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Das Online-Magazin von JACOBIN Deutschland

08. November 2025

Trocknet den CDU-Sumpf aus

CDU und FDP haben einen Skandal daraus gemacht, dass linksliberale Parteien linksliberale NGOs fördern. Jetzt zeigt sich: Sie tun mutmaßlich selbst, was sie anderen vorwerfen, und finanzieren politisch passende Projekte, auch wenn die Qualität nicht stimmt.

Carsten Linnemann spricht auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus, Berlin, 6. Oktober 2025.

Carsten Linnemann spricht auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus, Berlin, 6. Oktober 2025.

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Linke NGOs sind ein Staat im Staat – das konnten wir im letzten halben Jahr immer wieder hören. Und zwar nicht nur in der konservativen Presse, sondern auch von hochrangigen Politikern aus FDP und CDU. Erinnert sei an den Februar: Nur einen Tag nach der Bundestagswahl stellten die Unionsparteien eine kleine Anfrage an die damals noch amtierende Bundesregierung, um die Finanzierung angeblich linker NGOs ans Tageslicht zu bringen. Denn einige staatlich geförderte Organisationen, etwa die Omas gegen rechts, Attac und Campact hatten es laut CDU/CSU gewagt, Demonstrationen mitzuorganisieren, die Friedrich Merz kritisierten. Ein unerhörter Vorgang!

Im September erklärte Carsten Linnemann dann: »Geld an Institutionen, Organisationen oder was auch immer zu geben, die nur einen Hauch davon entfernt sind, antisemitisch, islamistisch, rechtsradikal, linksradikal zu sein – das geht gar nicht.« Damit stellte der Generalsekretär der CDU klar: Die Kanzlerpartei setzt auf kulturkämpferischen Trumpismus, um die politische Unzufriedenheit im ökonomisch abstürzenden Deutschland in die gewünschte Richtung zu lenken. Es war immerhin Donald Trump, der jahrelang mit dem Slogan »Drain the swamp«, also »Trocknet den Sumpf aus« hausieren ging.

Auch die FDP schlug in diese Kerbe: Im März stellten die Liberalen in Nordrhein-Westfalen einen Antrag namens »Schluss mit der Blackbox der sogenannten NGO-Finanzierung«. Auch Bundespolitiker wie Linda Teuteberg äußerten sich kritisch. Da würde man vermuten, dass Liberale und Konservative heldenhaft gegen die Instrumentalisierung öffentlicher Gelder für parteipolitische Zwecke kämpfen.

Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. In den letzten Tagen wurden FDP und CDU von zwei Skandalen erschüttert, die das Gegenteil nahelegen. Mutmaßlich handelt die politische Rechte genau so, wie sie es den linken Parteien vorwirft: Sie fördert Projekte ausschließlich aus politischen Sympathien heraus – selbst dann, wenn sie hochgradig unseriös sind.

Sehen wir uns den ersten Fall an: Seit diesem Sommer fördert das Forschungsministerium ein Projekt gegen Antisemitismus an Schulen. Das klingt grundsätzlich sehr vernünftig. Für die Umsetzung kann das aber nicht behauptet werden. Denn geleitet wird das millionenschwere Projekt von Ahmad Mansour, dem liebsten »Islamkritiker« der Springer-Presse.

»Die Vergabe öffentlicher Gelder erfolgt durch alle Parteien, egal ob links oder rechts, nach demselben Kalkül.« 

Wie unseriös das Projekt ist, kann man am Inhaltlichen festmachen, wie es vor kurzem bereits in einem Jacobin-Artikel geschehen ist. Eigentlich reicht aber ein Blick auf die Formalitäten. Die geleakten Bewerbungsunterlagen zeigen klar: Dieses Projekt ist so hemdsärmelig angegangen worden, als hätten unmotivierte Studenten im zwanzigsten Semester drei Tage vor der Abgabe damit angefangen.

Da fallen allen Ernstes so triviale Sätze wie »Durch den Einsatz quantitativer und qualitativer Methoden werden Hypothesen geprüft und neue Theorien entwickelt«; und auch das Literaturverzeichnis sieht entsprechend seriös aus. Das ebenfalls geleakte Gutachten liest sich wie eine schallende Ohrfeige: Auf rund dreißig Seiten wird klar ausgeführt, warum das Projekt »nicht förderungswürdig« ist. Das hat die FDP jedoch nicht daran gehindert, es im vergangenen Jahr nach einer kleinen Nachbesserung im Hauruck-Verfahren mit fast 10 Millionen Euro zu fördern. Auf wissenschaftliche Redlichkeit scheint dabei wenig Wert gelegt worden zu sein. Und da sage nochmal jemand, die Linken könnten nicht mit Geld umgehen.

Ähnlich peinliche Vorwürfe gab es nun auch in Berlin für die CDU: Medienberichten zufolge soll der ehemalige Kultursenator Joe Chialo Millionen Euro willkürlich an Projekte verteilt haben, die seiner Partei gefallen – ohne auf die üblichen Verfahrensweisen Rücksicht zu nehmen. Ein schweres Vergehen, wenn es denn stimmt – als Reaktion auf die Anschuldigung hat Chialo die bekannte Kanzlei Schertz Bergmann eingeschaltet, die in ihrem ersten Statement keinen der Vorwürfe zurückgewiesen hat. Zu beurteilen, welche Schlüsse man daraus ziehen kann, überlassen wir den geschätzten Lesern dieses Artikels – wir wollen ungern selbst Anwaltspost erhalten.

Eines stellen die beiden Affären jedenfalls klar: Die Vergabe öffentlicher Gelder erfolgt durch alle Parteien, egal ob links oder rechts, nach demselben Kalkül. Gefördert werden diejenigen Organisationen, die das eigene politische Projekt vorantreiben. Das scheint fast schon zu trivial, um es überhaupt aufzuschreiben. Aber anscheinend ist es nötig, nachdem Liberal-Konservative uns ein Dreivierteljahr lang einreden wollten, dass es ein unvergleichlicher Skandal sei, dass linksliberale Parteien linksliberale Organisationen mit Geld bedenken. Wir dürfen gespannt sein, ob die dauer-empörte bürgerliche Presse nun auch fordert, den CDU-Sumpf auszutrocknen.

Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei Jacobin. Sein neustes Buch Warum ich nicht für mein Land kämpfen würde ist kürzlich beim Rowohlt Verlag erschienen.