Armut dort ein gravierendes Problem.
Viele unserer Probleme liegen also an der Schnittstelle zwischen Extraktivismus und der Verschlechterung des Zustands von Gebieten, in denen sich die Verarmung lokaler Gemeinschaften schon fast institutionalisiert hat.
Die Ressourcen in den Gebieten sind zwar sehr wichtig für die nationale wirtschaftliche Entwicklung. Aber das dortige Ökosystem oder die Menschen, die diese Gebiete bewohnen, sind es nicht.
Wie ist es Ihnen gelungen, Ihr Wissen als Philosophin und Aktivistin in Ihrem Amt als Ministerin anzuwenden?
Präsident Petro wollte, dass wir mit den lokalen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um mit ihnen neue politische Strategien für die Energiewende zu entwickeln. Also traten wir in Dialog mit verschiedenen Gewerkschaften, mestizischen Landarbeitern, städtischen Siedlern und indigenen Völkern. Wir haben mit ihnen gemeinsam erarbeitet, was für eine Veränderung sie sich in ihrer jeweiligen Region vorstellen.
Es ist wichtig, die Unterschiede zwischen den Regionen zu berücksichtigen, denn die grüne und zugleich sozial-gerechte Transformation muss an jedem Ort anders gestaltet werden – entsprechend der lokalen Gesellschaft, den Ökosystemen, der lokalen Geschichte und der Wirtschaft. Das Ganze war eine große Herausforderung. Aber ich denke, dass es uns als Regierung gelungen ist, mit den Menschen in Kontakt zu treten und unsere Politik in Einklang mit den Erfahrungen der lokalen Gemeinschaften zu bringen. Lediglich die Brücke zum privaten Sektor, den traditionellen Eliten und deren Interessen zu schlagen, ist schwieriger.
Was waren Ihre wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Erfahrung?
Es muss viel getan werden, um darüber aufzuklären, dass auch Unternehmen soziale Verantwortung dafür tragen, eine nachhaltige Zukunft zu garantieren. Einerseits muss sich der traditionelle Rohstoffsektor dringend verpflichten, aus Kohle, Gas und Öl auszusteigen. Andererseits sollten die neuen »grünen« Unternehmen ihre Geschäftsmodelle anpassen und verstehen, dass die Zivilgesellschaft auch ein Recht auf Mitbestimmung hat.
Ein Beispiel kommt aus der Region La Guajira im Norden Kolumbiens – dem Ort, an dem die meisten Projekte zur Nutzung grüner Energie durchgeführt werden und der von indigenen Gemeinschaften bewohnt wird. Die Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien haben großes Interesse an diesem Gebiet.
Vor der aktuellen Regierung gab es ein dreigliedriges Komitee – ein Ausschuss, an dem alle Entscheidungen für das Gebiet getroffen wurden. Dieser Ausschuss umfasste drei verschiedene Akteure, nämlich die nationale Regierung, die lokale Regierung und die Unternehmen. Lokale indigene Gemeinschaften waren bei diesen Entscheidungsprozessen nicht eingebunden. Und das, obwohl die betroffenen Gebiete von ihnen bewohnt werden und ihnen per Verfassung gehören.
»Wenn man also sagt, dass Kolumbien eine der stärksten Volkswirtschaften hat, bedeutet das nicht, dass es eine gerechte Gesellschaft ist.«
Wir haben den Ausschuss komplett umgestaltet und ihn um einen vierten Akteur erweitert, indem wir die indigenen Gemeinschaften einbezogen. Es dauerte ein Jahr, bis wir die Parteien, die bereits im Ausschuss vertreten waren, davon überzeugen konnten, mit den lokalen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten. Mit dem neuen Ausschuss kann nun ein gerechterer Dialog stattfinden, bei dem die lokalen Gemeinschaften über ihre Zukunft mitentscheiden. Ob sich dadurch die Richtung eines bestimmten Wind- oder Solarprojekts ändert, müssen wir abwarten.
Aber das ist für uns ein Symbol von sozialer Teilhabe. Dass es uns ein Jahr Zeit gekostet hat, um es zu verwirklichen, liegt auch an der Trägheit der Institutionen und dem Widerstand einiger Unternehmen.
