15. April 2024
Die KPÖ zieht jetzt auch in den Innsbrucker Gemeinderat ein. Damit hat die Partei endgültig bewiesen, dass sich das Grazer Modell einer linken Politik, die sich an den Alltagssorgen der Menschen orientiert, erfolgreich exportieren lässt.
Pia Tomedi (mittig), Gregor Sanders (links), Sabine Lerch (rechts) und die ganze KPÖ feiern ihren Einzug in den Innsbrucker Gemeinderat.
Die KPÖ wird künftig mit drei Abgeordneten im Innsbrucker Gemeinderat vertreten sein. Mit Spitzenkandidatin Pia Tomedi erreichte die Partei bei den Wahlen am 14. April 6,7 Prozent. Auch die Alternative Liste (ALI), mit der die KPÖ 2018 ein Wahlbündnis gebildet hatte, erhielt eigenständig 4,8 Prozent der Stimmen und konnte damit einen zweiten Sitz gewinnen.
Mit dem Einzug in Innsbruck setzt die KPÖ ihren Erfolgskurs aus der Steiermark und Salzburg fort. Sie zeigt, dass sich das Grazer Modell der KPÖ auf andere Städte übertragen lässt und entkräftet damit zwei beliebte Argumente bürgerlicher Kommentatoren: Dass die KPÖ nur von prominenten Persönlichkeiten wie Kay Michael Dankl in Salzburg oder Elke Kahr in Graz getragen werde. Oder dass die KPÖ ein rein regionales Phänomen sei und bleiben werde.
Beide Annahmen unterschätzen etwas Wesentliches: Die KPÖ versteht sich als eine Partei, die ihre Politik aus den Problemen der Menschen ableitet. Wo immer sie aktiv ist, sucht sie den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Politische Mandate werden als »Dienstleistung« verstanden, wie es Ernest Kaltenegger, Vordenker und ehemaliger Parteichef der KPÖ Steiermark, formulierte. Und Menschen, die Probleme haben, die nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, gibt es in Österreich derzeit viele. In Graz, in Salzburg, in Innsbruck – im ganzen Land.
In Tirol waren die Grundvoraussetzungen für einen Einzug der KPÖ auf den ersten Blick schwieriger als in den anderen Bundesländern. Sowohl in Graz als auch in der Steiermark begann die KPÖ-Arbeit im Gemeinderat mit einem einzigen Mandatar und einem relativ niedrigen einstelligen Wahlergebnis. In Innsbruck war die Hürde dafür höher. Die Stadt hat 2023 als einzige Gemeinde Österreichs – neben dem Sonderfall Wien – eine 4-Prozent-Schwelle für Gemeinderatswahlen eingeführt. Zum Vergleich: Kay-Michael Dankl reichten 2019 in Salzburg schon 3,7 Prozent, um sein Mandat zu sichern.
In der Tiroler Parteilandschaft konnte sich bisher keine linke Alternative durchsetzen. Das Bundesland ist seit Dekaden geprägt von den oft deckungsgleichen Interessen des Skitourismus und der ÖVP. Die SPÖ ist in Tirol schon seit den 2000er Jahren schwach, gerade ihr Parteichef Georg Dornauer gilt als Enfant Terrible der Sozialdemokratie. Immer wieder sucht er den öffentlichen Streit mit Parteichef Andreas Babler, Schlagzeilen machte auch seine Beziehung mit der italienischen Politikerin Alessia Ambrosi – sie ist Abgeordnete der Rechtsaußen-Regierungspartei Fratelli d’Italia. In der Stadt Innsbruck stehen auch die Grünen nicht für linke Politik. Georg Willi, der in den vergangenen Jahren in Innsbruck der erste grüne Bürgermeister einer Landeshauptstadt war, wird dem bürgerlichen Flügel zugerechnet.
»Fast schon selbstverständlich werden Pia Tomedi und die ebenfalls neuen Mandatare Gregor Sanders und Sabine Lerch monatlich 400 Euro ihres Gehalts abgeben.«
Die KPÖ hat es geschafft, eine andere Perspektive anzubieten. Das ist ihr vor allem mit dem Fokus auf das Thema Wohnen gelungen. Innsbruck ist die teuerste Mietstadt Österreichs. 2023 kostete ein Quadratmeter rund 19,10 Euro, in Graz waren es im gleichen Zeitraum nur 10,25 Euro. Aktuell gibt es rund 3.500 leerstehende Wohnungen, was einer Leerstandsquote von 8,8 Prozent entspricht. Bei vielen von ihnen handelt es sich um Ferienwohnungen, die oftmals den Großteil des Jahres nicht bewohnt werden. Gleichzeitig dienen viele Wohnungen der Anlage – mit einem künstlich verknappten Mietraum werden die Preise in die Höhe getrieben.
