14. März 2025
Zuerst hat die »Bild«-Zeitung Melanie Schweizer, die als Juristin im Arbeitsministerium tätig war, wegen ihrer Palästina-Solidarität diffamiert. Dann wurde sie als Beamtin auf Probe mit sofortiger Wirkung vom Ministerium entlassen. Mit JACOBIN hat sie darüber gesprochen, was ihre Entlassung über den Rechtsstaat in Deutschland aussagt und wie sie dagegen vorgehen wird.
Die Volljuristin und Politologin Melanie Schweizer ist für die Partei MERA25 als Bundestagskandidatin für die Bundestagswahl 2025 angetreten.
Melanie Schweizer war bis zum 28.02. als Referentin im Bundesarbeitsministerium unter Hubertus Heil tätig. Nach einer von der BILD losgetretenen Hetzkampagne wurde sie als Beamtin auf Probe mit sofortiger Wirkung vom Ministerium entlassen. Der Grund: angeblicher Antisemitismus, der ihr aufgrund ihrer Haltung zu Israel-Palästina unterstellt wird. Das Ministerium versucht nicht einmal, den direkten Zusammenhang zwischen der politischen Haltung Melanie Schweizers und der fristlosen Entlassung der Bundestagskandidatin für MERA25 zu leugnen.
Im Gespräch mit JACOBIN berichtet Melanie Schweizer, wie es zu ihrer Entlassung gekommen ist, welche Konsequenzen sie daraus zieht und wie sie die aktuelle politische Situation bezüglich Israel-Palästina in Deutschland bewertet.
Melanie, du wurdest am 28. Februar mit sofortiger Wirkung als Beamtin auf Probe aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales entlassen. Wie wurde diese Entlassung begründet?
Die Entlassung basiert primär auf drei Vorwürfen. Zunächst, einem Verstoß gegen das Mäßigungsgebot. Das wird mit meinen Äußerungen in sozialen Medien begründet. Mein ehemaliger Dienstherr hat eine Liste an Äußerungen erstellt, die ich getätigt habe, zum Beispiel, dass Israel in seiner derzeitigen Verfasstheit ein rassistischer-genozidaler Staat ist.
Du hast eine Liste mit Social-Media Posts bekommen, deren Inhalt sie Dir vorwerfen?
Ja, ich habe ein zwanzig Seiten langes Schreiben bekommen, womit meine Entlassung begründet wird. Das ist absurd. Das Gebot der Mäßigung ist in Bezug zur Realität anzuwenden. Und in der Realität ist der Staat Israel vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermord angeklagt. Wenn ich in meiner freien Meinungsäußerung und meinem politischen Wahlkampf den Staat Israel als momentan genozidalen Staat bezeichne, dann beruht das auf Tatsachen, die von renommierten Menschenrechtsorganisationen sowie Holocaust- und Genozidforschern so eingestuft werden.
Dann wird noch behauptet, dass ich gegen die Neutralitäts- und Loyalitätspflicht verstoßen hätte. Das kann ich nicht nachvollziehen. Alle Vorwürfe, die mir gemacht werden, beziehen sich auf Äußerungen außerhalb vom Dienst. Bis auf eine Sache, die mir vorgeworfen wird: nämlich, dass ich auf einer Dienstreise politische Symbole getragen hätte, und zwar Wassermelonen-Ohrringe. Ich war sechs Tage lang mit einer Vorgesetzten unterwegs und wurde deswegen nicht einmal angemahnt. Der dritte Vorwurf ist ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht.
Kannst Du für Nichtjuristen erklären, was das ist?
Das ist eine Pflicht, sich gegenüber dem Dienstherrn wohlwollend zu verhalten. Sie beziehen sich hier darauf, dass ich bei einem Interview mit Democracy Now gesagt habe, dass ich suspendiert bin und nicht weiß, warum – weil mir auch tatsächlich nicht klar ist und war, wie die mir gemachten Vorwürfe eine Suspendierung oder Entlassung rechtfertigen. Und dann gibt es noch eine Mischung verschiedener anderer Vorwürfe.