Kolumbien hat eine der stärksten und stabilsten Volkswirtschaften in Lateinamerika. Trotzdem sind die sozialen Ungleichheiten in Kolumbien einer Harvard-Studie zufolge bis heute sehr groß. Mit einem Gini-Koeffizient von 54,8 Prozent im Jahr 2022 gehört Kolumbien weltweit zu den elf Ländern mit der höchsten Einkommensungleichheit. Die Bevölkerung hat damit nicht gleichermaßen vom Wirtschaftswachstum profitiert. Liegt das an der neoliberalen Politik der vergangenen Jahre?
Ich denke, dass Ungleichheit eines der größten Probleme in Kolumbien ist und sie tief in den Wurzeln unserer internen bewaffneten Konflikte liegt. Wenn man also sagt, dass Kolumbien eine der stärksten Volkswirtschaften hat, bedeutet das nicht, dass es eine gerechte Gesellschaft ist. Ich glaube, dass das neoliberale Modell unsere Probleme seit den 1990er Jahren verschlimmert hat.
Das liegt aber auch am kolonialen Erbe. Wir sind seit jeher sehr abhängig vom Globalen Norden, der all unsere Primärgüter ausgebeutet und importiert hat – Bergbau, Goldabbau über viele Jahrhunderte, und später auch Öl und Kohle.
Diese Abhängigkeiten sind entscheidend, um zu verstehen, was für Herausforderungen wir beim Bekämpfen der Ungleichheit haben und welche Art von Institutionen diese Ungleichheit aufrechterhalten.
Als Ministerin für Energie und Bergbau waren Sie Teil von Präsident Petros Strategie für den Ausstieg des Landes aus dem Export von fossilen Brennstoffen wie Erdöl. Diese stellen jedoch eine der wichtigsten wirtschaftlichen Einnahmequellen Kolumbiens dar. Auf welche alternativen Einkommensquellen kann das Land zurückgreifen?
Die Einnahmen aus dem Rohstoffexport versucht die Regierung durch ökologischen Tourismus oder grünen Tourismus zu ersetzen – alles, was mit der Aufwertung der biologischen Vielfalt zu tun hat. Dieser soll in der Hand von kleinen Unternehmen liegen, die der lokalen Wirtschaft einen Mehrwert zurückgeben.
»Prodeco ist ein Beispiel für die denkbar schlechteste Entscheidung, die von der früheren Regierung getroffen wurde. Das Bergwerk wurde von einem Tag auf den anderen geschlossen, ohne dass man darüber nachdachte, was mit den entlassenen Arbeitern passiert.«
Ein weiterer Faktor ist die Stärkung und Entwicklung der Agrarkultur, also der traditionellen bäuerlichen Landwirtschaft im Gegensatz zur industriellen Landwirtschaft, die auf großflächige Monokulturen setzt. Wir wollen Monokulturen nicht einschränken, sondern kleinbäuerliche Produktionen stärken. Die Idee ist, dass der größte Teil der landwirtschaftlichen Produktion von diesen Kleinbauern kommen soll.
Die dritte Säule ist die Industrialisierung. Diese ist allerdings sehr schwierig, weil sie viele Investitionen und eine neue Marktstruktur erfordert.
Der vierte Punkt sind die grünen oder erneuerbaren Energien, bei denen es um die Förderung von Solar- und Wind-Energiequellen geht. Wir haben aber auch Geothermie in Betracht gezogen sowie grünen Wasserstoff. Dieser ist in ganz Lateinamerika sehr populär, hat sich aber noch nicht zu einer Handelsware entwickelt.
Während der Pandemie im Jahr 2021 schloss das Schweizer Rohstoffunternehmen Glencore das Kohlebergwerk Prodeco in La Jagua de Ibírico im Norden Kolumbiens. Als die Prodeco-Mine geschlossen wurde, verloren etwa 7.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz, lokale Restaurants und Hotels mussten schließen und die Gemeinde verlor 85 Prozent ihrer Einnahmen. Wie können Arbeitsplätze und soziale Sicherheit gewährleistet werden, wenn die Förderung von fossilen Brennstoffen eingestellt wird?
