04. April 2023
Die analytische Philosophie wird von Dogmatikern gerne als bürgerliche Theorie abgetan. Der analytische Marxismus hat sich diesen Ansatz hingegen zunutze gemacht, um eine klarsichtige und rigorose Kritik des Kapitalismus zu entwickeln.
Maschinenschlosser in einer Werkshalle in Ostberlin.
IMAGO / Werner SchulzeDas Erbe marxistischer Theorie in diesem und im letzten Jahrhundert ist widersprüchlich. Karl Marx selbst entwickelte eine totalisierende Sicht auf den Kapitalismus als ein globales System, das die sozialen Beziehungen umgestaltet, indem er sich auf die fortschrittlichste Wirtschaftstheorie seiner Zeit und auf Informationen über die Funktionsweise des Kapitalismus des 19. Jahrhunderts stützte, die von bürgerlichen Institutionen gesammelt wurden.
So lieferten etwa die vom britischen Staat seit den frühen 1830er Jahren eingesetzten Fabrikinspektoren, die zwar zahlenmäßig gering und weitgehend machtlos waren, Marx und Engels eine Fundgrube von Daten, ohne die die Entwicklung der empirisch begründeten Argumente des Kapitals unmöglich gewesen wäre. Marx war vom Wert einer mit den Mitteln der wissenschaftlichen Objektivität ausgestatteten Bürokratie so begeistert, dass er den Leiter der Fabrikinspektion, Leonard Horner, als »Kritiker der Fabriken« bezeichnete.
»Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir davon ausgehen, dass die Beachtung individueller Motivation und Rationalität an sich schon liberal oder antimarxistisch ist.«
Die Ironie besteht darin, dass Marx’ eigene pragmatische Auseinandersetzung mit der »bürgerlichen Wissenschaft« von seinen Anhängerinnen und Anhängern häufig abgelehnt wurde. Während linke Ökonomen ein ausgefeiltes Verständnis der Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Rentabilität entwickelten und Philosophinnen ernsthaft über das richtige Gleichgewicht zwischen der Macht der individuellen Freiheit und der Autorität gesellschaftlicher Institutionen nachdachten, schotteten sich dogmatische Marxistinnen und Marxisten oft in theoretischen Ghettos ab. Dort entwickelten sie häufig a priori Erklärungen für wirtschaftliche und soziale Phänomene, die sich eher lose auf die Realität bezogen.
Die marxistische Ökonomin Joan Robinson lieferte die vielleicht schärfste Entgegnung auf diese Form des »Zombie-Marxismus«: »Wenn ich sage, dass ich Marx besser verstehe als Du, dann will ich damit nicht sagen, dass ich den Text besser kenne als Du. Wenn man anfängt, mich mit Zitaten zu konfrontieren, werde ich in kürzester Zeit ratlos sein. […] Was ich meine, ist, dass mir Marx in den Knochen steckt und Du nur verbal auf ihn verweist. [Wenn] wir uns beide eine knifflige Stelle im Kapital vor Augen führen wollen, zum Beispiel die schematische Darstellung am Ende von Band II, was machst Du dann? Du nimmst den Band zur Hand und schlägst es nach. Und was mache ich? Ich schnappe mir die Rückseite eines alten Briefumschlags und arbeite es aus.«
Diese Feindseligkeit gegenüber undogmatischem Denken hat dazu geführt, dass insbesondere zwei zentrale Probleme radikaler Politik – menschliches Handeln und Gerechtigkeit – entweder durch extrem obskure Erklärungen verschleiert wurden, wie in Louis Althussers Theorie der Überdeterminierung, die ein Phänomen erklären soll, das durch eine Vielzahl von Ursachen bestimmt wird, oder als bürgerliche Moralisierung abgetan wurden, das mit dem Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln der Gesellschaft vereinbar sei, wie etwa der Soziologe Dylan Riley behauptet.
