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23. Juni 2025

Trump hat Frieden versprochen und Krieg geliefert

Trumps Angriff auf den Iran droht, nicht nur die Lage im Nahen Osten komplett zu eskalieren. Anstatt die nukleare Gefahr zu bannen, dürften nun weitere Staaten entscheiden, zu ihrem Schutz auf Atomwaffen statt auf das ausgehöhlte Völkerrecht zu setzen.

US-Präsident Donald Trump verkündet am 21. Juni 2025 seine Militärschläge gegen den Iran. Hinter ihm stehen sein Vize JD Vance, Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth.

US-Präsident Donald Trump verkündet am 21. Juni 2025 seine Militärschläge gegen den Iran. Hinter ihm stehen sein Vize JD Vance, Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth.

IMAGO / MediaPunch

Fünf Monate – so lange hat Donald Trump gebraucht, um die USA in einen weiteren Krieg im Nahen Osten zu verwickeln. Im Wahlkampf hatte er großspurig erklärt, er werde »das Chaos im Nahen Osten beenden«. Auf der Ablehnung von Krieg baute er seine gesamte politische Marke auf. Trump, der bei seiner Amtseinführung verkündete, er wolle als »Friedensstifter« in Erinnerung bleiben, konnte nicht einmal ein halbes Jahr seiner Amtszeit überstehen, ohne genau das zu tun, was er allen versprochen hatte, nicht zu tun.

Trumps Abenteuer im Nahen Osten könnte noch schlimmer ausgehen als das von George W. Bush. Die Stimmung in den USA ist heute komplett anders als 2003 – und Trumps Truppe hat nicht einmal ansatzweise versucht, die US-Bevölkerung entsprechend zu bearbeiten und auf einen möglichen Krieg vorzubereiten. Hinzu kommt: Bush war sehr beliebt – mit Zustimmungswerten von 70 bis 80 Prozent –, als er beschloss, in den Irak einzumarschieren. Dank einer einjährigen, gut orchestrierten Propagandakampagne unterstützte letztlich eine große Mehrheit der US-Bevölkerung seinen auf Lügen basierenden Krieg.

Trump hingegen blickt fast für die gesamte Dauer seiner zweiten Amtszeit auf negative Zustimmungswerte und wird immer unbeliebter. Da er nicht einmal den geringsten Versuch unternommen hat, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass der Iran angegriffen werden müsse, lehnt der Großteil des Landes dies vehement ab, darunter auch die Mehrheit der Republikaner und seiner eigenen Wählerschaft.

»Das iranische Regime ist repressiv, theokratisch und in keine Weise gutzuheißen, aber es ist unbestreitbar, dass dieses Regime auf wiederholte, massive Provokationen mit dem reagiert hat, was in außenpolitischen Kreisen ›Zurückhaltung‹ genannt wird.«

Trumps sinkende Beliebtheit könnte erklären, warum er sich zu dieser ebenso dummen wie illegalen Maßnahme gegen den Iran entschlossen hat: Bekanntlich ist Krieg der älteste Trick für einen angeschlagenen Politiker, der verzweifelt einen Popularitätsschub benötigt. Doch dieser Zug wird wahrscheinlich genauso wenig funktionieren wie die anderen risikoreichen politischen Spielchen, die Trump im Interesse der eigenen Machtdemonstration unternommen hat. Das jüngste Beispiel bestand darin, die Nationalgarde einzusetzen, um Proteste in Los Angeles niederzuschlagen. Dies hat sich spektakulär auf Trumps Zustimmungswerte ausgewirkt – nur eben nicht in die von ihm erhoffte Richtung.

Der Lohn für Irans »Zurückhaltung«

Wir stehen erst am Anfang einer möglicherweise langen und verheerenden Gewaltspirale. Es sind nicht Trump oder seine drei Untergebenen, die hinter ihm standen, als er seine Entscheidung im Fernsehen verkündete, die diesen Krieg führen werden. Die US-Regierung setzt mit dieser leichtsinnigen, unverantwortlichen Entscheidung das Leben von jedem einzelnen der mehr als 40.000 US-Soldaten aufs Spiel, die in der gesamten Nahostregion stationiert sind. Diese Männer und Frauen werden das Ziel aller kommenden Vergeltungsmaßnahmen sein.