Prodeco ist ein Beispiel für die denkbar schlechteste Entscheidung, die von der früheren Regierung getroffen wurde. Der Grund dafür ist, dass es überhaupt keinen Übergang gab. Das Bergwerk wurde von einem Tag auf den anderen geschlossen, ohne dass man richtig darüber nachdachte, was mit den entlassenen Arbeitnehmern, mit den Maschinenanlagen, den riesigen Löchern im Berg oder den kontaminierten Flüssen passiert.
Niemand war darauf vorbereitet, die Mine zu schließen. Weder die Arbeiter noch die lokalen Gemeinden. Es gab keinen Ersatz für die lokale Wirtschaft, es wurde lediglich eine wirtschaftliche lokale Einnahmequelle stillgelegt. Das war unverantwortlich.
Wir kamen zu dem Schluss, dass es einen Plan für den Übergang braucht. Die Arbeiter müssen für eine andere Tätigkeit geschult und anderswo eingesetzt werden. In den lokalen Gebieten beispielsweise müssen alle Umweltschäden, die die Minen verursacht haben, behoben werden. Sie müssen auf eine angemessene ökologische Weise wiederhergestellt werden.
Wir haben versucht, das Problem anzugehen, indem wir neue Wirtschaftsprojekte in Landwirtschaft, Viehzucht und grüner Energie geschaffen haben. Allerdings ist es sehr schwierig, diese Projekte zu finanzieren.
Deshalb denke ich, dass wir die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen müssen. Wenn man etwa weiß, dass der Bergbau in vier Jahren eingestellt wird, muss man vom ersten Tag mit der Umschulung der dortigen Beschäftigen beginnen.
Wenn die Umwelt nach dem Fortgang eines Unternehmens wie Glencore im Fall Prodeco so stark geschädigt wurde, wenn nach all den Jahren des Bergbaus der Boden verseucht, die Luft verschmutzt und die Wasserressourcen knapp geworden sind, wie kann das ökologische Gleichgewicht dann wieder hergestellt werden?
Es braucht ein ökologisches Sanierungskonzept. Die Sanierung ist etwas, das nicht im Blickfeld der meisten politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger und der Unternehmen liegt. Das Problem dabei ist, dass sie sehr teuer ist und spezielles Wissen über die jeweilige Region erfordert. Außerdem müssen die Betroffenen an der Planung beteiligt werden. Um das Prodeco-Problem zu lösen, haben wir beispielsweise ein Jahr lang Workshops mit den lokalen Gemeinden und den Gewerkschaften abgehalten und versucht, gemeinsam mit ihnen einen neuen regionalen Entwicklungsplan zu erstellen.
»Die Idee ist, dass uns die Auslandsschulden erlassen werden und wir die dafür vorgesehenen Mittel in unserem Staatshaushalt für Klimaschutzmaßnahmen verwenden.«
Eines der größten Probleme ist, wie man es finanziert. Die einzigen oder direktesten Finanzierungskanäle, die wir haben, sind die Erhöhung unserer Auslandsverschuldung – und da haben wir bereits unsere Grenzen erreicht.
Wie werden wir also den Übergang bezahlen? Da möchte ich das Beispiel Deutschland nehmen. Wir haben mehr als dreißig Jahre lang Kohle nach Deutschland exportiert, deshalb gibt es eine historische Verantwortung.
Weil reiche Länder wie Deutschland unsere Energiequellen genutzt haben, um zu wachsen, sich zu industrialisieren und wirtschaftliches und soziales Kapital anzuhäufen, halten wir Kompensationen oder Ausgleichszahlungen von Partnerländern für angemessen, um die ökologische Transformation in Kolumbien finanzieren zu können.
Sie sprechen also davon, dass reiche Länder aus dem Globalen Norden, eine Art Entschädigung zahlen sollten.
