20. März 2024
In Grünheide protestieren Anwohnerinnen und Aktivisten gegen die Erweiterung des Tesla-Werks. Beschäftigte fordern derweil bessere Arbeitsbedingungen. Der Arbeitskampf und der Kampf für Wassergerechtigkeit sollten am besten gemeinsam geführt werden.
Im Protestcamp nahe der Gigafactory von Tesla versammeln sich Aktivistinnen und Anwohner zu einer Pressekonferenz.
Zwischen den hohen Fichten in Grünheide schaukeln Baumhäuser, Plattformen aus Holz, Hängematten und Transparente. Aktivistinnen bauen an weiteren Baumhäusern oder räumen am Boden die Materiallager ein und sortieren die Klettergurte. In der schnell zusammengebauten Küche werden Brote geschmiert. Kinder spielen Fangen. Es steht sogar ein Klavier zwischen den Bäumen. Auf dem Boden sind Wege mit Stöcken abgesteckt, um dem Wald so wenig wie möglich zu schaden.
Wer die Besetzung besucht, wird am Eingang mit einer Ausstellung empfangen, die über die globalen Auswirkungen von Teslas Tätigkeit berichtet. Mit ihren Körpern und Baumhäusern stellen sich die Protestierenden der Werkserweiterung entgegen. Sie halten die Besetzung für notwendig, da die Politik schon beim ersten Bau der Gigafactory gezeigt hat, dass sie die Interessen des Konzerns über die der Anwohnerinnen und Anwohner stellt. Es ist davon auszugehen, dass sie auch dieses Mal nichts davon abhält, demokratische Prozesse zu unterbinden, um die Erweiterung des Tesla-Werks durchzusetzen.
»Die geplante Werkserweiterung stellt eine enorme Belastung für das in Brandenburg ohnehin schon knappe Trinkwasser dar.«
»Saubere E-Autos sind eine dreckige Lüge«, so schreiben es die Protestierenden von »Tesla Stoppen« in einer Pressemitteilung. Die geplante Werkserweiterung stellt eine enorme Belastung für das in Brandenburg ohnehin schon knappe Trinkwasser dar. Schon beim Bau der Gigafactory im Jahr 2020, die zu Teilen in ein Wasserschutzgebiet gesetzt wurde, äußerten Umweltschutzorganisationen Bedenken.
Mit der Erweiterung auf fast die doppelte Fläche würde der Wasserverbrauch enorm steigen, kritisiert der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE), der für die Wasserversorgung im Gebiet verantwortlich ist. Es würden weitere 61.000 Kubikmeter Wasser benötigt, wodurch der Grundwasserspiegel sänke, was sich direkt auf die Trinkwasserversorgung auswirken würde, so der WSE. Er mahnt auch, anstehende kommunale Projekte wie geplante Schulen oder Kitas, aber auch Industrievorhaben, könnten schon jetzt nicht mit Trinkwasser versorgt werden.
Auch die Gefahr der Trinkwasserverschmutzung ist real. In der Vergangenheit gab es bereits einige Vorfälle, bei denen im Tesla-Werk ausgelaufene Chemikalien möglicherweise in die Kanalisation geraten sind. Der NABU und Die Grüne Liga in Brandenburg kritisieren auch mangelnde Transparenz in den Erweiterungsplänen von Tesla. Viele Passagen seien ohne hinreichende Begründung geschwärzt worden. Zudem gebe es zu wenige Daten und Gutachten hinsichtlich der Auswirkungen auf das Trinkwasser.
Doch nicht nur in Brandenburg ist Tesla für Grundwassermangel und -verschmutzung verantwortlich. Um Batterien für Elektroautos herzustellen, braucht es Lithium. Das wird vor allem im Globalen Süden und insbesondere im »Lithium-Dreieck« (Chile, Argentinien und Bolivien) abgebaut, mit schweren Folgen für die Umwelt. Der Lebensraum von Mensch und Tier wird zerstört und das Wasser, das für den Abbau gebraucht wird, senkt den Grundwasserspiegel.
»Spezielle Klauseln in den Arbeitsverträgen unterbinden die freie Meinungsäußerung der Arbeitenden über den Arbeitgeber.«
Durch die Bohrungen werden natürliche Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser zerstört, sodass letzteres kontaminiert wird. Damit wird der Bevölkerung langfristig ihre Lebensgrundlage genommen. Der Kampf um das »weiße Gold«, wie das Lithium auch genannt wird, ist ein Beispiel für die neokoloniale Ausbeutung durch die westlichen Länder. Protesten der lokalen Bevölkerung gegen die Trinkwasserverschmutzung, für gerechte Löhne und bessere Arbeitsbedingungen wird mit gewaltsamer Repression begegnet.