Öffentlichen Äußerungen zufolge scheinen Trump und sein Team davon auszugehen, dass ihre Angriffe auf iranische Nuklearanlagen eine einmalige Aktion bleiben werden – was man in Washington als »begrenzten« Schlag bezeichnet, der keine vollständige Eskalation hin zum Krieg bedeutet. Dementsprechend wurde der Iran vor Vergeltungsmaßnahmen gewarnt. Die erneute US-Reaktion würde noch härter ausfallen, sollte der Iran tatsächlich zurückschlagen. Und damit hält man die Sache in Washington für erledigt.

»Trumps Attacken haben es nicht geschafft, das iranische Atomprogramm wirklich auszubremsen, aber wahrscheinlich die iranische Führung davon überzeugt, dass sie inzwischen keine andere Wahl mehr hat, als auf eine Atombombe zu setzen.«

Das Problem für Trump ist, dass er persönlich sowie die gesamte US-Außenpolitik in den vergangenen zwölf Monaten jegliche Anreize für den Iran beseitigt haben, auf eine maßvolle und zurückhaltende Weise zu reagieren. Das iranische Regime ist repressiv, theokratisch und in keine Weise gutzuheißen, aber es ist unbestreitbar, dass dieses Regime auf wiederholte, massive Provokationen mit dem reagiert hat, was in außenpolitischen Kreisen »Zurückhaltung« genannt wird: Es gab gewaltsame Reaktionen, die aber in ihrem Umfang weniger weit gingen als das, was dem Iran seinerseits widerfuhr. Darüber hinaus waren die iranischen Vergeltungsmaßnahmen bisher so angelegt, dass ein größerer Krieg vermieden werden sollte.

Die iranische Führung hat bislang so gehandelt, weil das in ihrem eigenen Interesse zu liegen schien. Ein totaler Krieg würde sich nicht lohnen und sowohl den Fortbestand des iranischen Staates in seiner gegenwärtigen Form gefährden als auch Gespräche über die Wiederaufnahme des Atomabkommens, das Trump seinerseits 2018 aufgekündigt hatte.

Faktisch hat der Iran keinerlei Vorteile aus seinem bisherigen Vorgehen gezogen. Israel reagierte auf die Zurückhaltung Teherans mit noch mehr Provokationen, und Trump hat die Aussicht auf erneute Atomgespräche letztendlich wohl als Vorwand benutzt, um den Iran hinzuhalten, damit Israel ihn erneut empfindlich angreifen konnte. Und dazu kommen jetzt die Angriffe durch die USA selbst. Die iranische Regierung kämpft um ihr Überleben.

Zurückhaltung zu üben, wäre in dieser Situation selbst unter den besten Umständen eine Herausforderung. Doch jetzt muss Zurückhaltung für die iranische Führung als besonders unattraktiv erscheinen. Schließlich dürfte sie ihre vormals relativ zurückhaltenden Entscheidungen als Ursache für die katastrophale Lage heute betrachten. Trumps Vorgehen in den vergangenen Wochen wird außerdem zu einem völligen Vertrauensverlust gegenüber Washington geführt haben, sodass westliche Appelle zur Rückkehr an den Verhandlungstisch für Teheran wenig überzeugend wirken dürften.

Was als Nächstes passiert, hängt davon ab, wie die iranische Führung reagiert. Sie könnte sich durchaus noch einmal für eine weniger zerstörerische ihrer vielen Optionen entscheiden. Doch selbst wenn sie das tut, sind wir in eine neue, gefährlichere Phase eingetreten.

Atom-Deal auf Eis

Die Chancen für ein Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran dürften in die Luft gegangen sein – zusammen mit dem, was Trumps Bomben zerstört haben (was definitiv nicht das iranische Atomprogramm war, wie israelische und US-amerikanische Regierungsvertreter am Folgetag kleinlaut zugeben mussten). Trumps Attacken haben damit für das schlimmstmögliche Szenario gesorgt: Sie haben es nicht geschafft, das iranische Atomprogramm wirklich auszubremsen, aber wahrscheinlich die iranische Führung davon überzeugt, dass sie inzwischen keine andere Wahl mehr hat, als tatsächlich auf eine Atombombe zu setzen. Trump und Israel haben ihr damit alle Gründe für die Bombe gegeben. Genau davor hatten die US-Geheimdienste vor dem Angriff gewarnt.

