12. September 2024
Die mexikanische Justiz ist berüchtigt dafür, im Interesse von Konzernen und Oligarchen zu handeln. Die linke Regierung will dieses Problem nun angehen. Ihr Reformvorschlag versetzt die internationale Businesswelt schon jetzt in Angst.
Die gewählte Präsidentin Mexikos, Claudia Sheinbaum Pardo, während einer Pressekonferenz in Mexiko-Stadt, 22. August 2024.
Nach ihrem deutlichen Sieg bei den mexikanischen Präsidentschaftswahlen verschwendet die linke MORENA-Koalition keine Zeit: Schon bevor die designierte Präsidentin Claudia Sheinbaum am 1. Oktober ihr Amt antritt, befasst sich der Kongress aktuell mit einem Reformpaket, das der noch amtierende Präsident Andrés Manuel López Obrador (genannt AMLO) vorgeschlagen hat. AMLO kann auf eine qualifizierte Zweidrittelmehrheit bauen, die MORENA im Kongress hat, wodurch solche Maßnahmen praktisch im Alleingang verabschiedet werden könnten.
Das erste Vorhaben aus dem Gesetzespaket hat es bereits in sich – und zieht den Zorn der Mainstreammedien sowie ausländischer Kräfte auf sich. Es handelt sich um eine Justizreform, die direkte, demokratische Wahlen für alle Richterinnen und Richter in der gesamten Bundesjustiz vorsieht.
Am 22. August veröffentlichte der US-Botschafter in Mexiko, Ken Salazar, eine Erklärung, in der er sich gegen diese Reform aussprach. Sein Statement war, gelinde gesagt, merkwürdig. Zunächst verwies er auf seine Erfahrungen im Irak und in Afghanistan – zwei Staaten, in die die USA bekanntlich einmarschiert waren und sie besetzt hatten – als Beispiele für Länder, in denen es an einer unabhängigen Justiz mangelt. Der Zusammenhang mit Mexiko blieb unklar, denn Salazar monierte im Folgenden: »Die Direktwahl von Richtern durch das Volk stellt ein großes Risiko für das Funktionieren der mexikanischen Demokratie dar«. Darauf folgte noch die Drohung: »Ich glaube auch, dass diese Debatte [...] die historischen Handelsbeziehungen gefährden wird, die wir aufgebaut haben und die auf dem Vertrauen der Investoren in den mexikanischen Rechtsrahmen beruhen«. Anders gesagt: Wenn Mexiko weiterhin von US-Investoren profitieren will, sollte die Regierung lieber die Finger von derartigen Veränderungen lassen.
AMLO zeigte sich irritiert. So fragte er während einer Pressekonferenz am darauffolgenden Dienstag: »Warum sollten wir, bei allem Respekt, akzeptieren, dass der US-Botschafter [...] offen die Meinung vertritt, was wir tun, sei falsch?«. Der scheidende Präsident dementierte Gerüchte, der Botschafter solle ausgewiesen werden, bestätigte aber, die Beziehungen zur US-Botschaft seien zunächst »pausiert«. Gleiches gelte für die kanadische Botschaft, die der US-amerikanischen Meinung gefolgt war und sich damit »bedauernswert, […] wie ein Vasallenstaat« verhalten habe, so AMLO weiter. Beide Länder, so schloss er, »würden sich gerne in Angelegenheiten einmischen, die nur die Mexikanerinnen und Mexikaner betreffen. Solange ich hier stehe, werde ich eine solche Verletzung unserer Souveränität nicht zulassen.«
Die Erklärung des US-Botschafters und die dazugehörige Pressekonferenz waren umso überraschender, als er zwei Monate zuvor noch genau das Gegenteil gesagt hatte: Die Justizreform sei »eine mexikanische Entscheidung«, erklärte Salazar am 13. Juni. »Das ist nicht unsere Entscheidung. Wir, die Vereinigten Staaten, können unsere Meinung in diesen Angelegenheiten nicht aufzwingen.« Einen Monat später, am 24. Juli, bekräftigte er nochmals: »Die Art [der Reform] ist eine Entscheidung der mexikanischen Regierung, der mexikanischen Legislative. Ich werde mich nicht in die Frage einmischen, was genau getan werden soll.« Und nur wenige Tage vor seiner Kehrtwende wiederholte Salazar abermals, die Justizreform sei »eine Gelegenheit, Gutes zu schaffen«, und die USA seien »nicht in der Position«, Mexiko zu sagen, was es zu tun habe.