»Wir hatten hier vor Ort schon Besuch vom Leiter der größten lateinamerikanischen Umweltschutzorganisation – Lucio Berger. Wir teilen die gleichen Ziele«, schreiben die Besetzenden. »Wir brauchen eine Welt, in der alle Menschen gut leben können. Die Zerstörung durch Tesla ist keine Einzelerscheinung, sondern hat System, solange Profit wichtiger ist als Menschen. Auf systematische Probleme brauchen wir kollektive, solidarische Antworten.«
Die Protestierenden in Grünheide wollen nicht nur auf die katastrophalen Umweltfolgen der Tesla-Erweiterung aufmerksam machen. Sie adressieren auch, dass das kapitalistische Großunternehmen immer wieder mit seinen schlechten Arbeitsbedingungen auf sich aufmerksam macht: »Wir sind solidarisch mit den Beschäftigten bei Tesla. Tesla boykottiert mit allen Mitteln eine gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten und wegen des schlechten Arbeitsschutzes werden in der Gigafactory sehr viele Beschäftigte verletzt.«
Die Selbstorganisation der Arbeiterinnen und Arbeiter ist fast unmöglich. Der Vorstand macht aktiv die Arbeit von Gewerkschaften wie der IG Metall schlecht, um zu verhindern, dass Beschäftigte sich ihr anschließen. Es gibt viel Leih- und Zeitarbeit, die Löhne liegen 15–20 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Tesla-Beschäftigte arbeiten für den Profit des Großkonzerns, können sich die Autos, die sie bauen, selbst aber gar nicht leisten.
Spezielle Klauseln in den Arbeitsverträgen unterbinden die freie Meinungsäußerung der Arbeitenden über den Arbeitgeber. Beschäftigte werden dazu angehalten, sogar private Bekannte beim Unternehmen zu melden, wenn diese nach vertraulichen Informationen fragen. Es ist unklar, was Tesla mit diesen Informationen macht. Manche Formulierungen machen es den Arbeiterinnen und Arbeitern schwer, überhaupt noch zu wissen, was sie außerhalb der Firma über Tesla sagen können, ohne Gefahr zu laufen, ihre Beförderung zu verspielen, ihren Job zu verlieren oder gar rechtliche Konsequenzen tragen zu müssen.
»Im ›grünen Kapitalismus‹ können für ein Projekt wie die Gigafactory die demokratischen Prozesse schon mal außer Kraft gesetzt werden.«
Tesla beschäftigt zu einem sehr hohen Anteil migrantische Arbeitskräfte, viele haben einen Geflüchtetenstatus und ihr Aufenthaltstitel ist an ihren Job gebunden. Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen ist allein dadurch schon massiv erschwert, dass ihnen und ihren Familien bei einer Kündigung nicht nur Arbeitslosigkeit, sondern auch Abschiebung drohen könnte.
Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen des Konzerns gelangen immer wieder Berichte über den katastrophalen Arbeitsschutz in der Giga-Factory nach außen. Die Zahlen der Arbeitsunfälle sind hoch. Fließbänder haben keinen Stopp-Mechanismus. Verletzte werden oft mit dem Taxi ins Krankenhaus gefahren, um die Unfallstatistik zu schönen. Trotzdem seien ständig Krankenwagen, Alarmsirenen und Helikopter zu hören, berichten Angestellte. Oftmals werden die Verletzten selbst für die Unfälle verantwortlich gemacht: Sie hätten sich nicht exakt an die Arbeitsvorschriften gehalten. Das wirkt sich vor allem auf die Zahlung der Entschädigungen aus.
Dennoch unterstützt die herrschende Politik Tesla und den Erweiterungsbau in Grünheide. Sei es wegen wirtschaftlicher Interessen oder weil sich das Bild der Elektroautofabrik als Symbol von Fortschritt und Mobilitätswende in den Köpfen festgesetzt hat. Recherchen von FragDenStaat zeigen, wie unterwürfig Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Behörden in E-Mails um die Gunst von Elon Musk und seinem Konzern werben. Sie helfen beim Ausfüllen der erforderlichen Antragsunterlagen, Pressemitteilungen des Bundeswirtschaftsministeriums werden von Tesla Wort für Wort kontrolliert, Fragen für ein Interview mit Elon Musk vor dem selbigen von Tesla diktiert.
