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23. September 2025

Warum ein AfD-Verbot keine gute Strategie ist

Die Forderung nach einem AfD-Verbot übersieht, dass Macht nicht allein in den Parlamenten liegt. Autoritäre Tendenzen gründen in sozialer Entsolidarisierung und müssen mit materiellen Verbesserungen an den Arbeitsplätzen und Wohnorten angegangen werden.

Im Mai gingen Tausende für ein AfD-Verbot auf die Straße.

Im Mai gingen Tausende für ein AfD-Verbot auf die Straße.

IMAGO / Markus Matzel

Die Diskussion um ein Verbot der AfD erfährt in der öffentlichen Debatte spürbar Auftrieb. Die Verbotsforderung wird etwa von Antifagruppen, der Kirche und auch Vertreterinnen und Vertretern fast aller größerer Parteien erhoben. So unterschiedlich die Motive im Einzelnen auch sind, die Befürworterinnen und Befürworter eint die Hoffnung, dadurch die extreme Rechte zu schwächen.

Die aktuelle Kampagne »AfD-Verbot Jetzt!«, die auf eine Initiative aus dem linken Spektrum von Sea Watch über Attac bis VVN-BdA zurückgeht, scheint gerade zum Common Sense zu avancieren, verfolgt man die Debatte in weiten Teilen der deutschen Medienlandschaft. Wir halten die Forderung nach einem Verbot allerdings für bedenklich, und zwar nicht, weil uns die AfD harmlos erscheint. Ganz im Gegenteil: Wie zahlreichen anderen Ländern droht auch Deutschland künftig eine autoritäre Regierung.

Doch auch wenn ein AfD-Verbot auf den ersten Blick überzeugend erscheint, möchten wir die Vorstellung hinterfragen, die Partei lasse sich durch juristische Mittel marginalisieren. Einerseits übersieht sie unseres Erachtens, dass gesellschaftliche Macht nicht allein in den Parlamenten liegt, sondern sich auch zentral in Auseinandersetzungen in Betrieben, Nachbarschaften und in Alltagskulturen ausdrückt. Andererseits ist auffällig, dass in der Debatte um das Verbot die Ursachen für den Aufstieg der Rechten häufig ausgeblendet werden.

Wir befürchten, dass ein Parteiverbot vielmehr die Selbstinszenierung der AfD als »verfolgte Opposition« stärken, reaktionären Kräften ideologischen und organisatorischen Vorschub leisten und unter Umständen zur Konsolidierung rechter Positionen beitragen könnte. Ein Verbot birgt somit im schlimmsten Fall die Gefahr, zum Katalysator für rechte Mobilisierung zu werden.

Wie das NSDAP-Verbot nach hinten losging

Der Versuch, reaktionäre Parteien auf juristischem Weg zu bekämpfen, wurde in der deutschen Geschichte bereits unternommen: Nach dem gescheiterten Hitler-Putsch 1923 wurde die NSDAP in der Weimarer Republik zeitweise verboten. Statt zu einer nachhaltigen Schwächung zu führen, eröffnete das Verbot der Partei jedoch paradoxerweise die Möglichkeit zur Selbstkonsolidierung: Führungsstrukturen wurden zentralisiert, interne Konflikte und Richtungsstreits ausreichend befriedet und die Propaganda professionalisiert.

Nach ihrer Wiedergründung 1925 setzte die NSDAP stärker auf Disziplin und strategisch-ideologische Einheitlichkeit nach außen. Sie verlagerte den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten unter anderem auf den Ausbau von Vorfeldverbänden und die Etablierung einer straff organisierten Parteidisziplin. Fortan konnte sie wesentlich gefestigter auftreten und war in der Lage, parlamentarische Arbeit mit außerparlamentarischer Gewalt zu kombinieren.