In den Tagen nach seiner überraschenden Erklärung vom 22. August taumelte Salazar dann rhetorisch wie ein Blatt im Wind. Nicht nur gegenüber Präsident AMLO, sondern auch der mexikanischen Öffentlichkeit (die dem US-Interventionismus aus guten Gründen traditionell ablehnend gegenübersteht), wollte er zunächst einen Rückzieher andeuten. So versuchte er darzulegen, seine Äußerungen seien im »Geiste der partnerschaftlichen Zusammenarbeit« gefallen und er sei »in höchstem Maße bereit«, einen Dialog über dieses Thema zu führen.
»Eine solch abrupte Kehrtwende dürfte ihren Ursprung weniger in Mexiko und vielmehr in Washington haben.«
Diese Erklärung ging aber völlig am Kern der Sache vorbei: Die Reform der mexikanischen Justiz, eine innenpolitische Angelegenheit, ist schlichtweg kein Thema, bei dem ein »Dialog« mit den USA gewünscht wäre.
Das ging offenbar auch Salazar auf – und er wieder zum Angriff über. Im Interview mit Milenio TV wiederholte er den Irak- und Afghanistan-Verweis. Außerdem kritisierte er, die Reform verletze den »Geist des USMCA-Abkommens« [das NAFTA-Nachfolgeabkommen]. Salazar wusste natürlich ganz genau, dass er nicht sagen konnte, eine Justizreform würde direkt gegen ein Handelsabkommen verstoßen. Am 3. September war seine Argumentation noch dünner geworden und beschränkte sich im Wesentlichen auf die Aussage: Ja, in den USA werden zwar auch Richter gewählt, aber nur auf Bundesstaatsebene (Anmerkung: wo die meisten Fälle verhandelt werden) und außerdem nur in einigen wenigen Bundesstaaten (Anmerkung: tatsächlich sind es insgesamt 41 von 50, in denen ganz oder teilweise die Richterschaft gewählt wird). Um eine halbgare Versöhnungsgeste bemühte er sich im Interview auch noch: Die anwesende Presse sei stets in der US-Botschaft willkommen, ob sie nun »für« oder gegen ihn sei.
Eine solch abrupte Kehrtwende dürfte ihren Ursprung weniger in Mexiko und vielmehr in Washington haben. Die Frage ist, von wem Salazar Druck bekommen hat. Das Weiße Haus mit dem scheidenden Präsidenten Joe Biden übt derzeit kaum noch Macht aus; andere Machtzentren innerhalb der Bundesregierung scheinen hingegen bemüht, diese neu entstandene Lücke zu füllen.
Ein Resultat dessen ist, dass die US-amerikanische Lateinamerikapolitik in den vergangenen Monaten überaus konfus und uneinheitlich daherkam. Als ecuadorianische Sicherheitskräfte im April unter eklatanter Verletzung des Völkerrechts in die mexikanische Botschaft eindrangen, wurde die zunächst lasche Reaktion des US-Außenministeriums vom nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan »korrigiert«. Nach den venezolanischen Wahlen im August gratulierte Außenminister Antony Blinken dem rechten Kandidaten Edmundo González umgehend zum Sieg, was der Pressesprecher des Ministeriums, Matthew Miller, einige Tage später allerdings wieder zurücknahm. Und nun war der Botschafter in Mexiko – der bereits 2022 auf der Titelseite der New York Times auftauchte, die sich damals schon fragte, ob Salazar AMLO »zu nahe« stehe – gezwungen, seinen Schwanz einziehen und die eigenen Aussagen innerhalb nur einer Woche zu revidieren.
Ein möglicher Kandidat, der Druck ausgeübt haben könnte, ist die US Drug Enforcement Administration. Diese hat unter anderem versucht, über wohlgesonnene Medien AMLOs Ruf zu schädigen, weil dieser die Befugnisse der US-Behörde auf mexikanischem Boden eingeschränkt hatte. Ein anderer Kandidat sind die Falken im Außenministerium oder in einem der anderen US-Geheimdienste.