Zum Beispiel kriegen wir in unserem Intranet einen Newsticker und da steht regelmäßig eine Kontakt-Mail-Adresse drunter. Ich dachte, wie das bei uns im ministeriellen Bereich so üblich ist, dass das auch als Feedback-Funktion vorgesehen ist. Weshalb sollte dort sonst eine Mailadresse stehen? Nach den schockierenden Aussagen von Annalena Baerbock am 2. Dezember im Bundestag, in der sie die Bombardierung von Schulen und Krankenhäuser rechtfertigt, habe ich an diese Adresse geschrieben und gebeten, sich an journalistische und juristische Minimalstandards zu halten, als ich wieder einmal eine Tickermeldung gelesen habe, in der die Tötung von Zivilisten, insbesondere Kinder, mit der »Schutzschildtheorie« gerechtfertigt werden sollte. Das wird als schwerwiegender Verstoß gegen die Pressefreiheit und Ausnutzung der dienstlichen Stellung gesehen. Ich hätte damit versucht, in die Pressefreiheit einzugreifen.
»Mir sind keine anderen Fälle bekannt, in denen Bundestagskandidaten nach einem Wahlkampf der Beamtenstatus entzogen worden wäre.«
Was in meiner Entlassung auch erwähnt wird, ist ein offener Brief, den wir mit Professorinnen und Künstlern, darunter vielen internationalen, auch aus Israel, geschrieben hatten. Am Anfang hatte ich mein Ministerium als Zuordnung dazugeschrieben, alle Unterzeichnenden haben ihren Arbeitgeber angegeben. Ich habe am 10. Dezember einen Anruf aus meinem Umfeld im Ministerium bekommen, nicht der Leitung. Mir wurde gesagt, das mit dem Brief sei in Ordnung, ich solle nur die Zugehörigkeit zum Ministerium entfernen. Dem bin ich umgehend nachgekommen. Das wird mir als Amtsanmaßung ausgelegt, also dass ich den Eindruck hätte erwecken wollen, im Namen des Ministeriums zu sprechen. Das ist ziemlich weit hergeholt, wir wissen schließlich, was für eine Politik die Bundesregierung fährt. Mir wird außerdem vorgeworfen, dass ich meine politische Einstellung in meinen Dienst tragen würde. Das wird damit begründet, dass andere Leute aus dem Ministerium seit dem Bild-Artikel, der am 12. Dezember erschienen ist, nicht mehr mit zusammenarbeiten wollen.
Infolge des Artikels wurde ich schließlich suspendiert und habe seitdem das Büro nie wieder betreten. Mir wurde aber nie mitgeteilt, welche oder wie viele Kolleginnen und Kollegen angeblich nicht mehr mit zusammenarbeiten wollen. Im ersten Schreiben hieß es, sie hatten unzählige Dienstaufsichtsbeschwerden erhalten. Ich habe dann gebeten, das zu spezifizieren. Ich lese die Antwort mal vor: »Beginnend am 8. Dezember 2024 gingen erste Beschwerden verschiedener Bürgerinnen und Bürger über Aktivitäten der Bundesbeamten in den sozialen Medien ein. Unter anderem wies ein Einzelner darauf hin, sie hätten auf ihrem Profil Gaza als das größte Konzentrationslager der Welt bezeichnet. Ein anderer trug unter anderem vor, sie hätten dem ehemaligen MdB Volker Beck auf aggressive Weise Antisemitismus vorgeworfen.«
Ich vermute, das ging so los: Malca Goldstein-Wolf schrieb auf X unter einem Post des Journalisten Georg Restle, dass dieser der größte Antisemit überhaupt sei und fragte, wann er endlich gefeuert wird. Ich habe kommentiert, dass sie diese Diffamierungskampagnen bitte lassen soll. Das war wohl der Auslöser dafür, dass sie mein Profil angeschaut und gesehen hat, dass ich Juristin bin. Sie hat sich dann wohl gedacht: »Okay, wie kann das sein? Da ist eine Juristin, die sich öffentlich für Palästina ausspricht und noch nicht ihren Job los ist?« Dann hat sie auf LinkedIn meinen Arbeitgeber herausgefunden und auf X Anschuldigungen gepostet, die die Bild dann aufgegriffen hat. Mir wird in dem Zusammenhang auch zum Vorwurf gemacht, dass sie meinen Dienstbezug herausfinden konnte.
Du bist doch nicht verpflichtet, Deinen Dienstbezug zu verheimlichen?
Nein, natürlich nicht.
Wurdest Du denn vorher schon mal von Vorgesetzten auf Deine politische Arbeit angesprochen?