Im »grünen Kapitalismus« können für ein Projekt wie die Gigafactory die demokratischen Prozesse schon mal außer Kraft gesetzt werden. Umwelt- und Klimamaßnahmen, die für andere Bauunternehmen gelten – wie der Vorsatz, flächensparend zu bauen –, können für den Global Player Tesla vernachlässigt werden. Schon mit dem Bau im Jahr 2020 wurde begonnen, bevor es überhaupt eine offizielle Baugenehmigung gab.
Dabei steht Tesla keineswegs für eine grüne und gerechte Verkehrswende. Denn diese kann nur funktionieren, wenn langfristig weniger, leichtere und kleinere Elektroautos produziert, der öffentliche Nah- und Fernverkehr ausgebaut und ein Großteil des Verkehrs auf die Gleise verlegt wird. Davon ist der viel zu teure und ressourcenintensive SUV von Tesla aber meilenweit entfernt. Er steht für Luxus, dient als Statussymbol und ist der Inbegriff von Greenwashing in der Automobilindustrie.
Für die Verkehrswende bringt es also herzlich wenig, sich Elon Musk und sein vermeintlich grünes Firmenimperium mit ins Boot zu holen. Durch die Erweiterung des Tesla-Werks will Musk in Zukunft doppelt so viele E-Autos in Grünheide herstellen, wie bisher. Um die Klimabilanz in Deutschland nachhaltig zu verbessern, bräuchte es hingegen Maßnahmen, um die Zahl der Autos im Land generell zu verringern.
Ab 2025 soll das Trinkwasser für Privathaushalte im Gebiet des WSE rationiert werden. Pro Person und Tag dürfen dann nur noch 105 Liter verbraucht werden, wobei der durchschnittliche Verbrauch bundesweit derzeit bei 128 Liter liegt. Wird der Wert überschritten, können Geldstrafen folgen. Viele der Anwohnenden sind damit unzufrieden. Bei einer Befragung stimmten sie mit einer großen Mehrheit gegen die Erweiterung. Doch die Politik macht keine Anstalten, auf ihre Entscheidung einzugehen.
Daher äußern sich viele Anwohnende positiv zu der Besetzung. Die Aktivistinnen und Aktivisten berichten von viel Interesse und Zuspruch durch die Menschen aus Grünheide. Das lokale Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« solidarisiert sich mit dem Protestcamp, organisiert vor Ort Demonstrationen gegen die Tesla-Erweiterung und vernetzt sich mit bundesweiten und internationalen Bewegungen im Kampf um Wassergerechtigkeit.
»Die Beschäftigten berichten von niedrigen Löhnen, ›freiwilligen‹ Samstagsschichten und auffällig vielen Arbeitsunfällen.«
An der Mahnwache des Protestcamps »Tesla Stoppen«, die sich direkt am Bahnhof Fangschleuse befindet, kommen immer wieder Tesla-Beschäftigte vorbei, informieren sich und stellen Fragen. Manche schauen sich die Waldbesetzung interessiert an und kommen mit den Protestierenden ins Gespräch. Sie haben unterschiedliche Meinungen, viele sprechen sich für eine Werkserweiterung aus, da sie der Vergrößerung der Belegschaft positiv gegenüberstehen.
Doch in einem Punkt kommen sie immer zusammen, berichtet René Sander von der Besetzung: den schlechten Arbeitsbedingungen und dem fehlenden Arbeitsschutz im Tesla-Werk. Die Beschäftigten berichten von niedrigen Löhnen, »freiwilligen« Samstagsschichten und auffällig vielen Arbeitsunfällen. Die Besetzenden solidarisieren sich mit den Beschäftigten und ihren Forderungen.
In der Nähe des Bahnhofs Fangschleuse befindet sich auch das Büro der IG Metall. Sie setzt sich für eine gewerkschaftliche Organisierung und bessere Arbeitsbedingungen bei Tesla ein und kämpft immer wieder gegen die Versuche der Geschäftsführung an, diese Organisierung zu unterbinden. Da sie sich jedoch für die Werkserweiterung ausspricht, weil sie mehr Arbeitsplätze generieren würde, gibt es bisher trotz einiger geteilter Ziele keine Solidarisierung mit dem Protestcamp.
Denn die Besetzenden stellen klar: »Um soziale Gerechtigkeit erreichen zu können, müssen wir den Kapitalismus überwinden.« Die IG Metall hingegen setzt darauf, innerhalb des bestehenden Systems die Kräfteverhältnisse zu verschieben und graduelle Verbesserungen zu erreichen.