Die Nichtverbreitung von Atomwaffen erschien lange Zeit als eine gute Idee. Doch wer weiß, wie viele Regierungen die aktuellen Geschehnisse beobachten, ebenso wie die russische Invasion in der Ukraine oder die Zerstörung Libyens und des Iraks, und zu dem rationalen, aber beunruhigenden Schluss kommen: Vielleicht wäre es doch besser, sich wie Nordkorea (ein Land, das hart sanktioniert und isoliert wird, aber seit Beginn seiner Erprobung von Massenvernichtungswaffen nie angegriffen wurde) bis an die Zähne zu bewaffnen, als sich auf das Völkerrecht und dessen Normen zu verlassen, die nicht zuletzt israelische und US-amerikanische Politiker im Laufe des 21. Jahrhunderts immer weiter ausgehöhlt und mit Füßen getreten haben.

»Trumps vermeintlich ›begrenzte‹ Angriffe könnten einen Kreislauf in Gang setzen, der damit endet, dass Tausende amerikanischer Familien irgendwo im Mittleren Westen ihre Kinder in mit Flaggen bedeckten Särgen zurückbekommen.«

Es ist keineswegs gesagt, dass der Iran auf die mildeste Reaktion zurückgreifen wird. Er könnte auch die destruktivste Option wählen und gegen die Zehntausenden US-Soldaten zurückschlagen, mit deren Leben Trump spielt. Wenn es dazu kommen sollte, wird Trump seinerseits nicht tatenlos zusehen, wenn amerikanische Soldaten sterben, und erneut angreifen lassen. Selbst wenn er persönlich dazu geneigt wäre, nicht weiter zu eskalieren, dürfte Trump unter massivem Druck von seinen eigenen Beratern, der Presse und der gesamten politischen Klasse stehen, seine Worte wahrzumachen und noch härter zurückzuschlagen. Ein solcher harter Ansatz beinhaltet beispielsweise die bereits geäußerte Drohung, den Obersten Führer des Iran zu ermorden.

Genau das ist das große Risiko: Dass Trumps vermeintlich »begrenzte« Angriffe einen Kreislauf in Gang setzen, der damit endet, dass Tausende amerikanischer Familien irgendwo im Mittleren Westen ihre Kinder in mit Flaggen bedeckten Särgen zurückbekommen.

Von wegen Antikriegspräsident

Trump hatte keinerlei Befugnis, die aktuelle Eskalation herbeizuführen. Aus der US-Verfassung geht eindeutig hervor, dass es der Kongress ist, der über Krieg entscheidet – und nicht ein selbstverliebter Möchtegernmonarch, der das Land aus persönlicher Laune heraus in einen Konflikt stürzt. Trump machte nicht einmal Anstalten, die einzig mögliche juristische Rechtfertigung für seinen Angriff zu bemühen, nämlich eine unmittelbare Bedrohung für die USA. Stattdessen sagte er in seiner Rede lediglich, er wolle »diese schreckliche Bedrohung für Israel« beseitigen.

Die Amerikanerinnen und Amerikaner mögen sich fragen, warum sie immer wieder Präsidenten bekommen, die angeblich Kriege beenden und sich auf die Probleme im eigenen Land konzentrieren wollen, aber dann doch in Konflikten aktiv werden, die die Bevölkerung nicht will. Darüber hinaus scheinen diese Kriege jedes Mal schlimmer und gefährlicher sowie meist im Interesse eines anderen Landes geführt zu werden.

Die Erklärung für diese Situation ist ein politisches System, das immer mehr von den Wünschen und Interessen der Menschen, denen es dienen soll, abgekoppelt ist, und in dem Korruption weit verbreitet bleibt. Zusätzlich zu ihrem ohnehin schon weitreichenden Einfluss hat die Israel-Lobby in den vergangenen Jahren zig Millionen Dollar in Wahlen in den USA gesteckt, um die Ergebnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen. Damit wurde selbst der letzte Funke politischen Mutes in Washington erstickt, sich in irgendeiner Frage den Wünschen Israels zu widersetzen.