Tatsächlich eher andersherum. Ich habe sie angesprochen und das Gespräch gesucht. Wir hatten allerdings vorher eine für mich sehr wichtige Gesetzgebung laufen. Tatsächlich habe ich deswegen lange abgewartet, bis ich in meinem Dienstbereich darüber spreche. Denn ich kenne die Stimmung in Deutschland und wollte nicht, dass ich im schlimmsten Fall schuld bin, dass das Gesetz nicht durchgeht, weil man sagt, da arbeite eine Antisemitin. Man kann es mittlerweile schon voraussehen.
Als das im März durch war, bin ich zu meinen Vorgesetzten gegangen und habe gesagt, dass ich das, was in Gaza passiert, nicht tragbar finde und dass wir als Menschenrechtsreferat uns dazu verhalten müssen. Ich habe meinen inneren Zwiespalt dargelegt, dass ich innerlich zerrissen bin. Ich habe um Rat gebeten, gefragt, was ich machen kann. Eine Vorgesetzte hat auf meinen außerdienstlichen Bezug verwiesen und dass ich darin frei bin. Sie sähe das zwar inhaltlich anders als ich, aber es wäre gut, dass wir uns darüber unterhalten können. Es wussten bei mir in der Hierarchie alle Bescheid. Ich hatte auch einige Streitgespräche, aber respektvoller Natur.
Ich habe dann irgendwann entschieden, dass ich so nicht mehr weitermachen kann, dass ich politisch noch aktiver werden muss und meine Arbeit bei MERA25 verstärken möchte. Ich habe meine politischen Ambitionen mit allen in meiner Hierarchie besprochen, sogar mit meinem Abteilungsleiter, der drei Ebenen über mir ist. Alle haben mir Glück gewünscht und mich sogar für mein politisches Engagement gelobt. Ich habe gesagt, dass Israel-Palästina mein zentrales Thema sein wird. Keiner sah darin ein Problem. Ich hatte auch mit dem Verantwortlichen für den Beamtenstatus gesprochen und auch er hat mir das bestätigt. Im Entlassungsschreiben wird es nun so hingedreht, als wäre ich öfters ermahnt worden. Das stimmt nicht. Es war andersherum. Ich habe das Gespräch gesucht. Mir wurde gesagt, es ist in Ordnung, dass ich mich politisch betätige.
»Ich bekomme zurzeit sehr viele Nachrichten von Menschen, die Angst vor Konsequenzen haben, wenn sie sich öffentlich äußern. Aber es ist mir wichtig, auch weiterhin zu sprechen.«
Auf den Bild-Artikel folgte dann trotzdem ziemlich schnell die Suspendierung. Es gab ein Gespräch mit dem Personalbereich. Sie wollten von mir wissen, ob ich weiterhin meine Meinung äußere. Ich habe »Ja« gesagt, das ist schließlich mein Grundrecht. Wer weiß. Wenn ich gesagt hätte »Tut mir leid, ich mache das nicht mehr«, dann wäre es vielleicht folgenlos geblieben.
Wurde Dir die Möglichkeit gegeben, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen?
Teils. Am 16. Dezember 2024 war ein Personalgespräch angesetzt. Ich wollte meinen Rechtsbeistand dabeihaben. Mir wurde gesagt, das sei nicht möglich, da es sich um ein internes Gespräch handle. Auch beim zweiten Gespräch am 2. Januar habe ich explizit danach gefragt. Der Personalrat hatte mich informiert, dass bei Verweigerung der Anwesenheit eines Rechtsbeistandes auch keine Dinge besprochen werden dürfen, die Auswirkungen auf mein Dienstverhältnis haben. Deswegen bin ich nicht davon ausgegangen, dass ich entlassen werde.
Beim zweiten Gespräch haben sie mir dann ein Schreiben in die Hand gedrückt und gesagt, ich sei mit sofortiger Wirkung entlassen. Auch das stimmte nicht. Das Schreiben war eine Absichtserklärung, ich hatte zwei Wochen Zeit für eine Stellungnahme. Mitte Januar habe ich diese abgegeben und dann kam erstmal nichts mehr. Direkt nach den Wahlen kam noch meine beamtenrechtliche Zwischenbeurteilung, danach direkt die Entlassung.
Die Entlassung wurde also unmittelbar nach dem Wahlkampf, in dem Du als Kandidatin für MERA25 angetreten bist, ausgesprochen?