Ja, diese Kompensationszahlungen können auf unterschiedliche Weise festgelegt werden. Präsident Petro hat einen Schuldentausch im Gegenzug für Klimaschutzmaßnahmen vorgeschlagen. Die Idee ist, dass uns die Auslandsschulden erlassen werden und wir die dafür vorgesehenen Mittel in unserem Staatshaushalt für Klimaschutzmaßnahmen oder soziale Investitionen verwenden. Aber das zu entscheiden, liegt bei den Banken und den Regierungen, denen diese Banken gehören.
Beim Schuldentausch geht es nicht nur um eine monetäre Kompensation, sondern vor allem um die Frage: Wie können lokale Gemeinschaften beim sozial gerechten Übergang aus dem Rohstoffabbau unterstützt werden? Über einen solchen möglichen Schuldentausch hat Präsident Petro auch mit Bundeskanzler Olaf Scholz gesprochen, als er in Deutschland zu Besuch war.
Deutschland hat zwischen 2021 und 2022 mehr Kohle aus Kolumbien importiert als je zuvor: Mit 5,5 Millionen Tonnen hat sich die Menge innerhalb kurzer Zeit verdreifacht. Als sich die Beziehungen zu Russland aufgrund des Krieges in der Ukraine verschlechterten, suchte der Wirtschaftsminister Robert Habeck händeringend nach Alternativen, und es herrschte Angst, dass die Energieversorgung nicht gewährleistet werden könnte. Die Menschen fürchteten, im Winter nicht genug Energie zum Heizen ihrer Häuser zu haben, und so war der Import von Kohle aus Kolumbien eine der Lösungen für diese Situation.
Ein Teil der Kohle, die Deutschland exportierte, stammte aus der Kohlemine Cerrejón in La Guajira, wo die indigene Bevölkerung protestiert und Straßen blockiert hatte. Die Menschen in Deutschland fürchteten also den Verlust ihres Wohlstands, während die indigenen Gemeinschaften in Kolumbien um die Anerkennung ihrer Rechte kämpften. Wie können wir dieses Paradox lösen?
Ich glaube nicht, dass es ein Paradox gibt, ich sehe das nicht so. Was ich sehe, ist, dass Deutschland und die deutsche Bevölkerung eine Energiequelle brauchten, die aus Kolumbien kam, wo die Kohle unter ungleichen Bedingungen für die lokalen Gemeinden abgebaut wurde. Ich denke, wir müssen uns mit den Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung solidarisieren.
Doch da wir eine wichtige Energiequelle für Deutschland liefern, müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir dafür entschädigt werden. Das muss keine monetäre Entschädigung sein, mir geht es eher darum, wie wir die Menschen in den lokalen Gemeinden dabei unterstützen können, den Ausstieg aus dem Rohstoffabbau zu bewältigen.
Wenn Deutschland sich mit Energie absichern muss und dazu zum Beispiel auch grünen Wasserstoff in Erwägung zieht, warum sollte man dann die Produktion von grünem Wasserstoff nicht demokratisieren und die lokalen Gemeinden beteiligen? Mehr Verantwortung und mehr Solidarität ist das, was die Geopolitik braucht.
Können Sie erläutern, wie eine demokratisierte Produktion oder Beteiligung aussehen könnte?
Das ist ein Modell, das es noch nicht gibt. Aber wir stellen es uns so vor: Die lokalen Gemeinschaften beispielsweise in La Guajira, wo die Kohle herkommt, sind Eigentümer des Territoriums. Das ist ein verfassungsmäßiges Recht, das sie seit 1991 haben.
Das Gebiet, in dem die Solarpaneele oder die Windmühlen installiert werden, gehört also ihnen. Dadurch dass sie ihre Erlaubnis geben, ihre Gebiete entsprechend zu nutzen, leisten sie einen materiellen Beitrag.
Auf der anderen Seite muss jemand anderes Kapital einbringen, etwa um die Industrieanlagen zu bauen. Am Ende sollte der Gewinn aufgeteilt werden unter denen, die das Kapital eingebracht haben, und denen, die den kapitalistischen Investoren erlaubt haben, ihr Land zu nutzen. So könnte die Gemeinden am Gewinn teilhaben und Miteigentümer sein. Es ist ein Modell, das weit von unserer Vorstellungskraft entfernt ist. Aber ich denke, es ist möglich.