»Die NSDAP agierte nicht im gesellschaftlichen Vakuum, sondern profitierte davon, dass Wirtschafts- und Staatskrisen, autoritäre Tendenzen im Kleinbürgertum und Repräsentationslücken politisch unbearbeitet blieben.«

Auch wenn historische Situationen nie eins zu eins vergleichbar und die Bedingungen heute in Teilen ganz andere sind, bleibt das Grundproblem ähnlich: Ein Parteienverbot verengt Politik auf das parlamentarische Tagesgeschäft und blendet die Ursachen des Rechtsrucks aus. Die NSDAP agierte nicht im gesellschaftlichen Vakuum, sondern profitierte davon, dass Wirtschafts- und Staatskrisen, autoritäre Tendenzen im Kleinbürgertum und Repräsentationslücken politisch unbearbeitet blieben. Auch heute bilden klassenspezifische Verteilungskonflikte, soziale Polarisierungen und Repräsentationsdefizite den Nährboden, auf dem rechte Bewegungen wachsen.

Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass juristische Mittel zur Eindämmung des Rechtsrucks sinnvoll sein könnten – etwa die Möglichkeit, Funktionstragenden der Partei das passive Wahlrecht zu entziehen, um zumindest dem rechtsradikalen Parteiflügel das Wasser abzugraben. Doch wie Sebastian Friedrich zuletzt argumentiert hat, bleibt auch hier unklar, inwiefern dies nicht lediglich zu einer Mäßigung in der Rhetorik potenziell betroffener Mitglieder führen könnte, ohne dass sich tatsächlich substanziell etwas an deren politischer Position ändern würde.

Was wird aus den AfD-Wählern?

Auch wenn ein Verbot der AfD die organisatorischen Strukturen und finanziellen Ressourcen schwächen würde, sollten die politischen Risiken diskutiert werden: Wer versucht, eine breit verankerte Partei juristisch aus dem Parlament zu drängen, läuft Gefahr, große Teile ihrer Wählerschaft noch weiter von demokratischen Institutionen zu entfremden und rechte Kräfte zu mystifizieren, zu radikalisieren und langfristig zu stärken.

In Sachsen verfehlte die AfD bei der letzten Landtagswahl nur knapp die absolute Mehrheit. In einigen Wahlkreisen, wie Bautzen I, stimmte fast die Hälfte der Bevölkerung für sie. Unter männlichen Wählern lag ihr Stimmenanteil landesweit bei 43 Prozent. Auch in strukturschwachen, ärmeren westdeutschen Regionen wie Gelsenkirchen oder Kaiserslautern hat die AfD bei der letzten Bundestagswahl die meisten Zweitstimmen gewonnen. Diskutiert man über ein Parteiverbot, gilt es mitzudenken, dass es sich nicht um eine militante Kleinstpartei handelt, sondern dass in einigen Regionen Deutschlands bereits eine rechte Hegemonie existiert.

Wenn Teile der CDU und SPD, die in den vergangenen Jahren erhebliche Stimmenverluste an die AfD hinnehmen mussten, nun ein Verbot fordern, wirkt das wie ein Eingeständnis der eigenen politischen Ohnmacht. Denn auch wenn sich argumentieren ließe, das Verbotsverfahren sei parteipolitisch neutral, ist kaum von der Hand zu weisen, dass die öffentliche Debatte um das Verbot zum Gegenstand des parteipolitischen Ringens um Mehrheiten geworden ist. So sind sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und SPD-Chef Lars Klingbeil scheinbar lediglich uneinig darüber, ob das Verbot ein adäquates Mittel darstellt, um die AfD als Partei »kleinzukriegen«. Entscheidender wäre jedoch die Frage, wie der tieferliegenden gesellschaftlichen Polarisierung begegnet werden kann, die im Erfolg der AfD ihren parteipolitischen Ausdruck findet.

»Einzelpersonen, Netzwerke und ideologische Milieus lassen sich nicht per Gerichtsbeschluss auflösen.«

Dabei fällt in der aktuellen Debatte auf, dass kaum diskutiert wird, was nach dem Verbot eigentlich mit der Wählerschaft passieren soll. Dabei wird nicht nur der Fehler begangen, die Parteiführung der AfD mit ihren Wählerinnen und Wählern gleichzusetzen; auch lässt sich fragen, wie die Reaktionen in den Regionen aussehen werden, in denen die Partei längst fest verankert ist. Die Vorstellung, ein Verbot werde sie zur CDU oder SPD zurückführen, erscheint zumindest unwahrscheinlich.