Die KPÖ hat zuvor sowohl in Salzburg als auch in der Steiermark glaubwürdig Antworten auf diese Wohnkrise entwickelt. In der Steiermark begann dies spätestens 1992, als die Partei den Mieternotruf gründete. An diesen konnten sich Bürgerinnen und Bürger wenden, wenn sie zum Beispiel Probleme mit ihrem Vermieter hatten. Bei den Gemeinderatswahlen 1998 erreichte die KPÖ schließlich 7,9 Prozent und Ernest Kaltenegger, der damalige Parteichef, wurde Wohnstadtrat. Kaltenegger wurde während seiner Amtszeit so beliebt, dass die KPÖ bei den nächsten Gemeinderatswahlen 2003 20,9 Prozent erreichte. Einen ähnlichen Weg schlägt auch Dankl in Salzburg ein. Erst vor zwei Wochen, nachdem die KPÖ in Salzburg Stadt 23,1 Prozent bei den Gemeinderatswahlen erhielt, wurde ihm in Salzburg das Wohnressort zugesprochen.
Gerade Salzburg lieferte Innsbruck wichtige Impulse für den Wahlkampf. Dort ist es der KPÖ nach ihrem Erfolg bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr gelungen, Wohnen zum Hauptthema zu machen. Ihre Kommunikation zum Thema war so deutlich, dass sich alle Parteien dazu verhalten mussten und die FPÖ nicht wie so oft mit den Themen Asyl und Migration den Ton angeben konnte.
Kahr, Dankl und auch Tomedi treten stets sympathisch und bürgernah auf. Dass solche Figuren in der KPÖ führende Rollen übernehmen, ist weder Zufall noch Glück, sondern Folge einer Organisation, die die kommunistische Weltanschauung in bodenständiger politischer Praxis verankert. Parteimitglieder bieten beispielsweise Sprechstunden an, zu denen Menschen in Notlagen kommen können, um sich beraten zu lassen und gegebenenfalls direkte und unbürokratische Hilfe aus den Sozialfonds der Partei zu erhalten. Durch die Gehaltsbegrenzung der Mandatarinnen und Mandatare und ständigen Kontakt mit arbeitenden Menschen sichert sich die KPÖ dagegen ab, im elitären Politikbetrieb aufzugehen.
Seit Beginn des Jahres 2023 führt auch Pia Tomedi nach Vorbild der Genossinnen und Genossen in anderen Bundesländern selbst Sprechstunden durch. Das Angebot wurde bereits auf drei Standorte ausgeweitet: Innsbruck, Lienz und Schwaz. Fast schon selbstverständlich werden Tomedi und die ebenfalls neuen Mandatare Gregor Sanders und Sabine Lerch monatlich 400 Euro ihres Gehalts abgeben.
»Konkret heißt das: sich nicht in linken Milieu-Debatten verlieren, sondern daran arbeiten, dass im Alltag der Menschen spürbare Verbesserungen ankommen.«
Die KPÖ hat in der Steiermark und Graz Jahre gebraucht, um sich Glaubwürdigkeit in den von ihnen besetzten Themenfeldern zu erarbeiten. Erst sieben Jahre nachdem Ernest Kaltenegger Stadtrat in Graz wurde, gelang der Partei 2005 der Einzug in den Landtag. In Salzburg wurde diese Entwicklung durch die Arbeit in der Steiermark massiv beschleunigt. Zwischen Dankls Einzug in den Gemeinderat 2019 und den 12 Prozent bei den Landtagswahlen 2023 liegt nicht einmal eine ganze Wahlperiode. Wenn die Partei in Innsbruck weiterhin nach diesem Beispiel arbeitet, gibt es guten Grund zur Annahme, dass sie sich auch dort schnell vergrößert.
Die KPÖ ist aktuell eine der wenigen europäischen linken Parteien, die sich im Aufwind befinden. Im Gegensatz zur deutschen Linkspartei tragen die österreichischen Kommunistinnen und Kommunisten öffentlich keine Streite aus und sie orientieren sich in ihrer politischen Praxis nicht an linken Splittergruppierungen. Georg Kurz, der die Wahlkämpfe in Salzburg und Innsbruck mitorganisierte, drückte das im Studio-Rot-Podcast kürzlich so aus: »Die KPÖ ist keine Partei für Linke. Wir sind Linke. Aber wir machen keine Politik für Linke.« Konkret heißt das: sich nicht in linken Milieu-Debatten verlieren, sondern daran arbeiten, dass im Alltag der Menschen spürbare Verbesserungen ankommen.
Mit dieser einfachen Formel ist es inzwischen in drei österreichischen Bundesländern gelungen, wieder eine glaubwürdige Vertretung der arbeitenden und mietenden Menschen in der Politik zu schaffen. Ob das auch reicht, um bei der anstehenden Nationalratswahl erfolgreich zu sein, ist noch offen. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei rund 4 Prozent. Was aber sicher ist: Die Chancen standen in den letzten Jahrzehnten nie so gut.
Magdalena Berger ist Assistant Editor bei JACOBIN.