Doch diese Einwände verfehlen das eigentliche Problem. Im Laufe des letzten Jahrhunderts entwickelte sich eine Tradition marxistischer Theorie, der analytische Marxismus, der sich parallel zum dogmatischen Denken entfaltete, das in Teilen der Linken noch immer vorherrscht. Der analytische Marxismus versucht, die Komplexität der kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse zu erfassen, wobei er sich wie Marx selbst an den ausgefeiltesten konzeptionellen Werkzeugen der bürgerlichen Ökonomie oder Philosophie bedient. Denn trotz gegenteiliger Behauptungen sind deren Erkenntnisse nach wie vor unverzichtbar für alle, die verstehen wollen, was falsch ist am Kapitalismus, und die einen Weg zu einer gerechteren Gesellschaft finden wollen.
Ein Dogma des linken Denkens besagt, dass der Versuch, die Gesellschaft aus der Perspektive des Individuums zu verstehen, in gewisser Weise die umfangreichen kapitalistischen sozialen Beziehungen mystifiziert. Wenn man eine Analyse des Kapitalismus auf die Interessen, Einstellungen und Verhaltensweisen einzelner Akteurinnen und Akteure stützt, so der Gedanke, verwandelt man eine strukturelle Erklärung des Kapitalismus in etwas, das nicht anspruchsvoller ist als schnöde Marktforschung. Der Versuch, groß angelegte soziale Phänomene wie »Klasse« anhand individueller »Mikrofundamente« zu erklären, wird von Befürwortern und Gegnerinnen gleichermaßen als Anathema des Marxismus dargestellt. Ein solcher Ansatz ist jedoch für jede plausible marxistische Analyse der Klassenbildung unerlässlich.
Tatsächlich versuchten die anspruchsvollsten Analysen über Klasse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nämlich die Schriften von Erik Olin Wright, die Dynamik des Kapitalismus in den Mikrofundamenten des individuellen Handelns zu begründen. Für Wright ist Klasse eine Frage des Verhältnisses zu den Produktionsmitteln (Land, Gebäude, Maschinen und so weiter); dieses Verhältnis bestimmt, welche Art von Einkommen man erzielt und wie man es erzielt. »Was man hat, bestimmt, was man bekommt«, argumentierte Wright, und »was man hat, bestimmt, was man tun muss, um zu bekommen, was man bekommt«.
Kapitalisten müssen Arbeiterinnen einstellen, um Waren zu produzieren, die sie dann auf dem Markt verkaufen; der Gewinn ist das, was nach der Bezahlung der Produktionskosten (einschließlich der Löhne) übrigbleibt und den Kapitalistinnen ihr Einkommen sichert. Arbeiter müssen ihre Arbeitskraft natürlich für Lohn verkaufen, der ihr Einkommen ausmacht, von dem sie leben müssen. Da Arbeiterinnen sich nur reproduzieren können, wenn sie einen Lohnvertrag unterzeichnen, sind sie Ausbeutung und Herrschaft unterworfen. Ihr Verhältnis zu Unternehmern ist daher grundlegend antagonistisch. Das Entscheidende an Wrights Theorie ist, dass er mit Hilfe eines vermeintlich »bürgerlichen« soziologischen Konzepts eine Gesellschaftstheorie entwickelte, die sich gegen eine der wichtigsten Grundannahmen der liberalen Ökonomie wendet, nämlich die Behauptung, dass Arbeiter den Arbeitsvertrag freiwillig eingehen.
Klasse, wie Wright sie verstand, ist ausschließlich eine Frage der Interessen, Einstellungen und des Verhaltens einzelner Akteure. Die Realität kapitalistischer Ausbeutung und Beherrschung ergibt sich daraus, dass Individuen, die im Besitz der Produktionsmittel sind, Macht über diejenigen ausüben, die diesen Besitz nicht haben, was systematische Folgen für die einzelnen Mitglieder jeder Klasse hat.
Wrights rigoroser – oder, wenn man es abschätzig ausdrücken will, positivistischer – Ansatz zum Verständnis von Klasse half ihm und seinen Mitstreitern wie Adam Przeworski und Jon Elster, dem Marxismus etwas zu geben, was ihm schmerzlich fehlte: eine Theorie darüber, warum es trotz der Proletarisierung der Mehrheit der Gesellschaft nicht zu einer sozialistischen Revolution kam. Ein großer Teil von Wrights Arbeit war der Frage gewidmet, wie man Menschen klassifizieren kann, die nicht in die klassische Dichotomie von Kapital und Proletariat passen und wie man die Folgen einer »widersprüchlichen Klassenposition« nachzeichnen kann.