Aus der letzteren Perspektive kann es Sinn ergeben, neue Arbeitsplätze gutzuheißen. Doch das spielt den Konzernen in die Arme, beschert ihnen weitere Profite, den Anwohnenden um die Werke und den Arbeitenden in den Rohstoffminen aber nur weitere Umweltzerstörung. Über den lokalen Horizont hinaus betonen die Protestierenden auch: Arbeitskampf erfordert internationale Solidarität mit den Menschen im Globalen Süden, die von Großkonzernen wie Tesla ausgebeutet werden. Die Interessen der Arbeitenden sollten stets international betrachtet werden.
In den Gigafactories von Tesla arbeiten zum großen Teil Männer. In den USA lag die Frauenquote im Jahr 2020 bei Tesla bei 21 Prozent, in Führungspositionen bei 17 Prozent. Wie die Zahlen hierzu in Deutschland aussehen, ist bisher nicht bekannt, doch auch hier ist die Automobilbranche noch immer ein männlich dominiertes Gebiet. Unter einem feministischen Gesichtspunkt stellt sich die Frage, warum der Fokus beim Generieren neuer Arbeitsplätze nicht vielmehr auf dem Bereich der Reproduktionsarbeit – etwa Pflege und Gesundheit – liegt, der erheblich höhere Frauenanteile aufweist.
»Auf lange Sicht ist es nicht sinnvoll, Arbeitsplätze zu generieren, indem man Milliardäre wie Elon Musk unterstützt.«
Der Arbeitskampf erfordert nachhaltiges Denken, denn ein Konzern wie Tesla bringt nicht die gewünschte soziale und klimagerechte Mobilitätswende. Die Interessen der Arbeitenden werden gegen die der lokalen Bevölkerung ausgespielt. »Was nützt mir ein Arbeitsplatz, wenn es kein Trinkwasser mehr gibt?«, drückt es einer der Protestierenden aus. Auf lange Sicht ist es nicht sinnvoll, Arbeitsplätze zu generieren, indem man Milliardäre wie Elon Musk unterstützt. Denn ihre Fabriken sind nicht so zukunftsfähig, wie sie zu sein behaupten. Sie zerstören die Umwelt und beuten Menschen aus.
Dass der Arbeitskampf und der Kampf für Klimagerechtigkeit auch gemeinsam geführt werden können, zeigt die Initiative »Wir fahren zusammen«. Die Klimaschützerinnen von Fridays for Future und die bei Verdi organisierten Beschäftigten im Nahverkehr vereinen ihre Interessen und kämpfen zusammen für den Ausbau des Nahverkehrs, für eine grüne Mobilitätswende und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.
Einen wichtigen ersten Schritt, um auch bei Tesla die Interessen von Klimagerechtigkeit und Arbeitskampf stärker zu verbinden, zeigt Simon Zoll in einem Beitrag im Magazin Klasse gegen Klasse auf. Zunächst müssten die repressiven Arbeitsverträge geändert werden, damit gemeinsame Versammlungen und Komitees der Belegschaft mit den Anwohnenden und Protestierenden überhaupt entstehen könnten. Dann könnten die Beschäftigten selbst entscheiden, wie sie zu Themen wie dem Klima- und Umweltschutz und verschiedenen Protestformen – von der Wasserbesetzung bis zum Brandanschlag auf einen Strommasten – stehen.
In der Folge könnten die Beschäftigten stärkeren Einfluss auf Tesla nehmen und sowohl besseren Arbeitsschutz als auch striktere Umweltmaßnahmen einfordern. Je stärker die Demokratie in einem Unternehmen ist, desto näher liegt auch der Umweltschutz. Denn die Menschen, die in einem Betrieb arbeiten, wohnen oft selbst nicht allzu weit weg und haben somit ein viel größeres Interesse zum Beispiel an sicherer Trinkwasserversorgung in der Region als die fernen Eigentümer.
Tesla hingegen macht deutlich, wie im Kapitalismus Ausbeutung prekärer migrantischer Arbeit, Umweltzerstörung und damit Zerstörung lokaler Lebensvoraussetzungen, die neokoloniale Ausbeutung von Arbeitenden im Globalen Süden und die Aushöhlung der Demokratie zusammenhängen. Der Kampf für faire Arbeitsbedingungen, eine soziale Gesellschaft und eine klimagerechte Zukunft ist auch ein Kampf gegen Milliardäre und Großkonzerne.
Laura Stoppkotte ist Verlagsassistentin beim Brumaire Verlag.