»Demokratische Führungspersönlichkeiten haben Trump aktiv zum Krieg angestachelt sowie Lügen propagiert, mit denen israelische Regierungsvertreter ihn zum Kriegseintritt bewegen wollten.«

Das andere Problem ist natürlich Trump selbst, dessen aktuelles Handeln die absurde Behauptung widerlegt, er sei ein Kriegsgegner. Dass Trump diese Behauptung überhaupt aufstellen konnte, lässt sich mit »Das Glück ist mit den Dummen« zusammenfassen: Schon in seiner ersten Amtszeit konnte ein von Trump ausgelöster Krieg gegen den Iran nur knapp vermieden werden.

In Wirklichkeit neigt er – abgesehen von Wahlkampfzeiten – instinktiv dazu, Krieg und Gewalt zu befürworten: Trump hat den Irakkrieg unterstützt, bevor er erkannte, dass es politisch vorteilhafter ist, ihn zu kritisieren; er hat den Sturz der libyschen Regierung befürwortet, bevor er mehrfach seine Meinung zu dieser Frage änderte; und sein erster Impuls, als Russland in die Ukraine einmarschierte, war, dass die USA gegenüber Moskau die Atom-Muskeln spielen lassen müssten. Er war auch stets für einen Krieg gegen den Iran, bis er sich dieses Jahr kurzzeitig dagegen aussprach.

Kriegslüsterne Regierung, kriegslüsterne Opposition

Trump konnte mit seiner Scharade, den Antikriegspräsidenten zu mimen, auch dank einer schwachen Opposition davonkommen. Nach zehn Jahren Erfahrung mit Trump hat die Demokratische Partei immer noch keine Strategie gegen ihn, außer sich als noch härter und kriegslüsterner darzustellen. Das hat Trump die Möglichkeit geboten, sich zynischerweise als Kriegsgegner zu gerieren und die Demokraten bei mehreren Wahlen zu düpieren.

Demokratische Führungspersönlichkeiten wie Chuck Schumer haben Trump aktiv zum Krieg angestachelt sowie Lügen propagiert, mit denen israelische Regierungsvertreter ihn zum Kriegseintritt bewegen wollten. Während Trump sich auf den Angriff vorbereitete, haben die meisten anderen prominenten Demokraten geschwiegen. Nur ein paar Dutzend gewählte Vertreter der Partei haben sich einer parteiübergreifenden Initiative für eine Resolution angeschlossen, die ihn vielleicht noch hätte stoppen können.

Die jüngsten Ereignisse und das blutige Chaos, das folgen dürfte, sind Trumps Krieg, aber auch der Krieg Washingtons. Die Eskalation markiert einen Höhepunkt der vergangenen gut zwei Jahrzehnte, in denen alles, was die breite US-Bevölkerung an den Vorgängen in Washington hasst, zum Ausdruck gekommen ist: Bushs Wahnvorstellungen von einer Neugestaltung des Nahen Ostens in den 2000er Jahren; die von Waffenherstellern finanzierte Lobby für Krieg gegen den Iran; Medien, die Trump glauben gemacht haben, dass militärische Angriffe ein guter Weg zu mehr Ansehen und besseren Beliebtheitswerten sind; und eine Clique von Neokonservativen, die nach ihrem spektakulären Scheitern im Irak zwar nie verschwunden war, sich aber nun wieder in Trumps Gunst geschlichen sowie in die Reihen seiner politischen Opposition eingenistet haben.

Letztlich haben somit mehrere Hände den Abzug gedrückt. Die Eskalation ist nun Fakt. Die Welt muss ihr Bestmögliches geben, um das folgende Chaos zu überstehen. Wenn man an die vergangenen Jahre denkt und daran, dass noch dreieinhalb Jahre dieser Präsidentschaft vor uns liegen, fällt es allerdings schwer, optimistisch zu sein.

Branko Marcetic ist Redakteur bei JACOBIN und Autor des Buchs »Yesterday’s Man: The Case Against Joe Biden«. Er lebt in Chicago, Illinois.