Ja, direkt danach. Mir sind keine anderen Fälle bekannt, in denen Bundestagskandidaten nach einem Wahlkampf der Beamtenstatus entzogen worden wäre.
Gibt es also einen direkten Zusammenhang zwischen Deinem Wahlkampf, der Entlassung und dem Entzug des Beamtenstatus?
Ja klar. Meine Äußerungen in den sozialen Medien sind der Inhalt unseres Parteiprogramms. Es gibt im politischen Wahlkampf sogar einen zusätzlichen Kündigungsschutz, dass man genau aus diesen politischen Gründen heraus nicht gekündigt werden darf. Paragraf zwei des Abgeordnetengesetzes besagt, dass man nicht entlassen werden darf, wenn man sich auf ein politisches Amt bewirbt und die Entlassung im Zusammenhang mit der Ausführung dieses Amtes steht. Natürlich stehen meine politischen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Amt, das ich angestrebt habe. Ich glaube nur, das ist aus ihrer Sicht irrelevant. Es geht darum, den Ausdruck meiner Meinung zu Israel-Palästina zu unterbinden. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass ich im Wahlkampf bin und das zentrales Thema unserer Partei ist. Darauf wurde nicht eingegangen.
»Ich möchte nicht, dass mein Fall als Exempel dafür genutzt wird, still zu sein, sondern im Gegenteil: Es ist ein Anlass zu widersprechen und seine Meinung zu äußern.«
Als ausgebildete Juristin, was ist so Deine rechtliche Einschätzung zu den Vorgängen?
Nach meiner Auffassung ist der ganze Vorgang eindeutig rechts- und verfassungswidrig. Ich habe mich insbesondere hinsichtlich dem Mäßigungsgebot informiert, bevor ich öffentlich, auch im Wahlkampf, meine Meinung kundtue. Und ich sehe in dem Verhalten des Bundesarbeitsministeriums einen eklatanten Verstoß gegen meine Grundrechte, gegen meine politischen Betätigungsrechte und die Verfassung. Ich werde juristisch dagegen vorgehen. Zunächst gibt es noch das behördliche Widerspruchsverfahren, aber ich gehe davon aus, dass das zu keinem Ergebnis führen wird.
Erfahren Menschen im öffentlichen Dienst, die die völkerrechtswidrige Politik Israels öffentlich befürworten, ähnliche Repressionen?
Nein, natürlich nicht. Das hat uns Felix Klein mit seiner Befürwortung der ethnischen Säuberung Gazas vor Augen geführt. Die Bundesregierung ist Komplize in diesem Völkermord. Sie liefert Waffen, gibt moralische, politische und militärische Unterstützung. Der Bundesbeauftragte für Antisemitismus und jüdisches Leben in Deutschland kann Trumps Plan für ethnische Säuberung ohne jegliche Konsequenzen unterstützen. Auf der Bundespressekonferenz wurde es dann so gedreht, als wären das seine privaten Äußerungen. Das ist falsch. Er hat es im dienstlichen Rahmen gesagt. Innerhalb seiner dienstlichen Betätigung.
Da wurde die Meinungsfreiheit groß zelebriert und gefeiert. Das ist für mich und viele andere Menschen wie ein Schlag ins Gesicht. Es ist ein Zeichen der aktuellen Verfasstheit dieses Staates. Es ist bezüglich des Themas Palästina sehr, sehr offensichtlich, dass es auf der einen Seite keine Meinungs- und Versammlungsfreiheit mehr gibt. Es gibt ausufernde Gewalt auf Demonstrationen, es werden ständig Häuser und Wohnungen durchsucht, Menschen weggesperrt und abgeschoben.
Das gilt aber nicht für alle Lebensbereiche. Im Zeitraum meiner Suspendierung wurde in Bayern auch ein Fall bekannt, in dem ein Beamter gestanden hat, eine Bekannte vergewaltigt zu haben. Damit er seinen Beamtenstatus nicht verliert, wurden ihm vom Gericht nur elf Monate auf Bewährung gegeben. Das ist für mich Ausdruck der patriarchalen Gesellschaft, aber spiegelt sich auch in vielen anderen Themen. Und wenn diese dann im Kontext Israel-Palästina-zusammenkommen, dann ist es noch übler, wie wir am 8. März bei der Demonstration in Berlin gesehen haben. Auf der Demonstration wurden Frauen öffentlich von der Polizei verprügelt, ihnen wurde auf offener Straße sexualisierte Gewalt angetan. Sie wurden öffentlich bloßgestellt.