Die Konsequenzen, die sich aus der Klassenposition ergeben, unterscheiden sich etwas von den Voraussagungen von Marx und vielen seiner früheren Anhänger: Es stimmt nicht, dass sich die Arbeiterinnen und Arbeiter aufgrund des Bewusstseins ihrer gemeinsamen Klassenposition und ihrer gemeinsamen Interessen notwendigerweise organisieren werden, um sich gegen ihre Ausbeutung zu wehren oder gar eine sozialistische Revolution durchzuführen. Auch hier müssen wir auf die Interessen der einzelnen Akteure schauen, um zu begreifen, warum das so ist. Obwohl die Arbeiterinnen ein gemeinsames Interesse daran haben, sich gegen die Kapitalistenklasse zu wehren, gibt es auch viele Hindernisse für kollektives Handeln. Dogmatiker halten es für kontrovers, dass sich Marxistinnen, die an der Klärung der Ursachen für die Untätigkeit der Arbeiter interessiert waren, sogar der theoretischen Werkzeuge der Spieltheorie bedienten – ein Ansatz, der von der Rüstungsindustrie angewandt wurde, um die Gefahr eines Atomkriegs zu verstehen.
Dieser Zugang ermöglichte es Marxisten, die Hindernisse für den Massenwiderstand der Arbeiterinnen gegen den Kapitalismus näher zu bestimmen. Eines davon ist, dass die Arbeiter für ihren Lebensunterhalt (und den ihrer Familien) auf eine feste Anstellung angewiesen sind; wer sich gegen die Chefin organisiert, riskiert, entlassen zu werden. Ein weiteres Problem ist das in der Spieltheorie viel diskutierte Trittbrettfahrerproblem: Einzelne profitieren von kollektiven Maßnahmen, auch wenn sie sich selbst nicht an den Bemühungen beteiligen. Das schafft einen Anreiz dafür, sich vor der Verantwortung zu drücken und andere die Lasten tragen zu lassen. Die Gefahr ist jedoch, dass die kollektiven Bemühungen scheitern, wenn sich genügend Menschen genau so verhalten. Trotz ihrer gemeinsamen Klasseninteressen sollten wir davon ausgehen, dass kollektiver Widerstand gegen den Kapitalismus eher eine Ausnahme als ein typischer Zustand ist, wie der Soziologe Vivek Chibber in seinem Buch The Class Matrix argumentiert hat, das zum Teil die Ideen seines Mentors Wright weiterentwickelt.
Sozialistinnen und Sozialisten müssen sich mit diesen Problemen ernsthaft auseinandersetzen, statt sich hinter verworrenen Erklärungen zu verstecken, die Widerstand auf eine voluntaristische Weise begreifen. Ohne Beachtung der Struktur der kapitalistischen Gesellschaft und der Anreize und Zwänge, die diese Struktur für die einzelnen Akteurinnen und Akteure schafft, werden wir nicht in der Lage sein, das jahrzehntelange Schrumpfen der Gewerkschaften umzukehren und die Bewegung der Arbeiterklasse wiederzubeleben. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir davon ausgehen, dass die Beachtung individueller Motivation und Rationalität an sich schon liberal oder antimarxistisch ist oder wenn wir vermeintlich bürgerliche Theorien als grundsätzlich prokapitalistisch abtun.
Eine ähnlich reflexhafte Abneigung findet sich in sozialistischen Reaktionen auf die Moralphilosophie. Explizite Versuche, über Gerechtigkeit, Recht und Unrecht und das gute Leben zu theoretisieren, stoßen oft auf den Einwand, dass die Ausarbeitung Visionen für die Zukunft einer Analyse der kapitalistischen Ausbeutung im Weg stehe.