»In gewisser Weise bestärkt dieser Aktionismus das Argument, dass es ganz offensichtlich einer grundlegenden Reform der mexikanischen Justiz bedarf.«
Eine deutlich wahrscheinlichere und naheliegendere Quelle für den Diskurswechsel ist jedoch die Wirtschaftswelt. Diese profitiert seit Langem von ihr freundlich gesinnten Richtern und missbraucht juristische Verfahren in Mexiko wie den sogenannten Amparo (eine Art einstweilige Verfügung), um ihre eigenen Interessen in Bereichen wie Bankwesen, Bergbau, Energie- und Wasserversorgung durchzusetzen sowie Gesetze zu blockieren, durch die diese Sektoren stärker reguliert würden. Entgegen ihrer reißerischen Warnungen, eine demokratisch gewählte Justiz würde lediglich den Kartellen noch mehr Einfluss ermöglichen, besteht die wahre Sorge der multinationalen Konzerne eher darin, dass dies Bestechungszahlungen erschweren und die historisch gewachsenen und gut geölten Beziehungen zur mexikanischen Richterschaft kappen könnte. Damit wären die vielen richterlichen Entscheidungen zugunsten der Konzerne und der Reichen nicht mehr gewährleistet.
Derweil ist Salazar schon früher als Interessenvertreter von Big Business in Erscheinung getreten: Als AMLO sich bemühte, die staatliche Kontrolle über den mexikanischen Energiesektor zu stärken, trat Salazar – ein altgedienter Kämpfer für die großen Energiekonzerne in- und außerhalb seiner öffentlichen Ämter – auf den Plan. Er äußerte seine »ernsten Bedenken« und drohte, die Differenzen mit den Vereinigten Staaten in dieser Angelegenheit könnten »womöglich nicht beigelegt werden«, wenn die Gesetze durchkommen. Schließlich wurden die Reformen im vergangenen Februar tatsächlich vom Obersten Gerichtshof Mexikos gekippt – in einem recht undurchsichtigen Verfahren, bei der es bei elf Richtern nur zwei Stimmen gegen das Gesetz brauchte. In der Begründung des Gerichts hieß es, das geplante Gesetz verstoße gegen die Prinzipien des »freien Wettbewerbs« und der »nachhaltigen Entwicklung«.
Der Botschafter-Lobbyist hatte gewonnen. AMLO scheint sich seinerseits geschworen zu haben, dass so etwas nicht noch einmal passieren würde.
Aktuell sorgt also die Energiereform für Aufruhr, doch die zugrundeliegenden Probleme sind deutlich älter und tiefgreifender: Noch bevor sich die mexikanische Justiz in eine Maschine verwandelte, die Gesetze (bisher 74 in der aktuellen Amtszeit) unter fadenscheinigen Vorwänden außer Kraft setzt, war sie bereits als elitärer Club berüchtigt. Dieser zeichnete sich vor allem durch überhöhte Gehälter, Sonderleistungen und inoffizielle Zuwendungen, Skandale und Vetternwirtschaft im Dienste der Oligarchie und anderer Interessen aus.
Dies nahm verschiedene Formen an, etwa beim Thema Steuerschulden. Beispielsweise wurden Totalplay, dem Telekommunikationsunternehmen des drittreichsten Mannes Mexikos und notorischen Steuerhinterziehers Ricardo Salinas Pliego, 640 Millionen Peso (rund 30 Millionen Euro) an Steuern »erlassen«.
Ebenso geben die Gerichte regelrechte »Aus-dem-Gefängnis-freikommen«-Karten aus, mit denen reiche Verdächtige ungeschoren davonkommen oder schlimmstenfalls die Untersuchungshaft daheim im bequemen Hausarrest absitzen, bis es tatsächlich zum Prozess kommt. In Mexiko ist es zum makabren Freizeitvertreib geworden, darauf zu wetten, welche nächste wohlhabende Person freigesprochen wird. Dies geschieht in der Regel an Samstagen (daher der geflügelte Begriff sabadazo), wenn die Medien weniger berichten und die Regierungsbüros geschlossen sind.