Stattdessen könnte ein AfD-Verbot das rechte Narrativ befeuern, dass abweichende Meinungen nicht mehr artikuliert werden dürften. Auch innerhalb staatlicher Institutionen, in denen AfD-nahe Einstellungen verbreitet sind – in der Polizei, der Bundeswehr oder dem Verfassungsschutz – ist nicht zu erwarten, dass ein Verbot der Verbreitung dieser Positionen Einhalt gebieten würde. Die Corona-Proteste zeigten schon, dass Teile der Bevölkerung bereit sind, staatliche Verbote zu ignorieren. Angesichts der sich zunehmend vertiefenden politischen Entfremdung von der parlamentarischen Demokratie könnten sich ehemalige AfD-Wählerinnen und Wähler unter Umständen sogar radikaleren Parteien und außerparlamentarischen Gruppierungen zuwenden. Daher besteht die Gefahr, dass das Verbot einer Radikalisierung außerhalb institutioneller Strukturen den Boden bereiten könnte.

Die Rechte ist größer als die AfD

Das Argument, ein AfD-Verbot könne den organisierten Aufbau der extremen Rechten empfindlich stören, ist zwar nachvollziehbar – schließlich stellt die Partei bislang tatsächlich eine gewisse Plattform dar, über die rechte Kräfte Strukturen aufbauen können. Doch ob ein Verbot diese Dynamik tatsächlich bricht, ist fraglich. Im erweiterten rechten und rechtsextremen Spektrum gibt es seit Jahren immer wieder Diskussionen darum, ob die Partei das geeignete Sammelbecken für die Rechte in Deutschland ist. Ein Verbot könnte radikaleren rechten Akteuren die Gelegenheit bieten, die eigenen Organisationsformen zu stärken, während moderatere Kräfte in Think-Tanks, Medienprojekten oder gar in einer neuen Parteigründung Anschluss suchen könnten.

So würden die bestehenden AfD-Strukturen zwar geschwächt, doch rechte und rechtsextreme Positionen könnten sich einfach neue Wege bahnen – gerade weil diese längst nicht auf die AfD als Partei beschränkt sind. Einzelpersonen, Netzwerke und ideologische Milieus lassen sich nicht per Gerichtsbeschluss auflösen. Warum sollten zudem Spenden, die aktuell an die AfD fließen – zum Beispiel die 1,5 Millionen Euro vom Unternehmer Winfried Stöcker im vergangenen Bundestagswahlkampf –, nach einer Auflösung der Partei nicht einfach in andere rechte Gruppierungen umgelenkt werden?

»Dort, wo niedrige Einkommen mit steigenden Mieten kollidieren, ist die Zustimmung zur AfD besonders hoch.«

Die Hoffnung, das Verbot könne eine gesellschaftliche »Signalwirkung« entfalten, verkennt die politische Realität. Die AfD adressiert ein breites Spektrum sozialer Ängste, die auf reale Verunsicherungen verweisen: etwa im Hinblick auf (sozio-)ökonomische Unsicherheit, wachsende soziale Ungleichheit, Kriegsgefahr und Abstiegsängste. Hiervon zeugt auch der Umstand, dass gerade Arbeitslose und Arbeitende überdurchschnittlich die AfD wählen. Dabei wählen fast alle AfD-Anhänger die Partei nicht trotz, sondern wegen ihrer menschenfeindlichen Positionen, insbesondere in der Migrationspolitik. Ähnliches gilt für die immer populärer werdende Incel-Kultur, die Ausdruck einer zunehmenden Misogynie ist, die die AfD etwa in Person von Maximilian Krah bedient.