Aber Sozialistinnen und Sozialisten brauchen moralische Prinzipien, die sie beim Aufbau einer Zukunftsvision anleiten. Wir müssen in der Lage sein, anderen zu erklären, wie und warum diese Vision der Zukunft moralisch wünschenswert ist. »Eine sozialistische Konzeption von Gerechtigkeit muss den Menschen gute Gründe für ein großes existenzielles Wagnis liefern: Warum sollten sie alles auf die Überwindung des Kapitalismus setzen?«, argumentiert die Philosophin Lillian Cicerchia. Angesichts der damit verbundenen Risiken und der Ungewissheit des Ziels muss sich die Linke im Interesse der anderen und in unserem eigenen Interesse darüber klar werden, was bei unserem Projekt einer grundlegenden Umgestaltung der Gesellschaft moralisch auf dem Spiel steht. Es ist kein Wunder, dass G. A. Cohen, der sich mit der akribischen und gründlichen Rekonstruktion der Marxschen Theorie des historischen Materialismus einen Namen gemacht hat, den größten Teil seiner späteren Karriere damit verbrachte, moralische Argumente für und gegen Kapitalismus und Sozialismus zu bewerten.
»Ohne Beachtung der Zwänge und Anreize, die der Kapitalismus für einzelne Akteure schafft, werden wir nicht in der Lage sein, die Bewegung der Arbeiterklasse wiederzubeleben.«
Die Notwendigkeit einer Moralphilosophie anzuerkennen, bedeutet, sich die Mühe zu machen, moralische Behauptungen und Argumente sorgfältig auf ihre eigenen Vorzüge hin zu überprüfen. Leider hält ein Großteil der Arbeiten, die an den Philosophie-Fakultäten produziert werden, einer Überprüfung nicht stand, um es vorsichtig auszudrücken. Auch für die Linke sind sie nicht von großem praktischem Nutzen. Dennoch sollten wir uns vor reflexhaftem Widerstand gegen philosophische Ansätze hüten, die sich auf Ideen stützen, die als »liberal« erachtet werden. Dieser Reflex kann ein angemessenes Verständnis von Denkerinnen und Denkern verhindern, die nützliche Beiträge zum sozialistischen Denken liefern können, obwohl sie nicht explizit der Linken angehören.
Ein typisches Beispiel für diese Ablehnung findet sich in Christoph Schuringas Kritik der analytischen Philosophie. Schuringa behauptet, der Klassiker Eine Theorie der Gerechtigkeit des politischen Philosophen John Rawls sei »eine erweiterte Apologie des amerikanischen Liberalismus«. Doch nur weil sich Liberale Rawls’ Ideen zu eigen gemacht haben, bedeutet das nicht notwendigerweise auch, dass dass dieselben Ideen einer sozialistischen Politik feindlich gegenüberstehen. Eine aufmerksame Beschäftigung mit Rawls offenbart, dass er davon überzeugt war, dass eine gerechte Gesellschaft bei der Umverteilung von Reichtum und Macht nach egalitären Gesichtspunkten weiter gehen würde als die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten.
Darüber hinaus hielt er den »real existierenden« Kapitalismus, selbst die relativ humane Nachkriegsvariante, für moralisch inakzeptabel. Die jeweilige Geschichte einer Gesellschaft und eine empirische Bewertung der konkreten Folgen verschiedener institutioneller Arrangements sei ausschlaggebend dafür, ob die Gerechtigkeit entweder das erfordere, was er als »Eigentumsdemokratie« bezeichnete, in der das Privateigentum zwar erlaubt, aber radikal gestreut sei, um große Vermögenskonzentrationen zu verhindern, oder einen marktwirtschaftlichen Sozialismus, der die individuellen Rechte auf freie Meinungsäußerung und politische Beteiligung schütze.