»Dass solch prominente Verdächtige mit Samthandschuhen angefasst werden, ist besonders ärgerlich im derzeitigen Kontext, in dem tausende Menschen ohne entsprechende Kontakte und Bankguthaben in Mexiko jahrelang in Untersuchungshaft sitzen.«
Auf der langen Liste der reichen und prominenten Profiteure stehen Namen wie Emilio Lozoya, der beschuldigt wird, im Jahr 2012 Gelder des brasilianischen Unternehmens Odebrecht in den Wahlkampf von Enrique Peña Nieto geschleust zu haben. Oder Rosario Robles, dem vorgeworfen wird, während der Peña-Regierung im Rahmen des sogenannten »Superbetrugs« Millionen Pesos für Sozialprogramme über Universitätskassen abgezweigt zu haben. Oder Francisco García Cabeza de Vaca, der Ex-Gouverneur des mexikanischen Bundesstaats Tamaulipas, dem die Immunität entzogen wurde, um ihn wegen Geldwäsche und organisierter Kriminalität anzuklagen – bis der Oberste Gerichtshof einschritt und das Verfahren einstellte, sodass der Angeklagte nach Texas fliehen konnte. Oder (erst kürzlich) Mario Marín, der frühere Gouverneur von Puebla, der beschuldigt wird, die Journalistin Lydia Cacho hat foltern zu lassen, weil sie über seine mutmaßliche Beteiligung an einem Kinderpornografie- und Prostitutionsring berichtet hatte. Dass solch prominente Verdächtige mit Samthandschuhen angefasst werden, ist besonders ärgerlich im derzeitigen Kontext, in dem tausende Menschen ohne entsprechende Kontakte und Bankguthaben in Mexiko jahrelang in Untersuchungshaft sitzen, bis ihre jeweiligen Fälle überhaupt vor Gericht kommen.
Gerade in den vergangenen Monaten ist das unberechenbare und verlogene Anbandeln zwischen Justiz und reicher Elite noch eklatanter zu Tage getreten. So wurde im Mai bekannt, dass Norma Piña, die vorsitzende Richterin des Obersten Gerichtshofs, ein privates und geheimgehaltenes Treffen mit Richtern des Bundeswahlgerichts und Alejandro Moreno, dem Vorsitzenden der oppositionellen PRI-Partei, organisiert hatte.
Das Treffen hatte in doppelter Hinsicht mehr als ein Geschmäckle: Es wäre schon verwerflich genug, dass der Vorsitzende einer Oppositionspartei an Beratungen von Richterinnen und Richtern teilnimmt. Viel schwerer wiegt aber, dass diese Richterschaft nur kurz später über die Gültigkeit der damals anstehenden Präsidentschaftswahlen 2024 zu entscheiden hatte.
Laut geleakten Whatsapp-Konversationen im Zuge des Treffens stellte Oberrichterin Piña den anderen Richter-Gästen Moreno ausdrücklich als ihren »Verbündeten« und »Freund« vor. Anstatt zurückzutreten, was angesichts der Schwere des Interessenkonflikts durchaus gerechtfertigt gewesen wäre, steht Piña nun an der Spitze der Gegner der Justizreform. Sie hat es sogar geschafft, dass der Oberste Gerichtshof sich aus Protest einer Arbeitsniederlegung in der Justiz anschloss.
Als ob das noch nicht genug wäre, versuchten eine Bundesrichterin und ein Bundesrichter, eine Amparo-Verfügung gegen den Kongress selbst zu erwirken. Ihrer Ansicht nach müssten die Gerichte die Prüfung der Reform stoppen und sie im Falle ihrer Verabschiedung nicht zur Ratifizierung an die diversen Bundesstaatsregierungen weiterleiten. Es ist eine ebenso haarsträubende wie offenkundig rechtswidrige Überschreitung der richterlichen Befugnisse. In gewisser Weise bestärkt dieser Aktionismus das Argument, dass es ganz offensichtlich einer grundlegenden Reform der mexikanischen Justiz bedarf.