Die AfD fasst ein heterogenes Spektrum von wirtschaftsliberalen Nationalkonservativen bis hin zu offen völkischen Kräften zusammen. Diese Vielschichtigkeit wird von der AfD autoritär gebündelt – nicht unbedingt ideologisch kohärent, aber wirksam. Jedoch wirkt sie nicht nur als Auffangbecken, sondern auch als Radikalisierungsmaschine. Indem sie nationalistische und autoritäre Positionen normalisiert, trägt sie aktiv zur Verfestigung regressiver Haltungen bei. Insofern drängt die Zeit, etwas gegen die AfD zu tun.

Ob man will oder nicht: Die ehemaligen »Volksparteien« haben die Aufgabe, die Wählerinnen und Wähler der AfD zurückzugewinnen. Dies gelingt aber nicht, indem sie sie verbieten oder Forderungen und Parolen der AfD übernehmen. Tatsächlich ist die bürgerliche Mitte in einem atemberaubenden Tempo nach rechts gerückt, wie Ingar Solty vor Kurzem dargestellt hat. Der Liberalismus droht selbst autoritäre Tendenzen anzunehmen. Doch weder die restriktive Migrations- noch die Aufrüstungspolitik haben die AfD gebremst, wie etwa neue Umfragen in Sachsen-Anhalt zeigen. Da die strukturellen Ursachen des AfD-Aufstiegs nicht angegangen werden, führt dies dazu, dass rechte Mehrheiten eher wachsen als kleiner werden – auch ohne aktive Rolle der AfD.

Statusverlust und Überforderung

Der Aufstieg rechter Parteien ist Ausdruck gesellschaftlicher Verschiebungen, die sich nicht verbieten lassen. Wer autoritäre Tendenzen wirksam bekämpfen will, muss sich mit ihren Ursachen auseinandersetzen, insbesondere der sozialen Spaltung, politischen Entfremdung und gesellschaftlichen Entsolidarisierung.

In einer Studie zu rechten Wählern und Wählerinnen Donald Trumps zeigt die Soziologin Arlie Russell Hochschild, wie ökonomischer Strukturwandel, kulturelle Verunsicherung und subjektiv empfundener Statusverlust miteinander verschränkt sind. Diese Diagnose lässt sich teilweise auch auf hiesige Verhältnisse übertragen: Insbesondere dort, wo Abwanderung, marode Infrastrukturen und Arbeitslosigkeit unter anderem infolge von Strukturwandel und Deindustrialisierung das Leben prägen, entstehen Hochburgen der Rechten. Da ostdeutsche Gegenden im Vergleich zu Westdeutschland von diesen Prozessen häufiger betroffen sind, erklärt dies auch zu einem gewissen Grad die dort höheren Zustimmungswerte zur AfD.

Zwar führt rechte Politik kaum zu einer raschen, nachhaltigen und umfassenden Verbesserung dieser ökonomischen Situation, aber sie bietet eine symbolische Aufwertung derjenigen, die sich als abgehängt begreifen: Sie verspricht, den sozialen Abstieg durch die Abwertung anderer – etwa Migrantinnen und Migranten – zu kompensieren. Diese Dynamik hat somit eine materielle Dimension. Eine Studie der Sozialforscher Tarik Abou-Chadi, Denis Cohen und Thomas Kurer zeigt zum Beispiel: Dort, wo niedrige Einkommen mit steigenden Mieten kollidieren, ist die Zustimmung zur AfD besonders hoch. Aber nicht nur der Wohnungsmarkt, auch lange Wartezeiten bei Ärzten und Ärztinnen, überfüllte Schulen oder schlechte ÖPNV-Anbindung verstärken die Wahrnehmung von Verknappung.

Der aktuell stattfindende industrielle Arbeitsplatzabbau, etwa in der Autoindustrie oder in der Braunkohleförderung, erinnert in vielen Regionen Ostdeutschlands an die einschneidenden Erfahrungen des abrupten Strukturwandels nach 1990. Die Angst vor einem (erneuten) sozialen Abstieg ist mitunter tief im kollektiven Gedächtnis verankert. Auch der durch KI beschleunigte fundamentale Strukturwandel könnte in Zukunft die Arbeitslosigkeit weiter vorantreiben. Hinzu kommt, dass die Folgen des Klimawandels längst im Alltag vieler Menschen spürbar werden und auch Krieg wieder eine reale Gefahr darstellt.