Wie ordnest Du die Umstände Deiner Entlassung in das weitere politische Geschehen in Deutschland und weltweit ein?
Für mich ist es ein weiterer Baustein im autoritären Wandel. Es hat nicht mit mir angefangen. Marjam Samadzade wurde noch im Oktober 2023 aus ihrer Rolle als Staatssekretärin entlassen. Es sind solche Fälle, die Präzedenz schaffen sollen. Ich bin davon überzeugt, dass auch mein Fall ein Exempel statuieren soll. Ich bekomme zurzeit sehr viele Nachrichten von Menschen, die Angst vor Konsequenzen haben, wenn sie sich öffentlich äußern. Aber es ist mir wichtig, auch weiterhin zu sprechen. Gerade als Juristin kann ich es nicht hinnehmen, wenn Grundrechte beschnitten werden. Wenn wir uns dagegen nicht wehren, dass der Staat zunehmend repressiver, aggressiver und autoritärer wird, dann schreitet der autoritäre Wandel fort und irgendwann ist es zu spät.
»Betrachtet man, was die letzten Jahre unter einer eher linken Regierung möglich war, dann habe ich wirklich Angst, was mit jemandem wie Merz, der jetzt schon angekündigt hat, internationales Recht zu missachten, passieren wird.«
Mir tut es weh, das zu beobachten. Wir haben einen Auftrag aus unserer Geschichte und wir nehmen diesen nicht wahr. Betrachtet man, was die letzten Jahre unter einer eher linken Regierung möglich war, dann habe ich wirklich Angst, was mit jemandem wie Merz, der jetzt schon angekündigt hat, internationales Recht zu missachten, passieren wird. Global sehen wir unter anderem mit Trump dasselbe. Und die EU will jetzt noch mal 800 Milliarden für Krieg bereitstellen. Währenddessen fahren in Griechenland Züge ineinander und kollabieren Brücken. Diese Prioritätensetzung ist komplett falsch.
Wie geht es für Dich persönlich weiter?
Das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Es ist alles noch total frisch und ich muss das erst einmal verarbeiten. Aber auf jeden Fall wird geklagt. Ich habe derzeit auch zwei Jobangebote und ich glaube nicht, dass ich bald auf der Straße sitze. Ich werde etwas anderes finden.
Gibt es noch irgendwas, was Du loswerden möchtest?
Ja. Ich möchte nicht, dass mein Fall als Exempel dafür genutzt wird, still zu sein, sondern im Gegenteil: Es ist ein Anlass zu widersprechen und seine Meinung zu äußern. Wir haben Grundrechte. Es ist eine riesengroße Errungenschaft, die wir uns über Jahrhunderte erkämpft haben. Wir müssen für diese Rechte kämpfen. Wir leben nach wie vor in einem Rechtsstaat, daran glaube ich noch. Wir haben die Pflicht, diese Verfassung zu verteidigen.
Und besonders als Deutsche haben wir auch die Pflicht, Völkermorde zu verhindern. Schweigen ist Komplizenschaft, egal, wie man das Rechtliche einordnet. Ja, es gibt die Klage vor dem Internationalen Gerichtshof. Und dieser nimmt keine Klagen an, die unsubstantiiert sind. Er erlässt dann erst recht keine Eilrechtsschutzmaßnahmen. Es gibt substanziierte Belege für einen Genozid, die inhaltlich stichhaltig sind. Aber das ist eigentlich zweitrangig: Es wurden Zehntausende Menschen, darunter Zehntausende Kinder umgebracht. Es geht nicht in erster Linie darum, ob es ein Völkermord ist oder nicht, sondern darum, dass wir das nicht tolerieren dürfen. Es ist unzivilisiert und barbarisch.
Das ist ein politischer Konflikt, der politisch gelöst werden muss und nicht durch Waffen. Gewalt hat noch nie zum Ende von Gewalt geführt. Jeder Krieg ist misslungene Politik. Und unsere Politiker bekommen sehr viel Geld dafür, dass sie politische Lösungen finden und uns nicht in Kriege treiben. Dafür müssen wir sie in die Verantwortung nehmen.
Melanie Schweizer ist Volljuristin und Politologin mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Menschenrechte. Sie ist für die Partei MERA25 als Bundestagskandidatin für die Bundestagswahl 2025 angetreten.