Diese Fehleinschätzung von Rawls ist vielleicht auf eine grundlegendere und weit verbreitete Fehleinschätzung seiner Prämissen zurückzuführen. Schuringa wirft dem Autor von Eine Theorie der Gerechtigkeit vor, »die zentrale Einsicht zu ignorieren, die der Marxismus, die Critical Race Theory, der Feminismus und andere Kritikerinnen und Kritiker der sozialen Ordnung« Liberalen einzutrichtern versucht haben, nämlich »dass Machtverhältnisse den Markt [der Ideen] strukturieren, bevor irgendjemand ihn überhaupt betreten hat«. Anstatt die Machtverhältnisse zu ignorieren, ist die Anerkennung der ungleichen Verteilung von Macht eine grundlegende Prämisse der politischen Theorie von Rawls.
Die Theorie soll die Gerechtigkeitsprinzipien formulieren, die die Grundstruktur der Gesellschaft bestimmen. Der Grund dafür, dass sich Rawls auf die Grundstruktur konzentriert, ist, dass er der Auffassung war, dass in dieser Struktur verschiedene soziale Positionen angelegt seien. Menschen, so Rawls, würden in verschiedene Positionen hineingeboren und hätten unterschiedliche Erwartungen an das Leben, die zum Teil durch das politische System und die wirtschaftlichen und sozialen Umstände bestimmt werden würden.
Das Ziel von Rawls’ Gerechtigkeitstheorie ist es also, Grundsätze zu formulieren, die erklären, ob, wann und wie grundlegende Ungleichheiten von Macht und Privilegien gerechtfertigt werden können. Tatsächlich ist das letzte Drittel von Eine Theorie der Gerechtigkeit der Frage gewidmet, wie sich verschiedene Arten von Grundstrukturen auf die psychologische Entwicklung ihrer Mitglieder auswirken und so die soziale Stabilität sichern (oder nicht sichern).
»Wenn wir uns das Beste, was die bürgerliche Theorie zu bieten hat, zu eigen machen, können wir erklären, was wir an der heutigen Gesellschaft moralisch verwerflich finden.«
Dies ist der Punkt des berüchtigten Gedankenexperiments »Schleier der Unwissenheit«, in dem Rawls uns dazu auffordert, uns die Grundsätze vorzustellen, die wir uns für die Gesellschaft wünschen würden, ohne zu wissen, welchen Platz wir darin einnehmen könnten. Dieses Gedankenexperiment hat wahrscheinlich mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit darüber geschaffen, was genau Rawls damit bezwecken wollte. Der Grundgedanke war jedoch, dass die wichtigsten Institutionen einer Gesellschaft für alle gleichermaßen vertretbar sein sollten, unabhängig vom Zufall der Geburt oder den idiosynkratischen Vorstellungen des Einzelnen vom Guten – etwa dem religiösen Glauben einer Person oder ihren kreativen oder künstlerischen Bestrebungen. Es überrascht daher nicht, dass Rawls am Ende argumentiert, der kapitalistische Status quo sei ungerecht, oder dass linke Denker auch heute noch starke antikapitalistische Argumente in seinem Werk finden.
Einer der meistzitierten Sätze von Marx aus seinen Thesen über Feuerbach lautet: »Die Philosophen haben die Welt bisher nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern.« Wir sollten dieses Diktum nicht dahingehend interpretieren, dass wir das klare und systematische Denken über die Gesellschaft völlig aufgeben. Vielmehr sollten wir fragen, welcher theoretische Ansatz Sozialistinnen und Sozialisten heute helfen wird, die Welt zu verändern.
Dieser Ansatz sollte imstande sein, die mystifizierenden Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft zu durchdringen, und gleichzeitig alle theoretischen Werkzeuge nutzbar machen, die diese Gesellschaft hervorgebracht hat. Letzteres nicht zu tun, würde eher einen intellektuellen Rückschritt als einen Fortschritt bedeuten.
Wenn wir uns das Beste, was die »bürgerliche« Theorie und Philosophie zu bieten hat, zu eigen machen, können wir erklären, was wir an der heutigen Gesellschaft moralisch verwerflich finden, und eine ansprechende Vision einer besseren Welt anbieten. Um dieses Projekt voranzutreiben, werden die Erkenntnisse der analytischen Philosophie und des analytischen Marxismus für den Aufbau der emanzipatorischen Theorie, die wir brauchen, von wesentlicher Bedeutung sein.
Nick French ist Redaktionsassistent bei JACOBIN.