»Der Verlust ehemaliger Wählerschaften an die AfD ist auch Folge einer Politik, die gesellschaftliche Umbrüche nur marktwirtschaftlich verwaltet.«

Der gesellschaftliche Rechtsruck ist dabei Ausdruck sich überlagernder Krisendynamiken des kapitalistischen Systems, die politisch zunehmend autoritär bearbeitet werden. Die Konkurrenzen um knapper werdende Ressourcen oder steigende Kosten für den wirtschaftlichen Umbau werden von den Rechten genutzt, um gegen geflüchtete und migrierende Menschen, Queers oder Sozialhilfeempfänger zu hetzen.

Wenn nun Vertreterinnen und Vertreter von CDU, SPD oder den Grünen ein Parteiverbot fordern, lenkt das – ob bewusst oder unbewusst – von den eigentlichen Ursachen des Rechtsrucks ab. In den vergangenen Jahren hat sich das Vermögen in immer weniger Händen konzentriert, während für große Teile der Bevölkerung die Reallöhne gesunken sind, die Lohnunterschiede zwischen Ost und West immer weiter zunehmen und der Sozialstaat zusehends kaputtgespart werden soll. Eine Generation wächst heran, deren Zukunftsperspektive schlechter ist als die ihrer Eltern. Ökonomische Aufstiegshoffnungen scheinen kaum noch vorhanden.

Die selbsternannten Mitte-Parteien, die nun die AfD als Gefahr für die Demokratie ausmachen, haben diese Entwicklungen politisch mitzuverantworten. Der Verlust ehemaliger Wählerschaften an die AfD ist auch Folge einer Politik, die gesellschaftliche Umbrüche nur marktwirtschaftlich verwaltet.

Politische Gegenstrategien 

Uns scheint vor diesem Hintergrund ein unbequemer Realismus notwendig: Bei der AfD, und dem politischen Rechtsruck insgesamt, handelt es sich um kein vorübergehendes gesellschaftliches Phänomen. Der Kapitalismus steckt in einer tiefen Krise. Der Rechtsruck ist ein Ausdruck dessen, insofern Teile der Bevölkerung ihre nationalstaatlichen Vorrechte und zentrale Kapitalfraktionen ihr Interesse verteidigen, auf Kosten des Planeten und der Menschheit enorme Gewinne zu erzielen. Aufgrund dieser grundlegenden konfliktiven Konstellation werden wir in den nächsten Jahren mit einer Dominanz rechter Strömungen konfrontiert sein. Das macht es notwendig, kurzfristige und langfristige Gegenstrategien zu diskutieren.

Zunächst müssen wir uns mit der Gefahr einer Regierungsübernahme auf Länderebene auseinandersetzen, und fragen, wie vulnerable Gruppen und linke Strukturen in betroffenen Regionen geschützt werden können. Erfahrungen aus Ländern wie Ungarn, El Salvador oder den USA zeigen: Zivilgesellschaftliche Akteure, die auf staatliche Fördermittel angewiesen sind, werden schnell zu Angriffszielen autoritärer Regime, die ihre Finanzierung erschweren oder blockieren. Wenn es zu autoritären Machtübernahmen kommt, sind unabhängige Medien, eine kritische Öffentlichkeit und robuste juristische Institutionen unverzichtbar.