Im Zuge dieser Vorgänge kam es zu einem weiteren Skandal, als bekannt wurde, dass Lourdes Mendoza, Kolumnistin der Zeitung El Financiero, ihren Kommentar zur Justizreform an eine Richterin des Obersten Gerichtshofs, Margarita Rios-Farjat, schickte, um von ihr »grünes Licht« dafür zu erhalten. Braucht es noch mehr, um die überaus engen, freundschaftlichen und von gemeinsamen Interessen geprägten Beziehungen zwischen den Gerichten und dem Großteil der mexikanischen Presse zu verdeutlichen?
Damit zurück zur von AMLO nun vorgeschlagenen Reform: Als ersten Schritt zur Neuordnung der Gerichte sieht sie Direktwahlen für die Hälfte der Bundesrichterschaft (einschließlich des gesamten Obersten Gerichtshofs) im Jahr 2025 und dann für die andere Hälfte im Jahr 2027 vor. Alle amtierenden Richterinnen und Richter sind zur Wahl zugelassen. Die Wahlen sollen überparteilich sein; private Wahlkampffinanzierung ist verboten. Stattdessen erhalten die Kandidatinnen und Kandidaten kostenlose Sendezeit im Fernsehen und Radio, um sich und ihre Kandidatur zu bewerben. In beiden Häusern des Kongresses werden Fachausschüsse eingerichtet, die sicherstellen sollen, dass potenzielle Kandidaten die grundlegenden Anforderungen an Ausbildung und Erfahrung erfüllen. Die Amtszeit der Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof wird von 15 auf 12 Jahre verkürzt. Geschlechterparität wird durchgesetzt. Es soll eine Begrenzung für übermäßig lang anhaltende Gerichtsverfahren geben. Überhöhte Gehälter, Zusatzleistungen und Rentenzahlungen werden gesenkt beziehungsweise angeglichen. Der Gebrauch des Amparo als Blockademittel oder Verschleppungstaktik wird eingeschränkt. Außerdem soll eine unabhängige Aufsichtsbehörde eingerichtet werden, die befugt ist, korrupte Richter zu bestrafen, vorübergehend zu suspendieren oder sogar komplett aus dem Amt zu entlassen.
»Angesichts dieser Liste ist es kein Wunder, dass die multinationalen Konzerne und ihre Fürsprecher in den Botschaften besorgt sind.«
Die Justizreform erscheint als herausragende Reform, an der sich auch die schärfste Kritik entzündet. Tatsächlich muss sie aber im Kontext der weiteren Vorschläge für Verfassungsänderungen verstanden werden, über die der mexikanische Kongress in den kommenden Monaten debattieren und abstimmen wird. Dazu gehören mehr Autonomie für indigene und afro-mexikanische Völker; mehr sozialer Schutz in Bezug auf Löhne, Wohnungen und Renten; ein Verbot von Fracking und Tagebau sowie von genmanipuliertem Mais für den menschlichen Verzehr.
Angesichts dieser Liste ist es kein Wunder, dass die multinationalen Konzerne und ihre Fürsprecher in den Botschaften besorgt sind. Dabei haben sie nicht nur Angst davor, dass die Reformen ihre bisher gerichtlich abgesicherte Straffreiheit einschränken. Vielmehr besteht in diesen Kreisen die Sorge, dass ein solcher Präzedenzfall auf andere Länder, vielleicht sogar die USA, übergreifen könnte. (Letztere sind übrigens gerade dabei, ihren eigenen, weitaus bescheideneren Versuch zu unternehmen, einen unkontrollierten und übermächtigen Supreme Court zu reformieren.)
In der panischen Reaktion von Big Business auf die Vorgänge in Mexiko erkennt der Journalist und Aktivist Eugene Puryear daher eine veritable »Angst vor dem Beispielcharakter« der mexikanischen Reformen. Er dürfte mit dieser Einschätzung richtig liegen.
Kurt Hackbarth ist Schriftsteller, Dramatiker, Journalist und Mitbegründer des unabhängigen Medienprojekts MexElects. Derzeit arbeitet er an einem Buch über die mexikanischen Wahlen im Jahr 2018 mit.