Angesichts dieser bedrohlichen Zukunft mag ein AfD-Verbot wie ein entschlossener Schritt wirken und vielleicht sogar als die letzte Hoffnung erscheinen, eine autoritäre Regierungsübernahme zu verhindern. Doch es könnte sich als kurzsichtig und sogar gefährlich erweisen, juristisch und damit in letzter Konsequenz ordnungspolitisch ein tief sitzendes gesellschaftliches Problem lösen zu wollen, das mit den sich zuspitzenden Widersprüchen im Kapitalismus verknüpft ist. Rechte Positionen würden auch nach einem Verbot von weiten Teilen der Bevölkerung vertreten werden. Die Erfahrung eines Verbots würde einen Großteil der AfD-Wählerinnen und Wähler weiter politisieren und damit radikalisieren. Es braucht daher unbedingt eine Diskussion darüber, was mit der AfD-Wählerschaft geschehen soll und wie man sie zukünftig erreichen will.

»Es braucht einen massiven Ausbau der sozialen Infrastruktur – von medizinischer Versorgung über öffentlichen Nahverkehr, Wohnraum und Bildungseinrichtungen bis hin zu Begegnungsräumen, insbesondere in ländlichen Regionen.«

Weder moralische Appelle noch Verbote werden rechtes Gedankengut eindämmen. Auch politische Bildung wirkt höchstens präventiv – überzeugte AfD-Anhängerinnen und Anhänger erreicht sie nicht. Rechte Ideologien sind stabil, da sie Menschen Orientierung geben, Zugehörigkeit stiften und einfache Erklärungen für komplexe Probleme liefern können. Sie sprechen damit emotionale und soziale Bedürfnisse an, die andernorts kein Ventil zu finden scheinen.

Um rechte Ideologien einzudämmen, ist es nicht nur wichtig, ihre Funktion zu verstehen, sondern sich auch über ihre Quellen klar zu werden. Die von ihnen produzierten Deutungsrahmen sind in kollektiven Erfahrungen, historischen Narrativen und sozialen Praktiken verwurzelt. Dabei entstehen die Weltbilder im Wechselverhältnis mit sozio-ökonomischen Bedingungen. Während wir wenig Einfluss auf die Vergangenheit oder die in manchen Milieus dominanten Erzählweisen haben, können wir die materiellen Grundlagen jedoch so umgestalten, dass das Bedürfnis nach mehr Sicherheit, Anerkennung und Perspektive befriedigt wird.

Wer dem rechten Kulturkampf und seinem Versprechen von Kontrolle und Ordnung etwas entgegensetzen will, muss konkrete Lösungen suchen und formulieren, wie gesellschaftliche Stabilität unter Bedingungen aktueller, sich zuspitzender sozialer Krisen und ökologischen Katastrophen hergestellt werden kann. Aus diesem Grund ist dringend eine politische Neuausrichtung erforderlich. Neben einer demokratischen und ökologischen Transformation der Wirtschaft braucht es eine Abkehr von der profitorientierten Organisierung zentraler Lebensbereiche. Dazu gehört der massive Ausbau der sozialen Infrastruktur – von medizinischer Versorgung über öffentlichen Nahverkehr, Wohnraum und Bildungseinrichtungen bis hin zu Begegnungsräumen, insbesondere in ländlichen Regionen – sowie Antworten auf das Problem der De-Industrialisierung.

Diese Ideen werden aber nur durch eine klassenorientierte Praxis, die an den Erfahrungen der Menschen im Alltag anknüpft, gesellschaftlich mehrheitsfähig. Vor diesem Hintergrund sollten politische Ressourcen vor allem in die Entwicklung einer Politik investiert werden, die am Arbeitsplatz und an den Wohnorten ansetzt. Denn ohne eine materielle Antwort auf reale soziale Spaltungen und gesellschaftliche Umbrüche wird die Rechte weiter an Einfluss gewinnen – mit oder ohne Parteiverbot.

Sarah Uhlmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Fachgruppe Politikwissenschaft an der Universität Kassel.

Janina Puder ist Arbeits- und Wirtschaftssoziologin. Seit 2025 ist sie Gast-Professorin an der TU Cottbus und beschäftigt sich dort mit sozial-ökologischen Transformationskonflikten, Arbeit und Ökologie sowie Klassentheorie. Aktuell forscht sie zum Strukturwandel in der Hafenindustrie.